Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.404/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_404/2016

Urteil vom 5. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden, Grabenstrasse 9, 7000 Chur,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 1. März 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1978 geborene A.________ ist Jurist und bezog seit dem 18. April 2012
Arbeitslosenentschädigung. Im Wintersemester 2013/14 begann er ein vollzeitiges
LL.M.-Studium an der Universität B.________. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2013
verneinte die Arbeitslosenkasse Graubünden einen weiteren Anspruch auf
Arbeitslosenentaggelder ab 20. November 2013, da er deren Höchstzahl innerhalb
der Rahmenfrist für den Leistungsbezug erreicht hatte. Am 12. Dezember 2014
beendete A.________ sein Studium. Er meldete sich am 28. Mai 2015 erneut zur
Arbeitsvermittlung an und beantragte Arbeitslosentaggelder. In diesem
Zusammenhang gelangte die Arbeitslosenkasse zur Ansicht, dass sich das Studium
und sein Bezug von Arbeitslosenentschädigung zwischen dem 1. Oktober 2013 und
dem 19. November 2013 überschnitten hatten. Nach Gewährung des rechtlichen
Gehörs verfügte die Arbeitslosenkasse am 21. Juli 2015, dass er während der
Dauer seines Studiums, vom 1. Oktober 2013 bis zum 12. Dezember 2014, mangels
Vermittlungsfähigkeit nicht zum Bezug von Arbeitslosentaggelder berechtigt war.
Daran hielt das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (im Folgenden: KIGA) mit
Einspracheentscheid vom 5. November 2015 fest.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden mit Entscheid vom 1. März 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden und der Einspracheentscheid des KIGA seien aufzuheben und
das KIGA sei zu verpflichten, seine Vermittlungsfähigkeit in der Zeit vom 1.
Oktober 2013 bis zum 19. November 2013 zu bejahen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). Der blosse
Verweis auf Ausführungen in andern Rechtsschriften oder auf die Akten genügt
den Begründungsanforderungen nicht (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116 mit Hinweisen).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer beantragt, es sei seine Vermittlungsfähigkeit zwischen dem
1. Oktober 2013 und dem 19. November 2013 zu bejahen. Nicht mehr zu erörtern
ist die Frage bezüglich seiner Vermittlungsfähigkeit vom 20. November 2013 bis
zum 12. Dezember 2014. Daher kann offen bleiben, weshalb der Leistungsanspruch
des Beschwerdeführers für die Periode vom 20. November 2013 bis zum 17. April
2014 durch die Verwaltung zweimal verneint wurde.
3.
3.1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen nach
Art. 53 Abs. 1 ATSG in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person
oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen
entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich
war.
3.2 Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG hat
der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er (unter anderem)
vermittlungsfähig ist, d.h. wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist,
eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen.
Der Begriff der Vermittlungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung schliesst
graduelle Abstufungen aus. Entweder ist die versicherte Person
vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von
mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV und BGE 120 V 385
E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht (BGE 136 V 95 E. 5.1 S. 97).
3.3 Die Vermittlungsfähigkeit von Studenten setzt nach ständiger Rechtsprechung
voraus, dass sie bereit und in der Lage sind, neben dem Studium dauernd einer
Voll- oder Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Dagegen ist Studenten, die nur
für kürzere Zeitspannen oder sporadisch, namentlich während der Semesterferien,
eine Erwerbstätigkeit auszuüben gewillt sind, die Vermittlungsbereitschaft und
damit die Vermittlungsfähigkeit abzusprechen (Urteil 8C_330/2011 vom 26. Januar
2012 E. 3; Urteil C 116/06 vom 8. August 2006 E. 1; Urteil C 29/99 vom 11. Mai
1999 E. 2b; Urteil C 105/96 vom 23. August 1996 E. 5; BGE 120 V 385 E. 4c/cc S.
391).
3.4 Bei der Anwendung der gesetzlichen und von der Rechtsprechung
konkretisierten Regeln über die Vermittlungsfähigkeit geht es um eine
Rechtsfrage. Zu prüfen ist dabei insbesondere die falsche Rechtsanwendung.
Diese basiert auf einer im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG grundsätzlich
verbindlichen Sachverhaltsfeststellung (E. 1.2 hievor; Urteil 8C_172/2008 vom
5. Juni 2008 E. 3 mit Hinweisen). Feststellungen über innere oder psychische
Tatsachen - wie beispielsweise was jemand wollte, wusste, beabsichtigte, in
Kauf nahm, womit er rechnete, in welcher Absicht und aus welchen Beweggründen
er handelte oder hypothetisch gehandelt hätte - sind Sachverhaltsfeststellungen
(BGE 130 IV 58 E. 8.5 S. 62; nicht publ. E. 3.1 f. des Urteils BGE 133 V 640;
Urteil 8C_250/2013 vom 29. Juli 2013 E. 3.1.2).
4.
4.1 Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, dass der Beschwerdeführer zwischen
dem 1. Oktober 2013 und dem 12. Dezember 2014 nicht vermittlungsfähig gewesen
sei. So führte sie aus, der Beschwerdeführer sei im hier fraglichen Zeitraum
vom 1. Oktober 2013 bis zum 12. Dezember 2014 an der Universität B.________ für
den Studiengang Magister/Aufbaustudium (Rechtswissenschaft) immatrikuliert
gewesen, wobei es sich um ein Vollzeitstudium gehandelt habe. Dementsprechend
sei er dem Arbeitsmarkt während dieser Zeit nicht zur Verfügung gestanden.
Anders zu beurteilen wäre die Situation lediglich bei einem eigentlichen
Werkstudenten. Vorliegend sei diese Voraussetzung offenkundig nicht erfüllt.
Einerseits sei der Beschwerdeführer vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht
voll erwerbstätig gewesen und andererseits handle es sich beim absolvierten
Studiengang um ein Vollzeitstudium, das sich nicht dazu eigne, nebenbei
absolviert zu werden.
4.2 Unbestrittenermassen erhielt die Verwaltung erst im Rahmen der Neuanmeldung
vom 28. Mai 2015 Kenntnis vom Studium des Versicherten. Die Voraussetzungen für
die prozessuale Revision gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG sind somit erfüllt (vgl.
Urteil 8C_434/2011 vom 8. Dezember 2011 E. 3).
4.3 Der Beschwerdeführer beanstandet, das kantonale Gericht habe sein
rechtliches Gehör verletzt. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör verlangt von der Behörde, dass sie die Vorbringen der
Betroffenen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung
angemessen berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit
allen Standpunkten des Beschwerdeführers einlässlich auseinandersetzt und jedes
einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Im angefochtenen Entscheid werden
die entscheidwesentlichen Faktoren hinlänglich festgestellt und gewürdigt, so
dass der Beschwerdeführer sich über dessen Tragweite ein Bild machen und diesen
sachgerecht anfechten konnte (vgl. BGE 142 II 49 E. 9.2 S. 65 mit Hinweisen).
4.4 Der Beschwerdeführer bringt vor, Studium und Arbeit seien vereinbar. So sei
während seines LL.M.-Studiums an der Universität B.________ die physische
Präsenz in den Vorlesungen nicht vorausgesetzt worden und aufgrund der freien
Kurswahl sei er in seiner Zeiteinteilung völlig frei gewesen. Auch hätte er im
Falle eines Stellenangebots eine Verlängerung seines Studiums in Kauf genommen.

Aufgrund der Aktenlage ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, weshalb die
Vorinstanz zum Schluss kommt, der Beschwerdeführer sei vor Eintritt der
Arbeitslosigkeit keiner vollen Erwerbstätigkeit nachgegangen (E. 4.1 hievor).
Eine entsprechende Rüge erhebt der Beschwerdeführer nicht, doch die Frage
müsste ohnehin nicht abschliessend geprüft zu werden. Denn das kantonale
Gericht hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass es sich bei
dem vom Versicherten absolvierten Studiengang um ein Vollzeitstudium handelt,
welches sich nicht dazu eignet, nebenbei absolviert zu werden (E. 4.1 hievor).
Im Falle des Beschwerdeführers könnte die Vermittlungsfähigkeit im Sinne eines
Werkstudenten nur bejaht werden, wenn eindeutig feststünde, dass er bereit und
in der Lage war, sein Studium als berufsbegleitendes Studium zu organisieren
oder in ein Teilzeitstudium umzuwandeln. Dies ist aufgrund objektiver Kriterien
zu prüfen. Die Willensäusserung des Versicherten allein genügt hiezu nicht
(vgl. bezüglich der analogen Fragestellung bei geltend gemachter Bereitschaft,
die Ausbildung abzubrechen: BGE 122 V 265 E. 4 S. 266). Abgesehen von den
Beteuerungen des Beschwerdeführers finden sich in den Akten keine Anhaltspunkte
dafür, dass eine entsprechende Organisation des von ihm absolvierten besonderen
Studienganges möglich gewesen wäre. So fehlt beispielsweise eine diesbezügliche
Bestätigung der zuständigen Universität. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz,
der Beschwerdeführer habe während seines Studiums dem Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung gestanden, ist somit nicht zu beanstanden.
4.5 Der Beschwerdeführer rügt, das kantonale Gericht verkenne, dass ihn sein
LL.M.-Studium auf dem Arbeitsmarkt attraktiver gemacht und ihm neue Türen zur
Arbeitswelt erschlossen habe. Strittig ist vorliegend die
Vermittlungsfähigkeit. Die Auswirkungen, welche der erworbene Titel auf die
spätere Stellensuche hatte, tun in diesem Zusammenhang somit nichts zur Sache.
4.6 Der Beschwerdeführer wendet sinngemäss ein, er habe sich erst am 7. Oktober
2013 an der Universität eingeschrieben und sein Studium habe auch nicht
sogleich begonnen. Folglich habe er vom 1. Oktober 2013 bis zum 19. November
2013 als vermittlungsfähig zu gelten. Das kantonale Gericht verwies
diesbezüglich zu Recht auf die ständige Rechtsprechung, wonach eine versicherte
Person, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und deshalb
für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung
steht, in der Regel als nicht vermittlungsfähig gilt, weil die Aussichten, für
die verbleibende Zeit von einem anderen Arbeitgeber angestellt zu werden,
verhältnismässig gering sind (BGE 126 V 520 E. 3a S. 521 f.; Urteil C 116/06
vom 8. August 2006 E. 2.2). Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der
Beschwerdeführer vorbringt, er habe sich erst am 7. Oktober 2013 für sein
Studium eingeschrieben. Insbesondere kann die Feststellung des kantonalen
Gerichts, er habe bereits ab Semesterbeginn am 1. Oktober 2013 anders
disponiert, nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnet werden.
4.7 Folglich ist nicht zu beanstanden, wenn Vorinstanz und Verwaltung davon
ausgingen, dass der Versicherte ab dem Zeitpunkt des Semesterbeginns am 1.
Oktober 2013 nicht mehr vermittlungsfähig war. Die Beschwerde des Versicherten
ist abzuweisen.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
Kammer 2 als Versicherungsgericht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
(SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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