Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.475/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_475/2016

Urteil vom 4. Oktober 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dieter Studer,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Revision; Invalidenrente;
Validen- und Invalideneinkommen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 8. Juni 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war seit August 2008 bei der B.________ GmbH
angestellt. Am 7. März 2009 stiess er anlässlich eines Fussballmatches mit
einem anderen Spieler zusammen, wobei er eine Ruptur der Supraspinatussehne am
rechten Schultergelenk erlitt (vgl. Bericht des Dr. med. C.________, FMH für
Innere Medizin, vom 15. April 2009). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen
Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Am 1. September 2011 begann der
Versicherte vollzeitlich bei der D.________ AG zu arbeiten. Mit Verfügung vom
19. Dezember 2011 sprach ihm die SUVA ab 1. Januar 2011 eine Invalidenrente
gestützt auf eine Erwerbsunfähigkeit von 14 % zu.
Im Rahmen eines im Januar 2015 von Amtes wegen eingeleiteten
Revisionsverfahrens stellte die SUVA fest, dass seit 1. Januar 2014 keine
rentenberechtigende Einkommenseinbusse mehr bestand. Mit Verfügung vom 30.
September 2015 hob sie die Invalidenrente auf diesen Zeitpunkt hin mangels
eines anspruchserheblichen Invaliditätsgrades auf und forderte die seither
ausgerichteten Rentenbetreffnisse in Höhe von Fr. 10'596.70 zurück. Die
Einsprache des Versicherten wies sie ab (Einspracheentscheid vom 26. Januar
2016).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau ab (Entscheid vom 8. Juni 2016).

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei ab 1. Januar 2014 weiterhin eine Rente der
Unfallversicherung aufgrund eines Invaliditätsgrades von 14 % auszurichten;
eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an das kantonale Gericht oder
an die SUVA zurückzuweisen.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder
Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung hingegen
ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3
BGG).

2.

2.1. Streitgegenstand bildet die Frage, ob sich der Invaliditätsgrad im
Zeitraum seit Erlass der Verfügung vom 19. Dezember 2011 bis zur Neuprüfung und
Aufhebung der Invalidenrente per 1. Januar 2014 (Einspracheentscheid vom 26.
Januar 2016) in revisionsrechtlich erheblicher Weise verändert hat (Art. 17
Abs. 1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die
Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar.
Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte
Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung (BGE 134 V 131
E. 3 S. 132); dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer
Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung (Urteile 9C_349/2013 vom 24.
Oktober 2013 E. 3.1 und 9C_292/2012 vom 7. August 2012 E. 2.3). Hingegen ist
die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich
gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (BGE 112
V 371 E. 2b S. 372; SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1, 8C_972/2009 E. 3.2; Urteil 8C_133/
2013 vom 29. Mai 2013 E. 4.1). Praxisgemäss ist die Invalidenrente auch dann
revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich
gebliebenen Gesundheitszustands erheblich verändert haben (BGE 133 V 545 E. 6.1
S. 546; 130 V 343 E. 3.5 S. 349 f. mit Hinweisen).

2.2. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass der Versicherte das bei der
D.________ AG anfänglich ab September 2011 erzielte Einkommen von Fr. 4'700.-
monatlich (zuzüglich 13. Monatsgehalt = Fr. 61'100.- jährlich), das Grundlage
der Einschätzung des hypothetischen Invalideneinkommens gemäss Art. 16 ATSG
bildete (vgl. Verfügung vom 19. Dezember 2011), ab Januar 2014 auf Fr. 5'400.-
(zuzüglich 13. Monatsgehalt = Fr. 70'200.- jährlich) zu steigern vermochte,
weshalb ein Revisionstatbestand im Sinne der Praxis anzunehmen war. Soweit der
Beschwerdeführer gegenteiliger Auffassung zu sein scheint, ist darauf
hinzuweisen, dass die Rente auch dann revidiert werden kann, wenn die
erwerblichen Möglichkeiten sich aufgrund eigener Anstrengungen der versicherten
Person verbessert haben (vgl. RUMO-JUNGO/HOLZER, Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die
Unfallversicherung [UVG], 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 153 mit
Hinweis). Daher ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz den
Rentenanspruch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend
("allseitig"), mithin ohne Bindung an frühere Beurteilungen geprüft hat (vgl.
BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11 mit Hinweisen und E. 6.1 S. 13). Die umfassende
Beurteilung hat sich, was der Beschwerdeführer weiter übersieht, auch deshalb
aufgedrängt, um die von ihm geltend gemachte Erheblichkeit der eingetretenen
tatsächlichen Veränderung des Invaliditätsgrades im Sinne des von der
Rechtsprechung bestimmten Grenzwertes von 5 % (vgl. BGE 133 V 545 E. 6.2 S. 547
mit Hinweisen) feststellen zu können.

2.3.

2.3.1. Die Vorinstanz hat weiter erwogen, dass die D.________ AG dem
Versicherten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2011 neben
dem regelmässig erhöhten Lohn bis zum Jahr 2014 auch Boni auszahlte (Fr.
1'000.- im September 2012, Fr. 500.- im Mai 2013, Fr. 1'000.- im April 2014),
die zu dem festzusetzenden hypothetischen Invalideneinkommen (Fr. 5'400.- x 13
= Fr. 70'200.-) anteilsmässig (Fr. 1'000.- pro Jahr [recte: Fr. 833.30])
hinzurechnen seien (Fr. 71'200.- [recte: Fr. 70'033.30]). Laut Angaben der
B.________ GmbH vom 20. März 2015 hätte der Versicherte im Jahr 2014 einen Lohn
von Fr. 77'740.- (Fr. 5'980.- x 13) erzielen können. Aus der Gegenüberstellung
der Vergleichseinkommen resultiere ein Invaliditätsgrad von 8.4 % (recte: 8.6
%), der unter dem Schwellenwert von 10 % gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG liege,
weshalb kein Anspruch auf Invalidenrente mehr bestanden habe.

2.3.2. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, er hätte bei der B.________
GmbH Lohnerhöhungen entsprechend der Invalidenkarriere bei der D.________ AG
erreichen können. Aus den Akten ergeben sich dafür jedoch keine Anhaltspunkte,
wie die Vorinstanz unter Hinweis auf die Rechtsprechung zutreffend festgestellt
hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Anfangslohn bei der D.________ AG
vorerst tief angesetzt wurde, um ihn - sollte sich der Versicherte bewähren -
Jahr für Jahr zu erhöhen. Für diesen Umstand spricht, dass sie gemäss dem
vorinstanzlich aufgelegten Lohnausweis auch für das Jahr 2015 erneut einen
weiteren substantiellen Lohnanstieg (ohne Bonus) gewährte.

2.3.3.

2.3.3.1. Sodann macht der Beschwerdeführer geltend, dass ihm mit dem am 31.
August 2011 mit der D.________ AG abgeschlossenen Arbeitsvertrag kein Anspruch
auf Entrichtung eines Bonus eingeräumt wurde. Gemäss Lohnausweis für das Jahr
2015 sei ihm denn auch kein Bonus mehr entrichtet worden. Daraus sei ohne
Weiteres zu schliessen, dass die Arbeitgeberin nicht regelmässig Boni auszahle,
weshalb sie entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts bei der Bestimmung
des Invalideneinkommens nicht einbezogen werden dürften. Ohne Berücksichtigung
der Boni liege der Invaliditätsgrad bei 9.18 %, sodass dessen Änderung zum
früher festgestellten Invaliditätsgrad von 14 % unter 5 % betrage und damit
revisionsrechtlich unerheblich sei.

2.3.3.2. Nach der Rechtsprechung wird bei den prozentgenauen Renten
(Unfallversicherung nach UVG, Militärversicherung) Erheblichkeit einer Änderung
angenommen, wenn eine absolute Veränderung von 5 % eintritt, wobei aber bei
über 50 % liegenden Invaliditätsgraden kumulativ eine Veränderung von
mindestens 10 % verlangt wird. Somit ist die Grenze der Erheblichkeit bei einem
niedrigen Invaliditätsgrad in absoluten Prozentzahlen tiefer als bei einem
hohen Invaliditätsgrad (BGE 138 V 41 E. 4.7 S. 49; 133 V 545 E. 2 S. 567; je
mit Hinweisen). Mit der rentenzusprechenden Verfügung vom 19. Dezember 2011
hatte die SUVA einen Invaliditätsgrad von 14.42 % ermittelt. Verglichen mit dem
gemäss Auffassung des Beschwerdeführers neu auf 9.18 % zu bestimmenden
Invaliditätsgrad, ergibt sich ein Wert von 5.24 %, weshalb die Vorinstanz zu
Recht von einer erheblichen Veränderung ausgegangen ist.

3. 
Was die von der SUVA geltend gemachte Meldepflichtverletzung anbelangt, wird
auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids verwiesen, welchen das
Bundesgericht nichts beizufügen hat. Der Beschwerdeführer wird daher die der
Höhe nach nicht bestrittene Rückerstattungsforderung der SUVA von Fr. 10'596.70
zu begleichen haben.

4. 
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Oktober 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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