Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.37/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_37/2016

Urteil vom 8. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvio Riesen,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 21. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1963 geborene A.________ war zuletzt Hilfsschaler bei der B.________
GmbH. Am 27. Juni 2008 zog er sich bei einem Arbeitsunfall eine Verletzung der
rechten Hand zu; gleichentags wurde er im Spital C.________ operiert. Am 17.
November 2008 meldete er sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum
Leistungsbezug an. Diese sprach ihm mit Verfügung vom 15. März 2011 ab 1. Juni
2009 eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad 100 %) und ab 1. April 2010
eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad 40 %) zu. Seine Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es die
Verfügung bezüglich des Rentenanspruchs ab 1. April 2010 aufhob und die Sache
an die IV-Stelle zurückwies, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der
Erwägungen, über den Leistungsanspruch ab 1. April 2010 neu verfüge (Entscheid
vom 26. Juni 2012).

A.b. Die IV-Stelle holte unter anderem ein Gutachten des Ärztlichen
Begutachtungsinstituts (ABI) GmbH, Basel, vom 6. Februar 2014 ein. Mit
Verfügung vom 19. Juni 2014 verneinte sie den Rentenanspruch ab 1. April 2010,
da der Invaliditätsgrad lediglich 10 % betrage.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 21. Dezember 2015).

C. 
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen
Entscheides seien ihm die gesetzlichen Leistungen nach IVG zu gewähren;
eventuell sei die Sache zur Neuabklärung und anschliessenden
Leistungsneufestlegung an die Vorinstanz zurückzuweisen; subeventuell sei ihm
die Möglichkeit einzuräumen, seine Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle
vom 14. (recte: 15.) März 2011 zurückzuziehen; vor Bundesgericht sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn
die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art.
97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige
Feststellung erheblicher Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes
bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen
an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die gestützt
auf diese Berichte erfolgten Feststellungen über gesundheitsbedingte
Einschränkungen betreffen Tatfragen; Gleiches gilt für die konkrete
Beweiswürdigung (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 135 V 306; SVR 2009 IV Nr. 30
S. 85 E. 3.2 [9C_431/2008]; Urteil 8C_461/2015 vom 2. November 2015 E. 1).

2.

2.1. Strittig und - im Rahmen der dargelegten bundesgerichtlichen Kognition -
zu prüfen ist zur Hauptsache, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Leistungen
der Invalidenversicherung erheben kann, ob ihm insbesondere ab April 2010 eine
Invalidenrente zusteht und ob Verwaltung und Vorinstanz den dafür wesentliche
Sachverhalt ausreichend abgeklärt haben.

2.2. Was die dafür massgeblichen rechtlichen Entscheidungsgrundlagen anbelangt,
kann ohne weiteres auf die zutreffenden Ausführungen in den Erwägungen des hier
angefochtenen Entscheides sowie des vorangegangenen vorinstanzlichen
Entscheides vom 26. Juni 2012 verwiesen werden.

3.
Die Vorinstanz mass dem interdisziplinären (allgemeininternistischen,
psychiatrischen, rheumatologischen und neurologischen) ABI-Gutachten vom 6.
Februar 2014 uneingeschränkten Beweiswert zu. Nach Würdigung der Akten verwarf
sie die dagegen erhobenen Einwände. Unbehelflich sei insbesondere die Berufung
des Versicherten auf den Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med. D.________,
Facharzt FMH für Chirurgie, vom 1. Februar 2010. Denn die ABI-Begutachtung sei
erforderlich gewesen, weil Dr. med. D.________ nicht schlüssig habe aufzeigen
können, weshalb wegen der beim Einsatz der rechten Hand auftretenden Schmerzen
täglich zweistündige Pausen erforderlich sein sollten.

4. Sämtliche Einwände des Beschwerdeführers vermögen an diesem Ergebnis nichts
zu ändern, wie die folgenden Erwägungen zeigen.

4.1. Soweit er auf seine Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde
verweist, ist dies unzulässig (BGE 134 II 244; SVR 2010 UV Nr. 9 S. 35 E. 6
[8C_286/2009]; Urteil 8C_940/2015 vom 19. April 2016 E. 7.3).

4.2. Der Versicherte beruft sich auf den Bericht des Dr. med. D.________ vom 1.
Februar 2010 und macht geltend, gestützt hierauf benötige er bei der
Berufsausübung wegen der Beschwerden an der rechten Hand zwei Stunden Pause pro
Tag. Auf die gegenteilige Auffassung der ABI-Gutachter könne nicht abgestellt
werden, da sie diese Frage nicht geklärt hätten.

4.2.1. Den von den Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG
eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Gutachten
externer Spezialärzte darf das Gericht vollen Beweiswert zuerkennen, solange
nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE
135 V 465 E. 4.4 S. 470).

4.2.2. Die ABI-Gutachter gaben den Bericht des Dr. med. D.________ vom 1.
Februar 2010 zusammenfassend wieder. Der rheumatologische ABI-Teilgutachter
setzte sich damit auseinander. Im Rahmen der interdisziplinären
Gesamtbeurteilung kamen die ABI-Gutachter - entgegen der Auffassung des Dr.
med. D.________ - zum Schluss, dass beim Versicherten in einer
leidensangepassten Arbeit keine gesundheitsbedingte Pausenbedürftigkeit
besteht. Wenn die Vorinstanz hierauf abstellte, ist dies nicht zu beanstanden.
Denn eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig (vgl. E. 1 hievor), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn
sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es
liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung
ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (
BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch bei der konkreten
Beweiswürdigung, bei der dem vorinstanzlichen Gericht ein erheblicher
Ermessensspielraum zusteht (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211, 130 I 258 E. 1.3 S.
261; nicht publ. E. 1.2 f. des Urteils BGE 140 V 405, in SVR 2015 BVG Nr. 12 S.
47; SVR 2014 IV Nr. 37 S. 130 E. 1.2 [8C_7/2014]; Urteil 8C_810/2015 vom 5.
Januar 2016 E. 4.3.2).

4.2.3. Der Versicherte wendet ein, der Arzt des Regionalärztlichen Dienstes
(RAD) der IV-Stelle habe sich am 12. April 2010 dem Bericht des Dr. med.
D.________ vom 1. Februar 2010 vollumfänglich angeschlossen. Hieraus kann er
nichts zu seinen Gunsten ableiten, zumal der RAD-Arzt ihn nicht selber
untersucht hat.

4.2.4. Entgegen dem Versicherten kann nicht gesagt werden, das ABI-Gutachten
vom 6. Februar 2014 beinhalte bloss eine unterschiedliche Beurteilung des im
Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts, die im revisionsrechtlichen
Kontext unbeachtlich wäre (nicht publ. E. 3.2 des Urteils BGE 136 V 216,
veröffentlicht in SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1 E. 3.2 [8C_972/2009]). Denn auch Dr.
med. D.________ ging im Bericht vom 1. Februar 2010 davon aus, dass sich die
Arbeitsfähigkeit des Versicherten seit seiner Untersuchung vom 17. Juni 2009,
bei der er noch eine vollständige Arbeitsunfähigkeit feststellte, verbessert
hat. Indessen ist hinsichtlich des Ausmasses der Verbesserung - wie gesagt -
nicht auf seine Einschätzung, sondern auf diejenige im ABI-Gutachten vom 6.
Februar 2014 abzustellen.

5.

5.1.

5.1.1. In erwerblicher Hinsicht (Art. 16 ATSG; zur diesbezüglichen Kognition
des Bundesgerichts vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399) wendet der Versicherte
ein, die Beurteilung seiner beruflichen Möglichkeiten auf dem ausgeglichen
Arbeitsmarkt sei willkürlich. Für die Bemessung seines Invalideneinkommens
könne nicht einfach auf die üblichen Tabellenlöhne der vom Bundesamt für
Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE)
(Zentralwert Männer aus allen Bereichen) abgestellt werden, wie dies IV-Stelle
und Vorinstanz getan hätten. Für ihn kämen wohl nur noch kleinere Reinigungs-
und Putzarbeiten, die mit nur einer Hand ausgeübt werden könnten, in Frage;
dies gehe aus dem Bericht des Amtes für Wirtschaft und Arbeit vom 14. Juli 2010
über den von ihm absolvierten Strategiekurs "JobBasis" hervor. Alle
produktionsnahen Tätigkeiten fielen weg und auch im Dienstleistungssektor
bestünden für ihn kaum Beschäftigungen.

5.1.2. Entgegen dem Versicherten verbleiben ihm auf dem massgebenden
ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG; BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459) trotz
seiner funktionellen Einschränkung noch zumutbare Einsatzmöglichkeiten. Die
faktische Einhändigkeit oder die Beschränkung der dominanten Hand als
Zudienhand stellen zwar praxisgemäss Tatbestände einer erheblich erschwerten
Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit dar. Doch hat die Rechtsprechung wiederholt
bestätigt, dass auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt genügend realistische
Betätigungsmöglichkeiten für Personen bestehen, die funktionell als Einarmige
zu betrachten sind und überdies nur noch leichte Arbeit verrichten können
(Urteil 8C_819/2010 vom 7. April 2011 E. 6.4.1). Zu denken ist etwa an einfache
Überwachungs-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten sowie an die Bedienung und
Überwachung von (halb-) automatischen Maschinen oder Produktionseinheiten, die
keinen Einsatz von rechtem Arm und rechter Hand voraussetzen (vgl. dazu SVR
2008 IV Nr. 62 S. 203 E. 5.1 [9C_830/2007]; Urteile 8C_350/2013 vom 5. Juli
2013 E. 3.3, 8C_939/2011 vom 13. Februar 2012 E. 4.3, 8C_1050/2009 vom 28.
April 2010 E. 3.4 und 9C_95/2007 vom 29. August 2007 E. 4.3). Es ist daher
nicht zu beanstanden, dass IV-Stelle und Vorinstanz das Invalideneinkommen
ausgehend vom "Total" des LSE-Tabellenlohns für Männer im privaten Sektor im
tiefsten Anforderungsniveau bestimmt haben (vgl. auch Urteil I 685/05 vom 16.
Mai 2006 E. 3.3). Aus dem Urteil U 240/99 vom 7. August 2001 E. 3c/cc und E. 3d
kann der Versicherte unter den gegebenen Umständen nichts zu seinen Gunsten
ableiten.

5.2. Der Versicherte bringt weiter vor, er verfüge über keine Berufsbildung und
nur über begrenzte Deutschkenntnisse und sei kosovarischer Staatsangehöriger,
weshalb für ihn realistischerweise kaum eine Nachfrage auf dem aktuellen
Arbeitsmarkt bestehe. Hierbei verkennt er einerseits, dass auf den sogenannt
ausgeglichenen Arbeitsmarkt abzustellen ist. Anderseits führt er im
Wesentlichen invaliditätsfremde Faktoren auf, die bei der Invaliditätsbemessung
grundsätzlich unbeachtlich sind. Es kann ihnen jedenfalls nicht durch eine
entsprechende Wahl der anwendbaren LSE-Lohntabelle Rechnung getragen werden,
einzig allenfalls durch Gewährung eines sogenannten leidensbedingten Abzugs
(hierzu vgl. BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301 und E. 5 hiernach), wobei auch ein
solcher mit Blick auf die genannten Gründe äusserst fraglich erscheint (vgl.
auch Urteile 8C_717/2014 vom 30. November 2015 E. 5.1, 8C_780/2007 vom 27.
August 2008 E. 6.3.2 und 8C_223/2007 vom 2. November 2007 E. 6.2.2).

6. 
Das von der IV-Stelle veranschlagte Valideneinkommen ist masslich unbestritten.
Gleiches gilt für die Ermittlung des Invalideneinkommens gestützt auf die
massgebende LSE-Tabelle (vgl. E. 4.1.2 f. hievor) und für die vorinstanzliche
Feststellung, dass selbst bei Veranschlagung des (maximalen) Abzugs vom
Tabellenlohn von 25 % der rentenbegründende Invaliditätsgrad von 40 % (Art. 28
Abs. 2 IVG) nicht erreicht wird.

7. 
Da von weiteren Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu
erwarten waren, verzichtete die Vorinstanz zu Recht darauf (antizipierte
Beweiswürdigung; nicht publ. E. 6 des Urteils BGE 141 V 585; BGE 136 I 229 E.
5.3 S. 236). Von einer vorinstanzlichen Verletzung der Begründungspflicht
(hierzu vgl. BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237) kann keine Rede sein.

8. 
Subeventuell beantragt der Beschwerdeführer, es sei ihm die Möglichkeit
einzuräumen, seine Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 15. März
2011 zurückzuziehen.

8.1. Dieser Antrag ist neu, da er im Verfahren vor Bundesgericht erstmals
gestellt wird. Gleichwohl kann ihm Art. 99 Abs. 2 BGG nicht entgegen gehalten
werden. Denn er bewegt sich im Rahmen des Streitgegenstandes, stellt
diesbezüglich keine qualitative Änderung ("aliud") dar und beschlägt zudem die
Rechtsanwendung (vgl. BGE 136 V 362 E. 3.4.2 S. 365; ULRICH MEYER/JOHANNA
DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2011, N. 60 und
62 zu Art. 99; BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2.. Aufl., 2014, N. 30
ff. zu Art. 99).

8.2. Der Versicherte beruft sich auf das Urteil BGE 137 V 314 vom 18. Juli
2011, worin das Bundesgericht im Sinne einer Praxisänderung entschied, dass der
Beschwerde führenden Partei gemäss Art. 61 lit. d ATSG auch dann Gelegenheit
zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist, wenn eine rentenzusprechende (z.B.
Viertelsrente) Verfügung aufgehoben und die Sache zu weiterer Abklärung und
neuer Entscheidung an die IV-Stelle zurückgewiesen werden soll. Die Vorinstanz
hätte diese bereits im Zeitpunkt ihres Rückweisungsentscheides vom 26. Juni
2012 (vgl. Sachverhalt lit. A.a) bestehende Rechtsprechung beachten müssen, was
sie jedoch übersah. Damit leidet der damalige Rückweisungsentscheid, der in
prozessualer Hinsicht als selbständig eröffneter Vor- oder Zwischenentscheid im
Sinne von Art. 93 BGG zu charakterisieren ist (BGE 137 V 314 E. 1 S. 315 mit
Hinweis), an einem Mangel, mit Folgen für den Rentenanspruch des
Beschwerdeführers. Gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG kann ein dergestalt
mängelbehafteter Zwischenentscheid auch noch durch Beschwerde gegen den
Endentscheid angefochten werden, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt
(vgl. auch Art. 46 Abs. 3 VwVG). Dies gilt nach ausdrücklicher gesetzlicher
Anordnung auch dann, wenn von einer Anfechtungsmöglichkeit des
Zwischenentscheides (vgl. Art. 93 Abs. 1 und 2) kein Gebrauch gemacht wurde.
Mit anderen Worten zeitigt eine unterlassene Anfechtung - anders als im Falle
von Art. 92 Abs. 2 BGG (Vor- und Zwischenentscheid über Zuständigkeit und
Ausstand) - keine Verwirkungsfolge (FELIX UHLMANN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2011, N. 11 zu Art. 93; CORBOZ, a.a.O., N. 39
zu Art. 93). Der Beschwerdeführer bewegt sich mit seinem Begehren ohne weiteres
im Rahmen des Gesetzes, und zwar in einer Weise, dass weder auf
Rechtsmissbrauch noch auf ein sonstiges Verhalten wider Treu und Glauben (Art.
5 Abs. 3 BV) zu schliessen ist. Insbesondere soll ihm nicht schaden, wenn er
das Ergebnis der im vorinstanzlichen Entscheid vom 26. Juni 2012 als nötig
erachteten Abklärungen abwarten und sich nicht schon vorher zu einer -
beschwerdeweise erwirkbaren (Urteil 8C_751/2011 vom 2. Februar 2011 E. 3; vgl.
auch Urteil 8C_297/2015 vom 22. Juli 2015) - Rückzugserklärung durchringen
wollte. Ebenso wenig kann ihm entgegen gehalten werden, dass er in der Sache
selbst auf seine Rechtsschutzmöglichkeiten insistierte, indem er das Ergebnis
der neuerlichen Abklärungen beschwerdeweise selbst noch im bundesgerichtlichen
Verfahren beanstandet hat.

8.3. Die nach dem Rückweisungsentscheid ergangenen weiteren Abklärungen und die
gestützt darauf erfolgte neue Beurteilung stellen den Beschwerdeführer im
Vergleich zur ersten Verwaltungsverfügung vom 15. März 2011 schlechter.
Insofern wirkt sich der Mangel des Zwischenentscheids vom 26. Juni 2012 im
Sinne von Art. 93 Abs. 3 BGG auf den hier angefochtenen Endentscheid aus. In
Nachachtung des in BGE 137 V 314 Entschiedenen ist daher der angefochtene
Gerichtsentscheid aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht
zurückzuweisen, damit es ihm gemäss Art. 61 lit. d ATSG Gelegenheit zum Rückzug
der Beschwerde gibt.

9. 
Bei diesem Ausgang obsiegt der Beschwerdeführer teilweise. Es rechtfertigt sich
daher, die Gerichtskosten zu drei Teilen dem Beschwerdeführer und zu einem Teil
der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 68 BGG). Der Anteil des
Beschwerdeführers wird zufolge der ihm zu gewährenden unentgeltlichen
Rechtspflege vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. Er hat dieser
Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG). Im Rahmen seines Obsiegens ist
sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.

Das kantonale Gericht wird dem letztinstanzlichen Verfahrensausgang bei der
Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung seines Verfahrens Rechnung
zu tragen haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 2015
aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne
der Erwägung 8.3 verfahre. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Rechtsanwalt Silvio
Riesen wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers bestellt.

3. 
Von den Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 600.- und
der Beschwerdegegnerin Fr. 200.- auferlegt. Der Anteil des Beschwerdeführers
wird vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 700.- zu entschädigen.

5. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'100.- ausgerichtet.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Juli 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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