Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.399/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_399/2016

Urteil vom 24. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; psychischer Gesundheitsschaden),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 26. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1975 geborene A.________ war bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung per 31.
März 2012 als Systembetreuer bei der B.________ AG angestellt. Am 26. Oktober
2012 meldete er sich unter Hinweis auf eine psychosomatische Erkrankung bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Sozialversicherungsanstalt des
Kantons Zürich, IV-Stelle, holte unter anderem die Berichte der behandelnden
Ärzte ein und liess den Versicherten von Dr. med. C.________, Facharzt für
Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, von ihrem regionalärztlichen
Dienst (RAD), untersuchen (Untersuchungsbericht vom 19. September 2014). Mit
Verfügung vom 19. Juni 2015 verneinte die Verwaltung einen Leistungsanspruch,
da kein invalidisierender Gesundheitsschaden vorliege.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 26. April 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm für den
Zeitraum vom 1. März 2013 bis 30. Juni 2014 eine volle (recte wohl "ganze")
Invalidenrente zuzusprechen.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Im angefochtenen Entscheid wurden die massgeblichen rechtlichen Grundlagen
zutreffend dargelegt. Es betrifft dies die Bestimmungen und die von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 und 2
IVG), zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur ärztlichen Aufgabe bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99 f.)
sowie zu den Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte und
Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

2.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die
Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den
beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die
medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die
Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 f.; 140 V
193 E. 3 S. 194 ff.; je mit Hinweisen). Die rechtsanwendenden Behörden haben
mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der
Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere
psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die
vom invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 140 V
193; 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.). Wo psychosoziale Einflüsse das Bild prägen,
ist bei der Annahme einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung geboten
(BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 f.; Urteile 8C_746/2015 vom 3. Februar 2016 E. 2.2
und 9C_146/2015 vom 19. Januar 2016 E. 3.1 mit Hinweisen).

3. 
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie abweichend
von der Beurteilung des psychiatrischen RAD-Arztes feststellte, es liege auch
vorübergehend kein die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigender invalidisierender
Gesundheitsschaden vor. In seinem Untersuchungsbericht vom 19. September 2014
diagnostiziert hatte Dr. med. C.________ eine länger anhaltende depressive
Episode, mittelgradig mit somatischem Syndrom (ICD-10 F 32.11) und eine
Panikstörung (ICD-10 F 41.0). Er kam zur Auffassung, die Arbeitsfähigkeit des
Versicherten sei in seinem angestammten Beruf vollständig und in einer
angepassten Tätigkeit zu 50 % eingeschränkt.

3.1. Das kantonale Gericht erwog, der Bericht vom 19. September 2014 sei
hinsichtlich der Befunderhebung detailliert und für die Beantwortung der sich
stellenden Fragen umfassend. Er erfülle insoweit alle rechtsprechungsgemässen
Kriterien für eine beweistaugliche medizinische Entscheidungsgrundlage. Nicht
gefolgt werden könne der Einschätzung des Dr. med. C.________, wonach in einer
adaptierten Tätigkeit die Arbeitsfähigkeit um 50 % eingeschränkt sei. Gemäss
nachvollziehbarer Darstellung des RAD-Arztes genügten die bislang ergriffenen
therapeutischen Bemühungen nicht. Der einzige stationäre Aufenthalt habe vor
der Anmeldung bei der Invalidenversicherung stattgefunden, wobei dort keine
gezielte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung durchgeführt worden sei.
Die Behandlung bei Dr. med. D.________, Spezialarzt für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, sei nur in einer niedrigen Frequenz erfolgt. Die empfohlene
teilstationäre Behandlung in der psychiatrischen Klinik E.________ sei nur
verspätet aufgenommen worden und habe schliesslich zu einer Verbesserung des
psychischen Befindens des Beschwerdeführers geführt. Die Vorinstanz schloss mit
Blick auf diese Gegebenheiten, es könne nicht von einer konsequenten
Depressionstherapie und der Ausschöpfung der therapeutischen und medikamentösen
Möglichkeiten und damit von der Resistenz des Leidens gesprochen werden. Ebenso
wenig könne angesichts der guten Ressourcen sowie der in eine Festanstellung
mündenden Wiedereingliederungs- und Bewerbungsbemühungen auf eine
invalidisierende Depression geschlossen werden. Schliesslich lägen auch
psychosoziale Faktoren vor, welche als invaliditätsfremd und daher vom
sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt als unbeachtlich zu qualifizieren
seien. All diese Faktoren sprächen für den hier massgebenden Zeitraum gegen
eine therapieresistente invalidisierende psychische Störung.

3.2. Der Beschwerdeführer moniert, aufgrund der Zeugnisse des behandelnden
Psychiaters, Dr. med. D.________, der Berichte der Klinik E.________ und auch
der Einschätzung des RAD-Arztes, Dr. med. C.________, leide er seit Frühling
2011 an einer depressiven Episode mittleren, intermittierend auch schweren
Grades, welche seine Arbeitsfähigkeit bis frühestens März 2014 aufgehoben habe.
Es existiere keine ärztliche Einschätzung, welche eine gegenteilige Beurteilung
zulassen würde. Im angefochtenen Entscheid fehle es an einer Auseinandersetzung
mit den Berichten der behandelnden Ärzte. Diese würden entgegen der
vorinstanzlichen Darstellung eine schwere Störung im depressiven Bereich
ausweisen. Damit sei die Begründungspflicht beziehungsweise sein rechtliches
Gehör verletzt.

4.

4.1. Wie in Erwägung 2.2 ausgeführt, ist die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
nicht einzig Aufgabe der Ärzte. Die medizinische Einschätzung bietet einzig
aber immerhin eine wichtige Grundlage für die juristische Beurteilung, welche
Arbeitsleistung der versicherten Person noch zugemutet werden kann (BGE 141 V
281 E. 5.2.1 S. 306 mit Hinweisen). Die Rechtsanwender prüfen dabei die
medizinischen Angaben frei, insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die
massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben. Das heisst, ob sie
ausschliesslich funktionelle Ausfälle berücksichtigt haben, welche Folgen der
gesundheitlichen Beeinträchtigung sind (Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG), und ob
die versicherungsmedizinische Zumutbarkeitsbeurteilung auf objektivierter
Grundlage erfolgt ist (Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG). Auf diese Weise wird
eine einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gesichert
(BGE a.a.O. E. 5.2.2 S. 307).

4.2. Die leicht bis mittelgradigen depressiven Störungen rezidivierender oder
episodischer Natur fallen einzig dann als invalidisierende Krankheiten in
Betracht, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent sind (Urteil 9C_13/2016
vom 14. April 2016 E. 4.2 mit Hinweisen auf BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 sowie
auf den Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums [OBSAN] Nr. 56,
Depressionen in der Schweizer Bevölkerung, Neuchâtel 2013, S. 27 ff.). Nur in
dieser - seltenen, da nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung Depressionen
im Allgemeinen therapeutisch gut angehbar sind - gesetzlich verlangten
Konstellation ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz
ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE
141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3 S. 295 f.). Ein solcher Sachverhalt muss
überwiegend wahrscheinlich und darf nicht lediglich nicht auszuschliessen sein.
Zudem muss die Therapie in dem Sinn konsequent gewesen sein, als die aus
fachärztlicher Sicht indizierten zumutbaren (ambulanten und stationären)
Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise optimal und nachhaltig
ausgeschöpft worden sind (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197; 137 V 64 E. 5.2 S. 70
mit Hinweis).

5.

5.1. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde hat das kantonale Gericht sich
auch mit den Berichten der behandelnden Ärzte auseinandergesetzt. Es führte
deren Inhalte detailliert auf. Da es von Seiten der Ärzte keine
widersprüchlichen Angaben und Einschätzungen erkannte - solche werden auch vom
Beschwerdeführer nicht behauptet -, mussten die verschiedenen Zeugnisse nicht
gegeneinander abgewogen werden. In seiner juristischen Beurteilung, inwiefern
der rein medizinischen Arbeitsunfähigkeitsschätzung gefolgt werden könne, hat
es sich denn auch weitgehend auf die Schilderungen in den Berichten der
behandelnden Ärzte bezogen. Mithin kann nicht von einer mangelhaften Begründung
oder gar einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gesprochen werden.

5.2. Gemäss Bericht des Dr. med. D.________ vom 12. April 2013, mit Hinweis auf
denjenigen vom 12. November 2012, litt der Beschwerdeführer an einer
depressiven Episode mittleren, intermittierend auch schweren Grades. Wegen
einer Verschlechterung (E-Mail vom 27. Oktober 2013) schlug er eine Behandlung
durch die Klinik E.________ vor, welche denn auch ab 4. November 2013 an die
Hand genommen wurde. Dort wurde eine rezidivierende depressive Störung,
gegenwärtig mittelgradige Episode diagnostiziert (Bericht vom 13. November
2013). Sollte der Beschwerdeführer überhaupt an einer depressiven Episode
schweren Grades gelitten haben, war diese demnach vorübergehender Natur. Eine
andauernde schwere Depression lag jedenfalls nicht vor, weshalb nicht zu
beanstanden ist, dass das kantonale Gericht sich auf die Rechtsprechung gemäss
BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 berufen hat.

5.3.

5.3.1. Der Versicherte hatte sich verschiedentlich teilstationären wie auch
ambulanten Therapien unterzogen und es bestehen keine Hinweise, dass er sich
dabei unkooperativ verhalten hätte. Indes kam Dr. med. C.________ gemäss
Feststellung im angefochtenen Entscheid zum Schluss, die bislang getroffenen
therapeutischen Bemühungen genügten nicht; es habe eine Optimierung derselben
zu erfolgen. Die fachärztliche Therapie durch Dr. med. D.________ weise eine
niedrige Frequenz auf und die Behandlung an der Klinik E.________ sei verspätet
aufgenommen worden. Als diese schliesslich angetreten wurde, habe sie zu einer
Verbesserung des psychischen Befindens geführt. Sowohl Dr. med. F.________,
Oberarzt an der psychiatrischen Klinik E.________, als auch Dr. med. C.________
vom RAD rieten denn auch zu einer Fortsetzung der ambulanten
psychiatrisch-psychotherapeutischen Betreuung.

5.3.2. Bereits aufgrund dieser gutachterlichen Beurteilung kann weder von einer
Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten noch von einer überwiegend
wahrscheinlich erstellten Therapieresistenz gesprochen werden (vgl. das bereits
zitierte Urteil 9C_13/2016 E. 4.2). Zu einer anderen Beurteilung besteht denn
auch kein Anlass. Dies wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Unter
Berücksichtigung aller Umstände, namentlich auch der relativ raschen
gesundheitlichen Verbesserung bei adäquater Therapie, fällt hinsichtlich des
Aspekts der nicht ausgewiesenen Therapieresistenz ein invalidisierendes
psychisches Leiden ausser Betracht. Von Willkür (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18
f.) oder einer anderweitigen Bundesrechtswidrigkeit durch die Vorinstanz kann
keine Rede sein. Damit hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten hat der unterliegende Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. August 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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