Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.624/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_624/2016

Urteil vom 25. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schultz,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
20. Juli 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1975 geborene gelernte Dachdecker A.________ arbeitete zuletzt bei der
B.________ GmbH. Am 24. Juli 2004 stürzte er von einer rund drei Meter hohen
Leiter auf den Betonboden, nachdem er mit einer unter Strom stehenden Dachrinne
in Berührung gekommen war. Dabei erlitt er multiple Verletzungen. Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher der Verunfallte
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert war, erbrachte die
gesetzlichen Leistungen für dieses Ereignis. Nachdem das Bundesgericht den
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und
den psychischen Beschwerden mit Urteil 8C_584/2010 vom 11. März 2011 bejaht
hatte, gab die SUVA bei Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und
Psychotherapie das Gutachten vom 4. Juli 2013 in Auftrag. Mit Verfügung vom 30.
September 2013, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 5. März 2014, sprach
sie dem Versicherten eine Rente basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100
Prozent und eine Integritätsentschädigung zu.

A.b. Im April 2005 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau zog die Akten der SUVA
bei, welchen unter anderem das psychiatrische Gutachten des Dr. med. D.________
von der Klinik E.________ vom 21. Februar 2008 beilag. Sie gewährte
Berufsberatung, veranlasste berufliche Abklärungen und bewilligte
Arbeitsvermittlung. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2010 sprach die IV-Stelle
A.________ eine für die Dauer vom 1. Juli 2005 bis 28. Februar 2009 und vom 1.
Juli bis 31. Dezember 2009 befristete halbe Invalidenrente zu. Für die Zeit vom
5. Februar bis 16. Juli 2009 gewährte sie Taggelder. Die dagegen erhobene
Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom
5. Februar 2014 gut, hob die Renten- und Taggeldverfügung auf und wies die
Sache zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an die IV-Stelle zurück.
Zur Begründung führte es aus, das von der SUVA eingeholte psychiatrische
Gutachten des Dr. med. C.________ vom 4. Juli 2013 vermöge in seinen
Schlussfolgerungen nicht zu überzeugen. Auf die von A.________ dagegen erhobene
Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 8C_206/2014 vom 18. März 2014
nicht ein.

A.c. In der Folge holte die IV-Stelle das psychiatrische Gutachten des Dr. med.
F.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie, vom
16. Januar 2015 ein. Mit Verfügung vom 21. Dezember 2015 sprach sie A.________
erneut eine vom 1. Juli 2005 bis 28. Februar 2009 und vom 1. Juli bis 31.
Dezember 2009 befristete halbe Invalidenrente zu. Zudem forderte sie Taggelder
in Höhe von Fr. 578.15 zurück.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
mit Entscheid vom 20. Juli 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des kantonalen Entscheids seien ihm die
gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ein gerichtliches Obergutachten einhole.
Zudem wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.

IV-Stelle und Vorinstanz verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie
der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c
ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt ist von Amtes wegen unter Mitwirkung
der Versicherten resp. der Parteien zu ermitteln. In diesem Sinne
rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über
den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist (FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 43 und 273; Urteil 8C_441/2012
vom 25. Juli 2013 E. 6.1.1, in: SVR 2013 IV Nr. 44 S. 134). Der Verzicht auf
weitere Abklärungen oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache zu diesem
Zweck (antizipierte Beweiswürdigung) verletzt etwa dann Bundesrecht (Art. 95
lit. a BGG), wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche
enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich
Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf
unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteile 9C_578/2015 vom 13.
Januar 2016 E. 1.3; 8C_760/2015 vom 18. März 2016 E. 3.1).

2.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage
dar. Dagegen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen
sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Anforderungen an den
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen (BGE 134 V 231 E. 5.1
S. 232; Urteil 8C_449/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 3).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz mit der Bestätigung der Verfügung
der IV-Stelle vom 21. Dezember 2015 Bundesrecht verletzt hat.

3.1. Die hiefür massgebenden Rechtsgrundlagen sind im angefochtenen Entscheid
zutreffend dargelegt worden. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und
Grundsätze zu den Begriffen der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung
mit Art. 8 Abs. 1 ATSG) und Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zum Anspruch auf
eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) und zu dem bei einer abgestuften Rente analog
anwendbaren Art. 17 Abs. 1 ATSG. Richtig sind auch die Ausführungen zum
Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE
137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 mit
Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.2. Einem ärztlichen Bericht kommt Beweiswert zu, wenn er für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Situation und der
medizinischen Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes
begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).

4.

4.1. Die Vorinstanz hat die psychiatrischen Gutachten des Dr. med. D.________
vom 21. Februar 2008, des Dr. med. C.________ vom 4. Juli 2013 und des Dr. med.
F.________ vom 16. Januar 2015 gewürdigt.

4.2. Nach der vom kantonalen Gericht bereits im Rückweisungsentscheid vom 5.
Februar 2014 vertretenen Ansicht vermag die Expertise des Dr. med. C.________
in seinen Schlussfolgerungen nicht zu überzeugen. Während der Exploration sei
der Versicherte offensichtlich unter dem Einfluss von opiathaltigen
Medikamenten gestanden. Im Rahmen der Untersuchung habe der Experte keine
Hinweise auf Schmerzmanifestationen erkennen können. Trotzdem habe er eine
somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Zwangsgedanken und wahnhafte
Denkinhalte oder Anhaltspunkte für Störungen der Wahrnehmung und des Ichs
hätten laut Gutachten nicht festgestellt werden können. Die emotionale
Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt und die Stimmung nicht deprimiert
gewesen. Dennoch habe Dr. med. C.________ eine - im Zeitpunkt der Untersuchung
remittierte - depressive Störung diagnostiziert. Weiter habe er darauf
hingewiesen, dass der Beschwerdeführer einen ausgeprägten Hang zeige, sein
Leben und seine Taten stark überhöht zu schildern. Die Darstellung als kranker
Mann habe teilweise inszeniert gewirkt. Dessen ungeachtet habe der Gutachter
das Vorliegen von Hinweisen auf eine bewusste Simulation verneint. Er habe sich
überdies nicht damit auseinandergesetzt, dass Dr. med. D.________ das Vorgehen
und die Motivation des Versicherten in Frage gestellt habe und sich die
Berichte über einen mehrjährigen Einsatz als Berufsfallschirmjäger im Krieg in
G.________ als falsch erwiesen hätten.

4.3. Da das Verwaltungsgericht im Entscheid vom 5. Februar 2014 das Gutachten
des Dr. med. C.________ in mehreren Punkten und insbesondere im Gesamtergebnis
als nicht schlüssig beurteilt und die Sache zur Durchführung einer neuen
Begutachtung an die IV-Stelle zurückgewiesen hatte, gab die Beschwerdegegnerin
das Gutachten des Dr. med. F.________ vom 16. Januar 2015 in Auftrag. Diesem
hat die Vorinstanz Beweiswert zuerkannt. Auf dessen Schlussfolgerungen hat sie
im angefochtenen Entscheid vollumfänglich abgestellt. Der Gutachter hat beim
Beschwerdeführer keine spezifische psychische Gesundheitsstörung nachweisen
können. Die Arbeitsfähigkeit des Versicherten ist seiner Ansicht nach aus
psychiatrischer Sicht nicht beeinträchtigt. Laut kantonalem Gericht hat die
Untersuchung zahlreiche Inkonsistenzen und Widersprüche aufgezeigt. Der Verlauf
der geltend gemachten psychischen Beschwerden lasse auch für die der
Begutachtung vorangehenden Jahre nicht auf eine psychische Erkrankung
schliessen. Die geschilderten Alltagsaktivitäten und die objektiv sichtbaren
Leistungen im Rahmen der Untersuchung würden auf Ressourcen hinweisen, die der
Versicherte bei einer Arbeitstätigkeit nutzen könne. Im Rahmen der
neuropsychologischen Abklärungen hätten sich zudem deutliche Hinweise auf eine
bewusstseinsferne Verdeutlichungstendenz und möglicherweise auf eine
bewusstseinsnahe Aggravation oder Simulation ergeben. Anhaltspunkte für massive
Inkonsistenzen habe es überdies bereits früher gegeben. Da aufgrund des
Gutachtens keine Invalidität mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit ausgewiesen werden konnte, ging das kantonale Gericht von
der Vermutung aus, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten nicht
invalidisierend auswirke. Die übrigen medizinischen Unterlagen, insbesondere
die Berichte des med. prakt. H.________ vom Externen Psychiatrischen Dienst
I.________ vermögen es laut Vorinstanz nicht, das Gutachten des Dr. med.
F.________ zu entkräften.

4.4. Aus somatischer Sicht bestehen beim Beschwerdeführer unbestrittenermassen
keine relevanten Diagnosen mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige und unvollständige Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz und eine willkürliche und teilweise
aktenwidrige Beweiswürdigung. Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts
seien keine Gründe ersichtlich, welche es rechtfertigen würden, von dem
beweiskräftigen Gutachten des Dr. med. C.________ abzuweichen. Das Gutachten
des Dr. med. F.________ stehe demgegenüber mit den übrigen medizinischen und
fachspezifischen Beurteilungen im Widerspruch, so dass nicht darauf abgestellt
werden könne. Für den Fall, dass dieses Gutachten trotzdem Bestand haben
sollte, was bestritten werde, sei beweismässig zumindest von mehreren
gleichwertigen Gutachten auszugehen, welche bei der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, so
dass nicht willkürfrei und ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nur auf
eines davon abgestellt werden könne. Im Zweifelsfall sei ein gerichtliches
Obergutachten über den Leistungsanspruch erforderlich.

5.2. Dr. med. D.________ diagnostizierte eine Konversionsstörung gemischt
(ICD-10:F44.7) mit gelegentlichen Momenten von dissoziativer Amnesie, im Rahmen
der Konversionsstörung auch starke Regressionsneigung und Symptomausweitung
sowie Neigung zu Pseudologie auf der Grundlage einer auffälligen Persönlichkeit
mit vorwiegend histrionischen Charakterzügen; leichte spezifische Angststörung
(ICD-10:F41.8); depressive Phase (depressive Episode) ab Dezember 2005
mindestens mittelgradig (ICD-10:F32.1), spätestens ab März 2007 remittiert;
residuelle mögliche Folgen einer initial ausgeprägten psychotraumatologischen
Störung infolge Unfall (zu keiner Zeit im Ausmass einer eigentlichen
posttraumatischen Belastungsstörung). Der Gutachter ging davon aus, dass es dem
Versicherten aus psychiatrischer Sicht nicht ohne weiteres zumutbar sei,
vollschichtig zu funktionieren. Die Einschränkung der Fähigkeit einer
Willensanstrengung zur Überwindung der geklagten Defizite sei Ausdruck bzw.
Folge dissoziativer Mechanismen. Der Umfang der Einschränkung sei schwierig zu
beziffern. Aktuell sei mindestens eine halbschichtige, körperlich leichte
sitzende Tätigkteit zumutbar. Unter Therapie könne das Pensum längerfristig
wahrscheinlich gesteigert werden.

5.3. Dr. med. C.________ stellte die Diagnosen: Somatoforme Schmerzstörung
(ICD-10:F45.8); gemischte dissoziative Störung (Konversionsstörung) mit
Sensibilitäts-, Empfindungs- und Bewegungsstörungen (ICD-10:F44.7);
histrionische Persönlichkeitsstörung mit zusätzlich selbstunsicheren,
ängstlich-vermeidenden, abhängigen und anankastischen Zügen (ICD-10:F60.4);
rezidivierende depressive Störung (ICD-10:F33). In Abweichung zur Beurteilung
des Dr. med. D.________ geht Dr. med. C.________ davon aus, dass der
Versicherte bleibend nicht über psychische Möglichkeiten verfügt, die es ihm
erlauben würden, eine verwertbare Leistung zu erbringen. Insgesamt liege auf
der Grundlage einer ausgeprägten dissoziativen Neigung ein chronifiziertes
hysterisches Zustandsbild vor, das vom Patienten nicht bewusst kontrollierbar
sei. Entsprechend bestehe keine willentliche Einflussmöglichkeit. Der
Versicherte könne innerpsychische Abläufe nur wenig selbst gestalten und sei
den inneren Impulsen und Spannungen weitgehend machtlos ausgesetzt. Für eine
bewusste Simulation zur Erwirkung von Vorteilen fand der Gutachter keine
Hinweise. Laut Dr. med. C.________ ist der Beschwerdeführer nicht in der Lage,
eine verwertbare konstante Leistung zu erbringen. Es fehle ihm die
Grundarbeitsfähigkeit.

5.4. Dr. med. F.________ konnte keine spezifisch psychiatrische Diagnosen
nachweisen. Insbesondere liege keine Persönlichkeitsstörung vor. Ebenso wenig
könne mit dem geforderten Grad der Gewissheit auf eine dissoziative Störung
geschlossen werden. Auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder eine
andere somatoforme Störung lässt sich laut Gutachter nicht mit hinreichender
Sicherheit diagnostizieren. Obwohl viele Unklarheiten bestünden, gleiche das
Bild viel eher einer artifiziellen Störung als einer Konversionsstörung/
dissoziativen Störung oder einer Somatisierung. Nicht authentische und unwahre
Darstellungen des Exploranden hätten in der Vergangenheit zu falschen
Einschätzungen geführt.

5.5. Diese Zusammenfassung widerspiegelt bezüglich Diagnosestellung und Frage
einer allfälligen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen
seitens der Gutachter unterschiedliche Angaben und erheblich voneinander
abweichende Einschätzungen. Die Expertisen basieren auf eigenen Untersuchungen,
sind in Kenntnis der Vorakten abgefasst und umfassend begründet worden und
setzen sich zum Teil auch eingehend mit abweichenden medizinischen
Beurteilungen auseinander. Sie erfüllen damit an sich die
rechtsprechungsgemässen Voraussetzungen an ein medizinisches Gutachten (E. 3.2
hievor). Aufgrund von im Rahmen der Beweiswürdigung nicht ohne weiteres
auszuräumenden Diskrepanzen lässt sich die Arbeitsfähigkeit gestützt darauf
jedoch nicht zuverlässig beurteilen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
kann nicht willkürfrei und ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art.
43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) auf nur eine der Expertisen abgestellt
werden. Die Frage der Arbeitsfähigkeit wurde somit auf unvollständiger
Beweisgrundlage beantwortet, was Bundesrecht verletzt. Die Sache ist daher
zwecks Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Je nach Diagnosestellung wird allenfalls die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zu anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V 281 zu berücksichtigen sein. Hernach
wird das kantonale Gericht über die vorinstanzliche Beschwerde neu zu
entscheiden haben.

6. 
Praxisgemäss entspricht die Rückweisung einem vollen Obsiegen (BGE 137 V 210 E.
7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 137 V 210 E. 7.1 S.
271). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im
bundesgerichtlichen Verfahren gegenstandslos.
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 20. Juli 2016 aufgehoben. Die Sache
wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird
die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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