Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.358/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_358/2016

Urteil vom 28. September 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch die
Fortuna Rechtsschutz-Versicherungs-Gesellschaft,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (unfallähnliche Körperschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 2. Mai 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1951 geborene A.________ war bei der Garage B.________ AG tätig und dadurch
bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von
Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 10. September 2014 konsultierte
er wegen Schulterbeschwerden seinen Hausarzt Dr. med. C.________,
Allgemeinmedizin FMH. Dieser überwies ihn am 18. September 2014 zur weiteren
Abklärung in die Chirurgische Klinik des Spitals D.________. Dort liess Dr.
med. E.________, Oberarzt Orthopädie, die MR-Arthrographie des linken
Schultergelenks vom 14. Oktober 2014 anfertigen. Gemäss Bericht des Orthopäden
vom 20. Oktober 2014 lagen unter anderem eine posttraumatische lange
Bizepssehnenluxation und eine Partialläsion mit begleitender Tendinopathie der
kranialen Subscapularissehne und anteriorer Läsion der Supraspinatussehne der
linken Schulter vor. Die Schulterverletzung wurde am 17. November 2014 im
Spital D.________ operativ saniert.
Mit Schadenmeldung UVG vom 7. Oktober 2014 teilte die Arbeitgeberin der SUVA
mit, A.________ habe am 25. August 2014 beim Hochheben des Grosskindes eine
Zerrung in Schulter und Oberarm erlitten. Die SUVA verneinte mit Verfügung vom
3. November 2014 ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit der
Schulterverletzung. Es sei weder ein Unfall nachgewiesen, noch liege eine
unfallähnliche Körperschädigung vor. Die dagegen erhobene Einsprache wies die
SUVA mit Einspracheentscheid vom 12. November 2014 ab.

B. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 2. Mai 2016 gut, hob den
Einspracheentscheid vom 12. November 2014 auf und wies die Sache zu
medizinischen Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die SUVA zurück.

C. 
Die SUVA führt Beschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das kantonale Gericht
und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das
Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen
abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den
genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 133
V 477 E. 4.2 S. 481). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren
Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr
verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich
Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143; 134 II 124 E. 1.3 S. 127).

1.2. Der kantonale Entscheid vom 2. Mai 2016 ist ein Zwischenentscheid, da er
die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheids zur ergänzenden
medizinischen Abklärung im Sinne der Erwägungen und zu erneutem
Verfügungserlass an die SUVA zurückweist. Allerdings ist diese Rückweisung mit
der für den obligatorischen Unfallversicherer verbindlichen Feststellung
verbunden, der Versicherte habe sich die Schulterverletzung am 25. August 2014
beim Hochheben seines Enkelkindes zugezogen. Dieses Ereignis sei grundsätzlich
geeignet, eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit.
f UVV (Sehnenriss) zu verursachen. Diesbezüglich belässt der vorinstanzliche
Entscheid der SUVA keinen Entscheidungsspielraum. Somit ist auf die Beschwerde
einzutreten.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3. 
Prozessthema bildet die Leistungspflicht der SUVA für die Folgen der
Schulterverletzung des Beschwerdegegners. Dabei steht fest, dass der
Versicherte keinen eigentlichen Unfall nach Art. 4 ATSG (in Verbindung mit Art.
6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 7 und 8 UVG) erlitten hat. Streitig und zu prüfen ist
jedoch, ob er sich am 25. August 2014 eine unfallähnliche Körperschädigung im
Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV zugezogen hat.

3.1. Sehnenrisse sind gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV (in Verbindung mit Art. 6
Abs. 2 UVG) auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung Unfällen gleichgestellt,
sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung oder eine Degeneration
zurückzuführen sind.

3.2. Eine Leistungspflicht des Unfallversicherers ist - auch wenn einer der in
Art. 9 Abs. 2 lit. a bis h UVV unter dem Titel "unfallähnliche Schädigungen"
aufgeführten Befunde erhoben wird - nur gegeben, wenn die Verletzung wie in
Art. 4 ATSG vorgesehen auf eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende
Einwirkung eines äusseren Faktors zurückzuführen ist. Bei den unfallähnlichen
Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV entfällt im Vergleich zu den
eigentlichen Unfällen nach Art. 4 ATSG einzig das Tatbestandselement der
Ungewöhnlichkeit des auf den Körper einwirkenden äusseren Faktors (BGE 139 V
327 E. 3.1 S. 328; 123 V 43 E. 2b S. 44 f.). Alle übrigen Begriffsmerkmale
eines Unfalles müssen hingegen auch bei den unfallähnlichen Körperschädigungen
erfüllt sein. Dies gilt namentlich für das Erfordernis des einwirkenden
äusseren Faktors an sich, worunter ein ausserhalb des Körpers liegender,
objektiv feststellbarer, sinnfälliger - eben unfallähnlicher - Einfluss auf den
Körper zu verstehen ist (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 139 V 327 E. 3.3.1 S. 329). Dabei kann die schädigende Einwirkung auch in
einer körpereigenen Bewegung bestehen (BGE 129 V 466 E. 4.1 S. 468 f.).

3.3. Der Begriff der einem Unfall gleichgestellten Körperschädigung bezweckt -
zu Gunsten der Versicherten - die oft schwierige Unterscheidung zwischen
Krankheit und Unfall zu vermeiden. Zudem müssen die UVG-Unfallversicherer
aufgrund der getroffenen Unterscheidung auch ein Risiko abdecken, welches
grundsätzlich von der Krankenversicherung zu tragen wäre. Die in Art. 9 Abs. 2
UVV erwähnten Körperschädigungen werden selbst dann einem Unfall
gleichgestellt, wenn sie ihren Ursprung im Wesentlichen in einer Krankheit oder
einer Degeneration haben, sofern eine äussere Einwirkung zumindest die Symptome
ausgelöst hat, unter welchen die versicherte Person leidet (BGE 139 V 327 E.
3.1 S. 328).

3.4. Wer Leistungen beansprucht, hat die einzelnen Umstände des als Unfall
gemeldeten Ereignisses glaubhaft zu machen. Kommt die versicherte Person dieser
Forderung nicht nach, indem unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche
Angaben gemacht werden, die das Bestehen eines unfallmässigen Schadens als
unglaubwürdig erscheinen lassen, so besteht keine Leistungspflicht des
Unfallversicherers. Insbesondere ist zu verlangen, dass die Schilderungen mit
den vorhandenen Indizien im Wesentlichen übereinstimmen. Im Streitfall obliegt
es dem Gericht zu beurteilen, ob die einzelnen Voraussetzungen des
Unfallbegriffs erfüllt sind. Der Untersuchungsmaxime entsprechend hat es von
Amtes wegen die notwendigen Beweise zu erheben und kann zu diesem Zweck auch
die Parteien heranziehen. Wird aufgrund dieser Massnahmen das Vorliegen eines
Unfallereignisses nicht wenigstens mit Wahrscheinlichkeit erstellt - die blosse
Möglichkeit genügt nicht -, so hat dieses als unbewiesen zu gelten, was sich zu
Lasten der den Anspruch erhebenden Person auswirkt (BGE 116 V 136 E. 4b S. 140
mit Hinweis; Urteil 8C_648/2013 vom 18. Februar 2014 E. 3.1).

3.5. Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das
Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem
Bestehen überzeugt sind. Im Sozialversicherungsrecht gilt, soweit das Gesetz
nicht etwas Abweichendes vorsieht, der Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360). Bei sich widersprechenden
Angaben der versicherten Person über den Unfallhergang ist auf die Beweismaxime
hinzuweisen, wonach die sogenannten spontanen "Aussagen der ersten Stunde" in
der Regel unbefangener und zuverlässiger sind als spätere Darstellungen, die
bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher
oder anderer Art beeinflusst sein können. Wenn die versicherte Person ihre
Darstellung im Laufe der Zeit wechselt, kommt den Angaben, die sie kurz nach
dem Unfall gemacht hat, meistens grösseres Gewicht zu als jenen nach Kenntnis
einer Ablehnungsverfügung des Versicherers (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit
Hinweisen). Der Grundsatz, wonach die ersten Aussagen nach einem schädigenden
Ereignis in der Regel unbefangener und zuverlässiger sind als spätere
Darstellungen, stellt eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu
berücksichtigende Entscheidungshilfe dar. Sie kann nur zur Anwendung gelangen,
wenn von zusätzlichen Abklärungen keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind
(RKUV 2004 Nr. U 524 S. 546 f., U 236/03 E. 3.3.4; Urteile 8C_648/2013 vom 18.
Februar 2014 E. 3.2; 8C_696/2013 vom 14. November 2013 E. 2).

3.6. Ist die Gesundheitsschädigung typische Folge einer äusseren Einwirkung, so
erlaubt dies allenfalls Rückschlüsse auf die Ungewöhnlichkeit zu ziehen. Unter
Umständen kann aufgrund des medizinischen Befundes erstellt sein, dass eine
Schädigung auf eine ungewöhnliche äussere Einwirkung und somit auf ein
Unfallereignis zurückzuführen ist. Der mangelnde Nachweis eines Unfalls lässt
sich zwar nur selten durch medizinische Feststellungen ersetzen. Diese dienen
jedoch mitunter als Indizien im Beweis für oder gegen das Vorliegen eines
Unfalls (BGE 134 V 72 E. 4.3.2.2 S. 81; Urteil 8C_126/2009 vom 10. Juni 2009 E.
4.1.2 und E. 4.2).

4.

4.1. Das kantonale Gericht schloss nach Würdigung der Aktenlage darauf, dass
sich der Versicherte am 25. August 2014 beim Hochheben des Enkelkindes die
linke Schulter verletzt hat. Es hielt es für nachvollziehbar, dass dieser
anlässlich der Besprechung mit dem Aussendienstmitarbeiter der SUVA vom 17.
September 2014 die Vermutung äusserte, seine Schulterbeschwerden könnten durch
eine Überlastung durch den Gehstockgebrauch aufgrund der Achillessehnenruptur
verursacht worden sein. Jene Besprechung habe den der SUVA gemeldeten
Schadenfall einer Fussverletzung vom 25. Mai 2013 und deren Heilungsverlauf zum
Gegenstand gehabt. Die Schulterverletzung sei vom Versicherten in diesem
Zusammenhang nur deswegen erwähnt worden, weil sie aus seiner Sicht die
vorgesehene Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als nicht realistisch
erscheinen liess. Die anstehende Rückkehr an den Arbeitsplatz habe den
Versicherten laut Bericht des Psychiatriezentrums F.________ vom 6. Oktober
2014 psychisch stark belastet. Das kantonale Gericht hielt es daher nicht für
abwegig, dass der Beschwerdegegner anlässlich des Besuchs des
SUVA-Aussendienstmitarbeiters eine möglicherweise falsche Schadensursache
benannte. Am 6. Oktober 2014 hat der Versicherte laut Vorinstanz der
zuständigen SUVA-Mitarbeiterin telefonisch mitgeteilt, am 25. August 2014 sei
sein dreijähriger Enkelsohn auf ihn zugerannt. Er habe diesen mit Schwung
angehoben und herumgeschwungen. Die Arbeitgeberin habe der SUVA mit
Schadenmeldung vom 7. Oktober 2014 eine Zerrung von Schulter und Oberarm im
Zusammenhang mit dem Hochheben des Grosskindes als neues Ereignis angezeigt.
Diesen Vorfall habe der Versicherte auch gegenüber dem im September 2014 wegen
der Schulterproblematik konsultierten Hausarzt geschildert. Die Tochter des
Beschwerdegegners habe zudem den Hergang am 29. Oktober 2014 gegenüber der SUVA
schriftlich bestätigt.

4.2. Die SUVA rügt eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung und bestreitet die
Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung. Unter Berufung auf die
Beweismaxime der "Aussage der ersten Stunde" macht sie geltend, aufgrund der
initialen Angaben des Beschwerdegegners gegenüber dem Aussendienstmitarbeiter
der SUVA und dem Krankenversicherer, wonach er vermutlich aufgrund der
Verwendung von Gehstöcken einen Schulterschaden erlitten habe, sei davon
auszugehen, dass sich kein sinnfälliges Ereignis zugetragen habe, das als
Ursache für die Schulterproblematik in Frage kommen könnte. Ein besonderes
Vorkommnis habe er damals auch auf ausdrückliche Nachfrage hin nicht zu
bezeichnen vermocht. Die Korrektur der ursprünglichen Angaben sei erst erfolgt,
nachdem die SUVA mündlich mitgeteilt habe, dass sie für den Schulterschaden
nicht leistungspflichtig sei.

4.3. Die von der Beschwerdeführerin erwähnte Beweismaxime kommt insbesondere
dann zum Zuge, wenn die erste Schilderung des Geschehensablaufs mit späteren
Darstellungen in wesentlichen Punkten nicht oder nicht mehr übereinstimmt. Sie
beruht auf der Erfahrung, dass die ersten spontanen Angaben einer versicherten
Person in der Regel unbefangener und zuverlässiger sind als die nachträglich im
Wissen um die rechtlichen Konsequenzen gemachten Depositionen.
Die Leistungsablehnung der SUVA vom 17. September 2014 bezog sich auf den
allfälligen Zusammenhang zwischen der Stockbenützung wegen der Fussverletzung
und den Schulterbeschwerden. Sie berührte somit einen früheren Unfall, welcher
nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Wenn der Versicherte im
Zeitpunkt der Befragung zum früheren Unfallereignis zunächst vermutete, die
Schulterbeschwerden seien allenfalls darauf zurückzuführen, dass er über ein
halbes Jahr lang an Stöcken ging, ist dies nachvollziehbar. Ein anderer Schluss
lässt sich auch nicht aufgrund der identischen Meldung bei der Swica
(vorleistungspflichtiger Krankentaggeldversicherer) ziehen. Es ist mit der
Vorinstanz glaubhaft, dass sich der Versicherte in der Folge fragte, ob nicht
der Vorfall mit dem Enkelkind für die Schulterverletzung verantwortlich gewesen
sein könnte. Am 6. Oktober 2014 teilte er der zuständigen SUVA-Mitarbeiterin
telefonisch mit, er habe am 25. August 2014 seine Enkelkinder gehütet. Dabei
sei sein dreijähriger Enkelsohn auf ihn zugerannt. Er habe ihn mit Schwung
angehoben und herumgeschwungen. Dem Beschwerdegegner vorzuwerfen, er habe nicht
schon im Rahmen des Gesprächs mit dem Aussendienstmitarbeiter vom 17. September
2014 auf dieses Ereignis hingewiesen, ist nicht gerechtfertigt. Gegenüber der
zuständigen SUVA-Mitarbeiterin legte dieser am 29. Oktober 2014 in
nachvollziehbarer Weise dar, dass er zu jenem Zeitpunkt gar nicht an den
Vorfall vom 25. August 2014 gedacht habe. Zudem schilderte er den Hergang
nochmals gleich wie am 6. Oktober 2014. Seine Tochter legte am 29. Oktober 2014
schriftlich einen damit inhaltlich übereinstimmenden Vorgang dar. D ie
Schilderungen des Versicherten und seiner Tochter zum Vorfall sind plausibel
und schlüssig. Mit dem Hinweis im Überweisungsschreiben vom 18. September 2014
und im Arztzeugnis vom 21. Oktober 2014, wonach sich der kleine Enkel dem
Patienten rennend in den Arm geworfen habe, hat Dr. med. C.________ das
sinnfällige Ereignis nicht grundsätzlich anders, sondern allenfalls weniger
präzis wiedergegeben. Ein entscheidender Widerspruch kann darin nicht erblickt
werden. Zwar hat der Beschwerdegegner wegen der Schulterbeschwerden erst am 10.
September 2014 seinen Hausarzt aufgesucht. Da er wegen der Fussbeschwerden
regelmässig Schmerzmittel einnahm, verspürte er an der Schulter offenbar
unmittelbar keinen abnormen Schmerz. Insgesamt erscheinen die Angaben des
Versicherten zum Ereignis vom 25. August 2014 mit der Vorinstanz kohärent und
glaubhaft.

5.

5.1. Das kantonale Gericht prüfte im Weitern, ob das Auffangen und
anschliessende Hochheben des auf den Versicherten zurennenden Enkelkindes einen
unfallähnlichen Vorfall darstellt. Es bejahte dies mit der Begründung, dieser
Vorgang stelle keine blosse Lebensverrichtung dar. Vielmehr sei damit eine
darüber hinausgehende Dynamik mit einem gesteigerten Kraftaufwand
einhergegangen.

5.2. Die SUVA bestreitet unter Hinweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung, dass im Hochheben des dreijährigen Enkels ein unfallähnliches
Ereignis erblickt werden kann. Beim gesamten Bewegungsablauf habe sich nichts
Programmwidriges ereignet. Sie vergleicht den zu beurteilenden Sachverhalt
unter anderem mit dem Anheben und anschliessenden Abdrehen einer ca. 20 kg
schweren Waage durch einen Mann, dem Heben eines bepackten ca. 20 kg schweren
Koffers durch eine Frau, dem Ausziehen eines 25 bis 30 kg schweren Rucksackes,
dem Anheben einer 15 kg schweren Bücherkiste mit Schwung und dem Werfen eines
15 bis 20 kg schweren Sackes. In diesen bundesgerichtlich beurteilten Fällen
wurde die Mitbeteiligung eines schädigenden äusseren Faktors verneint (vgl.
auch die Übersicht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung von KILIAN RITLER,
Die unfallähnliche Körperschädigung [UKS], in: Unfall ? Novembertagung 2015 zum
Sozialversicherungsrecht, 2016, S. 115 ff.).

5.3. Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist indessen nicht geeignet, die
Betrachtungsweise der Vorinstanz zu entkräften. Eine äussere Einwirkung mit
erheblichem Schädigungspotenzial ist als gegeben anzunehmen, wenn die zum
einschiessenden Schmerz führende Tätigkeit im Rahmen einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wurde oder die in Frage stehende
Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen und psychologisch
beherrschten Beanspruchung des Körpers, insbesondere seiner Gliedmassen,
gleichkommt (BGE 129 V 466 E. 4.2.2 S. 470; vgl. auch HANS-JAKOB MOSIMANN,
Ungewöhnlichkeit des Ereignisses als Unfallmerkmal, in: Unfall ? Novembertagung
2015 zum Sozialversicherungsrecht, S. 49 ff.). Dies ist insbesondere der Fall,
wenn ein besonderer Umstand dazu führt, dass ein alltägliches Geschehen
unkontrollierbar wird. Anders als beispielsweise beim Aufstehen mit einem
Kleinkind auf dem Arm (vgl. Urteil 8C_772/2009 vom 7. Mai 2010) handelt es sich
beim Auffangen und Hochheben eines heranrennenden dreijährigen Knaben um einen
Vorgang, der durchaus die Gefahr einer fehlerhaften Steuerung in sich birgt und
den Körper, namentlich Arme und Oberkörper, mehr als normal beansprucht. Da mit
dem Kind eine zusätzliche physikalische Kraft und damit ein in den
Bewegungsablauf hineinspielendes äusseres Moment auf den Körper eingewirkt hat,
ist die zu beurteilende Konstellation nicht vergleichbar mit den von der
Beschwerdeführerin angeführten Fällen, denen ein besonderes
Schädigungspotenzial abgesprochen wurde. Vielmehr ist mit der Vorinstanz davon
auszugehen, dass dem Vorfall mit dem Enkelkind ein gewisses gesteigertes
Gefährdungspotenzial nicht aberkannt werden kann. Aufgrund des Hergangs liegt
demnach das für die Annahme einer unfallähnlichen Körperschädigung verlangte
sinnfällige äussere Ereignis vor.

6.

6.1. Das kantonale Gericht hat sich überdies mit der Frage befasst, ob sich der
Beschwerdegegner beim Ereignis vom 25. August 2014 einen Sehnenriss im Sinne
von Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV zugezogen hat. Dabei hat es erwogen, der
SUVA-Kreisarzt Dr. med. G.________ sei am 24. Oktober 2014 aufgrund des
MRI-Befundes des Schultergelenks vom 14. Oktober 2014 von einer solchen
Verletzung ausgegangen. Dagegen entspreche laut Kreisarzt die von Dr. med.
E.________ im Bericht vom 20. Oktober 2014 angeführte Diagnose einer
Bizepssehnenluxation keiner unfallähnlichen Körperschädigung. Der behandelnde
Orthopäde habe sich jedoch eine Neubeurteilung der Situation im Rahmen der
arthroskopischen Revision vorbehalten. Im Operationsbericht vom 26. November
2014 habe dieser festgehalten, die luxierte Bizepssehne mit der arthroskopisch
frischen Subscapularissehne spreche für ein traumatisches Ereignis der Läsion.
Ob mit der intraoperativen Erkenntnis des Dr. med. E.________ eine
Listenverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV nachgewiesen wurde,
lässt sich laut Vorinstanz nicht ohne ergänzende spezialärztliche Beurteilung
entscheiden. Sie hat die Sache daher zur Veranlassung der entsprechenden
Abklärungen an die SUVA zurückgewiesen.

6.2. Dagegen bringt die SUVA keine begründeten Einwendungen vor. Es ist Aufgabe
des Arztes zu beurteilen, ob eine Listenverletzung vorliegt. Da die derzeitige
medizinische Aktenlage mit dem kantonalen Gericht keine abschliessende
Beurteilung zulässt, ist die Rückweisung der Sache an die SUVA zur ergänzenden
Abklärung und neuem Entscheid nicht zu beanstanden.

7. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4
lit. a BGG) von der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat dem Beschwerdegegner überdies eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. September 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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