Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.420/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_420/2016   {T 0/2}     

Urteil vom 27. Oktober 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Zumstein,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (Taggeld; Leistungskürzung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 13. Mai 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1957 geborene A.________ war als Fahrer bei der B.________ AG tätig gewesen
und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert.
Am 31. Juli 2012 geriet er mit seinen Nachbarn C.________ und D.________ in
eine verbale und tätliche Auseinandersetzung. A.________ erlitt dabei eine
rechtsseitige mehrfragmentäre dislozierte Claviculafraktur, eine Commotio
cerebri, eine rechtsseitige Thoraxkontusion sowie eine Rippenfraktur. Die SUVA
gewährte Heilbehandlung und richtete vorerst ein Teil-Taggeld aus. Mit
Strafbefehl vom 5. Mai 2014 sprach die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern
A.________ wegen Beschimpfung zum Nachteil von C.________ und D.________
schuldig. Während des nachfolgenden Einspracheverfahrens zogen D.________ und
C.________ den Strafantrag zurück, worauf das Verfahren eingestellt wurde.
D.________ wurde seinerseits mit Urteil der Strafabteilung des Regionalgerichts
X.________ vom........ der versuchten schweren Körperverletzung begangen an
A.________ für schuldig gesprochen.
Die SUVA kürzte mit Verfügung vom 5. März 2015 die Taggeldleistungen um 20 %
mit der Begründung, A.________ habe sich der Beschimpfung schuldig gemacht,
weshalb er den Unfall bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens erlitten
habe, was eine Kürzung des Taggelds nach Art. 37 Abs. 3 UVG rechtfertige. Im
nachfolgenden Einspracheverfahren kündigte die SUVA eine mögliche
Schlechterstellung an und räumte dem Versicherten Gelegenheit zum
Einspracherückzug ein. Sie führte aus, zwar sei der Tatbestand des Art. 37 Abs.
3 UVG nach Rückzug der Strafanträge wegen Beschimpfung nicht mehr gegeben; der
Sachverhalt könne jedoch auch den Kürzungstatbestand von Art. 39 UVG in
Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 UVV erfüllen. Mit Einspracheentscheid vom 30.
Juni 2015 kürzte die SUVA im angedrohten Sinne die Tageldleistungen neu um 50 %
aufgrund der starken Provokation gemäss Art. 49 Abs. 2 lit. b UVV.

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 13. Mai 2016 gut und wies die SUVA im Sinne der Erwägungen
an, dem Versicherten ab 3. August 2012 ein ungekürztes Taggeld auszurichten.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SUVA die
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist die Kürzung der Taggeldleistungen um 50 %.

2.1. Nach Art. 49 Abs. 2 UVV in Verbindung mit Art. 39 UVG werden die
Geldleistungen mindestens um die Hälfte gekürzt für Nichtberufsunfälle, die
sich ereignen u.a. bei: a. Beteiligung an Raufereien und Schlägereien, es sei
denn, der Versicherte sei als Unbeteiligter oder bei Hilfeleistung für einen
Wehrlosen durch die Streitenden verletzt worden; b. Gefahren, denen sich der
Versicherte dadurch aussetzt, dass er andere stark provoziert.

2.2. Der Tatbestand der Beteiligung an Raufereien oder Schlägereien im Sinne
von Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV ist grundsätzlich verschuldens-unabhängig
konzipiert und weiter gefasst als der Straftatbestand der Beteiligung an einem
Raufhandel gemäss Art. 133 StGB. Es genügt, dass das zu sanktionierende
Verhalten objektiv gesehen die Gefahr einschliesst, in Tätlichkeiten
überzugehen oder solche nach sich zu ziehen, und die versicherte Person dies
erkannt hat oder erkennen musste (BGE 134 V 315 E. 4.5.1.2 S. 320; Urteil U 325
/05 vom 5. Januar 2006 E. 1.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 132 V 27, aber
in: SVR 2006 UV Nr. 13 S. 45). Der Tatbestand des Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV ist
daher nicht nur bei der Teilnahme an einer eigentlichen tätlichen
Auseinandersetzung gegeben. Es ist auch nicht notwendig, dass der Versicherte
selbst tätlich geworden ist. Unerheblich ist zudem, aus welchen Motiven er sich
beteiligt hat, wer mit einem Wortwechsel oder Tätlichkeiten begonnen hat und
welche Wendung die Ereignisse in der Folge genommen haben. Entscheidend ist
allein, ob die versicherte Person die Gefahr einer tätlichen Auseinandersetzung
erkannt hat oder erkennen musste (SVR 2013 UV Nr. 21 S. 78, 8C_932/2012      E.
2.2 mit Hinweisen). Eine Leistungskürzung nach Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV setzt
sodann voraus, dass zwischen dem als Beteiligung an einer Rauferei oder
Schlägerei zu qualifizierenden Verhalten und dem Unfall ein natürlicher und
adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dabei ist auch ein gewisser zeitlicher
Konnex notwendig (SVR 2013 UV    Nr. 21 S. 78 E. 2.2 mit Hinweisen, 8C_932/
2012).

2.3. Nach der Rechtsprechung kann der Begriff der starken Provokation im Sinne
von Art. 49 Abs. 2 lit. b UVV nicht abstrakt definiert werden. Es gilt vielmehr
in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der konkret gegebenen Verhältnisse
zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten ernsthaft geeignet erscheint, eine
gewaltsame Reaktion anderer hervorzurufen. Eine solche Provokation kann in
Worten, Gebärden oder Tätlichkeiten bestehen. Es kommt dabei nicht darauf an,
ob die Reaktion unverhältnismässig ist (Urteil 8C_579/2010 vom 10. März 2011 E.
2.2.2). Die Provokation muss aber natürlich und adäquat kausal für diese sein.
Die Annahme einer starken Provokation setzt zudem eine gewisse Unmittelbarkeit
der Reaktion des Provozierten voraus (vgl. RKUV 1996 Nr. U 255 S. 211, U 121/95
E. 1b mit Hinweisen; siehe auch ALEXANDRA RUMO-JUNGO/ANDRÉ PIERRE HOLZER,
Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 219 f.).

2.4. Art. 37 Abs. 3 UVG setzt die Erfüllung eines objektiven Straftatbestandes
und nicht notwendigerweise Absicht oder Grobfahrlässigkeit voraus. Der Unfall
muss nicht schuldhaft herbeigeführt worden sein. Es genügt grundsätzlich, dass
er sich bei (anlässlich) der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens
ereignete; der Unfall muss nicht durch die strafbare Handlung selbst
herbeigeführt worden sein. Der Gefahrenbereich, welcher von Art. 37 Abs. 3 UVG
erfasst wird, ist umfassender als die strafbare Handlung und schliesst auch
sämtliche unmittelbar damit zusammenhängende Geschehensabläufe mit ein, so etwa
die Flucht nach Verzicht oder Abbruch des deliktischen Verhaltens. Massgebend
ist demnach ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und
dem Verbrechen oder Vergehen (ZBJV 142/2006 S. 719, U 186/01 E. 4 und 8C_737/
2009 vom 27. August 2010 E. 3.2 f.). Ob ein bestimmter (objektiver)
Straftatbestand erfüllt ist, prüft das Sozialversicherungsgericht grundsätzlich
frei. Es ist nicht an die Feststellung und Würdigung des Strafgerichts
gebunden, weder in Bezug auf die Angabe der verletzten Vorschriften noch
hinsichtlich der Beurteilung des Verschuldens (BGE 125 V 237 E. 6a S. 242;
Urteil 8C_19/2008 vom 3. Juli 2008 E. 2).

3.

3.1. In tatbeständlicher Hinsicht steht fest, dass der alkoholisierte
Versicherte von seinem Rasenplatz aus mit seiner Nachbarin C.________, die sich
auf ihrem Balkon aufhielt, in eine verbale Auseinandersetzung geriet, nachdem
er sich über spielende Kinder (dabei war auch der Sohn von C.________) auf
einem neben seinem Rasenplatz liegenden Grundstück aufgeregt hatte und diese
wegwies. Er betitelte C.________ mehrmals als "Schlampe", eventuell beschimpfte
er sie mit den Worten "huere verdammti Dräck-Schlampe". D.________, der
Lebenspartner von C.________, der sich in ihrer Wohnung aufgehalten hatte, ging
daraufhin erbost zum Versicherten auf den Rasenplatz hinunter und forderte ihn
auf, sich zu entschuldigen, was dieser nicht tat. Wie den Strafakten zu
entnehmen ist, schlug D.________ den Beschwerdegegner als nächstes mit einem
unbekannten Schlaginstrument/Stock (Urteil Regionalgericht X.________
vom........) und fügte ihm die beschriebenen Verletzungen zu.

3.2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
und der allgemeinen Lebenserfahrung sei das Verhalten des Beschwerdegegners und
das damit zusammenhängende Beschimpfen als "Schlampe" nicht geeignet, die
gewalttätige Reaktion von D.________ in deren Härte und Brutalität
hervorzurufen und damit den Unfall herbeizuführen. Eine Pöbelei oder ein
leichtes Handgemenge habe er in Kauf nehmen müssen, nicht jedoch einen
gewalttätigen Angriff mit einem Schlaginstrument; ein solcher liege ausserhalb
der allgemeinen Lebenserfahrung und entspreche nicht dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge. Damit entfalle mangels adäquater Kausalität die Kürzung des Taggeldes
gestützt auf Art. 49 Abs. 2 lit. a und b UVV.
Weiter hielt das kantonale Gericht fest, das Beschimpfen als "Schlampe" sei
auch bereits abgeschlossen gewesen, als der Unfall passierte, weshalb ebenso
wenig der Kürzungstatbestand des Art. 37 Abs. 3 UVG zur Anwendung gelangen
könne.

3.3. Die SUVA wendet dagegen ein, der Vorinstanz sei beizupflichten, dass der
Beschwerdegegner durchaus nach seiner Provokation mit einer Tätlichkeit habe
rechnen müssen. Allein entscheidend dabei sei, dass die Person die Gefahr einer
tätlichen Auseinandersetzung erkannt hat oder habe erkennen müssen, was hier zu
bejahen sei. Die Bezeichnung als "Schlampe" sei als wesentliche Ursache des
Unfalls zu bezeichnen, was genüge, um adäquat kausal hierfür zu sein. Die
Beschimpfung habe zur Eskalation der Situation geführt, die schliesslich in
eine tätliche Auseinandersetzung gemündet sei. Der Tatbestand von Art. 49 Abs.
2 lit. a UVV sei gegeben.
Weiter sei die Betitelung als "Schlampe" stark provokativ, womit sich der
Versicherte der konkreten Gefahr einer sofortigen tätlichen Reaktion ausgesetzt
habe, eine solche habe denn auch durch den Lebenspartner der Beschimpften nicht
lange auf sich warten lassen. Auch hier liege ein natürlicher und adäquat
kausaler Zusammenhang mit dem Unfall vor.
Zudem sei der Straftatbestand der Beschimpfung nach Art. 9 Abs. 2 StGB in
Verbindung mit Art. 177 StGB objektiv erfüllt, was zur Anwendung von Art. 37
Abs. 3 UVG genüge. Das gesamte Geschehen sei als Ganzes zu Betrachten,
offensichtlich liege ein zeitlicher und sachlicher Konnex zwischen der
Beschimpfung und der tätlichen Reaktion von D.________ vor, weshalb der Vorfall
von Art. 37 Abs. 3 UVG erfasst sei. Art. 49 Abs. 2 UVV sei jedoch gegenüber
Art. 37 Abs. 3 UVG als lex specialis anzusehen, weshalb mindestens eine
hälftige Kürzung des Taggeldes vorzunehmen sei.

4.

4.1. Der Versicherte erfüllt mit seiner Beschimpfung von C.________ objektiv
den Straftatbestand von Art. 177 StGB, welcher als Vergehen geahndet wird.
Nachdem Art. 49 UVV im Verhältnis zu Art. 37 Abs. 3 UVG als lex specialis
anzusehen ist (ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Die Leistungskürzung oder -verweigerung
gemäss Art. 37-39 UVG, Diss. Freiburg 1993, S. 316; ALFRED MAURER,
Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Auflage, Bern 1989, S. 482) kann
indessen offen gelassen werden, ob sich eine Leistungskürzung auf Art. 37 Abs.
3 UVG stützen liesse, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt.

4.2. Unter dem Gesichtswinkel von Art. 49 Abs. 2 lit. b UVV ergibt sich
Folgendes: Das kantonale Gericht räumte ein, dass der Beschwerdegegner durchaus
nach seinem verbalen Angriff ein Handgemenge in Kauf zu nehmen hatte, jedoch
nicht mit der gewalttätigen Reaktion "in deren ganzen Härte und Brutalität" zu
rechnen brauchte. Praxisgemäss kommt es aber nicht darauf an, ob die Reaktion
unverhältnismässig ist. Wer einen andern grob provoziert, muss grundsätzlich in
Kauf nehmen, dass die Reaktion und die dabei erlittenen Verletzungen
unverhältnismässig stark ausfallen (ALFRED MAURER, a. a. O., S. 506; Urteil des
EVG [Eidg. Versicherungsgericht; heute: sozialrechtliche Abteilungen des
Bundesgerichts] U 42/77 vom 2. August 1978, E. 2a). Das Verhalten des
Beschwerdegegners schloss objektiv gesehen die Gefahr mit ein, dass der Streit
in eine nonverbale Auseinandersetzung überging oder eine solche nach sich zog,
zumal C.________ angab, der Versicherte habe sie mehrmals aufgefordert,
hinunterzukommen (polizeiliches Einvernahmeprotokoll vom 31. Juli 2012). Eine
solche wiederholte Beschimpfung ist als grobe Provokation zu werten, die
geeignet ist, eine gewalttätige Reaktion anderer hervorzurufen. Die der groben
Herausforderung mittels Beschimpfung innewohnende Gefahr war für den
Beschwerdegegner erkennbar oder musste dies sein. Unerheblich ist dabei, dass
nicht die Beschimpfte selbst gewalttätig reagierte und zum Versicherten eilte,
sondern ihr vorgängig an der verbalen Auseinandersetzung nicht beteiligter
Lebenspartner. Der Tatbestand der starken Provokation ist auch dann erfüllt,
wenn sich Dritte direkt für den Provozierten einsetzen oder indirekt selber
betroffen sind (RUMO-JUNGO, a.a.O. S. 263).

Unter den gegebenen Umständen ist die Reaktion von D.________ mit der
Vorinstanz zwar in der Tat unverhältnismässig ausgefallen und verwerflich,
jedoch nicht derart aussergewöhnlich oder ausserhalb der allgemeinen
Lebenserfahrung, dass sie nicht mehr adäquat kausale Folge der Beschimpfung
wäre. Weiter ist die erforderliche zeitliche Nähe, die gewisse Unmittelbarkeit
der Reaktion (ALEXANDRA RUMO-JUNGO/ANDRÉ PIERRE HOLZER, a. a. O. S. 219 f.)
ohne Weiteres gegeben, nachdem D.________ sofort nach der Beschimpfung,
gleichsam unter direktem Eindruck derselben, zum Versicherten eilte und diesen
als Folge der Beschimpfung schlug. Die adäquate Kausalität ist demnach zu
bejahen und die Kürzung nach Art. 49 Abs. 2 lit. b UVV um den vorgesehenen
Minimalansatz - entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts - rechtens.

4.3. Bei diesem Ergebnis braucht schliesslich nicht beantwortet zu werden, ob
eine Kürzung der Geldleistungen wegen Beteiligung an Raufereien und
Schlägereien nach Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV Stand halten würde (vgl. A LEXANDRA
RUMO-JUNGO/ANDRÉ PIERRE HOLZER, a. a. O. S. 219 und Urteil des EVG U 18/73 vom
12. Juli 1973 E. 1 zu Art. 67 Abs. 3 aKUVG, worin das Gericht ausführte, es
liege keine Schlägerei vor, wenn jemand einen anderen provoziert und von diesem
kurzerhand niedergeschlagen werde). Die Beschwerde ist begründet.

5. 
Der unterliegende Beschwerdegegner trägt die Verfahrenskosten   (Art. 66 Abs.
1, Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 13. Mai 2016 wird
aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 30. Juni 2015 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Oktober 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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