Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.442/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_442/2016

Urteil vom 23. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Räber,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern vom 8. Mai 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1955 geborene A.________ ist seit 1982 Inhaber und Geschäftsführer eines
Garagenbetriebes. Er bezog wegen Kniebeschwerden vom 1. Januar bis 30.
September 1996 eine befristete ganze Invalidenrente der Invalidenversicherung
(IV). Dies stützte sich auf die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Luzern vom
7. Juni 1999 und den diese bestätigenden Beschwerdeentscheid des damaligen
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) vom 22.
März 2001. Im Juli 2011 meldete sich A.________ unter Hinweis auf eine
Rückenproblematik, welche mehrere Operationen erforderte, erneut zum
Leistungsbezug bei der IV an. Die IV-Stelle des Kantons Luzern holte nebst
weiteren Abklärungen ein polydisziplinäres Gutachten der Aerztliches
Begutachtungsinstitut GmbH, Basel (nachfolgend: ABI), vom 30. April 2012 ein.
In der Folge sah sie sich aufgrund von neu geltend gemachten Befunden
veranlasst, bei der MEDAS Oberaargau ein weiteres polydisziplinäres Gutachten
in Auftrag zu geben. Dieses wurde am 17. April 2014 erstattet. Mit Verfügung
vom 5. Juni 2014 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf eine
Invalidenrente, da der Invaliditätsgrad lediglich 35 % betrage.

B. 
Beschwerdeweise beantragte A.________, in Aufhebung der Verfügung vom 5. Juni
2014 sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen und sei ein
Gerichtsgutachten auf dem Gebiet der Schmerztherapie einzuholen; eventuell sei
eine BEFAS-Expertise zu veranlassen und seien Eingliederungsmassnahmen nach
Art. 8a IVG anzuordnen. Das Kantonsgericht Luzern führte eine öffentliche
Verhandlung durch, an welcher sie den Versicherten befragte. Es holte zudem ein
polydisziplinäres Gutachten des Spitals B.________ vom 29. Februar 2016 ein.
Mit Entscheid vom 8. Mai 2016 hiess das Gericht die Beschwerde insofern gut,
als es die Verfügung vom 5. Juni 2014 aufhob und dem Versicherten ab 1. Januar
2012 eine Dreiviertelsrente zusprach. Zudem auferlegte es der IV-Stelle die
Gerichtskosten sowie die vom Spital B.________ in Rechnung gestellten
Gutachtenskosten von Fr. 19'996.- und verpflichtete sie, dem Versicherten eine
Parteientschädigung zu bezahlen.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die
Verfügung vom 5. Juni 2014 sei zu bestätigen; der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ beantragt, die Beschwerde und das Gesuch betreffend aufschiebende
Wirkung seien abzuweisen. Das kantonale Gericht schliesst ebenfalls auf
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
beantragt, die Beschwerde sei gutzuheissen; eventuell sei der vorinstanzliche
Entscheid zumindest in dem Sinne abzuändern, dass dem Versicherten nur eine
halbe Rente zugesprochen und der IV-Stelle die Kosten des Gerichtsgutachtens
nur bis zur Höhe von Fr. 14'784.- überbunden würden.
Mit einer weiteren Eingabe äussert sich A.________ zur Vernehmlassung des BSV.
Er hält an seinen Rechtsbegehren fest.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist in der Hauptsache, ob die Vorinstanz Bundesrecht
verletzte, indem sie dem Beschwerdegegner eine Dreiviertelsrente zusprach.

2.1. Im kantonalen Entscheid und in der Verwaltungsverfügung vom 5. Juni 2014
sind die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen Invalidität und
Erwerbsunfähigkeit, zum nach dem Grad der Invalidität abgestuften Anspruch auf
eine Invalidenrente der IV (mit den erforderlichen Mindestinvaliditätsgraden
von 40 % für eine Viertelsrente, 50 % für eine halbe Rente, 60 % für eine
Dreiviertelsrente und 70 % für eine ganze Rente), zur Bestimmung des
Invaliditätsgrades mittels der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs und
mittels der ausserordentlichen Methode des erwerblich gewichteten
Betätigungsvergleichs, zum Untersuchungsgrundsatz, zur Aufgabe von Arzt und
Ärztin bei der Invaliditätsbemessung sowie zur Beweiswürdigung, insbesondere
bezüglich ärztlicher Berichte und Gutachten, zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

2.2. Das kantonale Gericht hat erkannt, gemäss dem als beweiswertig zu
betrachtenden Gutachten des Spitals B.________ vom 29. Februar 2016 sei die
Arbeitsfähigkeit des Versicherten namentlich durch ein "failed back
surgery"-Syndrom, eine chronifizierte Schädigung der Wurzel L5/S1 auf der
linken Seite mit u.a. chronischem neuropathischem Schmerzsyndrom, ein schweres
obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Therapieresistenz und eine Gonarthrose
links beeinträchtigt. Der Beschwerdegegner weise als selbstständiger Garagist
im Bereich Automechaniker keine Arbeitsfähigkeit mehr auf. In der Tätigkeit als
Geschäftsführer und Kundenbetreuer bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 37.5 %
resp. Arbeitsunfähigkeit von 62.5 %. Die gleiche Einschränkung bestehe bei
einer Verweistätigkeit. Diese sei als angepasst zu betrachten, wenn sie
wechselnde Positionen im Stehen, Gehen und Sitzen beinhalte und eine Sitzdauer
von jeweils 15 Minuten nicht überschreite. Zudem sollte die Möglichkeit
bestehen, längere Pausen einzulegen und die Gesamtarbeitszeit auf je zwei
Stunden vormittags und nachmittags aufzuteilen. Gewichtsbelastungen seien zu
vermeiden, und es sollten keine höheren Anforderungen an die
Konzentrationsfähigkeit bestehen.

2.2.1. Die IV-Stelle macht geltend, die Einholung der Gerichtsexpertise sei
nicht erforderlich gewesen, da die vorhandenen medizinischen Akten genügenden
Aufschluss zur Beurteilung der Rentenfrage geboten hätten.
Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, die IV-Stelle habe die beiden
Gutachten des ABI vom 30. April 2012 und der MEDAS Oberaargau vom 17. April
2014 eingeholt. Dann habe sie aber auf die Aktenbeurteilung ihres Regionalen
Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 23. Mai 2014 abgestellt. Diese habe zwar
bezüglich der erhobenen Befunde mit dem Gutachten der MEDAS Oberaargau
übereingestimmt. Der RAD-Arzt habe aber die von der MEDAS Oberaargau
attestierte 30%ige Arbeitsunfähigkeit unter Hinweis auf die frühere
ABI-Expertise unberücksichtigt gelassen. Dabei habe die IV-Stelle die
ABI-Expertise vorher selber nicht für beweiswertig erachtet und deshalb das
Gutachten bei der MEDAS Oberaargau in Auftrag gegeben. Mit diesem Vorgehen habe
die IV-Stelle keines der von ihr eingeholten Gutachten für beweiswertig
erachtet. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass sie sich anschliessend
auf die rein aktenmässige Beurteilung des RAD-Arztes gestützt habe, könne ihrer
Verfügung nicht entnommen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung
sowohl des Krankheitsbildes als auch der daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit
seitens der Gutachter und des RAD-Arztes sei dem Gericht eine schlüssige
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht möglich gewesen. In Würdigung der
gesamten Aktenlage und aufgrund des Eindrucks, den der Versicherte bei der
öffentlichen Verhandlung und der durchgeführten Parteieinvernahme hinterlassen
habe, sei das Gericht zum Schluss gekommen, zur Klärung des rechtserheblichen
Sachverhaltes sei ein polydisziplinäres Gerichtsgutachten unabdingbar.
Dass das kantonale Gericht bei Vorliegen mehrerer noch recht aktueller
polydisziplinärer Gutachten ein weiteres in Auftrag gegeben hat, erscheint zwar
eher ungewöhnlich. Was hiegegen vorgebracht wird, lässt die vorinstanzliche
Beweiswürdigung und die daraus gezogenen Schlüsse zur Notwendigkeit eines
Gerichtsgutachtens aber nicht als offensichtlich unrichtig oder in anderer
Weise bundesrechtswidrig erscheinen. Geltend gemacht wird hauptsächlich, die
IV-Stelle sei stets der Auffassung gewesen, es könne auf das ABI-Gutachten
abgestellt werden. Diesfalls wäre aber nicht nachvollziehbar, weshalb sie die
Begutachtung bei der MEDAS Oberaargau angeordnet hat. Weshalb sie danach
gestützt auf die lediglich aktenbasierte Beurteilung des RAD-Arztes und das
frühere ABI-Gutachten von der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in der
aktuelleren Expertise der MEDAS Oberaargau abgewichen ist, konnte sie nicht
überzeugend begründen. Es ist nachvollziehbar, dass sich das kantonale Gericht
unter diesen Umständen veranlasst sah, ein weiteres Gutachten einzuholen. Das
verstösst entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung weder gegen
Beweiswürdigungsregeln noch gegen den Untersuchungsgrundsatz. Ob, wie in der
Beschwerde weiter geltend gemacht wird, das kantonale Gericht regelmässig trotz
genügender Abklärung durch die Verwaltung Gerichtsgutachten einholt, kann offen
bleiben. Denn im vorliegenden Fall war diese Beweismassnahme nach dem Gesagten
vertretbar. Zu erwähnen bleibt, dass die IV-Stelle in ihrer vorinstanzlich
abgegebenen Stellungnahme vom 19. August 2015 ausdrücklich erklärt hat, sie
erhebe keine Einwände gegen die angekündigte Einholung einer Expertise beim
Spital B.________ und die beauftragten Gutachtenspersonen.

2.2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, praxisgemäss würden Gerichtsgutachten nicht
nach dem Zufallsprinzip vergeben. Dies scheine mit Blick auf Art. 72 Abs. 1 IVV
(gemeint ist wohl: Art. 72bis Abs. 2 IVV) fragwürdig, da eine Häufung der
Aufträge an immer die gleichen Gutachterstellen zu beobachten sei. Das Spital
B.________ sei denn auch nicht bei der Zuteilungsplattform SuisseMED@P
registriert.
Art. 72bis IVV beschlägt das Verwaltungsverfahren, nicht aber das
Gerichtsverfahren. Gleiches gilt für die Vorgabe, Begutachtungsaufträge an eine
MEDAS über das im Nachgang zu BGE 137 V 210 geschaffene Zuweisungssystem resp.
-portal "SuisseMED@P" zu vergeben (vgl. hiezu auch BGE 139 V 349 und 339; 140 V
507; 138 V 271). Die IV-Stelle erachtet eine solche Regelung zwar
offensichtlich auch für das Gerichtsverfahren als wünschenswert. Dies lässt das
vorinstanzliche Vorgehen aber nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.
Abgesehen davon handelt es sich beim Spital B.________ unbestrittenermassen
nicht um eine MEDAS (siehe nachfolgende E. 3). Zu erwähnen bleibt, dass die
IV-Stelle der Einholung eines Gerichtsgutachtens beim Spital B.________ nicht
opponiert hat (E. 2.2.1 am Ende hievor).

2.2.3. Weitere Einwände betreffen den Beweiswert des Gutachtens des Spitals
B.________. Geltend gemacht wird, das Spital B.________ sei hauptsächlich auf
die Behandlung von Schmerzpatienten ausgerichtet. Daher erscheine es als sehr
fragwürdig, ob die betrauten Ärzte eine objektive Beurteilung aus
versicherungsmedizinischer Sicht gewährleisten könnten. Die Expertise enthalte
sodann Widersprüche und Inkonsistenzen. Das gelte insbesondere mit Blick auf
die Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281.
Einwände gegen die Auftragserteilung an das Spital B.________ hat die
IV-Stelle, wie mehrfach erwähnt, nicht erhoben (E. 2.2.1 am Ende und E. 2.2.2
hievor). Sie machte auch nicht geltend, die Begutachtungsstelle sei wegen einer
schwergewichtigen Tätigkeit in der Schmerztherapie ungeeignet. Dass die
Verwaltung nun Entsprechendes vorbringt, ist novenrechtlich fragwürdig (Art. 99
Abs. 1 BGG). Der Einwand ist aber ohnehin nicht stichhaltig. Wie das kantonale
Gericht zutreffend erkannt hat, wirkten an der Begutachtung Experten
verschiedener medizinischer Fachrichtungen mit. Vertreten war nicht nur die
Schmerzmedizin, sondern auch die Rheumatologie, Innere Medizin, Neurologie,
Neuropsychologie und Psychiatrie; hinzu kam eine Evaluation des funktionellen
Leistungsvermögens (EFL). Es kann deshalb aufgrund der von den Gutachtern
konkret durchgeführten Abklärungen und abgegebenen Stellungnahmen nicht gesagt
werden, dass sich die Begutachtung von der Schmerztherapie und nicht von den
sich für den streitigen Rentenanspruch massgeblichen medizinischen
Gesichtspunkten leiten liess.
Ob die Grundsätze gemäss BGE 141 V 281 überhaupt anwendbar sind, erscheint mit
Blick auf die somatischen Diagnosen, welche zu mehreren Operationen führten,
fraglich, kann aber offen bleiben. Denn auch bejahendenfalls könnte dies den
vorinstanzlichen Entscheid nicht in Frage stellen. Daran vermögen entgegen der
in der Beschwerde vertretenen Auffassung der bezüglich der neuropsychologischen
Testung geäusserte Verdacht der Aggravation und die beschränkte Verwertbarkeit
der EFL nichts zu ändern. Die Gutachter gelangten konsensual im Rahmen einer
Gesamtwürdigung zu ihrer Einschätzung der aus somatischer und psychiatrischer
Sicht gegebenen Arbeits (un) fähigkeit. Sie verneinten, wie das kantonale
Gericht nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat, hiebei auch Hinweise
auf eine relevante Aggravation und Simulation.

2.2.4. Der überdies erhobene Einwand, das kantonale Gericht habe das Gutachten
des Spitals B.________ nicht kritisch gewürdigt und damit
Beweiswürdigungsregeln sowie die Begründungspflicht verletzt, ist ebenfalls
nicht stichhaltig. Die Vorinstanz hat hinreichend klar dargelegt, weshalb sie
die Expertise - unter Mitberücksichtigung der weiteren medizinischen Akten -
für beweiswertig erachtet. Sie hat hiebei auch eine von ihr selber als
interpretationsbedürftig erachtete gutachterliche Aussage schlüssig gewürdigt.
Es bleibt somit bei den vorinstanzlichen Feststellungen zu Gesundheitszustand
und Arbeits (un) fähigkeit.

2.3. Die erwerblichen Auswirkungen der festgestellten Arbeitsunfähigkeit sind
unstreitig mittels der ausserordentlichen Methode des erwerblich gewichteten
Betätigungsvergleichs zu bestimmen.
Das kantonale Gericht hat festgehalten, die IV-Stelle sei in der Verfügung vom
5. Juni 2014 von folgenden Aufgabenbereichen des Beschwerdegegners ausgegangen:
Werkstattarbeiten ohne Behinderung 20 %, mit Behinderung 0 %; Werkstattleitung
ohne Behinderung 30 %, mit Behinderung 10 %; Verkauf ohne und mit Behinderung
je 40 %; Geschäftsführung ohne und mit Behinderung je 10 %. Sie habe die
jeweiligen Einkommen gestützt auf die Schweizerische Lohnstrukturerhebung auf
das Jahr 2010 resp. 2011 hochgerechnet resp. auf die Lohnempfehlungen des
Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes abgestellt. Das habe ein
hypothetisches Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) von Fr. 71'150.-
und ein zumutbares Einkommen mit Invalidität (Invalideneinkommen) von Fr.
46'216.- ergeben. Daraus resultiere eine Erwerbseinbusse von 35 %.
Die Vorinstanz ist ihrerseits zum Ergebnis gelangt, das Valideneinkommen sei
auf Fr. 86'185.- und das Invalideneinkommen auf Fr. 32'320.- festzusetzen.

2.3.1. Was gegen die vorinstanzliche Beurteilung des Invalideneinkommens
vorgebracht wird, betrifft die noch gegebene Arbeitsfähigkeit. Diese Einwände
wurden vorstehend als unbegründet beurteilt und bedürfen keiner Weiterungen.
Das Invalideneinkommen von Fr. 32'320.- ist im Übrigen nicht umstritten.

2.3.2. Gerügt wird sodann, das kantonale Gericht habe das Valideneinkommen
nicht regelkonform festgelegt, indem es von der ab 2005 bestandenen Aufteilung
der Aufgabenbereiche ausgegangen sei. Damals habe aber nicht der
Gesundheitsfall vorgelegen. Vielmehr sei mit Verwaltungsverfügung vom 7. Juni
1999 ab Juli 1996 ein Invaliditätsgrad von 38 % festgestellt worden. Die neue
Aufgabenaufteilung ab 2005 sei Folge der bestehenden gesundheitlichen
Beeinträchtigungen gewesen, welche (knapp) kein rentenbegründendes Ausmass
erreicht hätten. Auszugehen sei daher von der Aufteilung der Aufgabenbereiche,
wie sie die IV-Stelle nach Massgabe der Verhältnisse vor Eintritt der
Invalidität vorgenommen habe. Damit bleibe es bei einem Valideneinkommen von
Fr. 71'150.- und es ergebe sich, selbst wenn eine Restarbeitsfähigkeit von
lediglich 37.5 % zugrunde gelegt werde, ein Invalideneinkommen von Fr.
32'320.-. Dies entspreche einem Invaliditätsgrad von gerundet 55 %.
Dieser Einwand ist berechtigt. Das kantonale Gericht ist bei der Bestimmung des
Valideneinkommens von der ab 2005 bestandenen hälftigen Aufteilung der Arbeit
in die Aufgabenbereiche Verkauf (Kundenbetreuung) und Geschäftsführung
ausgegangen. Der Beschwerdegegner bestätigt aber in seiner Vernehmlassung, dass
ihn gesundheitliche Einschränkungen am Knie zwangen, seine Tätigkeit in den
2000-er Jahren auf die Bereiche Geschäftsführung und Kundenbetreuung
einzuschränken. Dass damals bereits eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung
bei der Arbeit bestand, ergibt sich auch aus den Akten. Indem das kantonale
Gericht das Valideneinkommen dennoch gestützt auf die ab 2005 bestehende
Neuaufteilung der Aufgabenbereiche bestimmte, verletzte es Art. 16 ATSG. Nach
dieser Bestimmung gilt als Valideneinkommen das Erwerbseinkommen, das die
versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
Erfolgt eine Änderung des Aufgabenbereichs aus gesundheitlichen Gründen, sind
daher für die Bestimmung des Valideneinkommens die davor bestehenden
Verhältnisse und die Entwicklung, welche sich im Gesundheitsfall wahrscheinlich
ergeben hätte, massgebend. Diesen Gesichtspunkten hat die IV-Stelle bei ihrer
Aufteilung der Aufgabenbereiche und der Bestimmung des daraus resultierenden
Valideneinkommens Rechnung getragen. Der Beschwerdegegner macht zwar geltend,
er hätte bei der angepassten Tätigkeit mehr verdient als zuvor. Dies vermag
aber nicht zu überzeugen. Es finden sich in den Akten keine Hinweise, dass der
Versicherte im gleichen Betrieb mit der gesundheitsbedingt, und damit
unfreiwillig, eingeführten Neuaufteilung der Aufgabenbereiche ein höheres
Einkommen erzielen würde als bei der angestammten Aufgabenaufteilung.

2.3.3. Nach dem Gesagten ist von einem Valideneinkommen von Fr. 71'150.-
auszugehen. Der Vergleich mit dem Invalideneinkommen von Fr. 32'320.- ergibt
eine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse von Fr. 38'830.-. Das entspricht
einem Invaliditätsgrad von gerundet 55 %. Damit besteht Anspruch auf eine halbe
Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG).

3. 
Die IV-Stelle macht sodann geltend, da die Einholung des Gutachtens des Spitals
B.________ nicht nötig gewesen sei, hätten ihr auch die Gutachtenskosten nicht
überbunden werden dürfen. Ausserdem müsste eine allfällige Überbindung von
Gutachtenskosten gestützt auf die modifizierte Vereinbarung zwischen dem BSV
und der jeweiligen Begutachtungsstelle mit dem im Anhang enthaltenen Tarif
erfolgen. Die Vergütung der Kosten einer vom kantonalen Gericht angeordneten
MEDAS-Begutachtung richte sich nach dem Tarif, welcher für Verwaltungsgutachten
medizinischer Abklärungsstellen gelte. Dass der IV-Stelle die vollen, vom
Spital B.________ in Rechnung gestellten Kosten überbunden worden seien, stelle
daher ebenfalls eine Verletzung von Bundesrecht dar. Das BSV hält fest, es
verfüge über keine Vereinbarung mit dem Spital B.________. Es liege aber
eigentlich eine Expertise der medizinischen Gutachtensstelle C.________ AG und
nicht des Spitals B.________ vor. Die C.________ AG verfüge sehr wohl über eine
Vereinbarung mit dem BSV. So oder so müssten im Nachgang zu BGE 137 V 210 die
Vereinbarungen zwischen dem BSV und den polydisziplinären Gutachterstellen zur
Anwendung gelangen. Das BSV verweist hiezu auf eine im Internet abrufbare
Mustervereinbarung. Daraus ergebe sich ein maximal zulässiger Betrag von Fr.
14'784.-, welcher der IV-Stelle zu überbinden sei. Beschwerdegegner und
Vorinstanz opponieren den Vorbringen der IV-Stelle. Ersterer äussert sich im
selben Sinne zur Argumentation des BSV.

3.1. Der Einwand, das Gerichtsgutachten sei nicht nötig, hat sich als
unbegründet erwiesen (E. 2.2.1 hievor). Er kann der Überbindung der
Gutachtenskosten an die IV-Stelle daher nicht entgegengehalten werden.

3.2. Das kantonale Gericht hat der IV-Stelle die Gutachtenskosten in Anwendung
der Rechtsprechung gemäss BGE 139 V 496 E. 4.3 S. 501 überbunden. Dieser
Entscheid stützt sich auf BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S. 265 f. Die dort und in BGE
137 V 210 E. 3.2 S. 244 festgehaltenen Grundsätze zu Vereinbarungen und Tarifen
beschlagen indessen das Verhältnis zwischen dem BSV und den als MEDAS
anerkannten Begutachtungsstellen (vgl. auch das jüngst ergangene Urteil 8C_483/
2016 vom 27. Oktober 2016). Das Spital B.________ ist keine MEDAS. Es besteht
zwischen ihm und dem BSV keine Vereinbarung im Sinne von Art. 72bis Abs. 1 IVV.
Dies bestätigt das BSV ausdrücklich. Wie bereits dargelegt, ist es den
kantonalen Gerichten auch nicht untersagt, medizinische Expertisen bei
Begutachtungsstellen einzuholen, welche nicht den Status einer MEDAS aufweisen
(E. 2.2.2 hievor). Zwar mögen im Sinne der Vorbringen des BSV auch hier Gründe
für eine solche Regelung bestehen. Das lässt die vollumfängliche Auferlegung
der Gutachtenskosten an die IV-Stelle aber nicht als bundesrechtswidrig
erscheinen.

3.3. Anders verhielte es sich gegebenenfalls, wenn der Einwand betreffend die
C.________ AG zuträfe. Das BSV bringt hiezu vor, der hauptverantwortliche
Gutachter der Expertise des Spitals B.________ sei einerseits Chefarzt beim
Spital B.________, andererseits aber auch medizinischer Leiter der C.________
AG. Diese verfüge als polydisziplinäre Gutachterstelle über eine Vereinbarung
nach Art. 72bis IVV mit dem BSV. Zudem sei jeder einzelne der an der Expertise
des Spitals B.________ beteiligten Gutachter auch als Gutachter für die
C.________ AG tätig. Da diese ihren Sitz beim Spital B.________ habe, liege mit
anderen Worten eigentlich ein Gutachten der C.________ AG vor, welches einfach
auf dem Briefpapier des Spitals B.________ verfasst worden sei.
Gemäss diesen Vorbringen erstellen die gleichen Experten medizinische Gutachten
einerseits für eine tarifgebundene und anderseits für eine gleichenorts
ansässige, aber nicht tarifgebundene Begutachtungsstelle. Das wirft tatsächlich
die Frage auf, ob mit der Entgegennahme und Ausführung eines Gutachtensauftrags
im Rahmen der nicht tarifgebundenen Institution tarifliche Vorgaben umgangen
werden sollen. Da dies erst letztinstanzlich vorgebracht wurde, dementsprechend
keine Sachverhaltsfeststellungen dazu vorliegen und auch das Spital B.________
dazu nicht Stellung nehmen konnte, kann nicht beurteilt werden, ob eine
Bundesrechtsverletzung vorliegt. Die Sache ist an das kantonale Gericht
zurückzuweisen, damit es den rechtserheblichen Sachverhalt abkläre und neu über
die Höhe der der IV-Stelle aufzuerlegenden Gutachtenskosten entscheide.

4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Rentenpunkt und bezüglich Höhe der der
IV-Stelle aufzuerlegenden Gutachtenskosten teilweise gutzuheissen. Im Übrigen
ist sie abzuweisen.
Das Gesuch betreffend aufschiebende Wirkung wird mit dem vorliegenden Urteil
hinfällig.

5. 
Der Verfahrensausgang rechtfertigt, den Parteien die Gerichtskosten je hälftig
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zudem hat die Beschwerdeführerin dem
Beschwerdegegner eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG). Die Kosten und die Parteientschädigung des vorinstanzlichen
Verfahrens sind vom kantonalen Gericht neu zu verlegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

1.1. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 8. Mai 2016
wird insoweit abgeändert, als dem Beschwerdegegner eine halbe Invalidenrente
zugesprochen wird.

1.2. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 8. Mai 2016
wird hinsichtlich der Höhe der von der IV-Stelle Luzern zu tragenden
Gutachtenskosten aufgehoben und die Sache wird an das Kantonsgericht Luzern, 3.
Abteilung, zurückgewiesen, damit es diesbezügliche Abklärungen trifft und neu
entscheidet.

1.3. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 8. Mai 2016
wird hinsichtlich der Verlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung
aufgehoben und die Sache wird zur Neuverlegung an das Kantonsgericht Luzern, 3.
Abteilung, zurückgewiesen, damit es darüber neu entscheidet.

1.4. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 400.- dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Lanz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben