Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.52/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_52/2016

Urteil vom 8. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Gasche Bühler,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Hilfsmittel; Kniegelenkersatz),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 25. November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ arbeitete als Chefmonteur bei der Firma
B._________ AG in der Elektroplanung und Installation und war in dieser
Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unter
anderem gegen die Folgen von Unfällen versichert. Bei einem Motorradunfall am
26. Juni 2001 zog er sich so schwere Verletzungen zu, dass eine
Oberschenkelamputation links durchgeführt werden musste. In der Folge wurde er
auf Kosten der für den Unfall leistungspflichtigen Haftpflichtversicherung
mittels einer elektronischen C-Leg-Prothese versorgt. Seit dem 1. April 2004
bezieht der Versicherte von der SUVA eine Rente aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 63 % (Verfügung vom 24. August 2004).
Mit Eingabe vom 22. März 2011 wurde um eine Kostengutsprache für einen
Genium-Kniegelenk-Ersatz ersucht. Die SUVA lehnte einen entsprechenden Anspruch
mit Verfügung vom 29. November 2012 ab, da ein solcher die Kriterien einer
einfachen und zweckmässigen Ausführung nicht erfülle. Gleichzeitig wurde dem
Versicherten eine - neue - prothetische Versorgung mittels einer C-Leg-Prothese
gewährt. Daran hielt die Unfallversicherung auch auf Einsprache hin fest.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 25. November 2015 ab, nachdem das Gericht zuvor eine
öffentliche Verhandlung durchgeführt hatte.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm das Hilfsmittel
"Genium" zuzusprechen; eventuell sei die weitere Abklärung der Sache
anzuordnen. In formeller Hinsicht ersucht er um die Durchführung einer
öffentlichen, mündlichen Verhandlung.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III
136 E. 1.4 S. 140). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung
von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht
nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts
gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

1.2. Geldleistungen sind gemäss Art. 15 ATSG insbesondere Taggelder, Renten,
jährliche Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigungen und Zulagen zu
solchen, nicht aber der Ersatz für eine von der Versicherung zu erbringende
Sachleistung (vgl. dazu eingehend RUDOLF URSPRUNG/PETRA FLEISCHANDERL in:
Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, Aargauischer Juristenverein
[Hrsg.] 2005, S. 423 ff.). Als Sachleistung gelten sodann gemäss Art. 14 ATSG
unter anderem die Hilfsmittel (Art. 11 UVG; vgl. URSPRUNG/FLEISCHANDERL, a.a.O,
S. 426 f.). Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich einen Anspruch geltend
macht, legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Der Beschwerdeführer fordert die Durchführung einer mündlichen und öffentlichen
Parteiverhandlung.

2.1. Das kantonale Gericht hat eine öffentliche Verhandlung durchgeführt und
insoweit Art. 6 Ziff. 1 EMRK Rechnung getragen. Gestützt auf die EMRK besteht
kein Anspruch auf eine zweite öffentliche Verhandlung vor Bundesgericht.

2.2. Das Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist
grundsätzlich schriftlich (Art. 58 Abs. 2 und Art. 102 BGG). Das Bundesgericht
berät gemäss Art. 58 Abs. 1 BGG den Entscheid nur dann mündlich, wenn der
Abteilungspräsident bzw. die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein
Richter bzw. eine Richterin es verlangt (lit. a) oder aber wenn sich keine
Einstimmigkeit ergibt (lit. b). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Durchführung einer mündlichen Beratung sind somit nicht gegeben. Was den Antrag
auf Durchführung einer Parteiverhandlung anbelangt, hat der Beschwerdeführer
seinen Standpunkt im Rahmen seiner Rechtsschriften ausführlich dargetan. Zudem
fand vor Vorinstanz eine öffentliche Verhandlung statt. Es ist daher nicht
ersichtlich, inwiefern sich ausnahmsweise die Durchführung einer öffentlichen
Parteiverhandlung im Sinne von Art. 57 BGG aufdrängen würde. Dies gilt umso
mehr, als der Beschwerdeführer nicht aufzeigt, weshalb die beanstandeten Punkte
nicht bereits aufgrund der vorhandenen Akten beantwortbar sein sollen. Zudem
legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (E. 1.2 hievor). Es nimmt keine eigenen Beweise ab.
Insgesamt ist somit weder eine mündliche Beratung noch eine öffentliche
Parteiverhandlung anzuordnen.

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die zu Lasten der obligatorischen
Unfallversicherung beanspruchte Versorgung des Beschwerdeführers mit einem in
der Oberschenkel-Prothese integrierten Genium Kniegelenksystem eine gesetzlich
geschuldete Hilfsmittelabgabe darstellt.

3.1. Gemäss Art. 11 UVG hat der Versicherte Anspruch auf die Hilfsmittel, die
körperliche Schädigungen oder Funktionsausfälle ausgleichen; der Bundesrat
erstellt die Liste dieser Hilfsmittel (Abs. 1). Die Hilfsmittel müssen einfach
und zweckmässig sein; der Versicherer gibt sie zu Eigentum oder leihweise ab
(Abs. 2). Wie das kantonale Gericht bereits ausgeführt hat, konkretisieren die
in Art. 11 Abs. 2 UVG und Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über die Abgabe von
Hilfsmitteln durch die Unfallversicherung (HVUV) normierten Kriterien der
Einfachheit und Zweckmässigkeit das Verhältnismässigkeitsprinzip. Die in Frage
stehende Leistung hat dafür geeignet zu sein, den gesetzlichen Zweck zu
erreichen. Sie muss notwendig und erforderlich sein. Demgegenüber wird
verlangt, dass zwischen den Kosten des Hilfsmittels und seinem Nutzen ein
vernünftiges Verhältnis besteht. Bei der Beurteilung des Anspruchs sind
sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen (BGE 141 V 30 E. 3.2.1; Urteil 8C_279/2014 vom 10. Juli 2015 E.
7.1).

3.2. Im angefochtenen Entscheid werden die hier in Frage stehenden
prothetischen Knie-Ersatz-Systeme, das C-Leg einerseits und das Genium
andererseits, in ihren jeweiligen Funktionen detailliert dargestellt. Es kann
darauf verwiesen werden. Zusammenfassend steht demnach fest, dass die
Genium-Prothese eine technische Weiterentwicklung des C-Leg darstellt und einen
besseren Komfort bietet. Das ist mit höheren Kosten in der Grössenordnung von
Fr. 20'000.- verbunden.

4.

4.1. Im angefochtenen Entscheid wird überzeugend dargelegt, dass aufgrund der
beim Assessment in der Rehaklinik C.________ in der Zeit vom 26. September 2011
bis 29. Februar 2012 gewonnenen Erkenntnisse das C-Leg geeignet ist, das
gesetzliche Eingliederungsziel (Art. 11 UVG; E. 3.1 hievor) zu erreichen. Diese
prothetische Versorgung stellt demnach ein zweckmässiges Hilfsmittel dar und
ermöglicht dem Beschwerdeführer seine berufliche Tätigkeit im bisherigen Umfang
auch weiterhin auszuüben. Sie genügt den Anforderungen an die Gehfähigkeit im
Beruf. Es ist unbestritten, dass auch mit Hilfe eines Genium keine Steigerung
der Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann. In tatsächlicher Hinsicht stellt die
Vorinstanz weiter fest, der Beschwerdeführer könne auch seine übrigen
Tätigkeiten in Beruf, Haushalt und Freizeit mit dem C-Leg ohne Sturzrisiko
verrichten. Demnach kann nicht von einem gesteigerten Eingliederungsbedürfnis
gesprochen werden. Das kantonale Gericht hat den individuellen Einzelfall des
Beschwerdeführers und seine berufliche Tätigkeit, bei der er sich unter anderem
auch auf Baustellen bewegen muss, einlässlich geprüft. Es kam dabei zur
Erkenntnis, dass die Versorgung mit einem C-Leg seinen besonderen Verhältnissen
genügt. Ein über der Verwendung dieses Hilfsmittels hinausgehendes
Eingliederungsbedürfnis besteht daher nicht.

4.2. Bereits vorinstanzlich hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, die Abgabe
eines Genium Knieersatzes sei auch bezüglich medizinischer Aspekte indiziert.
Das kantonale Gericht hat sich in Prüfung der medizinischen Akten mit dieser
Thematik auseinandergesetzt. Es ist dabei in für das Bundesgericht
verbindlicher Weise (vgl. E. 1.2) zur Erkenntnis gelangt, eine entsprechende
Versorgung sei aus medizinischer Sicht nicht unerlässlich oder die Verwendung
der C-Leg-Prothese gar kontraindiziert. Entsprechend sei nicht erstellt, dass
die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nur durch eine Versorgung mit einer
Genium-Prothese während seiner verbleibenden Aktivitätsdauer erhalten werden
könnte. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Feststellung
offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig sein soll.

5.

5.1. Der Versicherte erhebt in seiner Beschwerde über weite Strecken
wortwörtlich dieselben Einwendungen wie vor dem kantonalen Gericht. Dies
betrifft insbesondere die Vorzüge des Genium gegenüber dem C-Leg, die
medizinisch-technologischen Aspekte und die Wirtschaftlichkeit der beiden
Systeme. Entgegen seinen Darstellungen hat sich die Vorinstanz eingehend und
umfassend mit diesen Vorbringen auseinandergesetzt. Insofern, als sich der
Beschwerdeführer mit der rechtsprechungskonformen Begründung im angefochtenen
Entscheid nicht auseinandersetzt, ist auf seine Argumentation nicht weiter
einzugehen.

5.2. Damit bleibt es beim beschwerdeführerischen Einwand, die Vorinstanz habe
das in den Akten liegende Video zu seinem Gangbild mit den jeweiligen Prothesen
nicht visioniert und damit seinen Anspruch auf Beweisabnahme verletzt. Dem ist
zu entgegnen, dass die Ärzte an der Rehaklinik in ihrem Bericht über ein
ambulantes Assessment vom 22. März 2012 die Ganganalyse präzise beschrieben
haben. Auch das kantonale Gericht ging bei seiner Beurteilung davon aus, der
Gang des Beschwerdeführers wäre etwa auf Baustellen oder auf unebenem Gelände
sicherer, würde er mit dem Genium versorgt. Da gemäss vorinstanzlicher
Feststellung aber auch das von der SUVA gewährte C-Leg für die berufliche
Tätigkeit geeignet ist und auch damit hinreichende Gewähr besteht, dass dieser
auf Dauer hin nachgegangen werden kann (vgl. E. 4.1), konnte eine Visionierung
des Videos unterbleiben. Damit hat die Vorinstanz weder gegen den
Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör bzw. auf Beweisabnahme verstossen (Art. 29 Abs. 2 BV;
antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_680/2015
vom 14. Dezember 2015 E. 5.5).

5.3. Zusammenfassend hat das kantonale Gericht ohne Verletzung von Bundesrecht
zu Recht erkannt, die beantragte Genium-Knieersatz-Prothese stelle zwar das
bessere Hilfsmittel dar, es sei indessen wesentlich teurer als das C-Leg.
Dieses deckt die Eingliederungsbedürfnisse des Versicherten vollumfänglich ab.
Daher stellt das Genium kein einfaches Hilfsmittel im Sinne der Rechtsprechung
dar. Der vorinstanzliche Entscheid steht schliesslich im Einklang mit der
bundesgerichtlichen Praxis (Urteil 8C_279/2014 vom 10. Juli 2015), der ein
vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Die Beschwerde ist abzuweisen.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. April 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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