Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.526/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_526/2016

Urteil vom 1. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Margret Kiener Nellen,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 16. Juni 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1961, war am 29. Januar 1996 bei ihrer Tätigkeit als
Produktionsmitarbeiterin bei der B.________ AG gestürzt und klagte seither über
anhaltende Beschwerden am ganzen Körper. Gestützt auf ein Gutachten des
Ärztlichen Begutachtungsinstituts GmbH (ABI), Basel, vom 28. Mai 2001, welches
ein schweres depressives Zustandsbild bescheinigte, hatte ihr die IV-Stelle
Bern am 21. November 2001 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Im Zuge eines
von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte sie erneut ein
Gutachten des ABI vom 11. April 2011 ein und stellte die Invalidenrente mit
Verfügung vom 13. September 2011 ein. Die dagegen erhobenen Beschwerden wiesen
das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 15. Mai 2012 und das
Bundesgericht mit Urteil 8C_503/2012 vom 3. August 2012 ab.

A.b. Am 29. April 2013 meldete sich A.________ unter Hinweis auf die seit 1996
anhaltenden Beschwerden sowie auf einen weiteren Unfall vom 30. Oktober 2012
(Auffahrkollision) erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Die IV-Stelle holte wiederum ein Gutachten des ABI vom 3. Februar 2015 ein. Mit
Verfügung vom 2. Dezember 2015 lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente
ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 16. Juni 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine
ganze Rente zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an
die IV-Stelle, eventuell an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und verzichtet auf
einen Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die für die Neuanmeldung und den Rentenanspruch
massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf
verwiesen.

3. 
Die Beschwerdeführerin reicht letztinstanzlich ein neues Beweismittel ein
(Bericht der Genossenschaft C.________ vom 16. August 2016). Dieses bleibt als
echtes Novum im Verfahren vor dem Bundesgericht unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1
BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.; Urteil 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E.
4.2.2).

4. 
Das kantonale Gericht hat erkannt, der Gesundheitszustand und die
Arbeitsfähigkeit seien anhand des in allen Teilen beweiskräftigen Gutachtens
des ABI vom 3. Februar 2015 zu beurteilen. Zu berücksichtigen seien leichte bis
mässiggradige degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule sowie ein
subakromiales Impingement der Schulter beidseits, welche zu einer leicht
verminderten Belastbarkeit der Wirbelsäule und der oberen Extremitäten führten.
Für körperlich leichte bis mittelschwere wechselbelastende Tätigkeiten (ohne
wiederholtes Heben und Tragen von Lasten über 15 Kilogramm und ohne
wiederholten Einsatz der oberen Extremitäten oberhalb des Schulterniveaus)
bestehe aus orthopädischer Sicht eine volle Arbeits- und Leistungsfähigkeit.
Aus psychiatrischer Sicht schränke eine leichte depressive Episode bei im
Verlauf rezidivierender depressiver Störung die Arbeitsfähigkeit um 20 Prozent
ein, bedingt durch eine erhöhte Ermüdbarkeit, welche einen vermehrten
Pausenbedarf erfordere. Nach Einschätzung der Gutachter sei das zumutbare
80-Prozent-Pensum vollschichtig umzusetzen mit leicht erhöhtem Pausenbedarf und
leicht reduziertem Rendement. Es sei seit der letzten Begutachtung im Jahr 2011
keine wesentliche Veränderung eingetreten. Nach den vorinstanzlichen
Feststellungen haben sich die Gutachter mit der abweichenden Diagnosestellung
des behandelnden Psychiaters sowie der Ärzte des Spitals D.________ (jeweils
ohne Einschätzung der Arbeitsfähigkeit) auseinandergesetzt. Die von ihnen
stärker berücksichtigten Belastungsfaktoren (Flüchtlingsschicksal und erlebte
Gewalt als Angehörige einer kurdischen Familie in der Heimat Türkei) seien den
Gutachtern schon bei der letzten Abklärung im Jahr 2011 bekannt gewesen. Zur
Dauer der psychiatrischen Untersuchung hat sich die Vorinstanz zutreffend
geäussert. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es sich hier um die zweite
Verlaufsbegutachtung handelt und der psychiatrische Experte die
Beschwerdeführerin bereits kannte. In somatischer Hinsicht decke sich die
Einschätzung der Gutachter mit derjenigen des behandelnden Rheumatologen. Auf
die Einholung eines Berichts über ein Belastbarkeitstraining bei der
Genossenschaft C.________ verzichtete das kantonale Gericht, denn die
Berufsfachleute vermöchten nur über die gezeigte subjektive Leistung und nicht
die massgebliche objektive Leistungsfähigkeit zu berichten. Gestützt auf das
ABI-Gutachten vom 3. Februar 2015 war nach der Beurteilung des kantonalen
Gerichts erstellt, dass seit 2011 keine wesentliche Änderung des
Gesundheitszustandes eingetreten sei.

5. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das kantonale Gericht mit der
Abweisung ihres Beweisantrags auf Einholung eines Berichts der Genossenschaft
C.________ ihr rechtliches Gehör verletzt habe. Die antizipierte
Beweiswürdigung ist zulässig, wenn der rechtserhebliche Sachverhalt umfassend
abgeklärt wurde und von zusätzlichen Beweismassnahmen keine neuen Erkenntnisse
erwartet werden können (SVR 2010 UV Nr. 3 S. 11, 8C_283/2009 E. 2.2.2; SVR 2001
IV Nr. 10 S. 27, I 362/99 E. 4b; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162). Für
die richterliche Überprüfungsbefugnis massgeblich ist der Zeitpunkt der
rentenablehnenden Verfügung vom 2. Dezember 2015 (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169).
Der Bericht der Genossenschaft C.________, auf den sich die Beschwerdeführerin
berief, ist erst später ergangen. Die Beschwerdeführerin verlangte damit eine
Beweismassnahme, die einen Sachverhalt nach dem für die Beurteilung der
Neuanmeldung massgeblichen Vergleichszeitpunkt betraf; zumindest liess sich aus
einem erst einmonatigen Training (ab dem 2. November 2015 bis zum
Verfügungserlass am 2. Dezember 2015) nach zwanzigjähriger Abwesenheit vom
Arbeitsmarkt nichts Zuverlässiges zur Belastbarkeit schliessen. Zudem wird
beschwerdeweise nicht näher ausgeführt, weshalb es der Versicherten nicht
möglich sein sollte, eine leichte Tätigkeit auszuüben. Es wird nicht geltend
gemacht, dass eine von der Einschätzung der Experten abweichende ärztliche
Stellungnahme vorliegen würde, die konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit
des Gutachtens zu begründen vermöchte, und es wurden im vorinstanzlichen
Verfahren auch keine entsprechenden eigenen Beweismittel ins Recht gelegt (BGE
137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 und 4.5 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb
S. 353). Ein Widerspruch zum ABI-Gutachten ist damit nicht auszumachen. Mit dem
kantonalen Gericht ist deshalb darauf abzustellen. Eine rentenbegründende
Invalidität ist weiterhin nicht ausgewiesen.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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