Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.470/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_470/2016

Urteil vom 16. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
1.       A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin B.________,
2.       B.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 25. Mai 2016.

Sachverhalt:

A. 
Am 11. Mai 2011 verursachte der 1980 geborene A.________ mit dem Auto einen
Selbstunfall. Infolgedessen sprach ihm die SUVA mit Verfügung vom 19. Juni 2012
eine 11%ige Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung von 6 % zu. Mit
Verfügung vom 30. März 2015 und Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2015lehnte
es die SUVA ab, ihre Leistungen zu erhöhen.
B.
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau mit Entscheid vom 25. Mai 2016 ab. Gleichzeitig verweigerte es
die unentgeltliche Rechtsverbeiständung von A.________ und die Ernennung von
B.________ zur unentgeltlichen Rechtsanwältin.
C.
A.________ und seine Rechtsvertreterin B.________ erheben Beschwerde an das
Bundesgericht und beantragen, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts
insofern aufzuheben, als A.________ dadurch die unentgeltliche
Rechtsverbeiständung verweigert worden sei. Weiter ersucht A.________ um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf
ein Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 139 V 42 E. 1 S. 44).

1.2. Anders, als wenn die Höhe der im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege
zugesprochenen Entschädigung angefochten wird (BGE 131 V 153 E. 1 S. 155,
Urteil 8C_365/2015 vom 17. Juli 2015 E. 2.1), ist nur diejenige Person, deren
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen worden ist, berechtigt, den
abweisenden Entscheid anzufechten. Da der Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege ausschliesslich dem Gesuchsteller zusteht, kann der Anwalt, der im
Namen der von ihm vertretenen Person erfolglos ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gestellt hat, dagegen nicht in eigenem Namen vorgehen (Urteil
8C_613/2015 vom 9. Dezember 2016 E. 2.2). Auf die Beschwerde der
Rechtsvertreterin des Versicherten (Beschwerdeführerin 2) ist somit nicht
einzutreten.

1.3. Demgegenüber erfüllt die Beschwerde des Versicherten (Beschwerdeführer 1)
sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen, so dass auf diese einzutreten ist.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2.2. Da es in diesem Verfahren um die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und nicht um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung geht (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG), ist nur
zu prüfen, ob eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG vorliegt oder die
Feststellung des Sachverhalts offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und ob die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. Urteil 8C_607/2013 vom 28. November 2013 E. 2 mit
Hinweis).

2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als
erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Der
vom Beschwerdeführer 1 erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren geltend
gemachte erhöhte gesundheitliche Notbedarf von Fr. 100.- stellt folglich ein
unzulässiges neues Vorbringen dar. Der anwaltlich vertretene Versicherte hätte
diese Tatsache bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend machen können.
Soweit sich der Beschwerdeführer 1 auf die Existenz-Minimum-Berechnung des
Betreibungsamtes und den Betreibungsregisterauszug vom 20. Juni 2016 beruft,
ist er darauf hinzuweisen, dass es sich hiebei um ein echtes Novum handelt.
Solche sind nach ständiger Rechtsprechung im bundesgerichtlichen Verfahren
unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; je mit
Hinweisen).

3. 
Strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Anspruch des
Beschwerdeführers 1 auf unentgeltliche Verbeiständung zu Recht verneint hat.

4.

4.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat
sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV).
Die unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, auch der bedürftigen Partei den
Zugang zum Gericht und die Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen. Sie soll
sicherstellen, dass jedermann unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen
nicht aussichtslose Streitsachen zur gerichtlichen Entscheidung bringen und
sich überdies im Prozess, sofern es sachlich geboten ist, durch einen Anwalt
vertreten lassen kann (BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2). Für das - in der Regel
kostenlose (Art. 61 lit. a ATSG [SR 830.1]) - sozialversicherungsrechtliche
Beschwerdeverfahren findet der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand in
Art. 61 lit. f ATSG eine gesetzliche Grundlage.

4.2. Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die
Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur
Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225
E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205). Die prozessuale Bedürftigkeit
beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden
im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 120 I 1 E. 2a; Urteil 9C_26/2016
vom 25. Februar 2016 E. 9.1). Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen
Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE
124 I 1 E. 2a S. 2; SVR 2010 IV Nr. 10 S. 31, 9C_13/2009 E. 8.2; 2009 UV Nr. 12
S. 49, 8C_530/2008 E. 4.1, je mit Hinweisen). Soweit das Vermögen einen
angemessenen "Notgroschen" übersteigt, ist der das Gesuch stellenden Person
unbesehen der Art der Vermögensanlage zumutbar, dieses zur Finanzierung des
Prozesses zu verwenden, bevor dafür öffentliche Mittel bereitzustellen sind
(Urteile 8C_273/2015 vom 12. August 2015 E. 6.2 und 5A_103/2014 vom 4. Juni
2014 E. 3.1 mit Hinweisen).

5.

5.1. Die Vorinstanz erwog, dass dem Beschwerdeführer 1 monatliche Ausgaben in
der Höhe von Fr. 1'891.60 (Grundbetrag von Fr. 1'200.-, Miete von Fr. 340.-,
Krankenkassenprämien in der Höhe von Fr. 347.40 und Feuerwehrersatz-Abgabe von
Fr. 4.20) anfielen. Dem gegenüber stellte sie Einnahmen von rund Fr. 2'406.-
(IV-Rente von Fr. 1'880.-, SUVA-Rente von Fr. 376.- und individuelle
Prämienverbilligung von Fr. 150.-) pro Monat. Bezüglich des so ermittelten
Überschusses von Fr. 514.- hielt sie fest, dass selbst wenn man die noch nicht
ausbezahlte individuelle Prämienverbilligung wegliesse, ein über den
prozessualen Notbedarf hinausgehenden Mehrbetrag von Fr. 364.- bestünde. Der
Beschwerdeführer 1 sei folglich in der Lage, die Prozesskosten innert weniger
als einem Jahr ratenweise abzuzahlen. Die Bedürftigkeit sei somit nicht gegeben
und sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das
kantonale Verfahren abzuweisen.

5.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers 1, das kantonale Gericht sei in
seiner Beweiswürdigung und Sachverhaltsermittlung willkürlich vorgegangen
beschränkt sich auf pauschal gehaltene Behauptungen. Darauf ist nicht weiter
einzugehen (vgl. Urteil 9C_263/2014 vom 18. Dezember 2014 E. 1.1.2).

5.3. Der Beschwerdeführer 1 wendet weiter ein, bereits aus den im
vorinstanzlichen Verfahren beigebrachten Schuldnerinformationen des
Betreibungsamtes gehe hervor, dass er seine Steuerschulden und weitere
öffentlich-rechtliche Schulden tilge. Dies sei in der Berechnung seines
prozessualen Notbedarfs mitzuberücksichtigen. Diese Argumentation verkennt,
dass es für den Miteinbezug von besagten Forderungen in die
Notbedarfsberechnung nicht genügt, die Tilgung von Schulden gegenüber der
öffentlichen Hand zu behaupten, sondern dass diese stattdessen substanziiert
nachgewiesen werden muss (vgl. Urteil 4A_664/2015 vom 19. Mai 2016 E. 4.2.4 mit
weiteren Hinweisen). Ein solcher Nachweis findet sich in den Akten jedoch
nicht.

5.4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers 1 kann die Tilgung
gewöhnlicher Schulden bei der Berechnung des prozessualen Notbedarfs nicht
berücksichtigt werden, da die unentgeltliche Rechtspflege nicht dazu dienen
soll, auf Kosten des Gemeinwesens Gläubiger zu befriedigen, die nicht oder
nicht mehr zum Lebensunterhalt beitragen (vgl. Urteil 8C_909/2014 vom 6. Mai
2015 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen).

5.5. Der Beschwerdeführer 1 rügt zu Recht, dass bei der Ermittlung des
prozessualen Notbedarfs ein prozessualer Bedürftigkeitszuschlag zu
berücksichtigen sei. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beträgt dieser
25 % des Grundbetrages (Urteil 8C_377/2016 vom 8. August 2016 E. 4.2; SVR 2010
IV Nr. 10 S. 31 E. 8.3). Die vom kantonalen Gericht ermittelten Ausgaben des
Versicherten (vgl. E. 5.1 hievor) erhöhen sich somit um Fr. 300.- und belaufen
sich folglich auf Fr. 2'191.60. Deren Gegenüberstellung mit den monatlichen
Einnahmen von Fr. 2'406.- ergibt einen Überschuss von Fr. 214.40 pro Monat.
Auch mit diesem gegenüber der Feststellungen der Vorinstanz über den
prozessualen Notbedarf hinausgehenden verringerten Betrag lassen sich jedoch
die Kosten für die Verbeiständung vor dem kantonalen Versicherungsgericht
innert vernünftiger Frist tilgen (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.; Urteil 8C_909
/2014 vom 6. Mai 2015 E. 3.3). Die Frage, ob der Grundbetrag des
Beschwerdeführers aufgrund seiner Hausgemeinschaft mit seinen Eltern allenfalls
zu kürzen wäre, muss daher nicht näher geprüft werden. Der Beschwerdeführer 1
ist so oder anders in der Lage, seine Rechtsvertreterin für ihre Bemühungen im
vorinstanzlichen Verfahren innert absehbarer Zeit aus eigenen Mitteln zu
entschädigen.
Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer 1 nicht bedürftig, weshalb der
angefochtene Entscheid zu bestätigen ist.

6. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch des Beschwerdeführers 1 um
unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen
Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den beiden
Beschwerdeführern sind demnach die Gerichtskosten gemeinsam aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 1 und 5 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 wird nicht eingetreten.

2. 
Die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 wird abgewiesen.

3. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers 1 um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

4. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
unter solidarischer Haftung auferlegt.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Dezember 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben