Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.629/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]                  
8C_629/2016          {T 0/2}    

Urteil vom 16. Januar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Ozan Polatli,
Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung
(Arbeitslosenentschädigung; Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaf vom 9. Juni
2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war vom 1. April 2003 bis 31. Januar 2011 bei der
B.________ AG als Qualitiy Compliance Manager und vom 1. Februar bis 31.
Oktober 2011 bei der C.________ AG als Qualitätsbeauftragter angestellt. Am 15.
September 2011 meldete er sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV)
an, und am 3. Oktober 2011 stellte er einen Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung ab 1. November 2011. Mit Schreiben vom 15. Dezember
2011 eröffnete das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) dem
Versicherten unter anderem, dass die Rahmenfrist zum Leistungsbezug vom 1.
Dezember 2011 bis 30. November 2013 dauere.
Am 8. Juli 2015 verfügte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, dass der
Versicherte mangels eines anrechenbaren Arbeits- und Verdienstausfalls ab 1.
Dezember 2011 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben konnte. Zur
Begründung führte sie an, dass er die am........ im Namen seiner Ehefrau im
Handelsregister eingetragene Firma D.________ AG als faktischer Geschäftsführer
geleitet habe und daher in einem den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung
ausschliessenden Umfang erwerbstätig gewesen sei. Mit einer weiteren Verfügung
vom 9. Juli 2015 forderte sie die für die Kontrollperioden Dezember 2011 bis
Juni 2013 erbrachte Arbeitslosenentschädigung in Höhe von netto Fr. 145'515.85
zurück. Die gegen diese Verfügungen eingereichten Einsprachen wies die
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland mit Entscheid vom 15. Dezember 2015 ab.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft
ab (Entscheid vom 9. Juni 2016).

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland
anzuweisen, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung an ihn auszurichten und
auf eine Rückforderung der ausbezahlten Arbeitslosenentschädigung zu
verzichten; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
A.________ lässt mit einer weiteren Eingabe an seinen Rechtsbegehren
festhalten.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.

2.1.

2.1.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG hat
der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er
vermittlungsfähig ist, das heisst unter anderem, wenn er bereit und in der Lage
ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Das kantonale Gericht hat die dabei
namentlich hinsichtlich der von der arbeitslosen Person beabsichtigten Aufnahme
einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder einer Beschäftigung mit
arbeitgeberähnlicher Stellung ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt.
Gleiches gilt für die Bestimmungen und Grundsätze über die Rückforderung zu
Unrecht ausgerichteter Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 95    Abs.
1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG) und die dazu notwendige
Voraussetzung für ein wiedererwägungsweises Zurückkommen auf die formell
rechtskräftig verfügte oder formlos (zum Beispiel: Taggeldabrechnungen)
erfolgte Leistungszusprechung (Art. 53 Abs. 2 ATSG; vgl. BGE 129 V 110). Darauf
wird verwiesen.

2.1.2. Zu wiederholen ist, dass der Versicherungsträger gemäss      Art. 53
Abs. 2 ATSG auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide
nur zurückkommen kann, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre
Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Voraussetzung einer Wiedererwägung
ist - nebst der erheblichen Bedeutung der Berichtigung -, dass kein
vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung (gemeint ist hiebei
immer auch ein allfälliger Einspracheentscheid) besteht, also nur dieser
einzige Schluss denkbar ist. Dieses Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn
eine Leistungszusprache aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn
massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt worden sind. Ob dies
zutrifft, beurteilt sich nach der bei Erlass der Verfügung bestandenen Sach-
und Rechtslage, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis. Um
wiedererwägungsweise auf eine verfügte Leistung zurückkommen zu können, genügt
es aber nicht, wenn ein einzelnes Anspruchselement rechtswidrig festgelegt
worden ist. Vielmehr hat sich die Leistungszusprache auch im Ergebnis als
offensichtlich unrichtig zu erweisen (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 f. mit
Hinweisen).

2.2. Die Feststellungen des kantonalen Gerichts, die der Beurteilung des
unbestimmten Rechtsbegriffs der zweifellosen Unrichtigkeit zugrunde liegen,
sind tatsächlicher Natur und daher nur auf offensichtliche Unrichtigkeit oder
Unvollständigkeit überprüfbar (vgl. E. 1 hievor; SVR 2008 IV Nr. 53 S. 177 f.,
I 803/06 E. 4.2). Dagegen ist die Auslegung (Konkretisierung) des genannten
Begriffs Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei beurteilt wird (SVR 2011 IV
Nr. 71 S. 213, 9C_994/2010 E. 2).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass sich der Versicherte schon
anlässlich der Anmeldung beim RAV danach erkundigt habe, welche Leistungen die
Arbeitslosenversicherung für den Fall, dass er eine selbstständige
Erwerbstätigkeit aufnähme, erbringen würde. Nach aussen hin, beziehungsweise
gegenüber der die Taggeldleistungen erbringenden Arbeitslosenkasse habe er das
am........ ins Handelsregister eingetragene Unternehmen mit der Firma
D.________ AG als Geschäftsidee der Ehefrau dargestellt. Der Umstand, dass sie
als Inhaberin und Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen worden sei,
hänge mit dem arbeitsvertraglich mit der C.________ AG vereinbarten
Konkurrenzverbot zusammen. Entscheidend seien in diesem Kontext die von der im
Verwaltungsverfahren protokollierten und unterschriftlich bestätigten Aussagen
der Ehefrau vom 3. Juli 2015, wonach sie über die geschäftliche Tätigkeit der
D.________ AG keine Auskünfte habe geben können, weil sie damit nichts zu tun
gehabt habe. Schon damit sei erstellt, dass der Versicherte faktisch das unter
dem Namen der Ehefrau eingetragene Geschäft betrieben habe. Dafür spreche auch
der Umstand, dass er in eigenem Namen eine Geldsumme von über Fr. 100'000.-
investiert habe und ihm nach Aufnahme der operativen Tätigkeit erhebliche
Beträge von der D.________ AG auf sein Bankkonto überwiesen worden seien
(allein im Jahre 2013 über Fr. 100'000.-). Der Einwand, der angestellt gewesene
E.________ habe sämtliche operativen Geschäfte erledigt, treffe nur insofern
zu, als dieser die Arbeiten in den Kanalleitungen vorgenommen habe. Insgesamt
liege eine klare Beweislage dafür vor, dass sich der Versicherte seit Dezember
2011 und damit dem Beginn der geltend gemachten Arbeitslosigkeit voll der
Planung, Gründung, dem Aufbau und Betrieb der Aktiengesellschaft gewidmet und
nie einen ernsthaften Willen zu erkennen gegeben habe, daneben eine
unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben zu wollen. Daher sei über den
gesamten Zeitraum der Rahmenfrist vom 1. Dezember 2011 bis 30. November 2013
betrachtet von einer fehlenden Vermittelbarkeit auszugehen, weshalb die
Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung einer gesetzeswidrigen und damit
zweifellos unrichtigen Leistungszusprechung gleichkomme.

3.2. Was der Beschwerdeführer in Wiederholung der im vorinstanzlichen Verfahren
geltend gemachten Einwände vorbringt, dringt nicht durch. Der Umstand, dass er
den Sachbearbeiter des RAV bereits bei Beginn der Arbeitslosigkeit über die
beabsichtigte Gründung der D.________ AG informierte und die
Verwaltungsbehörden während des Leistungsbezugs nie Zweifel an dessen
Berechtigung hegten, könnte allenfalls in einem Erlassverfahren nach Art. 4
ATSV eine Rolle spielen. Die Frage, ob der Beschwerdeführer die Leistungen in
gutem Glauben empfangen hatte, ist indessen nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Auch das Vorbringen des
Beschwerdeführers, das kantonale Gericht habe in Verletzung des Grundsatzes auf
das rechtliche Gehör und des Willkürverbotes den angestellt gewesenen
E.________, der alle Projekte von der Annahme bis zum Abschluss bei der
D.________ AG ausgeführt habe, nicht befragt, ist nicht stichhaltig. Aus den
Akten ergibt sich, wie die Vorinstanz jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig
festgestellt hat, dass E.________ lediglich ein Angestellter war, der die
anstehenden Kanalarbeiten verrichtete. Dies geht denn auch mit aller
Deutlichkeit aus den protokollierten Angaben des Beschwerdeführers gegenüber
der Öffentlichen Arbeitslosenkasse vom 3. Juli 2015, die von ihm unterzeichnet
wurden, hervor, wonach E.________ trotz Einarbeitungszuschüssen eines
öffentlichen Amtes die Funktion als Projektleiter nicht auszuüben vermochte und
die von ihm nicht erfüllbaren Aufgaben extern eingekauft werden mussten.
Schliesslich ist der Umstand, dass der Sachbearbeiter des RAV bei allen
Coaching-Gesprächen regelmässig gute bis sehr gute Bewerbungsbemühungen sowohl
in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht attestierte, welche
Beurteilungen er mit E-Mail vom 19. August 2015 bekräftigte, nicht einschlägig,
geht es doch allein darum, dass der Versicherte im fraglichen Zeitraum für das
Unternehmen seiner Ehefrau in einem Umfang tätig gewesen war, welcher die
sofortige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Angestellter ausschloss (vgl.
Urteil 8C_342/2010 vom 13. April 2011 E. 3.3 mit Hinweisen).

4. 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Januar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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