Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.595/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_595/2016

Urteil vom 2. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
Erben des A.________ sel. bestehend aus:,
1. B.________,
2. C.________,
3. D.________,
4. E.________,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Zogg,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 30. Juni 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1953 geborene A.________ sel. war seit 10. Mai 2010 über die F.________ SA
beim Konzern G.________ als Staplerfahrer angestellt und damit bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch
unfallversichert. Am 24. November 2011 wurde er verletzt, als ihm eine
Metallkiste auf die Brust fiel. Die SUVA kam für die Heilbehandlung und das
Taggeld auf. Mit Verfügung vom 14. November 2012 verneinte sie ihre
Leistungspflicht für die Beschwerden an der rechten Schulter und an der
Halswirbelsäule mangels Unfallkausalität; für die Schulterproblematik links
übernahm sie weiterhin die Heilbehandlung und das Taggeld. Dagegen erhoben der
Versicherte und sein Krankenversicherer Einsprachen; Letzterer zog sie später
zurück. Am 8. April 2013 erklärte die SUVA obige Verfügung als gegenstandslos.
Sie holte weitere Arztberichte ein. Mit Verfügung vom 3. September 2013 stellte
sie die Leistungen per 30. September 2013 ein, da die organisch nicht
hinreichend nachweisbaren Beschwerden an den Schultern und am Thorax nicht
adäquat unfallkausal seien; die HWS- und Kopfschmerzen sowie die arterielle
Hypertonie seien unfallfremd. Die Einsprache des Versicherten wies sie mit
Entscheid vom 18. Juli 2014 ab.

B. 
Dagegen erhob der Versicherte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Beschwerde. Am 12. Februar 2015 verstarb er. Die Vorinstanz sistierte
das Verfahren bis über den Antritt seiner Erbschaft entschieden sei. Am 11.
April 2016 hob sie die Sistierung auf und nahm Vormerk vom Eintritt der
Erbinnen des Versicherten in den Prozess und von dessen Weiterführung. Mit
Entscheid vom 30. Juni 2016 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtliche Angelegenheiten beantragen die
Erbinnen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die SUVA zu verpflichten,
ihnen die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Heilbehandlungskosten und
Taggelder, auszurichten; eventuell sei sie zu verpflichten, anstelle der
Taggelder eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung auszurichten.

Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389).
 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen der Leistungspflicht des
obligatorischen Unfallversicherers, namentlich die Anspruchsvoraussetzungen des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und dem
Gesundheitsschaden im Allgemeinen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111) sowie bei
psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 115 V 133) richtig dargelegt.
Gleiches gilt betreffend die Rechtsprechung zum massgebenden Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und zum Beweiswert
von Arztberichten (BGE 135 V 465 E. 4.4. S. 469 und E. 4.7 S. 471, 134 V 231 E.
5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die vom Versicherten nach dem 30. September 2013
geklagten Beschwerden durch den Unfall vom 24. November 2011 verursacht waren.

Die Vorinstanz erwog in Würdigung der medizinischen Aktenlage im Wesentlichen,
die Stellungnahme der Kreisärztin Dr. med. H.________, Fachärztin für
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, vom 23.
August 2013 erfülle die praxisgemässen Anforderungen an eine medizinische
Beurteilungsgrundlage, weshalb darauf abgestellt werden könne. Sie habe bereits
im Bericht vom 14. September 2012 festgehalten, dass die beim Versicherten -
anhand von Arthro-MRT beider Schultern im Röntgeninstitut I.________ vom 5. und
9. Januar 2012 - festgestellten bursaseitigen Partialläsionen der
Supraspinatussehnen mit Begleitbursitis beidseits nur möglicherweise
unfallkausal seien. Im Übrigen sei der Stellungnahme der Kreisärztin vom 23.
August 2013 zu entnehmen, dass die vom Versicherten geklagten ausgeprägten
Beschwerden ohnehin nicht mit der Diagnose einer Partialläsion der
Supraspinatussehnen zu erklären seien. Dies ergebe sich auch aus dem Bericht
der Klinik J.________ vom 23. Oktober 2012, wonach die geklagten Beschwerden
nicht objektiviert werden könnten. Demnach fehle es an einem organischen
Korrelat, das die nach dem 30. September 2013 (resp. bereits nach Oktober 2012)
fortbestehenden Schulterbeschwerden erklären würde. An der HWS liege ebenfalls
keine unfallkausale strukturelle Läsion vor. Die adäquate Unfallkausalität des
Beschwerdebildes sei nach der Praxis zu den psychischen Unfallfolgen zu
verneinen. Somit sei die SUVA nicht über Ende September 2013 hinaus
leistungspflichtig.

4. 
Die Beschwerdeführerinnen rügen, die Vorinstanz habe sich mit dem zentralen
Argument, dass die Beschwerden des Versicherten auf unfallbedingte Arthrosen
zurückzuführen gewesen seien, nicht auseinandergesetzt. Damit habe sie den
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dieser Anspruch verlangt, dass die
Behörde die Vorbringen der Betroffenen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in
ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass
sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt
und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 142 II 49 E. 9.2 S.
65).

Im angefochtenen Entscheid werden die entscheidwesentlichen Faktoren
hinlänglich festgestellt und gewürdigt, so dass die Beschwerdeführerinnen sich
über dessen Tragweite ein Bild machen und diesen - wie von der Rechtsprechung
verlangt (vgl. BGE, a.a.O.) - sachgerecht anfechten konnten.

5.

5.1. Zur Begründung der Unfallkausalität der Läsionen und Arthrosen an beiden
Schultern des Versicherten berufen sich die Beschwerdeführerinnen auf die
Berichte des Röntgeninstituts K.________ vom 5. und 9. Januar 2012, der Klinik
J.________ vom 2. Mai und 20. September 2012 sowie des Medizinischen Zentrums
L.________ vom 16. August 2013.

5.2. Diese Berichte enthalten indessen keine Stellungnahme zur Unfallkausalität
der Schulterbeschwerden beidseits. Aus der Diagnose im Bericht der Klinik
J.________ vom 2. Mai 2012, wonach posttraumatische Schulterschmerzen beidseits
vorlägen, kann höchstens abgeleitet werden, dass die Ärzte einen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den geklagten Beschwerden nicht
ausschliessen konnten; über die Wahrscheinlichkeit eines solchen
Kausalzusammenhanges äusserten sie sich damit nicht. Ärztlich nicht belegt ist
auch das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, aufgrund der im Bericht des
Medizinischen Zentrums L.________ vom 16. August 2013 festgestellten positiven
Lift-off- und Jobe-Tests sei überwiegend wahrscheinlich, dass die
Schulterbeeinträchtigungen mit dem Unfall vom 24. November 2011 zusammenhingen.
Vielmehr legte die Vorinstanz richtig dar, dass im Bericht des Röntgeninstituts
K.________ vom 12. November 2013 ausgeführt wurde, aufgrund der gleichentags
durchgeführten Arthro-MRI der linken Schulter lasse sich nicht klären, ob die
bursaartige Partialruptur der Supraspinatussehne auf einen Unfall im Jahr 2011
zurückzuführen sei. Aus den in E. 5.1 hievor genannten Berichten können die
Beschwerdeführerinnen somit nichts zu ihren Gunsten ableiten.

5.3. Die Kreisärztin legte in den Berichten vom 14. September 2012 und 23.
August 2013 dar, die bursaseitigen Partialläsionen der Supraspinatussehnen
seien nur möglicherweise unfallkausal. Die Häufigkeit dieser Läsion in der
Gesamtbevölkerung und der Zustand, dass eine subacromiale Infiltration keine
Linderung gebracht habe, spreche für diese Beurteilung. Diese in praktischer
Erfahrung gründende Einschätzung wird durch die medizinische Literatur
untermauert. Danach sind degenerative Sehnenveränderungen an der Schulter ein
weit verbreiteter Befund (Echtermeyer/Sangmeister, Praxisbuch Schulter,
Stuttgart/New York 1996, S. 178; Alfred M. Debrunner, Orthopädie/Orthopädische
Chirurgie, 4. Aufl., Bern 2002, S. 725 f.).

5.4. Die Beschwerdeführerinnen bringen weiter vor, mit der MRT vom 5. und 9.
Januar 2012 seien kurz nach dem Unfall vom 24. November 2011 Schulterläsionen
festgestellt worden. Ein entsprechender Vorzustand sei nicht dokumentiert. In
dieser Konstellation könne entgegen der Vorinstanz nicht gesagt werden, die
Bejahung der natürlichen Unfallkausalität laufe auf einen unzulässigen
"Post-hoc-ergo-propter-hoc-Schluss" hinaus (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341 f.;
SVR 2012 UV Nr. 5 S. 17 E. 4.5.1 [8C_310/2011]). Dies hätte nämlich zur Folge,
dass ein Unfallversicherer den Wegfall der Unfallkausalität nie zu beweisen
hätte, wenn die verunfallte Person vor dem Unfall nicht zufälligerweise ein MRT
oder ein Röntgenbild hätte anfertigen lassen. Dieser Einwand ist ebenfalls
nicht stichhaltig. Zwar fehlt eine Dokumentation des Vorzustandes und damit
auch der Nachweis, dass vor dem Unfall vom 24. November 2011 degenerative
Veränderungen bestanden hätten. Aber selbst wenn nachgewiesen wäre, dass die
geklagten gesundheitlichen Beschwerden erst seit diesem Ereignis auftraten,
wäre damit nämlich nicht überwiegend wahrscheinlich erstellt, dass sie dadurch
verursacht wurden bzw. nach dem 30. September 2013 noch darauf zurückzuführen
waren (vgl. auch Urteil 8C_811/2012 vom 4. März 2013 E. 6.3).

6. 
Soweit die Beschwerdeführerinnen gestützt auf den Bericht des Medizinischen
Zentrums L.________ vom 16. August 2013 auf Wirbelsäulenbeschwerden des
Versicherten verweisen, liegen keine Arztberichte vor, die deren überwiegend
wahrscheinliche Unfallkausalität belegen würden.

7. 
Die Beschwerdeführerinnen wenden weiter ein, aufgrund des Berichts des
Medizinischen Zentrums L.________ vom 16. August 2013 habe hinsichtlich der
Schulter- und Wirbelsäulenproblematik behandlungsmässig noch kein Endzustand
vorgelegen, weshalb die Leistungseinstellung unzulässig gewesen sei. Dem ist
entgegenzuhalten, dass die SUVA ihre Leistungen gemäss kreisärztlicher
Einschätzung zu Recht mangels Unfallkausalität der Beschwerden des Versicherten
per 30. September 2013 einstellte. Diesfalls muss nicht geprüft werden, ob
durch eine Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung
des Gesundheitszustandes hätte erreicht werden können (Urteile 8C_806/2011 vom
30. März 2012 E. 2.2 und 8C_398/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 4.4).

8. 
Insgesamt bestehen keine Anhaltspunkte, die auch nur geringe Zweifel an der
Beurteilung der Kreisärztin begründen (vgl. BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229) bzw.
die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz als unrichtig oder unvollständig
erscheinen lassen (Art. 97 Abs. 2 BGG). Da von weiteren Abklärungen keine
entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, verzichtete die Vorinstanz
darauf zu Recht. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61
lit. c ATSG) noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. auf
Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229
E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_384/2016 vom 13. September 2016 E. 6). Von einer
Rechtsverletzung oder von willkürlicher Beweiswürdigung der Vorinstanz kann
ebenfalls keine Rede sein.

Da die Vorinstanz zu Recht nicht Beweislosigkeit annahm, sondern zu einem
Beweisergebnis gelangte, ist die Rüge der Beschwerdeführerinnen nicht
stichhaltig, die SUVA trage die Beweislast für den Wegfall der von ihr
anerkannten Leistungspflicht für die Beschwerden an den Schultern (BGE 138 V
218 E. 6 S. 222; SVR 2009 UV Nr. 3 S. 9 E. 2.2 [8C_354/2007]; Urteil 8C_284/
2016 vom 7. September 2016 E. 5.4).

9. 
Die Verneinung der Unfalladäquanz des Beschwerdebildes ist unbestritten,
weshalb sich dazu Weiterungen erübrigen.

10. 
Die unterliegenden Beschwerdeführerinnen tragen die Gerichtskosten (Art. 66
Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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