Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.592/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_592/2016

Urteil vom 1. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans-Ulrich Zürcher,
Beschwerdeführer,

gegen

Visana Versicherungen AG,
Weltpoststrasse 19, 3015 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 13. Juli 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1965 geborene A.________ war als Lehrer im Kanton Bern angestellt und
bei der Visana Versicherungen AG (nachfolgend: Visana) gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 23. November 2007 verunfallte er mit dem Roller. Gemäss
Diagnosen der erstbehandelnden medizinischen Praxis B.________ zog er sich
dabei eine Kontusion am Kopf parietal links, eine Kontusion und Schürfungen am
linken Ellenbogen, eine Distorsion des rechten Handgelenks, eine Schürfung und
Kontusion am linken Knie infrapatellar lateral, eine Kontusion unterhalb des
rechten Knies medial und eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenks zu.
Die Visana erbrachte Versicherungsleistungen.

A.b. Am 8. Februar 2010 liess A.________ einen Rückfall melden. Er machte
geltend, es sei bei ihm ein hemifacialer Spasmus links aufgetreten, den sein
behandelnder Arzt, PD Dr. med. C.________, leitender Arzt des Zentrums
D.________ an der Klinik E.________ des Spitals F.________ als unfallkausal
erachte. Da ihr beratender Arzt, Dr. med. G.________, Facharzt FMH für
Chirurgie, diese Einschätzung nicht teilte, holte die Visana bei Prof. Dr. med.
H.________, Facharzt FMH für Neurologie am Spital F.________, ein
Aktengutachten ein. Gestützt auf dessen Expertise vom 18. November 2010
verneinte die Unfallversicherung mit Verfügung vom 31. Januar 2011 einen
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem hemifacialen
Spasmus, weshalb A.________ dafür keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen
habe. Daran hielt die Visana auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 17.
August 2015).

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen geführte Beschwerde
mit Entscheid vom 13. Juli 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Visana zu
verpflichten, die gesetzlichen Leistungen für das Unfallereignis vom 23.
November 2007 zu erbringen. Eventualiter habe sie weitere medizinische
Abklärungen zu veranlassen und über seinen Anspruch neu zu verfügen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht den Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung aus dem Ereignis vom 23.
November 2007 für den hemifacialen Spasmus links zu Recht verneint hat.

2.1. Im angefochtenen Entscheid sind die nach der Rechtsprechung für den
Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 UVG)
geltenden Voraussetzungen des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem
Unfallereignis und dem eingetretenen Gesundheitsschaden (BGE 129 V 177 E. 3.1
S. 181 mit Hinweisen), insbesondere bei Rückfällen und Spätfolgen (BGE 118 V
293 E. 2c S. 296), zutreffend dargelegt worden. Darauf wird verwiesen.
Ebenfalls richtig sind die vorinstanzlichen Ausführungen zum Nachweis des
Vorliegens eines natürlichen Kausalzusammenhangs mit dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 134 V 109 E. 9.5 S. 125) sowie zum
Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 ff., je mit Hinweisen).

2.2. Bei der Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung gemäss
Art. 11 UVV für Rückfälle und Spätfolgen kann der Unfallversicherer nicht auf
der Anerkennung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs beim
Grundfall oder bei früheren Rückfällen behaftet werden, weil die unfallkausalen
Faktoren durch Zeitablauf wegfallen können. Es obliegt - wie die Vorinstanz
zutreffend dargelegt hat - dem Leistungsansprecher, das Vorliegen eines
Kausalzusammenhangs zwischen dem als Rückfall oder Spätfolge geltend gemachten
Beschwerdebild und dem Unfall nachzuweisen. Nur wenn die Unfallkausalität mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt ist, entsteht eine erneute
Leistungspflicht des Unfallversicherers; dabei sind an den
Wahrscheinlichkeitsbeweis umso strengere Anforderungen zu stellen, je grösser
der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der
gesundheitlichen Beeinträchtigung ist (SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009
E. 6; 2005 MV Nr. 1 S. 1, M 1/02 E. 1.2; Urteil 8C_171/2016 vom 29. April 2016
E. 2.2).

3. 

3.1. Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Aktenlage die Auffassung
der Visana bestätigt, wonach ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfallereignis vom 23. November 2007 und dem hemifacialen Spasmus links nicht
rechtsgenüglich nachgewiesen sei. Sie stützte sich dabei im Wesentlichen auf
das Gutachten des Prof. Dr. med. H.________ vom 18. November 2010. Dieses sei
einleuchtend begründet und überzeuge. Die Stellungnahmen anderer Ärzte,
insbesondere des PD Dr. med. C.________ und des Dr. med. I.________, Facharzt
für Neurologie, gingen hinsichtlich des Auftretens der Symptome von einem nicht
erwiesenen Zeitpunkt aus. Sie könnten das Gutachten des Prof. Dr. med.
H.________ nicht erschüttern.

3.2. Die Einwendungen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die
vorinstanzliche Beurteilung als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.

3.2.1. Die detaillierte medizinische Beurteilung des Prof. Dr. med. H.________
vom 18. November 2010, welche als mangelhaft gerügt wird, erweist sich vielmehr
als schlüssig sowie nachvollziehbar begründet. Sie vermag den
rechtsprechungsgemässen Anforderungen an eine beweiskräftige medizinische
Entscheidgrundlage zu genügen. Der Arzt begründet ausführlich, weshalb
bezüglich des Auftretens des hemifacialen Spasmus auf die medizinische
Aktenlage und nicht die nachträgliche Darstellung des Versicherten abzustellen
ist. Das kantonale Gericht durfte somit in antizipierter Beweiswürdigung zu
dieser Thematik auf weitere Beweismassnahmen - wie beispielsweise einer
Zeugeneinvernahme - verzichten. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde
beruht die gutachterliche Beurteilung des Kausalzusammenhangs aber nicht primär
auf der langen Latenzzeit zwischen dem Unfall und dem Auftreten des Spasmus von
über einem Jahr. Prof. Dr. med. H.________ schloss eine traumatische
Facialisparese in Form einer mechanischen Schädigung des Nerven durch ein
Knochenfragment oder eine Abscherung des Nerven in seinem Verlauf durch das
Felsenbein aus, da eine hochgradige Parese - was bei dieser Verletzung zu
erwarten wäre - beim Versicherten mit Sicherheit nicht aufgetreten sei. Wenig
wahrscheinlich sei auch eine mittelbare Schädigung mit einer Latenz und einer
zunehmenden Einwirkung auf den Nerv beispielsweise durch ein Hämatom. Ein
solches sei nie festgestellt und mittels eines Hirn-MRIs sogar ausgeschlossen
worden. Der Gutachter belegt, dass die Ausführungen des PD Dr. med. J.________
und des Dr. med. C.________ in ihrem Bericht vom 23. November 2009 einer
wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Das wird im Übrigen auch von
Dr. med. I.________ in seinem Bericht vom 29. Juni 2011 bestätigt.

3.2.2. Auch soweit sich der Versicherte auf abweichende medizinische Berichte
behandelnder Ärzte beruft, vermag er die vorinstanzliche Beurteilung nicht zu
erschüttern. Die Ärzte der Klinik E.________ am Spital F.________, Dres. med.
K.________ und L.________, haben in ihrem Bericht vom 13. Juli 2010 die beiden
Phänomene "Synkinesien" und "hemifacialer Spasmus" verwechselt. Prof. Dr. med.
H.________ zeigt klar und überzeugend auf, dass deren Argumentationskette, mit
welcher sie einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und hemifacialem Spasmus
belegen wollen, einer Überprüfung nicht standhält. Dr. med. I.________
schildert in seinem Bericht vom 29. Juni 2011 eine, wie er selbst ausführt,
"alternative und plausible Interpretation der Befunde". So erwähnt er
wiederholt, wie der von ihm angenommene Unfallhergang und die später erhobenen
Befunde "vereinbar" seien mit einer subklinischen traumatischen Druckschädigung
der Myelinscheiden des linksseitigen Nervus facialis. Der Arzt macht mit
anderen Worten geltend, es sei möglich, dass der versicherte Unfall den
späteren hemifacialen Spasmus verursacht habe. Das genügt indessen - wie
dargelegt (E. 2.2) - nicht, um eine Leistungspflicht der Unfallversicherung zu
begründen. Ein entsprechender Kausalzusammenhang müsste überwiegend
wahrscheinlich sein. Da selbst Dr. med. I.________ ausführt, ein Spasmus
hemfacialis trete in der überwiegenden Zahl der Fälle idiopathisch und spontan
auf, können seine Ausführungen über die Vereinbarkeit des Befundes mit dem
Unfallablauf keine Zweifel an den Ausführungen des Prof. Dr. med. H.________
erzeugen.

3.2.3. Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, Prof. Dr. med. H.________
argumentiere damit, der Spasmus sei durch einen viralen Infekt ausgelöst
worden. Dies ist aktenwidrig. Im Gutachten vom 18. November 2010 wird vielmehr
wörtlich ausgeführt: "Ob die Symptome durch eine virale Läsion verursacht
wurden oder nicht, ist irrelevant". Es ist nicht Sache der Unfallversicherung,
eine alternative Ursache für Befunde zu finden, für die sie mangels überwiegend
wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs mit dem versicherten Ereignis nicht
leistungspflichtig ist. Entsprechend mussten die Visana und das kantonale
Gericht auch nicht auf diesbezügliche Argumente des Beschwerdeführers eingehen.
Da ein Kausalzusammenhang zwischen dem hemifacialen Spasmus und dem Unfall vom
23. November 2007 nie anerkannt wurde, hat die Unfallversicherung auch das
Erreichen des Status quo sine vel ante nicht nachzuweisen (E. 2.2 hievor). Es
oblag vielmehr dem Beschwerdeführer selbst, die Voraussetzungen für eine
Leistungspflicht zu belegen. Das ist ihm nicht gelungen. Die Beschwerde ist
daher abzuweisen.

4. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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