Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.579/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_579/2016

Urteil vom 21. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rohrer,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau,
Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision; unentgeltliche Verbeiständung;
Verwaltungsverfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 3. August 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1966 geborene A.________ war bis im Jahr 2006 als stellvertretende
Abteilungsleiterin zunächst bei der B.________ AG und anschliessend bei der
C.________ AG tätig. Am 17. November 2006 meldete sie sich bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau
zog den Bericht von Frau Dr. med. D.________, Fachärztin für Allgemeine
Medizin, vom 30. November 2006 bei und gab bei der Medizinischen
Abklärungsstation am Spital E.________ (MEDAS) das Gutachten vom 2. Oktober
2007 in Auftrag. Wegen eines am 8. August 2007 diagnostizierten Mammakarzinoms
wurde die Versicherte am 14. August 2007 operiert. Aufgrund dieser Erkrankung
attestierten die Gutachter eine volle Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen wie
auch in einer leidensangepassten Tätigkeit. Mit Verfügungen vom 9. September
und 6. Oktober 2008 sprach die IV-Stelle A.________ mit Wirkung ab 1. November
2007 bis 31. Januar 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 62 Prozent eine
Dreiviertelsrente und ab 1. Februar 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 100
Prozent eine ganze Invalidenrente zu. Mit Mitteilung vom 10. Juli 2009
bestätigte sie die unveränderte Weiterausrichtung der ganzen Invalidenrente.

A.b. Im Rahmen der im Januar 2013 von Amtes wegen eingeleiteten Revision holte
die IV-Stelle das interdisziplinäre Gutachten der Ärztliches
Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) vom 11. Dezember 2013 ein. Mit Verfügung vom
22. September 2014 stellte sie die Rentenleistungen mit Wirkung ab 1. November
2014 ein. Diese Verfügung blieb unangefochten.

A.c. Am 16. Dezember 2014 ersuchte A.________ die IV-Stelle um Gewährung von
Wiedereingliederungsmassnahmen und Weiterausrichtung der IV-Rente bis zu deren
Abschluss. Mit Vorbescheid vom 21. Januar 2015 stellte die Verwaltung die
Abweisung des Begehrens hinsichtlich beruflicher Massnahmen und Nichteintreten
auf das Rentenbegehren in Aussicht. Dagegen liess die Versicherte Einwand
erheben. Die IV-Stelle trat mit Verfügungen vom 29. März 2016 auf das Gesuch um
Weiterausrichtung der Invalidenrente nicht ein, wies das Gesuch um Gewährung
von beruflichen Eingliederungsmassnahmen ab und verneinte einen Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung für das Vorbescheidverfahren.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die von A.________ gegen die
drei Verfügungen vom 29. März 2016 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 3.
August 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur
Prüfung des Anspruchs auf Wiedereingliederungsmassnahmen im Sinne von lit. a
Abs. 2 und 3 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 (6.
IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; nachfolgend: SchlB IVG) in Verbindung mit
Art. 8a IVG an die Verwaltung zurückzuweisen. Die IV-Stelle sei anzuweisen, die
ab 1. November 2014 eingestellte Invalidenrente bis zum Zeitpunkt der Eröffnung
des Entscheids über die Wiedereingliederungsmassnahmen, gegebenenfalls bis zum
Abschluss der zugesprochenen Massnahmen auszurichten. Weiter sei ihr für das
Vorbescheidverfahren die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu bewilligen.
Zudem wird um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren
ersucht.

IV-Stelle und kantonales Gericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang
des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).
Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft
es nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE
134 I 65 E. 1.3 S. 67 f. und 313 E. 2 S. 315, je mit Hinweisen).

2.

2.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin
für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs.
1 ATSG).

2.2. Lit. a SchlB IVG beinhaltet die Überprüfung der Renten, die bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden. Gemäss Abs. 1 dieser
Bestimmung werden solche Renten innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten
dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht
erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die
Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind.

Wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, so hat die Bezügerin oder der
Bezüger Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG. Ein
Anspruch auf eine Übergangsleistung nach Art. 32 Abs. 1 lit. c IVG entsteht
dadurch nicht (Abs. 2). Werden Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a
durchgeführt, so wird die Rente bis zum Abschluss der Massnahmen weiter
ausgerichtet, längstens aber während zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufhebung
oder Herabsetzung (Abs. 3). Abs. 1 findet keine Anwendung auf Personen, die im
Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt
haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als
15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen (Abs. 4).

Wird eine Rente zu Unrecht gestützt auf Art. 17 Abs. 1 ATSG statt gemäss lit. a
Abs. 1 der Schlussbestimmungen des IVG aufgehoben und beginnt die zweijährige
Frist von lit. a Abs. 3 der Schlussbestimmungen des IVG daher erst mit
Eröffnung des kantonalen Entscheids zu laufen, ist die bisherige Rente bis
dahin weiter auszurichten (BGE 141 V 385 E. 5.5 S. 395).

3. 
Die IV-Stelle stellte sich in den dem Verfahren zugrundeliegenden Verfügungen
vom 29. März 2016 auf den Standpunkt, dass die Versicherte gemäss Gutachten des
ABI vom 11. Dezember 2013 in ihrer angestammten Tätigkeit als stellvertretende
Abteilungsleiterin sowie für sämtliche adaptierten Tätigkeiten (wieder) voll
arbeitsfähig sei. Aus diesem Grund sei die Invalidenrente mit Verfügung vom 22.
September 2014 eingestellt worden. Eine erneute Prüfung des Rentenanspruchs
könne daher nur erfolgen, wenn die versicherte Person glaubhaft darlege, dass
sich die tatsächlichen Verhältnisse nach diesem Zeitpunkt in einer für den
Anspruch erheblichen Weise verändert hätten. Mit dem Gesuch vom 16. Dezember
2014 seien keine medizinischen Unterlagen eingereicht worden, aufgrund derer
eine anspruchserhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft
erscheinen würde. Auf die Wiederanmeldung sei daher nicht einzutreten. Da die
ursprüngliche Rentenzusprache nicht aufgrund eines syndromalen
Beschwerdebildes, sondern wegen der Karzinomerkrankung erfolgt sei, liege kein
Schlussbestimmungsfall im Sinne der 6. IV-Revision vor. Es bestehe daher kein
Anspruch auf Durchführung von Wiedereingliederungsmassnahmen unter diesem
Titel.

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, der Anspruch auf berufliche
Wiedereinglierungsmassnahmen nach lit. a Abs. 2 SchlB IVG setze eine nach den
Schlussbestimmungen vorzunehmende Rentenanpassung bzw. -aufhebung voraus. Die
ursprüngliche Rentenzusprache mit Beginn ab 1. November 2007 gemäss den
Verfügungen vom 9. September und 6. Oktober 2008 sei wegen der ab 8. August
2007 attestierten vollen Arbeitsunfähigkeit aufgrund des bei der
Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt diagnostizierten Mammakarzinoms ergangen.
Grundlage dafür habe das MEDAS-Gutachten vom 2. Oktober 2007 gebildet. Das
ebenfalls diagnostizierte tendomyotische Schmerzsyndrom bzw. die Fibromyalgie
seien in der Expertise als Diagnosen ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit
aufgeführt worden. Auch wenn die ursprünglich vorgesehenen Abklärungen in den
Fachdisziplinen Psychiatrie und Innere Medizin nicht mehr durchgeführt worden
seien, könne davon ausgegangen werden, dass die Rente nicht wegen eines
pathogenetisch-äthiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne
nachweisbare organische Grundlage im Sinne von lit. a SchlB IVG zugesprochen
worden sei. Weiter hat das kantonale Gericht erwogen, die verfügte
Rentenaufhebung vom 22. September 2014 sei aufgrund einer Verbesserung des
Gesundheitszustandes der Versicherten und damit gestützt auf einen
(ordentlichen) Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG erfolgt, nachdem
das Mammakarzinom mittels Operation, Chemotherapie, Bestrahlung und
Hormontherapie erfolgreich behandelt worden sei. Diese Verfügung sei
unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Es liege somit kein mit BGE 141 V 385
vergleichbarer Sachverhalt vor. Über berufliche Eingliederungsmassnahmen unter
dem Titel von lit. a Abs. 2 SchlB IVG sei gleichzeitig mit der
Rentenherabsetzung oder -aufhebung zu befinden. Die Versicherte hätte daher
ihren Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen nach lit. a Abs. 2 SchlB IVG
in einem Rechtsmittelverfahren gegen die Verfügung vom 22. September 2014
geltend machten müssen. Nach Auffassung der Vorinstanz widerspräche es Sinn und
Zweck der SchlB IVG, wenn die versicherte Person unter diesem Titel
nachträglich Wiedereingliederungsmassnahmen geltend machen und rückwirkend die
Weiterausrichtung der bereits rechtskräftig aufgehobenen Rente nach lit. a Abs.
3 SchlB IVG verlangen könnte.

4.2. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen an den Schlussfolgerungen
der Vorinstanz nichts zu ändern. Sie lassen deren Sachverhaltsfeststellungen
weder als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung
oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch zeigen sie sonst
wie eine Bundesrechtsverletzung auf. Die mit Wirkung ab 1. November 2007
zugesprochene Rente wurde mit Verfügung vom 22. September 2014 rechtskräftig
auf Ende Oktober 2014 eingestellt. Weil die Verwaltung gestützt auf das
ABI-Gutachten vom 11. Dezember 2013 davon ausging, es liege ein ordentlicher
Rentenrevisionsgrund zufolge Verbesserung des Gesundheitszustandes
(abgeschlossene Krebsbehandlung ohne Hinweis auf ein Rezidiv) im Sinne von Art.
17 Abs. 1 ATSG vor, bestand für sie kein Anlass, sich mit dem Anspruch auf
Massnahmen zur Wiedereingliederung nach lit. a Abs. 2 SchlB IVG zu befassen.
Allfällige Einwände gegen die unter dem Titel von Art. 17 Abs. 1 ATSG
vorgenommene Rentenaufhebung hätte die Versicherte in einer Beschwerde gegen
die Verfügung vom 22. September 2014 vorbringen müssen. Dabei hätte sie
insbesondere geltend machen können, entgegen der Auffassung der IV-Stelle liege
ein Anwendungsfall der SchlB IVG vor, und es hätte der Anspruch auf Massnahmen
zur Wiedereingliederung nach lit. a Abs. 2 SchlB IVG geprüft werden müssen. Die
entsprechenden Rügen der Beschwerdeführerin können in diesem Verfahren - in
welchem einzig die Verfügungen vom 29. März 2016 Anfechtungsgegenstand bilden -
nicht gehört werden.
Ihre Berufung auf mangelnde Kenntnis eines allfälligen Anspruchs auf
Wiedereingliederungsmassnahmen, weil ein solcher in der Aufhebungsverfügung vom
22. September 2014 nicht erwähnt worden sei, verfängt nicht. Ein Hinweis (im
Rahmen eines persönlichen Gesprächs) ist nur dann erforderlich, wenn ein
Anwendungsfall der SchlB IVG vorliegt und die Rente unter diesem Revisionstitel
aufgehoben wird (vgl. BGE 141 V 385 E. 5.3 S. 393; 139 V 547 E. 9.3 S. 567). Im
Übrigen gilt auch in diesem Zusammenhang der allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach
niemand aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis Vorteile ableiten kann (BGE 136 V
331 E. 4.2.3.1 S. 336; 124 V 215 E. 2b/aa S. 220).

5.

5.1. Das kantonale Gericht ging davon aus, dass seit der gestützt auf das
ABI-Gutachten vom 11. Dezember 2013 ergangenen rentenaufhebenden Verfügung vom
22. September 2014 keine anspruchsrelevante Sachverhaltsveränderung im Sinne
von Art. 17 Abs. 1 ATSG eingetreten oder zumindest glaubhaft gemacht worden
sei. Die IV-Stelle sei daher zu Recht auf das Begehren vom 16. Dezember 2014
nicht eingetreten, soweit dieses als neues Leistungs- bzw. Rentenbegehren zu
verstehen sei.

5.2. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen keine begründeten Einwände vor. Ihr
Hinweis auf BGE 141 V 385 ist unbehelflich, da dieser vorliegend nicht
einschlägig ist.

6. 
Nach der Rechtsprechung ist bei einer Rentenaufhebung oder -herabsetzung nach
Art. 17 ATSG die Verwertbarkeit der wiedergewonnenen Arbeitsfähigkeit konkret
zu prüfen und allenfalls eine berufliche Eingliederungsmassnahme an die Hand zu
nehmen, wenn die versicherte Person über 55-jährig ist oder länger als 15 Jahre
eine Rente bezogen hat. Ansonsten ist vom Regelfall auszugehen, dass eine
wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit sofort erwerblich verwertbar sei (SVR 2012 IV
Nr. 25 S. 204, 9C_363/2011 E. 3.1; 2011 IV Nr. 73 S. 220, 9C_228/2010 E. 3;
Urteil 9C_508/2016 vom 21. November 2016 E. 6.1). Das kantonale Gericht hat
sich dazu eingehend und zutreffend geäussert. Die erwähnten Voraussetzungen
sind bei der Beschwerdeführerin nicht erfüllt, und es besteht aufgrund ihrer
Vorbringen kein Anlass, von der Beurteilung des kantonalen Gerichts
abzuweichen.

7. 
Strittig ist weiter die Nichtgewährung der unentgeltlichen anwaltlichen
Verbeiständung im Verwaltungsverfahren.

7.1. Einer Gesuch stellenden Person wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand
bewilligt, wo die Verhältnisse es für das Verwaltungsverfahren erfordern (Art.
37 Abs. 4 ATSG). Kumulative Voraussetzungen für die unentgeltliche
Verbeiständung im Rahmen dieser Bestimmung sind Bedürftigkeit,
Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren sowie sachliche Gebotenheit der
Vertretung (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.). Die - von Vorinstanz und
Verwaltung als nicht gegeben erachtete - Notwendigkeit der anwaltlichen
Vertretung als Voraussetzung des Anspruchs auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren im
Besonderen ist namentlich mit Blick darauf, dass der Untersuchungsgrundsatz
gilt (Art. 43 ATSG), die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der
einzelnen Sozialversicherungen also den rechtserheblichen Sachverhalt unter
Mitwirkung der Parteien nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der
Objektivität, Neutralität und Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln
haben, nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich schwierige Fragen
rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu berücksichtigen sind die
konkreten Umstände des Einzelfalles, Eigenheiten der anwendbaren
Verfahrensvorschriften sowie weitere Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens.
Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des
Sachverhalts fallen auch in der Person des oder der Versicherten liegende
Gründe in Betracht, etwa die Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden.
Schliesslich muss eine gehörige Interessenwahrung durch Dritte
(Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute
sozialer Institutionen) ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 35; SVR
2016 IV Nr. 17 S. 50, 8C_931/2015 E. 3; 2015 IV Nr. 18 S. 53, 8C_557/2014 E.
4.2). Die Frage der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung im
Administrativverfahren ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage
(Urteil 8C_246/2015 vom 6. Januar 2016 E. 2.2 mit Hinweisen).

7.2. Das kantonale Gericht bestätigte die von der IV-Stelle verfügte
Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung, da die Versicherte aufgrund
der von ihr selbst verfassten bzw. unterzeichneten Eingaben vom 17. März und
16. Dezember 2014 erwiesenermassen selbst in der Lage gewesen sei, die
möglichen Anspruchsgrundlagen für die von ihr geltend gemachten
Leistungsansprüche zu erfassen und vorzubringen. Es stellten sich weder
schwierige Rechtsfragen noch liege ein komplexer Sachverhalt vor. Zudem hätte
es der Versicherten bei Bedarf frei gestanden, bei den sie wirtschaftlich
unterstützenden Sozialen Diensten persönliche Hilfe in Form von Beratung und
Betreuung im Hinblick auf die Geltendmachung sozialversicherungsrechtlicher
Ansprüche zu beanspruchen.

7.3. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, das zu einer anderen
Betrachtungsweise Anlass gäbe. Auch wenn sie Gründe benennt, welche ihrer
Ansicht nach eine anwaltliche Vertretung als begründet erscheinen lassen
könnten, wird - was für den Ausgang des Verfahrens entscheidend ist - nicht
ersichtlich und im Übrigen auch nicht dargetan, inwiefern der kantonale
Entscheid gegen Bundesrecht verstossen sollte.

8. 
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im
bundesgerichtlichen Verfahren ist in Anwendung von Art. 64 BGG wegen
Aussichtslosigkeit abzuweisen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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