Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.469/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_469/2016   {T 0/2}     

Urteil vom 7. September 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine,
Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jacques Marti,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Glarus,
Burgstrasse 6, 8750 Glarus,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Glarus vom
2. Juni 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1965 geborene A.________ meldete sich am 17. Februar 2007 unter Hinweis auf
eine Hörschädigung zu Umschulungsmassnahmen und zum Bezug einer Rente bei der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Glarus verneinte mit Verfügung vom 29.
September 2009 einen Leistungsanspruch. Dies bestätigte das Verwaltungsgericht
des Kantons Glarus mit Entscheid vom 1. September 2010.
Am 14. März 2015 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an und
machte nebst der Hörschädigung eine Silikose der Lungen geltend. Am 11. Mai
2015 erliess die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) eine
Nichteignungsverfügung für Arbeiten mit Exposition zu Quarzstaub. Mit Verfügung
vom 23. September 2015 verneinte die IV-Stelle abermals einen
Leistungsanspruch, da A.________ zwar in seiner angestammten Tätigkeit als
Bauhilfsarbeiter vollständig arbeitsunfähig sei, für eine leichte
Verweisungstätigkeit, welche der Schwerhörigkeit Rechnung tragen würde, bestehe
hingegen keine höhergradige und längerdauernde Arbeitsunfähigkeit.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus wies die dagegen erhobene Beschwerde,
ausgehend von einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad, mit Entscheid vom
2. Juni 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids die Zusprechung einer
Invalidenrente beantragen.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht       (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1
BGG); es prüft unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG sowie Art. 106 Abs. 2 BGG) indessen nur die geltend gemachten Rügen,
sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 134 I 313
E. 2 S. 315; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2. 
Im angefochtenen Entscheid sind die Bestimmungen und Grundsätze zu den
Begriffen Invalidität und Erwerbsunfähigkeit, zum nach dem Grad der Invalidität
abgestuften Anspruch auf eine Invalidenrente (mit dem mindestens erforderlichen
Invaliditätsgrad von 40 %) sowie zu den bei einer Neuanmeldung nach
vorangegangener rechtskräftiger Verneinung eines Rentenanspruchs analog
anzuwendenden Regeln der Rentenrevision zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.

3.1. Die Vorinstanz setzte sich eingehend sowohl mit den vor der Neuanmeldung
datierenden wie auch mit den nachfolgend erstellten medizinischen Akten
auseinander. Sie stellte insbesondere fest, nebst einer schweren Hörschädigung
leide der Versicherte seit der letzten rentenablehnenden Verfügung vom 29.
September 2009 neu an einer Silikose der Lungen mit progressiver massiver
Fibrose, massiver hilärer und mediastinaler Lymphadenopathie sowie
bronchoskopisch schwerer obstruierender Bronchitis (Berichte des PD Dr. med.
B.________, FMH Pneumologie, Innere Medizin und Intensivmedizin, Chefarzt am
Spital C.________, vom 7. März 2014 und 26. Juni 2015). Der Pneumologe habe
ausgeführt, für leichte körperliche Tätigkeiten sei der Beschwerdeführer
vollständig arbeitsfähig, wobei hinsichtlich des zumutbaren Leistungsprofils
die hochgradige Schwerhörigkeit und die sprachlichen Barrieren, da der
Versicherte nur portugiesisch spreche, zu beachten seien. Der Regionale
Ärztliche Dienst (Dr. med. D.________, Facharzt FMH für Rheumatologie, Facharzt
FMH und UEMS für Physikalische Medizin und Rehabilitation) habe in seiner
Stellungnahme vom 8. Juli 2015 in Beachtung der Darlegungen des PD Dr. med.
B.________ und der übrigen Berichte festgehalten, dass eine volle
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit, ohne Exposition gegenüber
Quarzstaub und mit Rücksicht auf seinen Gehörschaden, auch nach Vorliegen der
Silikose zumutbar bleibe, wie etwa leichte Montagetätigkeiten, Lager- oder
Verpackungstätigkeiten. Ein neuer Einkommensvergleich habe sich daher erübrigt,
da dies bereits dem im Entscheid vom 1. September 2010 zugrunde gelegten
zumutbaren Leistungsprofil entsprochen habe. In einer Eventualbegründung erwog
das kantonale Gericht, auch wenn der dannzumal vorgenommene leidensbedingte
Abzug aufgrund vermehrt notwendiger Atempausen oder weiterer gesundheitlicher
Beeinträchtigungen von 10 auf 15 % erhöht würde, resultiere bei einem
Einkommensvergleich anhand der Verhältnisse im Jahr 2015 bei einem
Invaliditätsgrad von 39 %, kein Anspruch auf eine Invalidenrente.

3.2. Gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung bringt der Beschwerdeführer
nichts vor. Er führt einzig aus, er könne gemäss Dr. med. B.________ kaum
Treppen steigen und Lasten tragen; zudem seien die Einschränkungen aufgrund der
Gehörschädigung massiv. Er sei nicht mehr in der Lage, schwere körperliche
Anstrengungen vorzunehmen. Dies ist unbestritten und wurde vom kantonalen
Gericht in nicht zu beanstandender Weise bei der Würdigung der medizinischen
Aktenlage mit Blick auf das zumutbare Leistungsprofil berücksichtigt. Es ist
nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht, dass die
vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit (E. 3.1)
offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung beruhen sollen.

4.

4.1.

4.1.1. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das
die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der
medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine
ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte
(Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie
erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; Art.
16 ATSG). Wird - wie im konkreten Fall - das Invalideneinkommen auf der
Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der
entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) um maximal 25 % zu kürzen, wenn
persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung,
Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität resp. Aufenthaltskategorie oder
Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben und die versicherte
Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann
(BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 80).

4.1.2. Die Frage, ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter)
Abzug vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage, während jene nach der Höhe des
Abzuges eine typische Ermessensfrage darstellt, deren Beantwortung
letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale
Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (vgl. BGE
132 V 393 E. 3.3 in fine S. 399; Urteil 9C_973/2008 vom 19. Januar 2009 E. 3).

4.2. Der Versicherte kritisiert den vorinstanzlichen Einkommensvergleich. Er
habe ein Valideneinkommen in der Höhe von          Fr. 92'699.55 nur erzielen
können, weil er überdurchschnittlich lange im Betrieb gearbeitet habe, sich in
seiner Landessprache habe verständigen können und die Schwerhörigkeit aufgrund
des eingespielten Teams keine Rolle mehr gespielt habe. Die Vorinstanz habe
nicht berücksichtigt, dass ihm aufgrund seiner Nichteignung für Arbeiten mit
Quarzstaubexposition die Möglichkeit einer solchen Tätigkeit genommen worden
sei. Er hält des Weiteren einen leidensbedingten Abzug von mindestens 20 % für
gerechtfertigt.

4.3.

4.3.1. Das zumutbare Leistungsprofil des Versicherten hat sich seit der
Verfügung vom 29. September 2009 insofern nicht verändert, als ihm bereits zu
jenem Zeitpunkt die bisherige Tätigkeit als Bauarbeiter aufgrund seiner
Hörschädigung nicht mehr zumutbar gewesen war. Die Vorinstanz nahm in ihrer
Eventualbegründung einen neuen Einkommensvergleich vor und bestimmte das
Invalideneinkommen korrekterweise auf der Grundlage eines Tabellenlohnes. Sie
passte hinsichtlich des Valideneinkommens das in ihrem Entscheid vom 1.
September 2010 gestützt auf den Auszug aus dem individuellen Konto ermittelte
Durchschnittseinkommen der Jahre 2002 bis 2009 von Fr. 87'247.- der Teuerung
an, woraus für das Vergleichsjahr 2015 ein Valideneinkommen von Fr. 92'699.55
resultierte. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt, inwiefern
das vorinstanzlich festgestellte Valideneinkommen offensichtlich unrichtig
(unhaltbar, willkürlich: BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom
17. April 2013 E. 5.2; zum Begriff der Willkür: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.
mit Hinweisen) sein oder auf einer Rechtsverletzung beruhen soll (vgl. E. 1).
Es bleibt daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1). Im Übrigen würde sich
ein tieferes Valideneinkommen eh zu Ungunsten des Beschwerdeführers auswirken.

4.3.2. Das Invalideneinkommen legte das kantonale Gericht anhand der
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012 des Bundesamtes für Statistik,
Tabelle TA1, Kompetenzniveau 1, (Einfache Tätigkeiten körperlicher oder
handwerklicher Art), Männer, und mit einem Abzug von 15 % auf Fr. 56'684.52.-
fest. Damit wurde - entgegen den Darlegungen in der Beschwerde - gerade
beachtet, dass die körperlich anstrengende Tätigkeit mit Quarzstaubexposition
auf dem Bau dem Versicherten nicht mehr zumutbar ist und es wurden einzig Löhne
angerechnet, die für einfache und repetitive Arbeiten von ungelernten
Arbeitnehmenden bezahlt werden.

4.3.3. Die Höhe des gewährten Abzugs von 15 % liegt im Ermessensspielraum der
Vorinstanz: Berücksichtigt wurde nebst der Schwerhörigkeit die lange
Betriebszugehörigkeit und die geltend gemachten, vermehrt benötigten
Atempausen. Die mangelhaften Sprachkenntnisse sind bereits durch die Verwendung
der Tabellenlöhne Kompetenzniveau 1 der LSE 2012 abgegolten (vgl. dazu SVR 2015
IV Nr. 1       S. 1, 8C_97/2014 E. 4.2 und Urteil 9C_633/2013 vom 23. Oktober
2013 E. 4.2). Da Hilfsarbeiten auf dem hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt
(Art. 16 ATSG) altersunabhängig nachgefragt werden (vgl. statt vieler Urteile
8C_672/2013 vom 20. Februar 2014 E. 3.3 und 9C_380/2015 vom 17. November 2015
E. 3.2.4), wirkt sich der Faktor Alter nicht (zwingend) lohnsenkend aus.
Überdies ist nach der Rechtsprechung ein Alter von (knapp) 50 Jahren (zum
Verfügungszeitpunkt) nicht abzugsrelevant (Urteile 9C_366/2015 vom 22.
September 2015 E. 4.3.2 mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz keinen höheren
Abzug vornahm, ist auch mit Blick auf die ausländische Herkunft des
Versicherten nicht rechtsfehlerhaft (vgl. Urteil 9C_81/2011 vom 28. März 2011
E. 4.3) : Gemäss Tabelle T12 der LSE 2012 verdienen Männer mit
Niederlassungsbewilligung C ohne Kaderfunktion zwar weniger als Schweizer, aber
mehr als das für die Invaliditätsbemessung herangezogene
Durchschnittseinkommen. Die seit der ersten rentenablehnenden Verfügung neu
hinzugetretene Silikose der Lungen ist, wie erwähnt, bereits im umschriebenen
Zumutbarkeitsprofil enthalten; eine erneute Anrechnung würde auf eine
unzulässige doppelte Berücksichtigung hinauslaufen. Die Vorinstanz hat ihr
Ermessen bei der Festlegung des leidensbedingten Abzuges von 15 % somit nicht
rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. September 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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