Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.627/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_627/2016

Urteil vom 17. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Ausstand),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 11. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 12. Mai 2004 sprach die IV-Stelle des Kantons Solothurn
A.________ ab 1. Oktober 2002 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Am
23. April 2015 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, im Rahmen eines
Revisionsverfahren sei eine psychiatrische Untersuchung erforderlich, wobei sie
als Experten Dr. med. B.________ vorschlug. Nachdem der Versicherte Dr. med.
B.________ als Gutachter abgelehnt hatte, schlug die IV-Stelle nunmehr Dr. med.
C.________ als Experten vor. Mit Verfügung vom 29. Januar 2016 hielt die
IV-Stelle trotz der Einwände des Versicherten an der Person des Dr. med.
C.________ als Gutachter fest und lehnte es gleichzeitig ab, die vom
Versicherten eingereichten Zusatzfragen dem Experten vorzulegen.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 11. August 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, die Sache sei unter Aufhebung des
kantonalen Gerichtsentscheides an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit dieses
nach Vorliegen der Daten, welche den Versicherten zeitgleich in einem Verfahren
vor dem Informations- und Datenschutzbeauftragten des Kantons Solothurn zu
verschaffen versucht, über die vorgebrachten Ausstandsgründe gegen den
vorgesehenen Gutachter neu entscheide. Weiter sei die Beschwerdegegnerin
gerichtlich anzuweisen, die von ihm beantragten Zusatzfragen dem Experten zur
Beantwortung zu übergeben.

In prozessualer Hinsicht verlangt A.________ einerseits die Beiladung des
Informations- und Datenschutzbeauftragten des Kantons Solothurn, andererseits
sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1. 
Hinsichtlich der von dem Beschwerdeführer verlangten Beiladung des
Informations- und Datenschutzbeauftragten des Kantons Solothurn ist nicht
ersichtlich, welches Interesse dieser am Ausgang des vorliegenden Verfahrens
haben könnte. Das Gesuch ist demnach abzuweisen.

2.

2.1. Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor-
und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche
Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual
abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder
Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante
des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren
Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden.
Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen
eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und
Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen
und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und
materiellrechtlicher Natur sein.

2.2. Nach Art. 92 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde ans Bundesgericht gegen
selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und
über Ausstandsbegehren zulässig. Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(Art. 93 Abs. 1 BGG).

2.3. Damit ein Entscheid der Vorinstanz als Endentscheid im Sinne von Art. 90
BGG qualifiziert werden kann, muss er das Verfahren vor der ersten Instanz
abschliessen. Befindet das kantonale Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht
über einen Zwischenentscheid einer unteren Instanz, so stellt der
Rechtsmittelentscheid regelmässig ebenfalls einen Zwischenentscheid dar: Mit
einem solchen Entscheid wird nicht über ein Rechtsverhältnis endgültig
entschieden, sondern nur über einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid.
Anders ist lediglich dann zu entscheiden, wenn durch den Entscheid der letzten
kantonalen Instanz ein Zwischenentscheid der ersten Instanz umgestossen und das
Verfahren vor erster Instanz damit abgeschlossen wird (BGE 139 V 339 E. 3.2 S.
341 mit weiteren Hinweisen).

3. 

3.1. Die Verfügung vom 29. Januar 2016 schliesst das Verfahren nicht ab; sie
ist somit, wie auch der vorinstanzliche Entscheid vom 11. August 2016, als
Zwischenentscheid im Sinne des BGG zu qualifizieren. Der vorinstanzliche
Entscheid betrifft weder die Zuständigkeit noch würde eine Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen. Entgegen den Ausführungen
des Versicherten ist nicht ersichtlich, dass der vorinstanzliche Entscheid,
soweit er die Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer beantragten
Ergänzungsfragen betrifft, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
könnte (vgl. auch SVR 2016 IV Nr. 8 S. 23, 8C_599/2014 E. 3.1). Auf das
entsprechende Rechtsbegehren des Beschwerdeführers ist demnach nicht
einzutreten.

3.2. Auf die Beschwerde ist demgegenüber insoweit einzutreten, als der
vorinstanzliche Entscheid als Entscheid über ein Ausstandsbegehren anzusehen
ist.

4.

4.1. Im Verwaltungsverfahren müssen Personen, die Entscheidungen über Rechte
und Pflichten zu treffen oder vorzubereiten haben, darunter auch
Sachverständige, in den Ausstand treten, wenn sie in der Sache ein persönliches
Interesse haben oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten
(Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 36 Abs. 1 ATSG; vgl. auch Art. 10 Abs. 1 VwVG und Art.
34 BGG i.V.m. Art. 19 VwVG und Art. 58 Abs. 1 BZP; BGE 137 V 210 E. 2.1.3 S.
231).

4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der vorgesehene Gutachter sei
befangen. Der betroffene Gutachter entscheide immer gleich nachteilig zu
Ungunsten der versicherten Personen; die Begutachtung durch ihn sei nicht
ergebnisoffen. Eine systematische Verletzung der Rechte der versicherten
Personen im Begutachtungsprozess würde unter Umständen einen Ausstandsgrund
darstellen (vgl. SVR 2016 IV Nr. 8 S. 23, 8C_599/2014 E. 6.1 f.).

4.3. Zum Beweis seiner Behauptung, der vorgesehene Gutachter entscheide
regelmässig zu Ungunsten der versicherten Person führt der Beschwerdeführer
aus, die IV-Stelle des Kantons Solothurn hätte den Experten in den Jahren 2012
bis 2014 87mal zu einer Begutachtung beigezogen. Eine Auswertung dieser 87
Gutachten im Hinblick darauf, welche Arbeitsunfähigkeiten bescheinigt wurden,
würde die systematische Verletzung der Rechte der versicherten Personen zeigen.
Die entsprechenden Daten würden zwar zur Zeit noch nicht vorliegen, er (der
Versicherte) habe aber vor dem Informations- und Datenschutzbeauftragten des
Kantons Solothurn ein Verfahren auf Herausgabe der entsprechenden Daten
eingeleitet. Indem das kantonale Gericht das Verfahren nicht sistiert habe,
sondern - ohne das Resultat des Datenherausgabeverfahrens abzuwarten - die
Beschwerde direkt abgewiesen habe, habe es das Recht des Versicherten auf
Beweis verletzt.

Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, würde es keinen relevanten
Erkenntnisgewinn bedeuten, wenn bekannt wäre, welche Arbeitsunfähigkeiten der
vorgesehene Experte in den Jahren 2012 bis 2014 für die Beschwerdegegnerin
attestiert hat. Diese Zahlen sind für die vorliegend streitigen Belange bereits
deshalb nutzlos, weil nicht bekannt ist, welche Werte bei einem anderem, aus
der Sicht des Beschwerdeführers neutralen Gutachter zu erwarten wären. Zudem
würde eine statistische Auswertung von lediglich 87 Gutachten auch nicht auf
einer ausreichenden Datengrundlage beruhen, um statistisch valide Werte
ermitteln zu können. Somit durfte die Vorinstanz in zulässiger antizipierter
Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236) auf Weiterungen zu diesem
Thema verzichten.

4.4. Wie das kantonale Gericht weiter zutreffend erwogen hat und vom
Versicherten auch nicht bestritten wird, sind keine andere objektiven Umstände,
welche den Anschein der Befangenheit des vorgesehenen Experten erwecken würden,
ersichtlich. Entsprechend hat das kantonale Gericht kein Bundesrecht verletzt,
als es einen Ausstandsgrund verneint hat; die Beschwerde des Versicherten ist
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.

5. 
Der Beschwerdeführer als unterliegende Partei hat die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit diesem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben