Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.41/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_41/2016

Urteil vom 23. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
Basler Versicherung AG,
Aeschengraben 21, 4051 Basel,
vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich Friedli,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Nadeshna Ley,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 7. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1960 geborene A.________ war in der Ausbildung zur Gemeindehelferin in
der Schule B.________, als sie am 9. August 1986 von einer Person, die von
einer anderen beim Turnen über die Schulter geworfen wurde, mit den beschuhten
Füssen einen Schlag von rechts an den Hals, Nacken und Kopf bekam. Mit
Verfügung vom 4. Dezember 2002 ging die Basler Versicherung AG (nachfolgend
Basler) von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit der Versicherten seit diesem
Unfall aus (mit Ausnahme des Zeitraums von April 1989 bis Juni 1990, wo sie
einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen sei) und bejahte bis 31. Dezember 2002
den Taggeldanspruch; weiter gewährte sie der Versicherten ab 1. März 1993 eine
Hilflosenentschädigung bei einer Hilflosigkeit leichten Grades, ab 1. Januar
2003 eine Komplementärrente zur Rente der Invalidenversicherung aufgrund einer
Erwerbseinbusse von 100 % und eine Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 80 %; zudem übernahm sie weiterhin die unfallbedingten
Behandlungskosten und Medikamente sowie die Kosten der Hauspflege.

A.b. Am 22. Dezember 2002 erlitt A.________ einen Autounfall; hierbei zog sie
sich Verletzungen am Ellbogen, Gesäss und Fuss sowie ein HWS-Schleudertrauma
zu. Mit Verfügung vom 23. März 2009 stellte die Basler die der Versicherten am
4. Dezember 2002 zugesprochene Rente und Hilflosenentschädigung per sofort ein.
Mit Verfügung vom 30. Oktober 2009 stellte sie die Leistungen rückwirkend per
31. Mai 2004 ein; sie forderte von der Versicherten Fr. 449'034.60 für
unrechtmässig bezogene Renten, Teuerungszulagen und Hilflosenentschädigungen
zurück; ebenfalls zurückgefordert wurden Leistungen für Heilbehandlungen ab 31.
März 2004. Mit Entscheiden vom 4. März und 14. Juni 2010 wies sie die von der
Versicherten und ihrem Krankenversicherer erhobenen Einsprachen ab. Die von
ihnen eingereichten Beschwerden hiess das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen in Aufhebung beider Einspracheentscheide dahingehend gut, dass es die
Sache zur Prüfung der adäquaten Unfallkausalität der gesundheitlichen
Beschwerden bzw. zur Klärung der Wiedererwägungsvoraussetzungen mit Bezug auf
die Verfügung vom 4. Dezember 2002 und zur Prüfung der Leistungspflicht aus dem
Ereignis vom 22. Dezember 2002 sowie zu anschliessender Neuverfügung an die
Basler zurückwies (Entscheid vom 5. Dezember 2011). Die dagegen von der Basler
erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht ab; auf die Beschwerde der
Versicherten trat es nicht ein (Urteil 8C_37 und 87/2012 vom 23. März 2012).

A.c. Mit Verfügung vom 26. September 2012 stellte die Basler die Leistungen
bezüglich des Unfalls vom 9. August 1986 wiedererwägungsweise mangels adäquater
Unfallkausalität der gesundheitlichen Beschwerden der Versicherten per 4.
Dezember 2002 ein; die Leistungen für die Folgen der HWS-Distorsion sowie der
Beschwerden an Knie und Ellbogen als Folgen des Unfalls vom 22. Dezember 2002
stellte sie per 31. Dezember 2003 ein. Die Einsprache der Versicherten wies sie
mit Entscheid vom 30. April 2013 ab. In Gutheissung ihrer Beschwerde hob das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen diesen Entscheid auf; betreffend
die Folgen des Unfalls vom 22. Dezember 2002 wies es die Sache zu weiteren
Abklärungen und neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Basler zurück
(Entscheid vom 12. November 2014). Das danach angerufene Bundesgericht hiess
die Beschwerde der Basler teilweise gut und hob diesen Entscheid auf; es wies
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück; im Übrigen wies es
die Beschwerde ab (Urteil 8C_913/2014 vom 8. Juni 2015).

B. 
Mit Entscheid vom 7. Dezember 2015 hob das kantonale Versicherungsgericht den
Einspracheentscheid vom 30. April 2013 auf; betreffend die Folgen des Unfalls
vom 22. Dezember 2002 wies es die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen und
zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Basler zurück.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die Basler, in Bestätigung des Einspracheentscheides
sei festzustellen, dass die Versicherte spätestens ab Anfang August 1990 (4
Jahre nach dem Unfall) keinen Anspruch auf UVG-Versicherungsleistungen mehr
gehabt habe; der Rückerstattungsanspruch für die gegenüber der Versicherten ab
1. April 2004 zu Unrecht erbrachten Leistungen (Fr. 449'034.60 Renten und
Hilflosenentschädigungen) sei zu bestätigen.
Die Versicherte schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389).
 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der Folgen des Unfalls vom 22. Dezember 2002
sei die Sache nach wie vor nicht spruchreif. Diesbezüglich sei sie zur Vornahme
weiterer Abklärungen - insbesondere auch medizinisch - und zu neuer Verfügung
an die Basler zurückzuweisen. Bei diesem Rückweisungsentscheid handelt es sich,
da das Verfahren noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht
einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, um einen
selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der
Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit.
a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Es obliegt der
beschwerdeführenden Partei, darzutun, dass die Eintretensvoraussetzungen gemäss
Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die
Augen springt (nicht publ. E. 1.1.1 des Urteils BGE 139 III 411; BGE 138 III 46
E. 1.2 S. 47). Diese Voraussetzungen werden nicht geltend gemacht und sind auch
nicht ersichtlich, weshalb in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten
ist.

3. 
In E. 4.3 des Urteils 8C_913/2014 führte das Bundesgericht unter anderem aus,
die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Adäquanzfrage
hinsichtlich des Unfalls vom 9. August 1986 per 4. Dezember 2002 in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei prüfe.

An dieses nach Art. 61 BGG in Rechtskraft erwachsene Urteil ist das
Bundesgericht gebunden (vgl. ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 1 zu Art. 121 BGG). Nicht stichhaltig
ist demnach der Einwand der Versicherten, ein wiedererwägungsweises Rückkommen
auf die Adäquanzbeurteilung sei unzulässig.

4.

4.1. Für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs nach der Praxis zu den
psychischen Unfallfolgen oder nach der sog. Schleudertrauma-Praxis ist im
Einzelfall zu verlangen, dass dem Unfall eine massgebende Bedeutung für die
Entstehung der Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit zukommt. Dies trifft dann zu,
wenn er eine gewisse Schwere aufweist oder mit anderen Worten ernsthaft ins
Gewicht fällt. Für die Beurteilung dieser Frage ist an das Unfallereignis
anzuknüpfen, wobei - ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf - zwischen
banalen bzw. leichten Unfällen einerseits, schweren Unfällen anderseits und
schliesslich dem dazwischen liegenden mittleren Bereich unterschieden wird.
Während der adäquate Kausalzusammenhang in der Regel bei schweren Unfällen ohne
Weiteres bejaht und bei leichten Unfällen verneint werden kann, lässt sich die
Frage der Adäquanz bei Unfällen aus dem mittleren Bereich nicht aufgrund des
Unfallgeschehens allein schlüssig beantworten. Es sind weitere, objektiv
erfassbare Umstände, welche unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehen
oder als direkte bzw. indirekte Folgen davon erscheinen, in eine
Gesamtwürdigung einzubeziehen. Je nachdem, wo im mittleren Bereich der Unfall
einzuordnen ist und abhängig davon, ob einzelne dieser Kriterien in besonders
ausgeprägter Weise erfüllt sind, genügt zur Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhangs ein Kriterium oder müssen mehrere herangezogen werden (BGE
117 V 359 E. 6 S. 366 ff., 115 V 133 E. 6 f. S. 138 ff.).
Die Unfallschwere ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich
dabei entwickelnden Kräften zu beurteilen. Nicht zu berücksichtigen sind die
Folgen des Unfalls oder Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen
zugeordnet werden können; derartigen Faktoren ist gegebenenfalls bei den
Adäquanzkriterien Rechnung zu tragen (SVR 2013 UV Nr. 3 S. 7 E. 5.2 Ingress
[8C_398/2012]).

4.2.

4.2.1. Fest steht, dass die Versicherte am 9. August 1986 von einer Person, die
von einer anderen beim Turnen über die Schulter geworfen wurde, mit den
beschuhten Füssen einen Schlag von rechts an den Hals, Nacken und Kopf bekam
(vgl. auch Urteil 8C_913/2014 Sachverhalt lit. A.a). Danach fiel sie zu Boden
und erbrach. Divergierende Angaben bestehen zur Frage, ob die Versicherte
bewusstlos war oder nicht.

4.2.2. Die Vorinstanz erwog, die Beurteilung der Adäquanz der Folgen aus dem
Ereignis vom 9. August 1986 per 4. Dezember 2002 habe nach der
Schleudertrauma-Praxis gemäss BGE 117 V 359 mit den damals geltenden
Beurteilungskriterien zu erfolgen. Im Bericht der psychiatrischen Klinik
C.________ vom 15. August 1988 sei ein "starker Schlag" beschrieben worden. Im
Bericht des Dr. med. D.________, Allg. Medizin FMH, vom 26. August 1988 sei von
einem "schweren Trauma" die Rede. Frau Dr. med. E.________, Spezialärztin FMH
für Innere Medizin, habe am 13. Mai 1997 dargelegt, die Versicherte sei "mit
voller Wucht von rechts von einer geschleuderten Person im Bereich der HWS
getroffen worden". Laut Bericht des Spitals F.________ vom 14. November 2000
sei sie mit dem rechten Fuss "mit hoher Energie am rechten Hals" getroffen
worden und zu Boden gestürzt; sie habe anschliessend erbrechen müssen. Weiter
führte die Vorinstanz aus, mit Blick auf den Geschehensablauf sei der Unfall im
mittleren Bereich anzusiedeln. Es seien vier Adäquanzkriterien erfüllt, wovon
zwei sogar ausgeprägt. Demnach sei der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall vom 9. August 1986 und dem am 4. Dezember 2002 anhaltenden
Gesundheitsschaden der Versicherten zu bejahen, selbst wenn von einem Grenzfall
zu einem leichten Unfall ausgegangen würde.

4.2.3. Die Basler macht geltend, die Adäquanz per Dezember 2002 hätte
richtigerweise nach der Praxis zu den psychischen Unfallfolgen beurteilt und
verneint werden müssen, da der Unfall banal gewesen sei. Selbst wenn er als
Grenzfall in den mittleren Bereich eingestuft würde, könne keines der
Adäquanzkriterien als erfüllt erachtet werden.

4.3.

4.3.1. Entgegen der Vorinstanz ist der Unfall der Versicherten vom 9. August
1986 (zu dessen Ablauf vgl. E. 4.2.1 hievor) nicht mit Kopf- und
Kopfgelenkverletzungen bei tätlichen Auseinandersetzungen - die praxisgemäss
"in der Regel" dem eigentlich mittleren Bereich zugeordnet wurden (vgl. Urteil
8C_893/2012 vom 14. März 2013 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen; Urteil U 37/94 vom
21. August 1997, zusammengefasst wiedergegeben in: SZS 2001 S. 441 f.) - zu
vergleichen. Ebenfalls nicht einschlägig ist der vorinstanzliche Vergleich mit
dem Fall, in dem der Sturz eines Versicherten in alkoholisiertem Zustand eine
Treppe hinunter mit Anschlagen des Kopfes als mittelschwerer Unfall eingestuft
wurde (Urteil U 141/92 vom 19. September 1994 E. 4a; vgl. auch Urteil U 366/06
vom 23. Mai 2007 E. 5.1). Gleiches gilt für das von der Versicherten ins Feld
geführte Urteil 8C_715/2009 vom 30. März 2010, worin ein Unfall, bei dem einem
Versicherten eine etwa 15 kg schwere Reklametafel auf den mit einem Helm
geschützten Kopf fiel, als Ereignis im eigentlichen mittleren Bereich
qualifiziert wurde (Sachverhalt lit. A und E. 6.2).
Vielmehr ist der Unfall der Beschwerdegegnerin vom 9. August 1986 (E. 4.2.1
hievor) mit folgenden Ereignissen zu vergleichen, die als leicht qualifiziert
wurden: der Versicherte erlitt eine Rückenkontusion, als er von einem
umfallenden Betonschalungselement im Rücken getroffen wurde (Urteil U 202/99
vom 25. April 2000 E. 2b/bb); der Versicherte war bei seinen Betonfräsarbeiten
von einem zirka 600 kg schweren Betonblock am rechten Oberarm getroffen worden,
war aber gemäss seinen eigenen Angaben nach dem Unfall noch in der Lage, selber
mit dem Auto von X nach Y zu fahren, bevor er sich in ärztliche Behandlung
begab (Urteil U 5/01 vom 15. Oktober 2001 E. 5); beim Fussballtraining prallte
ein Versicherter mit einem Gegenspieler zusammen, worauf er das Training
abbrach (Urteil U 126/04 vom 30. September 2004 Sachverhalt lit. A sowie E. 3.2
und 4.1); der Versicherte wurde von einem umkippenden Gerüstelement am Kopf
getroffen (Urteil 8C_177/2009 vom 12. August 2009 E. 7.2).
Auch das hier zu beurteilende Ereignis ist mithin den leichten Unfällen
zuzuordnen. Dies umso mehr, als die Versicherte danach in der Lage war, den
mehrstündigen Rücktransport im Bus auf sich zu nehmen und erst am nächsten Tag
einen Arzt aufsuchte.

4.3.2. Aus dem Umstand, dass die Basler den Unfall vom 9. August 1986 in der
Verfügung vom 26. September 2012 und im Einspracheentscheid vom 30. April 2013
noch als mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Ereignissen eingestuft
hatte, kann die Beschwerdegegnerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn die
Beurteilung der Unfallschwere ist eine vom Bundesgericht frei zu prüfende
Rechtsfrage (Urteil 8C_137/2014 vom 5. Juni 2014 E. 6.2).

4.3.3. Bezüglich der beim Unfall vom 9. August 1986 (zu dessen Hergang vgl. E.
4.2.1 hievor) auf die Versicherte wirkenden Kräfte zitierte die Vorinstanz aus
diversen ärztlichen Berichten (vgl. E. 4.2.2 hievor). Der älteste von ihnen
wurde am 15. August 1988, mithin erst rund zwei Jahre nach dem Unfall erstellt.
Die entsprechenden Mutmassungen in diesen ärztlichen Berichten, die im
Wesentlichen auf den Schilderungen der Versicherten beruhen, genügen nicht dem
erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218
E. 6 S. 221). Gleiches gilt für die von der Versicherten zusätzlich angeführten
Berichte des Neurologen Dr. med. G.________ vom 30. Dezember 1993 und der
Rheuma- und Rehabilitationsklinik H.________ vom 14. Mai 1996.
Im zeitlich näher beim Unfall liegenden Bericht vom 10. November 1986 führte
Dr. med. I.________ aus, beim Turnen sei ihr ein Mitschüler von seitlich an den
Körper gesprungen, wobei es ihr schlagartig den Kopf gegen Schlagseite gerissen
habe. Auf diesen Bericht kann indessen nicht abgestellt werden, da Dr. med.
I.________ - wie auch die Versicherte ausführt - den Unfallablauf nicht richtig
wiedergab (vgl. E. 4.2.1 hievor).
Nach dem Gesagten ist eine besondere Krafteinwirkung auf den Körper der
Versicherten, die den Unfall vom 9. August 1986 als mittelschwer erscheinen
liesse, nicht erstellt.

5.

5.1. Nach der Rechtsprechung ist eine Adäquanzbeurteilung ausnahmsweise auch
bei leichten Unfällen mit psychischen Unfallfolgen oder Schleudertrauma der HWS
vorzunehmen, wenn die unmittelbaren Folgen das Beschwerdebild im Zeitpunkt der
Leistungseinstellung nicht mehr als offensichtlich familienunabhängig
erscheinen lassen. Dabei sind die Kriterien heranzuziehen, die für Unfälle im
mittleren Bereich gelten (vgl. BGE 129 V 402 E. 4.4.2 S. 408; in SVR 2004 UV
Nr. 12 S. 44 nicht publ. E. 4.2.2 des Urteils U 173/02 vom 15. Januar 2004;
RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243 E. 3b). Diese Gerichtspraxis ist aufgrund ihres
Ausnahmecharakters zurückhaltend anzuwenden. Das ist schon deshalb angezeigt,
weil es sich bei den in Betracht fallenden unmittelbaren Unfallfolgen um
Umstände handelt, z.B. Komplikationen durch die besondere Art der erlittenen
Verletzung, verzögerter Heilungsverlauf, langdauernde Arbeitsunfähigkeit,
welche (auch) bei der Prüfung der massgebenden Kriterien von Bedeutung sind
(Urteil U 106/04 vom 5. November 2004 E. 4.2.1).

5.2. Die Vorinstanz stellte in Würdigung der medizinischen Akten fest, die
Versicherte habe beim Unfall vom 9. August 1986 ein HWS-Schleudertrauma
erlitten; hiervon geht auch diese aus. Die Basler bestreitet dies. Selbst wenn
indessen von einem HWS-Schleudertrauma ausgegangen wird, kann die Versicherte
daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten.
Aus den Akten ergibt sich unter anderem, dass sie in der Lage war, im Jahre
1988 oder 1989 eine eineinhalb Jahre dauernde, jeweils abends und samstags
stattfindende Ausbildung zur Haushaltsleiterin erfolgreich abzuschliessen.
Danach arbeitete sie in einem Pensum von   20-40 % als stellvertretende
Leiterin einer Pension für Lehrtöchter und machte gleichzeitig eine
eineinhalbjährige Zusatzausbildung als Betriebsleiterin. 1995 bestand sie die
Aufnahmeprüfung für das KV und erwarb 1997 das eidgenössische Handelsdiplom.
Später durchlief sie eine therapeutische Ausbildung, bildete sich in
Verhaltens- und Gesprächstherapie aus; diese Ausbildung schloss sie im Jahre
2000 ab (vgl. Berichte der Rheuma- und Rehabilitationsklinik H.________ vom 14.
Mai 1996 und der Frau Dr. med. E.________ vom 13. Mai 1997; Gutachten des
Ärztlichen Begutachtungsinstituts (ABI) GmbH, Basel, vom 12. März 2009). Gemäss
den beiden erstgenannten Berichten führte die Versicherte zudem die Buchhaltung
der sehr gut laufenden Schreinerei ihres Ehepartners.
Unter diesen Umständen sind unmittelbare Folgen des leichten Unfalls vom 9.
August 1986, die das Beschwerdebild der Versicherten im Zeitpunkt der
Leistungseinstellung am 4. Dezember 2002 nicht mehr als offensichtlich
unfallunabhängig erscheinen lassen, zu verneinen. Demnach ist der adäquate
Kausalzusammenhang zwischen diesem Unfall und dem anhaltenden
Gesundheitsschaden ohne Weiteres zu verneinen.

6. 
Auf die Anträge der Basler betreffend Verneinung der Versicherungsleistungen ab
Anfang August 1990 und Bestätigung des Rückerstattungsanspruchs für die ab 1.
April 2004 zu Unrecht erbrachten Leistungen von Fr. 449'034.60 ist nicht
einzutreten. Denn diese Punkte waren weder Gegenstand der Verfügung vom 26.
September 2012 noch des Einspracheentscheides vom 30. April 2013 noch des
angefochtene Entscheides. In der Beschwerde finden sich hierzu auch keine
substanziierten Ausführungen.

7. 
Die Verfahrenskosten werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt (Art. 66 Abs.
1, Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 141 V 281 E. 11.1 S. 312).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid
des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 2015 wird in
Bezug auf den Unfall der Versicherten vom 9. August 1986 aufgehoben und der
Einspracheentscheid vom 30. April 2013 wird in diesem Punkt bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Juni 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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