Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.565/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_565/2016

Urteil vom 26. Oktober 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Biedermann,
Beschwerdeführerin,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000
Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Nebenverdienst),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 5. Juli 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1988, war im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses
vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 mit Vollzeitpensum für die Versicherung
B.________ tätig. Am 26. März 2013 meldete sie sich bei der
Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsvermittlung an. Per 1. April 2013 stellte
sie einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Das Regionale
Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) meldete der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des
Kantons Aargau (nachfolgend: ÖAK oder Beschwerdegegnerin) am 18. Februar 2014,
dass sich die Versicherte per 3. Februar 2014 von der Arbeitsvermittlung
abgemeldet habe. Anlässlich einer Dossierrevision im Auftrag des
Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO) holte die ÖAK im Mai 2015 bei
Arbeitgebern der Versicherten Auskünfte ein. Daraufhin stellte die ÖAK fest,
dass die Versicherte in Verletzung ihrer Auskunftspflicht verschiedene erzielte
Zwischenverdienste nicht deklariert hatte. In der Folge hob die ÖAK ihre
Abrechnungen über die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung für die Monate
April bis September 2013 wiedererwägungsweise auf und forderte für diesen
Zeitraum von der Versicherten Fr. 4'959.20 an zu viel ausgerichteter
Entschädigung zurück (Verfügung vom 6. Oktober 2015). Auf Einsprache hin hielt
die ÖAK an der Verfügung fest (Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2015).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 5. Juli 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, der angefochtene Gerichts- und der Einspracheentscheid sowie die
Rückforderung im Betrag von Fr. 4'959.20 für die Monate April bis September
2013 seien aufzuheben.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art.
97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG sind
unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Zu Unrecht bezogene
Geldleistungen, die auf einer formell rechtskräftigen Verfügung beruhen,
können, unabhängig davon, ob die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen
förmlich oder formlos verfügt worden sind, nur zurückgefordert werden, wenn
entweder die für die Wiedererwägung (wegen zweifelloser Unrichtigkeit und
erheblicher Bedeutung der Berichtigung) oder die für die prozessuale Revision
(wegen vorbestandener neuer Tatsachen oder Beweismittel) bestehenden
Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 130 V 318 E. 5.2 in fine S. 320; 129 V 110 E.
1.1).
Ein Nebenverdienst ist jeder Verdienst, den ein Versicherter ausserhalb seiner
normalen Arbeitszeit als Arbeitnehmer oder ausserhalb des ordentlichen Rahmens
seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit erzielt (Art. 23 Abs. 3 AVIG). Ein
Nebenverdienst bleibt bei der Anrechnung eines Zwischenverdienstes
grundsätzlich unberücksichtigt (Art. 24 Abs. 3 AVIG). Eine Steigerung des
Nebenverdienstes kann aber zur Annahme von Zwischenverdienst führen (BGE 123 V
230; ARV 2014 S. 215, 8C_265/2014 E. 2 mit Hinweis; zum Verhältnis von
Zwischen- und Nebenverdienst: BGE 125 V 475, 123 V 230 E. 3c S. 233).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob und allenfalls in welchem Umfang die Versicherte
für die in den Monaten April bis September 2013 bezogene
Arbeitslosenentschädigung rückerstattungspflichtig ist. Dabei stellt sich die
Frage der Qualifikation des von ihr während der Arbeitslosigkeit erzielten
Einkommens als Fachberaterin Computer in der C.________ AG sowie als
Verkaufsberaterin in der Fotoabteilung der D.________ AG. Während Verwaltung
und Vorinstanz dieses Einkommen als Zwischenverdienst bei der
Arbeitslosentaggeldberechnung miteinbezogen, macht die Beschwerdeführerin
geltend, es sei als Nebenverdienst nicht zu berücksichtigen (Art. 24 Abs. 3
Satz 2 AVIG).

3.1. Praxisgemäss sind auch Nebenverdienste (Art. 23 Abs. 3 AVIG), die nicht
versichert sind und bei der Berechnung des Zwischenverdienstes unberücksichtigt
bleiben (Art. 24 Abs. 3 AVIG), zu melden, da ihre rechtliche Qualifikation der
Verwaltung obliegt (ARV 2014 S. 215, 8C_265/2014 E. 3.3 mit Hinweis).

3.2. Fest steht und unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin in Bezug auf
die ausgeübten Erwerbstätigkeiten für die D.________ AG und die C.________ AG
die ihr obliegende Meldepflicht verletzt hat. Laut ebenfalls unbestrittener
vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung arbeitete sie vom 1. Dezember 2012
bis 8. Mai 2013 stundenweise für die D.________ AG. Infolge einer
wirtschaftlichen Reorganisation übernahm die C.________ AG das
Arbeitsverhältnis mit der Beschwerdeführerin und beschäftigte diese vom 9. Mai
bis 30. September 2013 mit einem Pensum von 20 %. Gemäss angefochtenem
Entscheid steht zudem fest und ist unbestritten, dass die Versicherte ihr
Pensum als Aushilfsverkäuferin nach dem Verlust ihrer von Anfang an bis zum 31.
März 2013 befristet gewesenen Haupttätigkeit bei der Versicherung B.________
nicht erhöht hat.

3.3. Nach Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin
die Tätigkeit als Aushilfsverkäuferin vier Monate vor der im Voraus bestimmten
Beendigung der per 31. März 2013 befristeten Haupttätigkeit aufgenommen. Bei
Aufnahme der Aushilfstätigkeit am 1. Dezember 2012 sei daher das zeitlich kurz
bevorstehende Ende des befristeten Hauptarbeitsvertragsverhältnisses absehbar
gewesen. Der Verdienst aus der Beschäftigung als Aushilfsverkäuferin sei
deshalb mit Blick auf die seit Januar 2013 gültige Weisung des SECO
(AVIG-Praxis ALE, Rz. C11) als Zwischenverdienst zu qualifizieren. An der
Absehbarkeit der Beendigung des Hauptarbeitsvertragsverhältnisses ändere
nichts, auch wenn die Versicherte auf eine Vertragsverlängerung gehofft habe.

3.4.

3.4.1. Vorweg rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Sie habe sich zur angeblich
unzutreffenden vorinstanzlichen Annahme hinsichtlich des Motives der Aufnahme
der Nebentätigkeit vor Erlass des angefochtenen Entscheides nicht äussern
können. Davon kann keine Rede sein. Soweit der Einwand der Versicherten
überhaupt der qualifizierten Rügepflicht (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 mit
Hinweisen) genügt, steht aktenkundig fest, dass die vor Bundesgericht
beanstandete Begründung nicht erst im angefochtenen Gerichtsentscheid, sondern
von der ÖAK bereits im Einspracheentscheid angeführt worden war. Weshalb die
Beschwerdeführerin die entsprechenden Tatsachenfeststellungen der ÖAK nicht
bereits im kantonalen Verfahren kritisiert hat, ist nicht nachvollziehbar und
schliesst jedenfalls die vor Bundesgericht gerügte angebliche Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör aus.

3.4.2. Im Übrigen zeigt die Versicherte nicht auf, inwiefern das kantonale
Gericht den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder
sonstwie bundesrechtswidrig festgestellt habe. Sie selber weist zutreffend
darauf hin, dass sie laut angefochtenem Entscheid nach Eintritt der
Arbeitslosigkeit durch Beendigung der befristeten Haupttätigkeit die
Nebentätigkeit unbestritten nicht ausgeweitet und keinen Mehrverdienst erzielt
habe. Im Übrigen legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist nicht
ersichtlich, dass aus dem Urteil 8C_265/2014 vom 27. August 2014 auf die
Bundesrechtswidrigkeit der Weisung gemäss Rz. C11 der AVIG-Praxis ALE zu
schliessen wäre. Jedenfalls ist aus dem genannten Urteil nicht zu folgern, dass
der Zusatzverdienst aus einer vor Beendigung des befristeten
Hauptarbeitsverhältnisses aufgenommenen Beschäftigung zwingend als
Nebenverdienst im Sinne von Art. 23 Abs. 3 AVIG zu qualifizieren sei. Soweit
die Versicherte schliesslich beanstandet, die vorinstanzliche Qualifikation der
Aushilfstätigkeit als Zwischenverdienst hätte "zu höheren Taggeldern" führen
müssen, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung der Beschwerde.
Insbesondere zeigt die Beschwerdeführerin nicht konkret auf, weshalb der
angefochtene Entscheid mit Blick auf diese Rüge in Bezug auf die hier einzig
strittige Rückforderung der ÖAK Bundesrecht verletzen würde.

3.5. Die vorinstanzliche Bestätigung der Qualifikation des Einkommens aus der
Tätigkeit als Aushilfsverkäuferin gemäss Einspracheentscheid der ÖAK ist nach
dem Gesagten unter dem Blickwinkel der eingeschränkten Kognition (E. 1 hievor)
jedenfalls nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden. Die Beschwerde ist
demnach unbegründet und folglich abzuweisen.

4. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. Oktober 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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