Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.489/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]             
8C_489/2016    {T 0/2}     

Urteil vom 29. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Zenari,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 9. Juni 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1956 geborene A.________ meldete sich im Januar 2003 wegen den Folgen
eines Auffahrunfalls mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 10. September
2009 verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau gestützt auf das im Auftrag des
Unfallversicherers bei der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim) in
Auftrag gegebene polydisziplinäre Gutachten vom 2. April 2009 einen Anspruch
auf Invalidenrente. Die von A.________ dagegen eingereichte Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 4. November 2010 ab.

A.b. Am 28. Februar 2012 meldete sich A.________ unter Hinweis auf
Schlaflosigkeit, Ängste, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und Unruhe
erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle holte unter anderem bei Dr. med.
B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, das psychiatrische
Gutachten vom 16. Oktober 2012 ein. Zudem beauftragte sie Dr. med. C.________,
Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD)
Mittelland, mit der konsiliarischen Aktenbeurteilung vom 18. Oktober 2012. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren
mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 erneut ab. Dies bestätigte das
Versicherungsgericht auf Beschwerde der Versicherten hin mit Entscheid vom 4.
November 2013. Das Bundesgericht hob diesen Entscheid mit Urteil vom 14.
Februar 2014 (8C_874/2013) auf und wies die Sache zu weiteren medizinischen
Abklärungen und anschliessender neuer Entscheidung an das kantonale Gericht
zurück.

B. 
Das Versicherungsgericht holte daraufhin von Dr. med. B.________ die
Stellungnahme vom 18. März 2015 zur Aktenbeurteilung des RAD-Arztes Dr. med.
C.________ vom 18. Oktober 2012 ein. Mit Entscheid vom 9. Juni 2016 wies es die
Beschwerde wiederum ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr mindestens
eine Dreiviertelsrente zuzusprechen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine überlange Verfahrensdauer. Sie legt jedoch
nicht dar, dass sie eine Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben hätte. Indessen
hat sie im (später wieder zurückgezogenen) Ausstandsbegehren vom 18. Juli 2014
und mit Schreiben vom 20. Januar 2015 auf die Prozessdauer hingewiesen und um
Mitteilung über den Stand des Verfahrens ersucht. Ein Schaden, der durch die
Verfahrensdauer entstanden wäre, ist nicht ersichtlich. Da zudem auch bei
übermässiger Verfahrensdauer kein Anspruch auf eine Wiedergutmachung in der
Form der Zusprechung einer materiellrechtlich nicht geschuldeten
Sozialversicherungsleistung besteht (BGE 129 V 411 E. 3.4         S. 422;
Urteile 8C_130/2016 vom 16. August 2016 E. 2; 8C_323/2010 vom 10. Mai 2011 E.
5.2), braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die Verfahrensdauer tatsächlich
als überlang zu qualifizieren ist.

3.

3.1. Das Bundesgericht hat mit BGE 141 V 281 (vom 3. Juni 2015) seine
Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen anhaltende somatoforme
Schmerzstörungen und vergleichbare psychosomatische Leiden eine
rentenbegründende Invalidität zu bewirken vermögen, grundlegend überdacht und
teilweise geändert. Weiterhin kann eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit
nur anspruchserheblich sein, wenn sie Folge einer fachärztlich einwandfrei
diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (BGE 130 V 396). Der
Rentenanspruch wird - in Nachachtung der verfassungs- und gesetzmässigen
Vorgaben von Art. 8 und 29 BV (Rechtsgleichheit) und Art. 7 Abs. 2 ATSG
(objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung) - anhand eines normativen Prüfrasters
beurteilt (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353 und 139 V 547 E. 5.9 S. 558 f.),
und es braucht medizinische Evidenz, dass die Erwerbsunfähigkeit aus objektiver
Sicht eingeschränkt ist. Indessen hält das Bundesgericht an der
Überwindbarkeitsvermutung nicht länger fest (BGE 141 V 281 E. 3.5 S. 294).
Anstelle des bisherigen Regel/Ausnahme-Modells tritt ein strukturierter,
normativer Prüfraster. In dessen Rahmen wird im Regelfall anhand von auf den
funktionellen Schweregrad bezogenen Standardindikatoren das tatsächlich
erreichbare Leistungsvermögen ergebnisoffen und symmetrisch beurteilt, indem
gleichermassen den äusseren Belastungsfaktoren wie den vorhandenen Ressourcen
Rechnung getragen wird (Urteil 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E. 2.2 mit
Hinweisen).

3.2. Intertemporalrechtlich gilt es sodann zu beachten, dass gemäss altem
Verfahrensstandard eingeholte Gutachten ihren Beweiswert nicht per se
verlieren. Mit Blick auf die nunmehr materiell-beweisrechtlich geänderten
Anforderungen bei der Einschätzung des funktionellen Leistungsvermögens ist
jedoch in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen
und/oder gerichtlichen Sachverständigengutachten, gegebenenfalls im Kontext mit
weiteren fachärztlichen Berichten, eine schlüssige Beurteilung im Lichte der
massgeblichen Indikatoren erlauben oder nicht (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309).
Rechtsprechungsänderungen, so auch jene von BGE 141 V 281 sind grundsätzlich
auf alle im Zeitpunkt der Praxisänderung noch nicht erledigten Fälle anzuwenden
(Urteil 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E. 4 mit Hinweis). Wie nachfolgend
gezeigt wird, erlauben die medizinischen Akten, insbesondere das Gutachten des
Dr. med. B.________ vom 16. Oktober 2012 samt Ergänzung vom 18. März 2015 eine
schlüssige Beurteilung im Lichte der massgeblichen Indikatoren.

4.

4.1. Im ersten Entscheid vom 4. November 2013 stellte das kantonale Gericht im
Wesentlichen auf das Aktengutachten des RAD-Arztes    Dr. med. C.________ vom
18. Oktober 2012 ab. Dessen Kritik am im Verfahren nach Art. 44 ATSG
eingeholten psychiatrischen Gutachten des Dr. med. B.________ vom 16. Oktober
2012 erachtete es als berechtigt. Das Bundesgericht hat die Sache mit Urteil
8C_874/2013 vom 14. Februar 2014 an das Versicherungsgericht zurückgewiesen,
damit es bei Dr. med. B.________ eine Stellungnahme zu den Einwänden des
RAD-Arztes einhole. Für den Fall, dass die Zweifel am psychiatrischen Gutachten
nicht ausgeräumt werden könnten, wies es das kantonale Gericht an, ein
psychiatrisches Gerichtsgutachten in Auftrag zu geben.

4.2. Das kantonale Gericht holte nach der bundesgerichtlichen Rückweisung die
Stellungnahme des Dr. med. B.________ vom 18. März 2015 ein. Darin setzte sich
dieser mit den Einwänden des RAD-Arztes      Dr. med. C.________ am
psychiatrischen Gutachten auseinander. Dabei führte er im Wesentlichen aus, die
Versicherte sei zwar durch verschiedene psychosoziale Faktoren belastet. Diese
seien jedoch nicht in seine Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit miteinbezogen
worden. Verschiedene lebensgeschichtliche und psychosoziale Faktoren hätten zur
depressiven Entwicklung beigetragen. Die Depression habe sich im Verlauf
verselbständigt, so dass von einem eigenständigen Krankheitsbild auszugehen
sei. Sie sei auch nicht lediglich eine Begleiterscheinung der somatoformen
Schmerzstörung. In einer adaptierten Tätigkeit (ruhig, stressarm, körperlich
leicht mit Wechselbelastung) betrage die Arbeitsfähigkeit insgesamt 50 Prozent.

4.3. Am 29. April 2016 teilte das kantonale Gericht den Parteien die Absicht
mit, bei der Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) in Basel ein
polydisziplinäres Gutachten in Auftrag zu geben. Die Versicherte beantragte in
ihrer Stellungnahme vom 23. Mai 2016, es sei von einer Begutachtung bei der ABI
abzusehen. Zur Begründung führte sie an, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb
rund ein Jahr nach der ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. B.________ noch
ein polydisziplinäres Gutachten erforderlich sei. Gegenstand des Verfahrens
bilde die Frage, ob seit der im Jahre 2009 verneinten Anspruchsberechtigung
aufgrund der Neuanmeldung im Jahre 2012 eine Verschlechterung des psychischen
Gesundheitszustandes eingetreten sei. Dafür bilde das Gutachten des Dr. med.
B.________ eine genügende Grundlage.

4.4. Das Versicherungsgericht sah in der Folge von der Anordnung einer weiteren
psychiatrischen Begutachtung ab, da davon bezüglich des sachverhaltlich
relevanten Geschehens bis zum Verfügungszeitpunkt vom 11. Dezember 2012 keine
neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Es prüfte, gestützt auf die unbestritten
gebliebenen Befunde und Diagnosen gemäss Gutachten des Dr. med. B.________ vom
16. Oktober 2012, ob der mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem
Syndrom (ICD-10:F32.11) und dem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und
psychischen Faktoren im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
(ICD-10:F45.41) im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl.
insbesondere BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 zur grundsätzlichen Therapierbarkeit
leichter bis mittelschwerer Störungen aus dem depressiven Formenkreis [ebenso
Urteile 8C_119/2016 vom 20. Mai 2016 E. 3.2; 9C_89/2016 vom 12. Mai 2016 E.
4.1; RAHEL SAGER, Die bundesgerichtliche Rechtsprechung betreffend
Depressionen, in: SZS 2015 S. 308 ff., 317 f. Ziff. 5.2] und BGE 141 V 281
bezüglich der Voraussetzungen, unter denen anhaltende somatoforme
Schmerzstörungen und vergleichbare psychosomatische Leiden eine
rentenbegründende Invalidität zu bewirken vermögen) invalidisierende Wirkung
zukommt. Dieses Vorgehen ist - wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen - nicht
bundesrechtswidrig. Die Beschwerdeführerin stellt auch keinen Antrag auf
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zwecks Einholung eines medizinischen
Gerichtsgutachtens und neuem Entscheid (vgl. dazu BGE 137 V 210 E. 4.4.1 S. 263
ff.).

4.5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe das
bundesgerichtliche Rückweisungsurteil missachtet. An die rechtliche Begründung
im Rückweisungsentscheid ist das kantonale Gericht gebunden (BGE 117 V 237 E.
2a S. 241 f.;  ULRICH MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 18 zu Art. 107). Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin wurde das Versicherungsgericht im
bundesgerichtlichen Rückweisungsurteil vom 14. Februar 2014 (8C_874/2013)
jedoch nicht dazu verhalten, eine Rente nach Massgabe der Beurteilung des Dr.
med. B.________ zuzusprechen, falls kein neues psychiatrisches Gutachten
einzuholen sei. In diesem Zusammenhang gilt es darauf hinzuweisen, dass es nach
der Rechtsprechung nicht allein Sache des Arztes ist, abschliessend und für die
rechtsanwendenden Stellen verbindlich zu entscheiden, ob das medizinisch
festgestellte Leiden zu einer (andauernden oder vorübergehenden)
Arbeitsunfähigkeit führt. Seine Aufgabe besteht in erster Linie darin, den
Gesundheitszustand zu beurteilen und wenn nötig seine Entwicklung im Laufe der
Zeit zu beschreiben. Er hat insbesondere die Befunde zu erheben und gestützt
darauf die Diagnose zu stellen. Bei der Folgenabschätzung der erhobenen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Arbeitsfähigkeit kommt der
Arztperson hingegen keine abschliessende Beurteilungskompetenz zu (BGE 141 V
281 E. 5.2.1 S. 306; 140 V 193 E. 3.1 f.    S. 194 ff.). Dies gilt erst recht
für den Begriff der Erwerbsunfähigkeit, welcher Voraussetzung einer Invalidität
ist, aber nebst medizinischen noch weitere Aspekte umfasst (vgl. Art. 7 ATSG).
Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung verstösst das Vorgehen des kantonalen
Gerichts nicht gegen Bundesrecht.

5.

5.1. Wie das kantonale Gericht anhand der medizinischen Akten aufgezeigt hat,
traten bereits vor dem Unfallereignis vom 3. Januar 2002 erste berufliche
Schwierigkeiten auf. Die Versicherte erlebte im Jahr 2000 im Bahnhof X.________
eine Belästigung. Ab dem Jahr 2000 bestand eine als unbefriedigend empfundene
Arbeitsplatzsituation. Nach dem Unfall folgte ein jahrelanger Rechtsstreit.
Zeitnah zum erstmaligen Auftreten der depressiven Symptomatik endete die
langjährige Partnerschaft. Im Jahre 2011 verstarb die Mutter der Versicherten.
Dr. med. B.________ konnte bei der Untersuchung im Oktober 2012 ein
mittelgradiges depressives Syndrom mit Niedergeschlagenheit,
Antriebsverminderung, Freudverminderung, thorakalem Druckgefühl und
Schlafstörungen feststellen. Das kantonale Gericht hat nach einlässlicher und
sorgfältiger Würdigung der medizinischen Unterlagen dargelegt, dass die
Versicherte, abgesehen vom stationären Aufenthalt in der Klinik D.________ vom
27. März bis 16. Mai 2012, nie eine längerdauernde, konsequente Behandlung der
Depression in Anspruch genommen hat. Gemäss Austrittsbericht vom 21. Mai 2012
habe die stationäre Behandlung zu einer objektiven und subjektiven Besserung
des psychischen Befindens geführt. Dr. med. B.________ habe im Gutachten vom
16. Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass die antidepressive Medikation zur
Behandlung des Restsyndroms noch intensiviert werden könne. Die Versicherte
konsultiere alle zwei Monate ihre Hausärztin und nehme wöchentlich an
Psychotherapiesitzungen bei Frau lic. phil. E.________ teil. Daraus schloss die
Vorinstanz, es könne nicht von einer invalidenversicherungsrechtlich relevanten
Therapieresistenz ausgegangen werden. Sie verneinte daher die invalidisierende
Wirkung der diagnostizierten mittelgradigen depressiven Episode.

5.2. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, eine
Bundesrechtsverletzung zu begründen. Im angefochtenen Entscheid hat das
kantonale Gericht nicht mehr auf die Beurteilung des Dr. med. C.________ vom
18. Oktober 2012 abgestellt. Auf die Kritik in der Beschwerdeschrift an der
Stellungnahme des RAD-Arztes und deren Beweiswert ist daher nicht näher
einzugehen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht
der Arbeitsfähigkeitsschätzung des Dr. med. B.________ nicht gefolgt, verfängt
der Einwand ebenfalls nicht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung fallen
leichte bis mittelgradige Störungen aus dem depressiven Formenkreis einzig dann
als invalidisierende Krankheiten in Betracht, wenn sie erwiesenermassen
therapieresistent sind (vgl. BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197; Urteile 9C_892/2015
vom 22. Januar 2016 E. 2; 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2; 8C_119/2016 vom
20. Mai 2016 E. 3.2; 9C_901/2015 vom 8. Juli 2016 E. 3.2). Nur in einer solchen
- seltenen, da nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung Depressionen im
Allgemeinen therapeutisch gut angehbar sind - gesetzlich verlangten
Konstellation ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz
ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE
141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3 S. 295 f.). Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin kann der Vorinstanz in diesem Zusammenhang keine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung vorgeworfen werden. Laut Gutachten des
Dr. med. B.________ nahm die Versicherte aufgrund eines depressiven Einbruchs
im Herbst 2010 eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung
auf. Dem von der Beschwerdeführerin erwähnten Bericht des Ambulatoriums der
Klinik D.________ vom 27. September 2011 lassen sich allerdings keine Angaben
über die konkret getroffenen Massnahmen entnehmen. Vorinstanz und IV-Stelle
verzichteten darauf, einen Bericht einzuholen, der über die Modalitäten und den
Verlauf der Behandlung Aufschluss zu geben vermöchte. Fest steht aber, dass
sich die Behandlung im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 27. März bis 16.
Mai 2012 auch aus Sicht der Versicherten günstig ausgewirkt hat und eine
gewisse Besserung des Beschwerdebildes brachte. In der Folge wurde die
ambulante Behandlung weiter geführt. Diese wird vom Gutachter als adäquat
bezeichnet. In medikamentöser Hinsicht könnte sie seiner Ansicht nach indessen
noch intensiviert werden. Insgesamt enthalten die medizinischen Unterlagen
keine Anhaltspunkte, welche für den massgebenden Zeitraum bis zum
Verfügungserlass am 11. Dezember 2012 auf eine definitiv gescheiterte Therapie
der depressiven Störung schliessen liessen. Eine trotz adäquater Therapie
behandlungsresistente, invalidisierende Depression ist somit noch nicht
ausgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich die Prüfung des
Sozialversicherungsgerichts auf die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass
der angefochtenen Verwaltungsverfügung (hier: am 11. Dezember 2012) entwickelt
haben (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220; 130 V 138 E. 2.1 S. 140; 121 V 366). Die
Vorbringen der Versicherten bezüglich der seitherigen gesundheitlichen
Entwicklung, insbesondere der Hinweis auf einen erneuten stationären Aufenthalt
in der Klinik D.________ vom 17. Dezember 2014 bis 3. Februar 2015 wurden von
der hier streitigen Verfügung nicht mehr erfasst. Sie können folglich in diesem
Verfahren bereits aus diesem Grund nicht berücksichtigt werden, ohne dass
geprüft werden müsste, ob und inwiefern es sich dabei um unzulässige Noven
(Art. 99 Abs. 1 BGG) handelt. Der Beschwerdeführerin bleibt es jedoch
unbenommen, diese Umstände im Rahmen einer Neuanmeldung zum Rentenbezug nach
Massgabe von Art. 87 Abs. 2 IVV vorzubringen.

5.3. Das von der Beschwerdeführerin erwähnte Urteil 8C_278/2014 ist im hier zu
beurteilenden Zusammenhang nicht einschlägig, weil es dort um eine
schwerwiegende depressive Störung ging, welche die Ausübung einer angepassten
Tätigkeit nur noch in reduziertem Umfang ermöglichte (vgl. Urteil 8C_278/2014
vom 24. Juni 2014 E.5.2 in fine).

5.4. Wenn die Vorinstanz von der grundsätzlichen Therapierbarkeit der von Dr.
med. B.________ diagnostizierten mittelgradigen depressiven Episode ausging
(vgl. 5.2 hievor) und mit Bezug auf die Beschwerdeführerin für den zu
beurteilenden Zeitraum eine überwiegend wahrscheinlich ausgewiesene
Therapieresistenz ausschloss, liegt darin keine Bundesrechtsverletzung. Die
vorhandenen medizinischen Unterlagen erlauben eine abschliessende Beurteilung
dieser Frage. Eine psychiatrische Begutachtung erübrigt sich daher. Damit fällt
bereits unter dem Aspekt der nicht ausgewiesenen Untherapierbarkeit ein
invalidisierendes psychisches Leiden ausser Betracht.

6.

6.1. Weiter prüfte das kantonale Gericht in Anwendung der Rechtsprechung gemäss
BGE 141 V 281, ob die von Dr. med. B.________ ebenfalls erwähnte chronische
Schmerzstörung gemäss ICD-10:F45.41 eine rentenbegründende Invalidität zu
bewirken vermag. Es kam dabei zum Schluss, dass dieser Diagnose mit Blick auf
die nicht schwer ausgeprägte Störung, fehlende psychische und somatische
Komorbiditäten sowie günstige persönliche Ressourcen keine invalidisierende
Wirkung zukomme. Es stellte fest, dass die Versicherte insgesamt ein aktives
und geregeltes Leben führt. Auffallend sei, dass die sonstigen Lebensbereiche
im Gegensatz zur angegebenen Einschränkung im Beruf praktisch uneingeschränkt
seien.

6.2. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat das kantonale Gericht den
rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt und die Indikatoren
gemäss BGE 141 V 281 nicht korrekt angewendet.

6.3. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der chronischen Schmerzstörung mit
somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10:F45.41) ein diagnoseinhärenter
Bezug zum Schweregrad fehlt. In diesem Fall ist die ärztliche Feststellung,
welche per se von einem umfassenden Krankheitsbegriff ausgeht, anhand der
rechtserheblichen Indikatoren gemäss BGE 141 V 281 im Sinne einer Überprüfung
der schmerzbedingten Beeinträchtigung im Alltag zu beurteilen (vgl. BGE 142 V
106 E. 4.2 und 4.4 S. 109 ff.). Der Schweregrad einer Störung hängt demnach von
den konkreten funktionellen Auswirkungen ab, insbesondere wie stark die
versicherte Person in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen
Funktionsbereichen schmerzbedingt beeinträchtigt ist (Urteile 8C_82/2016 vom 9.
Mai 2016 E. 5.3; 8C_617/2015 vom 20. Mai 2016 E. 4.3.2).

6.4. Laut dem Gutachten des Dr. med. B.________ hat die allein wohnende
Versicherte praktisch täglich Kontakt mit ihrer im gleichen Quartier lebenden
Schwester. Mit ihr geht sie auch wöchentlich schwimmen. Sie hat ebenfalls
Kontakt zu ihrer Cousine und zu Kolleginnen und Kollegen aus der Schulzeit und
von früheren Arbeitsplätzen. An den Wochenenden arbeitet sie als Verkäuferin in
einem Tankstellenshop. Zudem betätigt sie sich künstlerisch, indem sie Karten
herstellt. Der Gutachter schildert zahlreiche Aktivitäten im Rahmen eines
relativ strukturierten Tagesablaufs. Aufgrund des Alltagsverhaltens der
Versicherten ist keine schwere invalidisierende Wirkung zu erkennen, die mit
der von Dr. med. B.________ attestierten (50-prozentigen) Arbeitsunfähigkeit zu
vereinbaren wäre. Die Arbeitsfähigkeit ist - gestützt auf die gestellte
Diagnose ohne Bezug zum Schweregrad sowie auf das Aktivitätsniveau der
Versicherten - als nicht eingeschränkt zu beurteilen. Hinweise auf im Komplex
Persönlichkeit zu prüfende Merkmale, die im Rahmen der Ressourcenprüfung
negativ ins Gewicht fallen könnten, liegen mit der Vorinstanz nicht vor. Dr.
med. B.________ erwähnt in der ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2015 im
Zusammenhang mit der depressiven Entwicklung eine wahrscheinlich vorbestandene
Vulnerabilität. Bei der Untersuchung stellte er eine niedergeschlagene
Grundstimmung mit eingeschränkter Modulation und eine Affektlabilität fest.
Aufmerksamkeit und Konzentration waren klinisch nicht beeinträchtigt, doch
liess die Konzentration im Verlaufe des Gesprächs leicht nach. Wahnideen oder
produktiv psychotische Symptome liessen sich nicht eruieren. Das formale Denken
war geordnet und kohärent. Die relativ strukturierte Lebensführung der
Versicherten deutet anderseits darauf hin, dass sie über Ressourcen verfügt,
die sich positiv auf das Leistungsvermögen auswirken können. Sie hält
unterstützende soziale Kontakte aufrecht, was sich potenziell günstig auf die
Ressourcen auswirkt. Ein ausgeprägter sozialer Rückzug wurde gutachtlich
ausdrücklich verneint.

6.5. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin fehlt es gemäss den
zutreffenden Feststellungen der Vorinstanz an psychiatrischen und somatischen
Komorbiditäten. Eine Störung, die auf Grund ihrer Ausprägung als solche nicht
invalidisierend sein kann, stellt keine rechtlich bedeutsame Komorbidität dar
(SVR 2012 IV Nr. 1 S. 1, 9C_1040/2010 E. 3.4.2.1). Bezüglich der depressiven
Störung kann auf das in E. 5.2 hievor Gesagte verwiesen werden. Die
Schulterschmerzen wurden in der interdisziplinären Beurteilung der unabhängigen
medizinischen Gutachterstelle (UMEG) vom 10. November 2009 als leicht
bezeichnet. Die asim-Gutachter gingen in der Expertise vom 2. April 2009 von
einer höchstens 20 prozentigen Einschränkung der Leistungsfähigkeit aus
rheumatologischer Sicht wegen eines vermehrten Pausenbedarfs während maximal 16
Wochen aus. Das erhaltene Aktivitätenniveau in verschiedenen Lebensbereichen
lässt auf vorhandene Ressourcen schliessen. Die Versicherte nimmt, wie bereits
erwähnt, eine adäquate therapeutische Behandlung in Anspruch. Rückschlüsse auf
einen besonderen Leidensdruck lassen sich daraus mangels näherer Angaben jedoch
nicht ziehen.

6.6. Insgesamt sind funktionelle Auswirkungen der medizinisch festgestellten
psychischen Beeinträchtigungen zwar bis zu einem gewissen Grad erstellt. Eine
50-prozentige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, wie sie Dr. med. B.________
postuliert, lässt sich nach dem Gesagten für den hier massgebenden Zeitraum aus
der Optik des Rechtsanwenders, der die ärztlichen Einschätzungen auf ihre
konkrete sozialversicherungsrechtliche Relevanz und Tragweite hin zu prüfen
hat, nicht erhärten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin
bei Ausschöpfung ihrer vorhandenen Ressourcen in der Lage ist, eine
leidensangepasste Beschäftigung in leistungsausschliessendem Ausmass zu
verrichten. Ihre Vorbringen sind nicht geeignet, dies zu widerlegen. Ist ein
rechtsgenüglicher Bezug zwischen der gestellten Diagnose und deren
funktionellen Auswirkungen im Sinne einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit
nicht überwiegend wahrscheinlich ausgewiesen, hat die materiell beweisbelastete
versicherte Person die Folgen zu tragen (vgl. BGE 141 V 281 E. 6 S. 308).

7. 
Zusammenfassend verletzt es somit kein Bundesrecht, dass die Vorinstanz
gestützt auf die medizinischen Unterlagen einen invalidisierenden
Gesundheitsschaden und demzufolge einen Rentenanspruch verneint hat. Ein
Einkommensvergleich erübrigt sich bei diesem Ergebnis. Die Beschwerde ist daher
abzuweisen.

8. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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