Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.608/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_608/2016

Urteil vom 15. Februar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser,
Beschwerdeführer,

gegen

AXA Versicherungen AG,
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
vertreten durch lic. iur. Kavan Samarasinghe,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 13. Juli 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1957 geborene A.________ war zuletzt beim Landwirtschaftsbetrieb
B.________ als Aushilfe tätig gewesen und dadurch bei der AXA Versicherungen AG
(nachfolgend: AXA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Gemäss
Unfallmeldung vom 23. September 1998 fiel er am 17. März 1998 beim Heupressen
vom Heuwagen und zog sich dabei eine Rückenprellung zu. Mit Verfügung vom 27.
September 2000 und Einspracheentscheid vom 21. August 2001 stellte die AXA ihre
bis dahin erbrachten Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) ein, da am 31.
August 2000 der Status quo ante erreicht worden sei. In Gutheissung der
hiergegen erhobenen Beschwerde bejahte das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 26. März 2003 einen Leistungsanspruch auch für die
Zeit nach dem 1. September 2000.

A.b. Mit Verfügung vom 20. Juli 2004 sprach die AXA A.________ daraufhin ab 1.
August 2004 eine Invalidenrente auf der Basis eines von der
Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrades von 63 % zu, wobei sie
damit einen am 19. September 1995 erlittenen Unfall mitberücksichtigte.
Zusätzlich gewährte sie ihm eine auf einer Einbusse von 20 % beruhende
Integritätsentschädigung.

A.c. In Beachtung der Ergebnisse einer von der Invalidenversicherung
veranlassten Observation und des daraufhin erstellten Berichts ihres beratenden
Arztes vom 11. November 2011 stellte die AXA die Invalidenrente per 1. Dezember
2011 definitiv ein (Verfügung vom 25. März 2013), nachdem sie diese bis zum
Abschluss weiterer medizinischer Abklärungen bereits vorsorglich eingestellt
hatte (Schreiben vom 17. November 2011). Im Rahmen des Einspracheverfahrens
beteiligte sich die AXA mit Zusatzfragen an einem von der Invalidenversicherung
veranlassten bidisziplinären Gutachten der SMAB AG, Swiss Medical Assessment-
and Business-Center, Bern, vom 8. November 2013, mit Beantwortung der
Ergänzungsfragen am 6. August 2014. Da der Versicherte im Zeitpunkt der
Leistungseinstellung am 1. Dezember 2011 unter keinen auf das Unfallereignis
vom 17. März 1998 zurückzuführenden Beeinträchtigungen mehr gelitten habe,
hielt sie an der Verfügung vom 25. März 2013 fest (Einspracheentscheid vom 16.
Juni 2015).

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 13. Juli 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm in Aufhebung des Einspracheentscheids
(recte: und des vorinstanzlichen Entscheids) die gesetzlichen Leistungen
zuzusprechen. Die Sache sei zur Sachverhaltsabklärung an die AXA
zurückzuweisen. Eventualiter sei ein polydisziplinäres Gutachten anzuordnen.
Die AXA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit Eingabe vom 26. Januar 2017 lässt sich A.________ erneut vernehmen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu beurteilen ist die vorinstanzlich bestätigte Einstellung der
Leistungen des Unfallversicherers per 1. Dezember 2011.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Grundsätze zum für
einen solchen Anspruch nebst anderem erforderlichen natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden richtig
dargelegt. Gleiches gilt betreffend die Ausführungen zum Beweiswert von
Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468 ff.; 125
V 351 E. 3 S. 352 ff.), zum Wegfall unfallbedingter Ursachen eines
Gesundheitsschadens bei Erreichen des Status quo sine vel ante (SVR 2011 UV Nr.
4 S. 12 E. 3.2, 8C_901/2009). Darauf wird verwiesen.

3. 
In Bezug auf die Observation an sich erhebt der Beschwerdeführer keine Rüge.
Insbesondere macht er keinen Verstoss gegen die EMRK geltend. Somit erübrigen
sich Weiterungen, wie sie sich im Nachgang zum Urteil (des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte) Vukota-Bojic gegen Schweiz vom 18. Oktober
2016 ergeben könnten (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 8C_601/2016 vom 29.
November 2016 E. 8). Demnach hat das kantonale Gericht kein Bundesrecht
verletzt, indem es auf das Gutachten der SMAB AG vom 8. November 2013, in der
das Ergebnis der Observation berücksichtigt wurde, abstellte.

4.

4.1. Der Expertise der SMAB AG vom 8. November 2013 kam bereits im Verfahren
der Invalidenversicherung Beweiskraft zu (Urteil 9C_320/2015 vom 25. August
2015 E. 3.3.3). Die darin diagnostizierten Beschwerden in Form einer
kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0), eines Verdachts auf
entzündliche axiale und periphere Arthropatie bei Psoriasis vulgaris (ED ca.
1989), eines Cervikalsyndroms bei ausgeprägter atlanto-axialer Arthrose sowie
von Funktionsdefiziten der linken Schulter nach wahrscheinlich frakturierender
Läsion 1995 und des linken oberen Sprunggelenks nach Läsion 1995 seien nicht in
natürlich kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 17. März 1998. Der
psychiatrische Experte habe dementsprechend in seiner Stellungnahme vom 6.
August 2014 schlüssig dargelegt, dass die in die Psychobiographie
zurückreichende kombinierte Persönlichkeitsstörung nicht überwiegend
wahrscheinlich kausal zum Unfall vom 17. März 1998 sei. Es lägen keine
aktenkundigen Berichte vor, die diese Beurteilung in Frage stellten. Zu den
somatischen Leiden hätten die Gutachter auf Nachfrage des Gerichts hin mit
Schreiben vom 26. Mai 2016 ebenso klar einen unfallkausalen Zusammenhang mit
dem Ereignis vom 17. März 1998 verneint. Diese Beurteilung gelte seit der
Observation im Herbst 2010, weshalb die Beschwerdegegnerin ihre Leistungen zu
Recht auf den 1. Dezember 2011 eingestellt habe.

4.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, führt zu keinem anderen
Ergebnis. Er vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern die Berichte des Dr. med.
C.________, FMH für Psychiatrie und Psychotherapie (vom 18. November 2011,
worin dieser von einer mittelgradigen chronifizierten, depressiven Erkrankung
ausging und vom 15. Juni 2015 [zusammengefasst im Gutachten der SMAB AG S.
11]), Zweifel an den gutachterlichen Darlegungen zur fehlenden Kausalität
zwischen dem Unfall vom März 1998 und den vorhandenen psychischen Beschwerden
begründen könnten. So führte der behandelnde Psychiater in seinem Schreiben an
die Beschwerdegegnerin vom 12. Januar 2013 aus, ihm sei der Versicherte erst
seit 2006 bekannt und er sehe nicht, wie das Unfallgeschehen von 1998 mit dem
Kontakt des Versicherten zu ihm zusammenhänge. Im Übrigen wendet der
Beschwerdeführer nicht ein, dass bei der Begutachtung (samt
Ergänzungsschreiben) entscheidrelevante Aspekte unerkannt oder ungewürdigt
geblieben seien. Die Einwände zu den Feststellungen der Experten betreffend die
somatischen Leiden zielen insgesamt insoweit an der Sache vorbei, als sie nicht
die hier interessierende Frage der natürlichen (und adäquaten) Unfallkausalität
betreffen. Unbehelflich ist sodann, wenn sich der Beschwerdeführer auf die in
der ergänzenden Stellungnahme vom 26. Mai 2016 in rheumatologischer Hinsicht
auf 20 % festgesetzte Arbeitsfähigkeit beruft. Er verkennt, dass sich die
Gutachter damit zum einen auf die angestammte Tätigkeit im Gartenbau und nicht
auf eine vollständig zumutbare Verweisungstätigkeit beziehen. Zum andern gilt
diese Arbeitsfähigkeitsschätzung für Funktionsdefizite der linken Schulter, die
bereits durch ein Unfallereignis im Jahr 1995 hervorgerufen worden sind. Die
Ausführungen der Experten sind daher weder widersprüchlich zur verneinten
Unfallkausalität zwischen den diagnostizierten Leiden und dem hier zugrunde
liegenden Ereignis vom März 1998 noch zu den weiteren aktenkundigen
medizinischen Berichten. Nicht ersichtlich ist, inwiefern der behandelnde
Psychiater Dr. med. C.________ sodann in seinem Bericht vom 18. November 2011
"Rückensymptome" (recte wohl: Brückensymptome) festgestellt haben soll, die
ausschliesslich auf den Unfall vom 17. März 1998 zurückzuführen seien, wenn er
eine mittelgradige, chronifizierte depressive Erkrankung mit somatischen
Symptomen im Rahmen eines Erschöpfungszustandes bei gravierender
Konfliktsituation und vorbestehender Borderline-Persönlichkeitsstörung, eine
chronische Psoriasis mit Gelenksbefall und chronischer Schmerzproblematik in
den Knien, Hüften, Schultern, eine arterielle Hypertonie sowie eine Adipositas
diagnostizierte. Auf das Ereignis vom 17. März 1998 bezog er sich nicht.
Nachdem keine auf das Geschehen im März 1998 zurückzuführende diagnostischen
Befunde vorliegen, geht auch die Rüge der vorinstanzlich nicht berücksichtigten
Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 von vornherein fehl (BGE 141 V 574 E. 5.2
S. 582). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz in zulässiger
antizipierter Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; SVR 2016 UV Nr. 42
S. 140, 8C_405/2016 E. 3.5) auf weitere Beweismassnahmen verzichtete. Eine
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 ATSG) kann ihr nicht
vorgeworfen werden. Auch begründete das Gericht hinreichend, warum es das
Gutachten der SMAB AG (samt Ergänzungsschreiben) als beweiskräftig ansah und
deshalb keine weiteren medizinischen Abklärungen veranlasste. In diesem
Vorgehen ist weder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch
desjenigen auf gleiche und gerechte Behandlung ("Fair Trial" Art. 6 Ziff. 1
EMRK) zu erkennen. Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Februar 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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