Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.372/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_372/2016

Urteil vom 29. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Verwaltungsverfahren; Rentenrevision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 13. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
Am 4. Oktober 1988 sprach die Ausgleichskasse des Kantons Zürich A.________,
geboren 1964, eine Umschulung zu Lasten der Invalidenversicherung zu. Sie hob
diese Leistungszusprache am 17. Oktober 1988 wieder auf, da A.________ aus der
Schule ausgetreten war. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
sprach ihm ab 1. April 1989 eine Rente bei einer Invalidität von 15 % für die
Folgen seines Unfalls vom 8. Juni 1983 zu. Die neu zuständige Ausgleichskasse
Zürcher Arbeitgeber verfügte am 8. Dezember 1992 und am 1. Juni 1994 die
Übernahme der Kosten der Umschulung zum technischen Kaufmann. Nachdem
A.________ diese Umschulung erfolgreich beendet hatte, ersuchte er um weitere
Massnahmen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
verneinte zuerst einen Rentenanspruch und sprach ihm am 22. September 1999 nach
erhobenen Einwänden gestützt auf das Gutachten des Medizinischen Zentrums
Römerhof (MZR) vom 8. Dezember 1998 ab 1. Januar 1998 eine halbe Invalidenrente
zu. Dies bestätigte sie am 9. November 2001 und am 28. Juli 2005. Die SUVA
hielt am 19. April 2005 an der Höhe der von ihr ausgerichteten Invalidenrente
fest. Die nunmehr zuständige IV-Stelle des Kantons Thurgau bestätigte am 8.
Dezember 2008 den Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.
Am 11. April 2014 leitete sie eine erneute Rentenrevision ein. Nach Vornahme
erwerblicher Abklärungen und Einholung zweier Berichte bei med. pract.
B.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, vom 6. August und 12. September
2014 sowie der SUVA-Akten stellte sie am 26. Juni 2015 die Aufhebung der
Invalidenrente in Aussicht. Rechtsanwalt Györffy nahm am 31. August 2015
Stellung zum Vorbescheid und ersuchte gleichzeitig um eine Fristansetzung bis
30. September 2015 zur Einreichung weiterer Unterlagen. Die IV-Stelle teilte
ihm am 2. September 2015 mit, die Frist im Vorbescheidverfahren könne nicht
verlängert werden und neue medizinische Berichte seien bis zum 11. September
2015 einzureichen. Am 11. September 2015 ersuchte Rechtsanwalt Györffy um
Fristansetzung zur Einreichung neuer medizinischer Unterlagen sowie einer
weiteren Stellungnahme bis 30. September 2015. Am 30. September 2015 beantragte
er eine Fristerstreckung bis 30. Oktober 2015. Mit Verfügung vom 15. Oktober
2015 hob die IV-Stelle die Invalidenrente auf Ende des folgenden Monats auf.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 13. April 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache
an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese unter Wahrung des rechtlichen
Gehörs und des Anspruchs auf ein faires Verfahren neu entscheide. Eventualiter
sei ihm weiterhin eine halbe Invalidenrente auszurichten, subeventualiter sie
die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese nach Durchführung
weiterer Abklärungen neu entscheide.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) verzichtet in seiner Vernehmlassung auf einen
Antrag.

D. 
A.________ lässt in seiner Eingabe vom 17. November 2016 (Postaufgabe: 18.
November 2016) an seinen Begehren festhalten.

Erwägungen:

1. 
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, da die Beschwerde unter Einhaltung
der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von einer
durch die Entscheidung besonders berührten Partei mit einem schutzwürdigen
Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG) eingereicht
wurde und sich das Rechtsmittel gegen einen von einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in
einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) richtet und
keine der in Art. 83 BGG erwähnten Ausnahmen greift.

2. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend
gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Trotzdem obliegt es dem Beschwerdeführer, sich
in seiner Beschwerde sachbezogen mit den Darlegungen im angefochtenen Entscheid
auseinanderzusetzen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht prüft unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht - vorbehältlich
offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten
Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es ist jedenfalls nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen
werden (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; siehe auch BGE 134 III 102 E. 1.1 S.
104).

3. 
Der Versicherte rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör,
weil die IV-Stelle ihm die Frist zur Stellungnahme auf den Vorbescheid nicht
antragsgemäss verlängert habe; eventualiter macht er geltend, er habe weiterhin
Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.

4.

4.1. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits
stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu
gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen
Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in
die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der
Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum
Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu
beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht
somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem
Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 135 I 279 E.
2.3 S. 282; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; 132 V 368 E. 3.1 S. 370 mit Hinweisen).

4.2. Bezüglich des Rechts, sich zum Vorbescheid zu äussern, konstatierte das
Bundesgericht in seinem Urteil 8C_589/2014 vom 16. Juni 2015, für die IV-Stelle
bestehe weder Anlass noch Pflicht, mit dem Erlass der Verfügung bis zum Ende
der Frist von Art. 73ter Abs. 1 IVV zuzuwarten, wenn sich die versicherte
Person in einer ersten Stellungnahme weder eine weitere Eingabe vorbehalte noch
sonst wie zu erkennen gebe, dass ihre Äusserungen nicht abschliessend seien. Im
Urteil 9C_50/2008 vom 8. September 2008 liess das Bundesgericht die Frage, ob
die 30-tägige Frist von Art. 73ter Abs. 1 IVV verlängerbar sei, offen, da der
Anspruch auf rechtliches Gehör vorliegend jedenfalls gewährt sei. Auch im
Urteil 9C_480/2008 vom 27. Januar 2009 liess das Bundesgericht diese Frage
unbeantwortet, weil die Beschwerde bereits aus materiellen Gründen gutzuheissen
war. Es ist angezeigt, diese Frage nunmehr zu beantworten.

4.3.

4.3.1. Auszugehen ist vom konstanten Grundsatz, wonach gesetzliche Fristen
nicht verlängert werden können, behördlich festgesetzte jedoch schon (vgl.
statt vieler Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 2 und 12 zu Art. 40
ATSG mit weiteren Hinweisen). Dies wird denn auch explizit in Art. 40 Abs. 1
und 3 ATSG festgehalten, welche in der Invalidenversicherung anwendbar sind
(Art. 1 Abs. 1 IVG). Solche gesetzlich bestimmte Fristen können sich nicht nur
in Gesetzen, sondern auch in (gesetzeskonformen) Verordnungen finden (Kieser,
a.a.O., N. 3 zu Art. 40 ATSG).

4.3.2. In Art. 73ter Abs. 1 IVV (in Kraft seit 1. Juli 2006), der
Ausführungsnorm zu Art. 57a Abs. 1 IVG, ist eine Frist von 30 Tagen zur
Stellungnahme zum Vorbescheid statuiert. Wird sie als gesetzliche Frist
verstanden, ist sie grundsätzlich nicht verlängerbar (in diesem Sinne auch die
Erläuterungen des BSV zur Änderung der IVV vom 26. April 2006). Dies entspräche
dem Grundanliegen der 6. IV-Revision in verfahrensrechtlicher Hinsicht: Mit der
erneuten Einführung des Vorbescheidverfahrens bezweckte der Gesetzgeber
explizit eine Verfahrensstraffung (vgl. Botschaft vom 4. Mai 2005 betreffend
die Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, Massnahmen zur
Verfahrensstraffung, BBl 2005 3079, 3084 f. Ziff. 1.3.1; AB 2005 N 1368 Voten
Humbel Näf und Triponez; AB 2005 S 1011 Votum Kuprecht).

4.3.3. Ebenfalls gestützt auf die Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates
(BBl 2005 3079, 3084 f. Ziff. 1.3.1 und 3088 Ziff. 2.1) kamen das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheiden vom 21. Mai 2008
und 30. Juni 2014 sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid
vom 6. März 2008 zum Schluss, die Frist von Art. 73ter Abs. 1 IVV könne aus
zureichenden Gründen erstreckt werden; denn mit der Wiedereinführung des
Vorbescheidverfahrens werde die Mitwirkung der versicherten Person im Verfahren
gestärkt, so dass die verweigerte Fristerstreckung bei rechtzeitigem Gesuch
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle. Dies entspricht der Botschaft
des Bundesrates zum neuen Art. 57a IVG, wonach für die Stellungnahme zum
Vorbescheid in der Regel eine Frist von 30 Tagen gesetzt werde, welche aus
zureichenden Gründen erstreckt werden könne (BBl 2005 3079, 3088 Ziff. 2.1).
Weiter hat das BSV - entgegen seinen früheren Ausführungen zum Erlass der
Verordnungsbestimmung - in Rz. 3013.3 seines Kreisschreibens über das Verfahren
in der Invalidenversicherung (KSVI) die Erstreckbarkeit der 30-tägigen Frist
angeführt. In der Praxis wird von den IV-Stellen dies (teilweise) so
gehandhabt. Das mag auch daran liegen, dass Art. 73bis Abs. 1 IVV in der bis
31. Dezember 2002 geltenden Fassung, welcher das Vorbescheidverfahren regelte,
keine entsprechende Frist enthielt; aus diesem Grund kann zur Frage der
Erstreckbarkeit der Frist von Art. 73ter Abs. 1 IVV nicht an die frühere
Rechtsprechung, namentlich nicht an das Urteil I 459/02 vom 29. Oktober 2002,
angeknüpft werden.

4.3.4. Wegen dieser Unsicherheiten über die Natur der Frist von Art. 73ter Abs.
1 IVV sah sich der Bundesrat veranlasst, im Rahmen der 6. IV-Revision/Zweites
Massnahmenpaket einen neuen Art. 57a Abs. 3 IVG vorzusehen, in welchem die
Frist von 30 Tagen zur Stellungnahme zum Vorbescheid statuiert wurde (Botschaft
vom 11. Mai 2011 zur Änderung des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung, [6. IV-Revision, Zweites Massnahmenpaket], BBl 2011
5691, 5797 zu Art. 57a Abs. 1bis und 3 [neu] sowie 5843). Damit brachte er zum
Ausdruck, dass es sich bei der Frist zum Vorbescheid um eine nicht erstreckbare
gesetzliche Frist handelt. Sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat
hiessen den neuen Art. 57a Abs. 3 IVG diskussionslos gut (AB 2011 S 1205; AB
2012 N 2192). Die Revision scheiterte letztlich aus anderen Gründen (vgl. AB
2013 N 1098).

4.3.5. Nach dem Gesagten ist der Wille des Gesetzgebers zwar aus den
Materialien ersichtlich (vgl. v.a. E. 4.3.4), doch ist dieser Wille nicht ins
IVG eingeflossen. Somit beruht die Frist von Art. 73ter Abs. 1 IVV nicht auf
einer formell gesetzlichen Grundlage (vgl. E. 4.3.1). Sie ist demnach als
behördliche Frist zu verstehen, welche aus hinreichenden Gründen erstreckt
werden kann. Soweit der Gesetzgeber sie als gesetzliche Frist verstanden haben
will, hat er in einem erneuten Anlauf den bereits erwähnten Art. 57a Abs. 3 IVG
ins Gesetz aufzunehmen.
Wie der Versicherte zutreffend ausführen lässt, kann seitens der Verwaltung
einer ausufernden Fristerstreckung bzw. einer Fristerstreckung ohne
zureichenden Grund ein Riegel geschoben werden, indem sie prüft, ob für die
Erstreckung ein Grund im Sinne der Rz. 3013.3 KSVI gegeben ist; damit ist dem
Postulat der Verfahrensstraffung und -beschleunigung ausreichend Genüge getan.
Nach Rz. 3013.3 kann eine Fristerstreckung in gut begründeten Fällen gewährt
werden; eine Fristwiederherstellung kann nur in Ausnahmefällen und bei
unverschuldeter Verhinderung sowohl der versicherten Person als auch ihres
Vertreters bewilligt werden (Rz. 3013.4). Somit ist die Frage zu klären, ob im
zu beurteilenden Fall ein hinreichender Grund vorlag, wonach die IV-Stelle
gehalten gewesen wäre, eine (zusätzliche) Fristerstreckung zu gewähren.

4.4.

4.4.1. Die Vorinstanz hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge
verweigerter Fristerstreckung verneint, da der Versicherte sich bereits am 31.
August 2015 eingehend zum Vorbescheid vom 26. Juni 2015 habe vernehmen lassen
können und sein Rechtsvertreter in einer sechsseitigen Eingabe Stellung bezogen
habe; bereits zu jenem Zeitpunkt habe er um eine Fristerstreckung bis 30.
September 2015 zur Einreichung weiterer Unterlagen und einer zusätzlichen
Stellungnahme ersucht, jedoch weder innert der ordentlicherweise bis 11.
September 2015 laufenden Frist noch danach Unterlagen eingereicht, obwohl er
dies hätte tun können. Auch habe er im kantonalen Verfahren keine weiteren
Unterlagen aufgelegt. Soweit überhaupt von einer Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör auszugehen sei, habe das Bundesgericht zudem wiederholt
entschieden (Urteil 9C_1/2013 vom 20. Juni 2013 E. 2.4 mit Verweis auf BGE 132
V 387 E. 5.2 S. 390 sowie Urteil 8C_217/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2, Urteil
8C_365/2011 vom 1. Juli 2011 E. 5.3 und Urteil 8C_120/2011 vom 23. Mai 2011 E.
3), dass mit der Anfechtung der Rentenverfügung beim kantonalen Gericht ein
Mangel als geheilt betrachtet werden könne (E. 2.2 des vorinstanzlichen
Entscheids).

4.4.2. Der Versicherte hat sich - vertreten durch seinen Anwalt - mit Eingabe
vom 31. August 2015 einlässlich und in Kenntnis sämtlicher Akten der IV-Stelle
zur Frage der Rentenaufhebung geäussert. Dem ersten Fristerstreckungsgesuch hat
die IV-Stelle teilweise entsprochen und bis 11. September 2015 Frist
eingeräumt, die angekündigten ärztlichen Berichte einzureichen. In der Folge
legte der Versicherte die angekündigten Arztberichte nicht auf, liess jedoch
weitere Fristerstreckungsgesuche stellen. Am 15. Oktober 2015 erliess die
IV-Stelle die rentenaufhebende Verfügung, ohne dass der Versicherte in dieser
Zeit zusätzliche medizinische Berichte eingereicht hätte. Mit Eingabe vom 15.
Oktober 2015 liess der Versicherte den Bericht des Dr. med. C.________,
Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates,
vom 29. September 2015 auflegen, führte jedoch nicht aus, weshalb es ihm nicht
möglich gewesen sei, diesen früher beizubringen. Im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens vor kantonalem Gericht legte er keine neuen Unterlagen
auf. Es stellt sich die Frage, inwiefern das Beharren auf einer formellen
Fristerstreckung ohne Nutzung der immerhin fünf Wochen dauernden faktischen
Gelegenheit zur Einreichung der angekündigten ärztlichen Berichte, nachdem
bereits die Frist von 30 Tagen nach Art. 73ter Abs. 1 IVV infolge des
Fristenstillstandes tatsächlich 60 Tage betrug, einem schutzwürdigen Interesse
entspricht. Jedenfalls ist unter diesen Umständen für eine weitere
Fristerstreckung kein Grund im Sinne von Rz. 3013.3 ersichtlich, so dass das
Vorgehen der IV-Stelle im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Daran ändert auch
die Berufung auf die durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
garantierten Rechte wie der Anspruch auf ein faires Verfahren oder auf
Waffengleichheit nichts; denn es kann nicht gesagt werden, dass dem
Versicherten in unangemessener Weise der Zugang zu einem Gericht beschnitten
oder ein faires Verfahren verunmöglicht worden wäre.

4.5. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Frist von Art. 73ter Abs. 1
IVV eine behördliche und daher bei Vorliegen von zureichenden Gründen
erstreckbare Frist ist. In casu hat die Vorinstanz aber in zutreffender Weise
die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV
verneint.

5.

5.1. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Revision einer
Invalidenrente (Art. 17 ATSG), einschliesslich der massgebenden zeitlichen
Vergleichspunkte sowie die Anforderungen an einen Revisionsgrund (BGE 134 V 131
E. 3 S. 132; 133 V 108 E. 5.4 S. 114), zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

5.2. Der Versicherte erhebt auch materielle Einwände gegen die Rentenaufhebung.
Diese sind jedoch unbehelflich.

5.2.1. So hat die Vorinstanz zu Recht die Bestätigungen der Invalidenrente in
den Jahren 2001, 2004 und 2008 mangels eingehender ärztlicher und erwerblicher
Abklärungen als nicht massgebliche Vergleichszeitpunkte qualifiziert.
Namentlich stellt der vom Versicherten erwähnte RAD-Bericht vom 11. April 2005
keine medizinische Abklärung dar, welche als Vergleichszeitpunkt im Rahmen
einer Revision dienen könnte; denn dabei handelt es sich lediglich um eine
Stellungnahme des RAD-Arztes zum Hausarztbericht vom 12. Februar 2005 und nicht
um eine ärztliche Untersuchung des Versicherten. Auszugehen ist somit vom
Gesundheitszustand, wie er gestützt auf das MZR-Gutachten vom 8. Dezember 1998
der Rentenzusprechung vom 22. September 1999 zugrunde lag.

5.2.2. Entgegen der Ansicht des Versicherten spielt es keine Rolle für die
Bejahung des Revisionsgrundes, ob die somatischen und psychischen Diagnosen
(un-) verändert sind; massgebend ist vielmehr, dass sich der Gesundheitszustand
insgesamt verbessert hat, was gestützt auf die Berichte des Dr. med.
D.________, Facharzt für Chirurgie, Kreisarzt, SUVA, vom 25. September 2013
sowie des med. pract. B.________ vom 6. August 2014 und vom 12. September 2014
erstellt ist. Daran ändern weder der Bericht des Dr. med. C.________ vom 3.
September 2013, gemäss welchem sich das Beschwerdebild in den letzten Monaten
insgesamt verbessert habe, noch jener vom 29. September 2015, welcher keine
Veränderung des Gesundheitszustandes gegenüber 2013 festhält, etwas. Namentlich
ist die jeweilig attestierte Arbeitsunfähigkeit von 100 % resp. von 75 % nicht
nachvollziehbar begründet und es lassen sich diesen Berichten auch keine
konkreten und differenzierten Einwände gegen die Beurteilung durch Dr. med.
D.________ entnehmen, so dass sie keine Zweifel an der Einschätzung des
Kreisarztes zu wecken vermögen. Somit hat die Vorinstanz zu Recht einen
Revisionsgrund bejaht.

5.2.3. In der Folge haben IV-Stelle und Vorinstanz einen Einkommensvergleich
vorgenommen und einen nicht mehr rentenbegründenden Invaliditätsgrad ermittelt.
Die Einwände des Versicherten gegen die zugrunde gelegten Vergleichseinkommen
beschränken sich auf die Rüge, er könne die im Rahmen seiner Einzelfirma
verfolgte Tätigkeit nicht in einem höheren Pensum ausüben. Dabei lässt er
ausser Acht, dass er über eine Ausbildung als technischer Kaufmann verfügt,
welche er im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht allenfalls auch ausserhalb
seiner eigenen Firma einzusetzen hat, sofern er dadurch ein wesentlich höheres
Einkommen erzielen kann. Angesichts des Alters des Versicherten, seiner
Ausbildung und seiner bisherigen Tätigkeiten ist es ihm durchaus zumutbar,
seine Fähigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzusetzen anstatt in
seiner Einzelfirma. So wie es unzulässig ist, dass ein bäuerlicher Betrieb zu
Lasten der Invalidenversicherung erhalten wird, bloss weil der Betriebsinhaber
seine Arbeitskraft trotz Zumutbarkeit nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
einsetzen will (vgl. etwa Urteil 8C_413/2015 vom 3. November 2015 E. 3 mit
zahlreichen Hinweisen), kann es nicht angehen, dass der Versicherte die
Verwertung seiner Arbeitskraft auf seine Einzelfirma beschränkt.

5.3. Nach dem Gesagten ist die Rentenaufhebung per Ende November 2015 nicht zu
beanstanden.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Dezember 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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