Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.405/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_405/2016

Urteil vom 18. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Vijay Singh,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Taggeld; Leistungskürzung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1965 geborene A.________ arbeitete seit 1. April 2012 in der B.________
GmbH und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch unfallversichert. Am 17. Juni 2012 meldete die Arbeitgeberin der
SUVA, am 11. Juni 2012 sei er in C.________ überfallen und am Kopf verletzt
worden. Die SUVA eröffnete der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 20. Juni 2012,
bis zur Abklärung der Verhältnisse sei dem Versicherten ab 14. Juni 2012 ein
Teil-Taggeld von Fr. 78.40 auszurichten. Am 8. September 2014 stellte die
Staatsanwaltschaft Bezirk D.________ das Verfahren gegen A.________ wegen
Raufhandels (Art. 133 StGB), evtl. einfacher Körperverletzung/Tätlichkeiten
(Art. 123/Art. 126 StGB) und Angriffs (Art. 134 StGB) ein. Mit Verfügung vom
13. Oktober 2014 kürzte die SUVA seinen Taggeldanspruch um 50 %, da er sich an
einer Rauferei bzw. Schlägerei beteiligt habe; das gekürzte Taggeld betrage ab
14. Juni 2012 Fr. 71.25 je Kalendertag. Seine Einsprache wies sie mit Entscheid
vom 6. November 2014 ab.

B. 
Die gegen den Einspracheentscheid vom 6. November 2014 geführte Beschwerde wies
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. April
2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen
Entscheides sei das ihm zustehende Taggeld für die Zeit vom 14. Juni 2012 bis
18. Juni 2014 nicht zu kürzen; der bisher zurückbehaltene Betrag im Umfang von
25 % des ordentlichen Taggeldansatzes sei nachzuzahlen; eventuell sei die Sache
zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; für das
bundesgerichtliche Verfahren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
erteilen.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die Rechtsgrundlagen für die Kürzung von Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung bei Beteiligung an Raufereien und
Schlägereien (Art. 39 UVG; Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV; BGE 134 V 315 E. 4.5.1.2
S. 320; nicht publ. E. 1.1-1.3 des BGE 132 V 27, veröffentlicht in SVR 2006 UV
Nr. 13 S. 45 [U 325/05]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Richtig
ist namentlich, dass sich der grundsätzlich verschuldensunabhängig
ausgestaltete Tatbestand nach Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV nicht mit der
Beteiligung an einem Raufhandel gemäss Art. 133 StGB deckt. Das
Sozialversicherungsgericht ist deshalb an die Beurteilung des Strafgerichts
nicht gebunden. Hingegen weicht es von den tatbeständlichen Feststellungen
desselben nur ab, wenn der im Strafverfahren ermittelte Tatbestand und dessen
rechtliche Subsumtion nicht zu überzeugen vermögen oder auf Grundsätzen
beruhen, die zwar im Strafrecht gelten, im Sozialversicherungsrecht jedoch
unerheblich sind (BGE 125 V 237 E. 6a S. 242; Urteil 8C_19/2008 vom 3. Juli
2008 E. 2).

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog mit einlässlicher Begründung - auf die verwiesen wird
(Art. 109 Abs. 3 BGG) - im Wesentlichen, am 11. Juni 2012 habe der Sohn des
Beschwerdeführers diesem zwischen 19.00 und 20.00 Uhr gemeldet, von einem von
E.________ gelenkten Auto, in dem auch F.________ gesessen sei, ausgebremst
worden zu sein, worauf sich eine Diskussion ergeben habe. Danach habe sich der
Beschwerdeführer mit seinem Schwager zu seinem Sohn begeben. Um ca. 20.00 Uhr
sei es bei der Pizzeria G.________ in C.________ zu einem Raufhandel zwischen
der Gruppe mit dem Beschwerdeführer sowie der anderen Gruppe mit H.________ und
F.________ gekommen. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Sohn nach Hause
gebracht habe, sei er nochmals nach C.________ gefahren, wo er beim
Gemeindeparkplatz von einer mit Schlagstöcken ausgerüsteten Gruppe angegriffen
und verletzt worden sei. Gemäss Aussagen des Beschwerdeführers seien unter
anderem H.________ und F.________ daran beteiligt gewesen. Bezüglich der ersten
tätlichen Auseinandersetzung von ca. 20.00 Uhr sei der Beschwerdeführer als
Beteiligter nach Art. 49 Abs. 2 lit. a UVV zu betrachten. Auch wenn der zweite
Vorfall des Abends, bei dem er verletzt worden sei, den ersten an Vehemenz
deutlich überstiegen habe und möglicherweise weitere/andere Personen daran
beteiligt gewesen seien, habe er eine Einheit mit der Rauferei zuvor gebildet.
Denn der Beschwerdeführer habe nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der
allgemeinen Lebenserfahrung damit rechnen müssen, dass ein neuerliches
Aufeinandertreffen noch am selben Abend in einer weiteren tätlichen
Auseinandersetzung enden würde. Die vorausgegangene Rauferei habe demnach eine
natürliche und adäquate Ursache für die beim zweiten Vorfall erlittenen
Verletzungen des Beschwerdeführers gebildet.

3.2. Soweit der Versicherte auf seine Ausführungen in der vorinstanzlichen
Beschwerde verweist, ist dies unzulässig (BGE 134 II 244; SVR 2010 UV Nr. 9 S.
35 E. 6 [8C_286/2009]).

3.3. Die Vorinstanz erwog, bei der ersten tätlichen Auseinandersetzung um ca.
20.00 Uhr sei der Sohn des Beschwerdeführers nicht wehrlos gewesen. Dieser habe
aber bereits nach einem ersten Schlag gegen seinen Sohn in die Rauferei
eingegriffen, ohne dass eine dieses Vorgehen rechtfertigende unmittelbar
drohende Gefahr für Leib und Leben des Letzteren vorgelegen habe. Eine
schutzwürdige Hilfeleistung habe somit nicht bestanden (vgl. RKUV 1991 Nr. U
120 S. 85 E. 5a und b). Dem ist beizupflichten. Unbehelflich ist der bloss
pauschale Einwand des Versicherten, er habe mit dem Eingreifen nicht zuwarten
müssen, bis einer der Beteiligten bewusstlos am Boden gelegen hätte.

3.4. Weiter wendet der Versicherte im Wesentlichen ein, selbst wenn er als
Beteiligter der ersten Auseinandersetzung vom 11. Juni 2012 zu gelten hätte,
stehe diese in keinem kausalen Zusammenhang mit dem zweiten Vorfall am späteren
Abend, der zu seinen Verletzungen und seiner Arbeitsunfähigkeit geführt habe.
Denn der erste Streit sei eindeutig beigelegt gewesen. Er habe sich mehr als
2,5 Stunden danach an den Wohnort seines Sohnes in C.________ begeben, wobei er
sein Auto auf dem nahe gelegenen Gemeindeparkplatz abgestellt habe. Dieser
Parkplatz sei ca. 1 km vom Ort der ersten Auseinandersetzung entfernt. Der
zweite Vorfall habe weder räumlich noch zeitlich noch personell eine Einheit
mit dem ersten gebildet. Er habe aufgrund des Zeitablaufs und der neuen
Örtlichkeit nicht damit rechnen müssen, von mindestens fünf Personen - von
denen mutmasslich drei bzw. vier am ersten Vorfall nicht beteiligt gewesen
seien - erwartet und brutal attackiert zu werden. Mithin habe es nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an der Adäquanz
gefehlt.
Auch diese Einwände sind nicht stichhaltig. Im Rahmen der ersten tätlichen
Auseinandersetzung vom 11. Juni 2012 wurde die Gruppe des Beschwerdeführers mit
Steinen beworfen, als sie mit dem Auto wegfuhr. Einer der Gegner rief, er
erwische sie schon noch und bringe sie beide um. In diesem Lichte ist der
Vorinstanz beizupflichten, dass von einer Beilegung des Streits nicht
ausgegangen werden konnte (vgl. nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 132 V 27).
Indem sich der Beschwerdeführer noch am selben Abend nach C.________ begab, um
seinen Sohn an dessen Wohnort aufzusuchen, ging er objektiv betrachtet das
Risiko einer erneuten Begegnung und damit einer weiteren tätlichen
Auseinandersetzung mit Mitgliedern der gegnerischen Gruppe ein, was zur
Reduktion der Geldleistungen genügt (nicht publ. E. 1.1 des Urteils BGE 132 V
27). Plausible Gründe, weshalb er so kurz nach dem ersten Streit erneut zu
seinem Sohn nach C.________ fuhr, wo sich der erste Teil der Auseinandersetzung
zugetragen hatte, legt der Versicherte letztinstanzlich nicht dar.

3.5. Von weiteren Abklärungen sind keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu
erwarten, so dass die Vorinstanz zu Recht davon absah (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236).

4. 
Der vorinstanzliche Entscheid ist zu schützen, ohne dass sich das Bundesgericht
zu allen übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers ausdrücklich äussern müsste
(vgl. Urteil 8C_131/2016 vom 14. Juli 2016 E. 7). Da die Beschwerde
offensichtlich unbegründet ist, wird das Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a
BGG angewendet. Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66
Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm wegen Aussichtslosigkeit
der Beschwerde nicht gewährt werden (Art. 64 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. August 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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