Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.425/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]             
8C_425/2016    {T 0/2}     

Urteil vom 16. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecherin Daniela Mathys,
Beschwerdeführerin,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Wiedererwägung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 2. Juni 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1967 geborene, gelernte Hochbauzeichnerin A.________ war seit 1992 als
Kosmetikberaterin bei der Firma B.________ angestellt und dadurch bei der
Berner Versicherung (heute: Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG,
nachfolgend: Allianz) obligatorisch unfallversichert. A.________ verursachte am
31. Mai 1995 einen Autounfall, indem sie als Lenkerin eines Personenwagens
einem vor ihr anfahrenden Fahrzeug auffuhr. Dabei zog sie sich, wie bereits bei
früheren Unfällen, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) zu. Nach
medizinischen und beruflichen Abklärungen erbrachte die Allianz
Versicherungsleistungen für das Unfallereignis. Mit Verfügung vom 14. Juni 2002
sprach sie ihr eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 75,6 % zu. Ab
1. Januar 2008 gewährte sie eine entsprechende Komplementärrente zur Rente der
Invalidenversicherung (Schreiben vom 10. Juni 2009).
Im Rahmen eines Rentenrevisionsverfahrens holte die IV-Stelle ein
polydisziplinäres Gutachten der SMAB AG, Swiss Medical Assessment- and Business
Center, Bern, ein, woran sich die Allianz Suisse mit Ergänzungsfragen
beteiligte. Gestützt auf dieses Gutachten vom 16. August 2013 stellte die
Allianz die Rentenleistungen auf den      31. August 2013 ein (Verfügung vom 6.
März 2014). Sie gab an, die Verfügung vom 14. Juni 2002 basiere auf keiner
schlüssigen, nachvollziehbaren ärztlichen Einschätzung und sei zweifellos
unrichtig im wiedererwägungsrechtlichen Sinne. Die Leistungen wären zudem per
Ende Mai 1996 mangels adäquater Kausalität einzustellen gewesen. Überdies seien
auch die Voraussetzungen einer Rentenrevision gegeben, nachdem die Versicherte
spätestens ab 4. Dezember 2012 in der bisherigen Tätigkeit wieder voll
arbeitsfähig sei. Daran hielt die Allianz auf Einsprache hin mit Entscheid vom
25. November 2014 fest.

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 2. Juni 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
und des Einspracheentscheids vom 25. November 2014 auch nach dem 31. August
2013 eine Rente der Unfallversicherung basierend auf einem Invaliditätsgrad von
76 % auszurichten. Die nachzuzahlenden Rentenleistungen seien nach Ablauf von
zwölf Monaten zu 5 % zu verzinsen.
Die Allianz schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesamt
für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 2. September
2016 äussert sich die Beschwerdeführerin zur Beschwerdeantwort.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu beurteilen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die Aufhebung
der Invalidenrente auf den 31. August 2013 in Bejahung der
Wiedererwägungsvoraussetzungen nach Art. 53 Abs. 2 ATSG bestätigte.

2.2. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung
ist. Die erstgenannte Voraussetzung meint, dass kein vernünftiger Zweifel an
der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also
einzig dieser Schluss denkbar ist. Das Erfordernis der zweifellosen
Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung aufgrund
falsch oder unzutreffend verstandener Rechtsregeln erfolgt war oder wenn
massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 140 V 77
E. 3.1 S. 79). Anders verhält es sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich
materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung notwendigerweise
Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung einzelner Schritte bei der
Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung,
Arbeitsunfähigkeitsschätzung, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem
Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der
rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot, als vertretbar, scheidet die
Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn
kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war.
Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung
- denkbar (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328; Urteil 9C_125/2013 vom 12. Februar 2014
E. 4.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 140 V 15, aber in: SVR 2014 IV Nr. 10
S. 39).

3.

3.1. Gemäss Vorinstanz liegt die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen
Leistungszusprache im Umstand, dass diese sich auf die monodisziplinären
Begutachtungen des Neurologen Dr. med. C.________, Chefarzt an der Klinik
D.________ für Epilepsie und Neurorehabilitation, vom 29. Juni 1998 und 25.
Januar 2001 stützte. Dr. med. C.________ habe die neuropsychologisch
festgestellten (geringen) Defizite einem psychischen Leiden zugeordnet und als
Neurologe die fachfremde Diagnose einer posttraumatischen Anpassungsstörung mit
langandauernder Depression gestellt. Weiter habe er einen natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen der erhobenen psychisch bedingten
Beschwerdesymptomatik und dem Unfallereignis zu Unrecht bejaht. Diese
offensichtlichen Mängel der damaligen Expertisen würden durch das
beweiskräftige polydisziplinäre Gutachten der SMAB AG vom 16. August 2013
bestätigt, indem die Experten ausgeführt hätten, bei den Angaben des Dr. med.
C.________ fehle es an einem klar definierten Krankheitsmodell mit
entsprechender Einordnung des Beschwerdebildes sowie einer klinischen
Interpretation der neuropsychologischen Befunde in Zusammenhang mit der
gesamten Psychopathologie und dem Symptombild der Versicherten. Daraus schloss
die Vorinstanz, die Gutachten des Dr. med. C.________ seien aus
fachmedizinischer Sicht mangelhaft und daher beweisuntauglich. Die Allianz
hätte zwingend einen Psychiater beiziehen müssen, weshalb sie den
Untersuchungsgrundsatz in klarer Weise verletzt habe. Weiter sei bei der
Leistungszusprache der adäquate Kausalzusammenhang als Haftungseingrenzung
nicht geprüft worden, was eine Rechtsverletzung darstelle.

3.2. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, sie habe beim Unfallereignis vom
31. Mai 1995 ein HWS-Schleudertrauma mit dem typischen Beschwerdebild erlitten.
Der natürliche Kausalzusammenhang sei nach damaliger Praxis bei
Schleudertraumen gemäss BGE 117 V 359 zu bejahen gewesen. Die reaktive
depressive Entwicklung sei gemäss Beurteilung der Klinik D.________ am 4. März
1999 dannzumal nicht mehr nachzuweisen gewesen. Dass psychische Aspekte die
Arbeitsfähigkeit einschränken würden, sei im Verfügungszeitpunkt vom
Unfallversicherer wie von der IV-Stelle verneint worden. Die zurückgebliebenen
Beschwerden seien demnach physischer Art. Nachdem die HWS-Beschwerden in den
Fachbereich der Neurologie gehörten und die psychischen Beschwerden abgeklungen
gewesen seien, halte die vorinstanzliche Beurteilung des zwingenden Beizugs
eines Psychiaters nicht Stand. Das kantonale Gericht habe unzulässigerweise
eine voraussetzungslose Neuprüfung des Leistungsanspruchs nach heutiger
Rechtslage vorgenommen.
Es treffe sodann zwar zu, dass sich die Allianz in der ursprünglichen Verfügung
vom 14. Juni 2002 nicht explizit zur Adäquanz der Unfallkausalität geäussert
habe. Es könne daraus aber nicht gefolgert werden, dass sie die adäquate
Kausalität nicht geprüft habe. Es gehe nicht an, über die Adäquanz zu befinden,
wie wenn es um die ursprüngliche Beurteilung ginge, vielmehr sei einzig zu
prüfen, ob die Bejahung der Adäquanz im Rahmen des bei sämtlichen Kriterien
bestehenden Ermessensspielraums vertretbar gewesen sei. Dies sei vorliegend der
Fall, weshalb ein Zurückkommen auf die rechtskräftige Verfügung vom 12. April
2005 (recte wohl: vom 14. Juni 2002) unter dem Titel der Wiedererwägung
unzulässig sei.

4.

4.1. Bei der Schleudertrauma-Praxis wird davon ausgegangen, dass bei
diagnostiziertem, wenn auch organisch nicht objektiv ausgewiesenem,
Schleudertrauma der HWS - oder einer adäquanzrechtlich gleich behandelten
Verletzung - und Vorliegen eines für diese Verletzung typischen
Beschwerdebildes der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der
danach eingetretenen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der Regel anzunehmen
ist. Liegt eine solche natürlich unfallkausale Verletzung vor, führt dies zu
einer besonderen Adäquanzprüfung (erstmals in: BGE 117 V 359 E. 4b S. 360).
Daran wurde seither grundsätzlich festgehalten, wobei zwischenzeitlich die
Anforderungen an den Nachweis einer die Anwendung der Schleudertrauma-Praxis
rechtfertigenden Verletzung erhöht und die Bestandteil dieser Adäquanzprüfung
bildenden Zusatzkriterien teilweise präzisiert wurden (vgl. E. 4.2 hernach; BGE
134 V 109 E. 9 S. 121 ff. und E. 10 S. 126).

4.2. Auch wenn die Voraussetzungen einer Rentenzusprache aus heutiger Sicht
nicht erfüllt wären, interessiert hier einzig, ob die im Juni 2002 erfolgte
Leistungszusprache im damaligen Kontext zweifellos unrichtig gewesen war.
Grundlage der Verfügung bildeten die Gutachten des Dr. med. C.________ sowie
die übrigen medizinischen Akten. Dr. med. C.________ diagnostizierte ein
chronisches, therapieresistentes Schmerzsyndrom mit sekundärer Einschränkung
der Aufmerksamkeitsleistungen, einer reaktiven Depression sowie
Schwindelgefühlen bei Status nach den Unfällen vom 22. September 1990, 19.
Februar 1992 und vom 31. Mai 1995, bei welchen eine Beschleunigungsverletzung
der HWS stattgefunden habe. Der vorinstanzlich angeführte Wiedererwägungsgrund
der fehlenden Kausalität betrifft eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren
Beurteilung massgeblich auf Beweiswürdigung beruht, die notwendigerweise
Ermessenszüge aufweist. Mit Blick auf die eingehenden Untersuchungen und die
gestützt darauf ergangenen eindeutigen ärztlichen Stellungnahmen kann eine
offensichtliche Unrichtigkeit der damaligen Beurteilung der natürlichen
Kausalität nicht angenommen werden und es bestehen auch keine Anhaltspunkte
dafür, dass diese schon vor der Rentenzusprechung dahingefallen wäre. Erst mit
der Rechtsprechung nach BGE 134 V 109 bestanden verschärfte Anforderungen an
die Feststellung einer derartigen Verletzung (Dokumentation des Unfallhergangs;
medizinische Erstabklärung) und wurde eine eingehende medizinische Abklärung
(im Sinne eines polydisziplinären/interdisziplinären Gutachtens) in einer
ersten Phase nach dem Unfall als notwendig angesehen, sofern und sobald
Anhaltspunkte für ein längeres Andauern oder gar eine Chronifizierung der
Beschwerden bestehen. Die Federführung bei solchen Verletzungen lag damals bei
neurologischen Fachärzten (Urteil U 197/04 vom 29. März 2006 E. 2.2 mit
Hinweisen). Der Umstand, dass bei einer versicherten Person keine organischen
Unfallfolgen mehr objektiviert werden können, heisst nicht, dass ihre
Beschwerden auf eine rein psychische Fehlentwicklung zurückzuführen sind. Die
differenzierte Rechtsprechung zur Adäquanz natürlich kausaler nicht organisch
objektivierbarer Unfallfolgen bei HWS-Schleudertraumata und äquivalenten
Verletzungen beruht gerade auf der Erkenntnis, dass entsprechende Beschwerden
typischerweise nicht klar in physische und psychische Komponenten unterteilt
werden können, jedoch auch und vor allem Verletzungen physischer Art vorliegen.
Gemäss BGE 134 V 109 waren im Zeitpunkt jenes Urteils keine neuen
Untersuchungsmethoden ersichtlich, welche in wissenschaftlich anerkannter Weise
den bislang nicht möglichen Nachweis von organischen Störungen im Bereich von
HWS oder Schädel-Hirn gestatteten (BGE 134 V 109 E. 7.1 S. 118 und E. 8.4 S.
121 mit Hinweis, zum Ganzen auch SZS 2015 S. 145, 8C_16/2014 E. 4.2; BGE 127 V
102 E. 5b/bb S. 103 und SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, U 277/04 E. 2, je mit
Hinweisen). Gemäss der im Zeitpunkt der Rentenzusprechung geltenden
Rechtsprechung zu Schleudertrauma-Fällen war der natürliche Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall und der danach eingetretenen Arbeits- bzw.
Erwerbsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn ein Schleudertrauma der
Halswirbelsäule diagnostiziert wurde und das für diese Verletzung typische
Beschwerdebild mit einer Häufung von Beschwerden, wie diffuse Kopfschmerzen,
Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche
Ermüdbarkeit, Sehstörungen, Reizbarkeit usw., vorlag (BGE 117 V 359 E. 4b S.
360). Später wurde gefordert, das Vorliegen eines Schleudertraumas wie seine
Folgen müssten durch zuverlässige ärztliche Angaben gesichert sein. Treffe dies
zu und sei die natürliche Kausalität - aufgrund fachärztlicher Feststellungen
in einem konkreten Fall - unbestritten, so könne der natürliche
Kausalzusammenhang ebenso aus rechtlicher Sicht als erstellt gelten, ohne dass
ausführliche Darlegungen zur Beweiswürdigung nötig wären (BGE 119 V 335 E. 2b/
aa S. 340).
Angesichts der vorliegenden medizinischen Diagnosen, die auf dem erlittenen
Schleudertrauma fussen, kann Dr. med. C.________ nach damaligem Erkenntnisstand
nicht die fachliche Eignung abgesprochen werden, die natürliche
Unfallkausalität hinsichtlich des erlittenen Beschwerdebildes zu beurteilen,
zumal er diese vor allem mit Blick auf die Nackenbeschwerden bejahte, was aus
damaliger Sicht im Lichte von BGE 117 V 359 E. 4b S. 360 vertretbar war. Es
lagen mithin nicht rein oder hauptsächlich psychiatrische Unfallfolgen vor, wie
sich aus seiner diagnostischen Beurteilung ergibt. Nachdem Dr. med. C.________
am 4. März 1999 in einer Stellungnahme zuhanden des Unfallversicherers
festgehalten hatte, aus subjektiver Sicht lägen keine psychischen
Überlagerungstendenzen vor, weshalb die zurückgebliebenen Beschwerden
ausschliesslich physischer Natur zu sein schienen, erwähnte er zwar im letzten
Gutachten eine depressive Komponente, die aber weniger im Vordergrund stand.
Eine unhaltbare fachfremde ärztliche Einschätzung ist darin nicht zu sehen.
Diese Darlegungen erhellen, dass der Gutachter Dr. med. C.________ als
Neurologe durchaus fachlich berufen war, die Versicherte als
Schleudertraumaverletzte zu begutachten und den natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen dem erlittenen HWS-Schleudertrauma und dem Unfallereignis zu
beurteilen, wobei seinem ersten Gutachten vom 29. Juni 1998 ein über vier
monatiger Rehabilitationsaufenthalt in der von ihm als Chefarzt geleiteten
Klinik D.________ für Epilepsie und Neurorehabilitation vorausging. Die
Begutachtung war überdies insofern nicht monodisziplinär, als die Versicherte
auch neuropsychologisch abgeklärt wurde. Wenn die Allianz zum damaligen
Zeitpunkt nach der gutachterlichen Beurteilung auf Weiterungen verzichtete,
kann dies nicht nachträglich als klare Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes,
wie sie unter Wiedererwägungsgesichtspunkten vorausgesetzt wird, gewertet und
eindeutig gesagt werden, die Leistungszusprechung sei auf einer offenkundig
unvollständigen oder widersprüchlichen Aktenlage und insbesondere auf keiner
nachvollziehbaren ärztlichen Einschätzung erfolgt. Nach damaliger Sach- und
Rechtslage waren der Gesundheitszustand und die Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit gestützt auf die gutachterlichen Feststellungen zuverlässig
beurteilbar.

4.3.

4.3.1. Nach dem soeben Dargelegten war mit dem Gutachten eine verlässliche
Beurteilung des Gesundheitszustands möglich (vgl. Urteile 8C_171/2011 vom 1.
September 2011 E. 4.3 und 8C_862/2010 vom   4. Januar 2011 E. 4.2). Soweit es
bei dieser Sachlage einer eigenständigen Adäquanzprüfung bedurfte, war diese
hier wenigstens implizit erfolgt (Urteil 8C_469/2013 vom 24. Februar 2014 E.
3.2, nicht publiziert in: BGE 140 V 70, aber in: SVR 2014 UV Nr. 14 S. 44; vgl.
ferner Urteile 8C_618/2014 vom 19. Dezember 2014 E. 4.2; 8C_171/2011 vom 1.
September 2011 E. 4.3; 8C_862/2010 vom 4. Januar 2011    E. 4.2; 8C_512/2008
vom 14. Januar 2008 E. 6.2.2). Aus dem von August bis November 1998 geführten
Briefwechsel der Beschwerdegegnerin mit der Rechtsvertreterin der
Beschwerdeführerin ist nämlich ersichtlich, dass die Adäquanzfrage ausdrücklich
thematisiert war und Abklärungen dazu getroffen wurden. Zudem bejahte die
Allianz im weiteren Verlauf ausdrücklich im Schreiben vom 24. Oktober 2013 im
Zusammenhang mit der ursprünglichen Rentenzusprache das Vorliegen einer
natürlichen und adäquaten Kausalität und ging explizit von einem bestehenden
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang bis 31. August 2013 aus. Dies
bestätigte sie in ihrem Einspracheentscheid vom 25. November 2014, indem sie
ausführte, sie habe die ursprünglich zugesprochene Invalidenrente eingestellt,
da der wesentlich veränderte Gesundheitszustand nicht mehr natürlich und
adäquat kausal zum Unfallereignis sei. Die Vorinstanz hatte die adäquate
Kausalität daher auch nicht zu prüfen, wie wenn es um eine erstmalige
Beurteilung ginge, sondern einzig zu beurteilen, ob die Bejahung der Adäquanz
im Rahmen des bei sämtlichen Kriterien bestehenden Beurteilungsspielraums
vertretbar war, wie die Beschwerdeführerin zutreffend einwendet. Insofern
unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, den das Bundesgericht
kürzlich mit Urteil 8C_193/2016 vom 26. Oktober 2016 entschieden hat.

4.3.2. Die vorinstanzlichen Darlegungen zur Adäquanz, welche sehr summarisch
und aus heutiger Sicht erfolgten (vgl. erwähntes Urteil 8C_171/2011 E. 4.3),
lassen die Rentenzusprache im Jahre 2002 nicht als unvertretbar erscheinen. Die
vom kantonalen Gericht angenommene ermessensgeprägte Beurteilung drängt sich
jedenfalls nicht als einzig mögliche und zulässige auf, weshalb ihm auch in
diesem Punkt nicht zu folgen ist. Vielmehr war die Leistungszusprechung im
Lichte der alten Rechtsprechung gemäss BGE 117 V 359 durchaus vertretbar und im
Ergebnis nicht als zweifellos unrichtig im wiedererwägungsrechtlichen Sinn
anzusehen, wie die Beschwerdeführerin richtig darlegt.

4.3.3. Einfache Auffahrunfälle werden rechtsprechungsgemäss in der Regel als
mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Unfällen qualifiziert (RKUV 2005
Nr. U 549 S. 236, U 380/04 E. 5.1.2 mit Hinweisen). Die Adäquanz wäre daher zu
bejahen, falls ein einzelnes der unfallbezogenen Kriterien in besonders
ausgeprägter Weise gegeben ist oder die zu berücksichtigenden Kriterien
insgesamt in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind (BGE 117 V 359 E.
6b S. 367 f.; bestätigt in BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126 f.).

4.3.4. Die Versicherte erlitt mit diesem Unfall bereits ihr fünftes
HWS-Schleudertrauma. Als pathologische Vorschädigung der Halswirbelsäule werden
im MEDAS-Gutachten vom 16. August 2013 ein verschobener vierter
Halswirbelkörper und eine Listhese 2 mm L4/5 beschrieben. Aus damaliger Sicht
wurde bei einer derart vorgeschädigten HWS das Kriterium der Schwere oder
besonderen Art der erlittenen Verletzungen bisweilen gar als in besonders
ausgeprägter Weise gegeben angesehen. Auch wurde es bejaht mit der
Formulierung: "Die besondere Art der erlittenen Verletzung ist in Anbetracht
der nach dem Unfall aufgetretenen Häufung verschiedener, für das
HWS-Schleudertrauma typischer Beschwerden (E. 3.1 hievor) und der
schwerwiegenden Auswirkungen zu bejahen (BGE 117 V 369 E. 7b) ", so etwa in
Urteil U 12/03 vom 28. Mai 2003 E. 4.2.2. Mit der Feststellung, dass
pathologische Zustände der Halswirbelsäule bei erneuter Traumatisierung
ausserordentlich stark exazerbieren können (SVR 2007 UV Nr. 1, U 39/04 E.
3.4.2), bejahte das Bundesgericht bei einer erheblichen Vorschädigung das
Kriterium der besonderen Art der erlittenen Verletzung. Im Urteil U 279/04 vom
20. Mai 2005 E. 3.3.3 berücksichtigte es, dass die HWS vorgeschädigt war mit
dem Hinweis, dass die Versicherte bereits im Jahre 1994 eine HWS-Distorsion
erlitten hatte und seither gelegentlich, vor allem nach Anstrengung, Schmerzen
occipital und im Nacken verspüre. In Berücksichtigung dieser Umstände und in
Anbetracht der nach dem Unfall aufgetretenen Häufung verschiedener, für die
HWS-Distorsion typischer Beschwerden und der schwerwiegenden Auswirkungen
bejahte es das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen
Verletzung (vgl. BGE 117 V 359 E. 7b S. 369). Im zitierten Urteil U 12/03 wurde
sodann von einem schwierigen Heilungsverlauf ausgegangen, da "die Versicherte
länger als eineinhalb Jahre nach dem Unfall über die praktisch gleichen
Schmerzen klagte". Hier litt die Versicherte im Januar 2001 gemäss dem
Gutachter Dr. med. C.________ an einem chronischen therapieresistenten
Schmerzsyndrom mit Schwerpunkt im Nacken trotz zahlreicher Therapien. Bejaht
wurde das Kriterium der erheblichen Beschwerden sodann auch unter Hinweis, dass
aufgrund der medizinischen Unterlagen glaubhafte Schmerzen vorliegen würden,
welche zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität geführt hätten (Urteil
8C_571/2011 vom 23. Dezember 2011 E. 6.2.4). Auch im vorliegenden Fall durften
somit Dauerbeschwerden mit dieser Sichtweise bejaht werden. Weiter findet sich
im soeben zitierten Urteil hinsichtlich des Kriteriums der fortgesetzt
spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung ausgeführt: "Jedoch folgt aus
dem Umstand, dass die Behandlungen und Therapien bis zur Einstellungsverfügung
während über acht Jahren erfolgten, ohne dass eine wesentliche Besserung
eintrat, eine gewisse Belastung. Das Kriterium kann daher - wenn auch nur knapp
- bejaht werden (vgl. bspw. Urteile 8C_951/2008 E. 6.3.1 und 8C_43/2010 E.
9.3)." Die Versicherte stand bis zur Verfügung im Jahr 2002 seit 1995 in
dauernder Behandlung, ohne dass eine wesentliche Besserung eintrat. Zudem war
sie bis zum Verfügungszeitpunkt nach Ansicht des Experten Dr. med. C.________
immer noch im Umfang von 70 % arbeitsunfähig. Damit konnte sie vor BGE 134 V
109 E. 10.2.7 S. 129 f. auch als langandauernd arbeitsunfähig bezeichnet werden
(vgl. Urteil U 286/06 vom 31. August 2007 E. 6.2). Zusammenfassend durften die
Kriterien als in gehäufter Weise vorkommend oder das Kriterium der Schwere oder
besonderen Art der erlittenen Verletzungen als ausgeprägt vorhanden angesehen
werden, ohne dass dies zweifellos unrichtig gewesen wäre, wie sich aus den
Beispielen zur damaligen bundesgerichtlichen Praxis ergibt. Daher besteht für
die wiedererägungsweise Aufhebung der Verfügung vom 14. Juni 2002 kein Raum.

5. 
Nachdem im Gutachten der SMAB AG vom 16. August 2013 ausdrücklich verneint
wurde, dass sich der Gesundheitszustand somatisch oder psychiatrisch seit der
Rentenzusprache wesentlich verändert habe und es sich um eine andere
Beurteilung des gleich gebliebenen Gesundheitszustands handle, besteht mit der
Beschwerdeführerin ebensowenig ein Grund für eine Rentenrevision nach Art. 17
Abs. 1 ATSG (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114 und BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit
Hinweisen).

6. 
Schliesslich stellt die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr sei nach   Art. 26
Abs. 2 ATSG auf den nachzuzahlenden Rentenbeträgen ein Verzugszins
zuzusprechen. Die Allianz Suisse wird hierüber zu entscheiden haben, wogegen im
vorliegenden Verfahren mangels eines entsprechenden Anfechtungsgegenstandes
nicht einzutreten ist, nachdem die Vorinstanz - aus ihrer Warte zu Recht -
hierüber nicht befand (Urteil U 59/04 vom 9. September 2005 E. 4).

7. 
Die obsiegende Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung
(Art. 68 Abs. 1 BGG) zulasten der Beschwerdegegnerin, welche überdies die
Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, vom 2. Juni 2016 und der Einspracheentscheid der Allianz Suisse
Versicherungs-Gesellschaft AG vom 25. November 2014 werden aufgehoben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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