Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.377/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_377/2016

Urteil vom 8. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Locher,
Beschwerdeführer,

gegen

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Amthaus 1, 4500 Solothurn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerde gegen die Verfügung des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 25. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 6. August 2015, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 25.
November 2015, stellte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
ihre vorübergehenden Leistungen für einen Unfall vom 31. Juli 2012 per 31.
Oktober 2015 ein und wies den Anspruch des 1967 geborenen A.________ auf eine
Rente der Unfallversicherung ab. Gleichzeitig gewährte sie ihm eine
Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 7,5 %.

B. 
Gegen den Einspracheentscheid liess A.________ beim Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn Beschwerde erheben und beantragen, es seien ihm über den 31.
Oktober 2015 hinaus Leistungen gemäss UVG zu gewähren; eventuell sei die
Angelegenheit zwecks weiterer Abklärung an die Unfallversicherung
zurückzuweisen. Ausserdem ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Versicherungsgericht verfügte am 25. April 2016 unter anderem die Abweisung
des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit des
Versicherten.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung von Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung sei ihm
für das Verfahren vor dem Versicherungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege
zu bewilligen. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht er ebenfalls um
unentgeltliche Rechtspflege.
Das Versicherungsgericht verzichtet mit Hinweis auf seine Begründung in der
angefochtenen Verfügung auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die angefochtene Verfügung vom 25. April 2016, welche die unentgeltliche
Rechtspflege für das beim kantonalen Versicherungsgericht hängige Verfahren
betreffend den Anspruch des Beschwerdeführers auf weitere Leistungen der
Unfallversicherung verweigert, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid
einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) dar, welcher
geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG zu verursachen (Urteil 9C_432/2010 vom 8. Juli 2010 E. 1, in:
SVR 2011 IV Nr. 22 S. 61). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die prozessuale Bedürftigkeit des
Beschwerdeführers zu Recht verneint hat.

2.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat
sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV).
Die unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, auch der bedürftigen Partei den
Zugang zum Gericht und die Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen. Sie soll
sicherstellen, dass jedermann unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen
nicht aussichtslose Streitsachen zur gerichtlichen Entscheidung bringen und
sich überdies im Prozess, sofern es sachlich geboten ist, durch einen Anwalt
vertreten lassen kann (BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2). Für das - in der Regel
kostenlose (Art. 61 lit. a ATSG [SR 830.1]) - sozialversicherungsrechtliche
Beschwerdeverfahren findet der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand in
Art. 61 lit. f ATSG eine gesetzliche Grundlage.

2.2. Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die
Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur
Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225
E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205). Die prozessuale Bedürftigkeit
beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden
im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 120 I 1 E. 2a; Urteil 9C_26/2016
vom 25. Februar 2016 E. 9.1). Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen
Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE
124 I 1 E. 2a S. 2; SVR 2010 IV Nr. 10 S. 31, 9C_13/2009 E. 8.2; 2009 UV Nr. 12
S. 49, 8C_530/2008 E. 4.1, je mit Hinweisen). Soweit das Vermögen einen
angemessenen "Notgroschen" übersteigt, ist der das Gesuch stellenden Person
unbesehen der Art der Vermögensanlage zumutbar, dieses zur Finanzierung des
Prozesses zu verwenden, bevor dafür öffentliche Mittel bereitzustellen sind
(Urteile 8C_273/2015 vom 12. August 2015 E. 6.2 und 5A_103/2014 vom 4. Juni
2014 E. 3.1 mit Hinweisen). Die Höhe des "Notgroschen"-Grenzbetrages kann nicht
generell, sondern nur individuell-konkret festgelegt werden, und zwar
namentlich unter Berücksichtigung von Erwerbsaussichten, Alter,
Gesundheitszustand sowie familiären Verpflichtungen (Urteil 9C_26/2016 vom 25.
Februar 2016 E. 9.1 mit Hinweisen).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat die prozessuale Bedürftigkeit des
Beschwerdeführers - als eine der Voraussetzungen für die Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung - verneint. Es erwog, der Beschwerdeführer
verfüge zwar über kein Einkommen mehr, sodass er auf seine Ersparnisse
zurückgreifen müsse. Diese beliefen sich per 31. Januar 2016 auf den Betrag von
Fr. 30'900.70. Entscheidend sei jedoch, dass er am 20. Januar 2016, und somit
nach Einreichung der Beschwerde vom 11. Januar 2016, für den Betrag von Fr.
16'660.- ein Automobil gekauft habe. Da dieses Fahrzeug mangels
Erwerbstätigkeit nicht für den Arbeitsweg benötigt werde, fehle es ihm am
Kompetenzcharakter. Gemäss der Aktenlage sei der Beschwerdeführer auch nicht
aus gesundheitlichen Gründen zwingend auf ein Auto angewiesen. Das Gericht
rechnete dem Beschwerdeführer daher den auf Fr. 16'000.- geschätzten
realisierbaren Verkaufserlös an. Mit diesem sei es ihm möglich seine
Anwaltskosten zu bezahlen und zusätzlich einen "Notgroschen" zur Seite zu
legen.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz habe weder den
prozessualen Notbedarf ermittelt, noch den Umständen des konkreten Falles
gebührend Rechnung getragen, womit sie Bundesrecht verletzt habe. Da er seit
der Einstellung der Leistungen der SUVA über kein Einkommen mehr verfüge, müsse
er seinen Lebensunterhalt aus dem Vermögen bestreiten. Der Notbedarf betrage
Fr. 3'750.- pro Monat. Aktuell habe er noch Fr. 18'000.- auf dem Bankkonto was
zeige, wie schnell sein Vermögen schmelze. Unter diesen Umständen sei es ihm
nicht zumutbar, die bereits aufgelaufenen und noch zu erwartenden Anwaltskosten
in der Höhe von Fr. 5'000.- bis Fr. 6'000.- aus dem Vermögen zu bestreiten.

4.

4.1. Die Vorinstanz hat zur Höhe des Existenzminimums und der Auslagen des
Beschwerdeführers nicht einlässlich Stellung genommen. Da die Sache
diesbezüglich jedoch spruchreif ist und der Versicherte zu diesen Punkten
Stellung genommen hat, ist von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
zur Neubeurteilung abzusehen, zumal die Beschwerde ans Bundesgericht ein
reformatorisches Rechtsmittel ist (vgl. BGE 8C_257/2010 E. 4.1 mit Hinweisen).

4.2. Der monatliche Grundbetrag (für Nahrung, Kleidung und Wäsche
einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt
der Wohnungseinrichtung, Privatversicherungen, Kulturelles sowie Auslagen für
Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas etc. [vgl. Richtlinie für die Berechnung
des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG vom 13. Oktober
2014 der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons
Solothurn]) beträgt für den alleine lebenden Beschwerdeführer Fr. 1'200.-. Der
prozessuale Bedürftigkeitszuschlag, der gemäss bundesgerichtlicher
Rechtsprechung 25 % des Grundbetrages beträgt (SVR 2010 IV Nr. 10 S. 31 E.
8.3), liegt damit bei Fr. 300.- monatlich. Gemäss der vorinstanzlichen Eingabe
des Beschwerdeführers vom 29. Februar 2016 betragen die monatliche Miete Fr.
1'320.- und die Krankenkassenprämien Fr. 225.70. Da sich ausweislich der Akten
die monatliche Miete - ohne Parkplatz - auf Fr. 1'250.- beziffert, kann nur
dieser Betrag berücksichtigt werden. Daraus resultiert ein anrechenbares
prozessuales Existenzminimum von monatlich Fr. 2'975.70.

4.3. Nach eigenen Angaben erzielt der Beschwerdeführer seit der Einstellung der
Taggeldleistungen durch die SUVA kein Einkommen mehr. Damit ergibt sich ein
monatlicher Bedarf von Fr. 2'975.70. Zu beachten ist indessen, dass der
Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben Ende Januar 2016 noch über ein
Gesamtvermögen von ca. Fr. 48'000.- verfügte. Ein Teil dieses Vermögens bestand
in einem Auto, welches er im Januar 2016 für Fr. 16'600.- erwarb. Demnach hat
er in diesem einzigen Monat erheblich mehr als das prozessuale Existenzminimum
von Fr. 2'975.70 ausgegeben. Der Erlös des Autos im vorinstanzlich
festgestellten Occasionswert von Fr. 16'000.- kann damit die zu erwartenden
Auslagen für die Prozessführung vor dem kantonalen Gericht decken. Der
verbleibende Rest von Fr. 10'000.- bis Fr. 13'000.- stellt - nebst den übrigen
Ersparnissen - eine angemessene Notreserve dar (vgl. E. 2.2 hievor).
Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer nicht bedürftig, weshalb die
angefochtene Verfügung im Ergebnis zu bestätigen ist.

5. 
Nach Art. 64 Abs. 1 BGG wird einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege nur
gewährt, wenn sie bedürftig ist und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint. Prozessbegehren sind als aussichtslos anzusehen, wenn die
Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren, sodass
eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, bei vernünftiger
Überlegung von einem Prozess absehen würde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135, 128
I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). Vorliegend waren die Gewinnaussichten mit
Blick auf die im Verfügungszeitpunkt vorhandenen Vermögenswerte beträchtlich
geringer als die Verlustgefahren. Folglich ist das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung im letztinstanzlichen Verfahren bereits infolge
Aussichtslosigkeit abzuweisen. Dem Beschwerdeführer sind demnach die
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. August 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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