Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.354/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_354/2016

Urteil vom 25. Oktober 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Glarus,
Burgstrasse 6, 8750 Glarus,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus
vom 13. April 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1958, meldete sich am 8. Mai 2007 unter Hinweis auf eine
Fibromyalgie bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
Glarus holte Berichte der behandelnden Ärzte sowie ein psychiatrisches
Gutachten des Dr. med. B.________ vom 24. Februar 2008 ein. Mit Verfügung vom
18. September 2008 lehnte sie einen Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung ab.

Am 21. Februar 2014 stellte A.________ ein neues Gesuch. Gestützt auf die
Gutachten der Frau Dr. med. C.________, Innere Medizin FMH, sowie des Dr. med.
D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Klinik E.________, vom 31.
Oktober 2014 und vom 13. November 2014 mit interdisziplinärer Beurteilung
lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren am 25. September 2015 wiederum ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus
mit Entscheid vom 13. April 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und verzichtet auf
einen Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.

3. 
Die Beschwerdeführerin reicht letztinstanzlich (nachträglich) ein neues
Beweismittel ein. Dieses bleibt als echtes Novum im Verfahren vor dem
Bundesgericht unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 343
f.; Urteil 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 4.2.2).

4. 
Nach umfassender Beweiswürdigung hat die Vorinstanz festgestellt, es sei auf
die Gutachten der Dres. med. C.________ und D.________ abzustellen. Danach sei
die Funktion der Hals- und Lendenwirbelsäule bei der Versicherten eingeschränkt
und die Belastbarkeit deshalb vermindert, an der Halswirbelsäule leide sie
intermittierend unter Beschwerden. In der angestammten Tätigkeit als
Reinigungskraft oder in einer anderen leidensangepassten leichten bis knapp
mittelschweren Tätigkeit sei sie voll arbeitsfähig.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerin rügt, dass Frau Dr. med. C.________ pro Jahr
mehrere hundert Gutachten für die IV-Stellen verfasse. Die IV-Stelle Glarus
habe im Verlauf der letzten Jahre exklusiv die besagte Gutachterin mit mono-
und bidisziplinären Aufträgen bedacht.

5.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schafft das Auftrags- und
Honorarvolumen für sich allein keine wirtschaftliche Abhängigkeit einzelner
Experten von den IV-Stellen, die als Ausstandsgrund zu qualifizieren wäre (BGE
137 V 210 E. 1.3.3 S. 226 f.; SVR 2015 IV Nr. 34 S. 108, 8C_467/2014 E. 4;
Urteile 9C_793/2015 vom 19. August 2016 E. 4.2; 8C_740/2015 vom 11. Februar
2016 E. 4.2; 8C_624/2015 vom 25. Januar 2016 E. 3.2.1). Um die Akzeptanz der
von der IV-Stelle eingeholten Gutachten zu erhöhen, ist eine ausgewogene
Verteilung der Aufträge und die Transparenz über die Auftragsvergabe erwünscht
und entsprechende Bestrebungen sind bei verschiedenen Seiten auch bereits im
Gange. Ein Ausstandsgrund ist jedoch nicht gegeben und es besteht keine
Veranlassung, das Gutachten der Frau Dr. med. C.________ aus dem Recht zu
weisen (vgl. das ebenfalls Frau Dr. med. C.________ betreffende Urteil 9C_793/
2015 vom 19. August 2016 E. 4.2). Die Beschwerdeführerin verlangt gestützt auf
ihren Anspruch auf rechtliches Gehör Auskunft zu den an Frau Dr. med.
C.________ erteilten Aufträgen. Eine nähere Begründung der gerügten
Gehörsverletzung fehlt und ist angesichts der dargelegten Rechtsprechung nicht
ersichtlich. Auf weitere Erhebungen zum Umfang der Gutachtertätigkeit ist zu
verzichten (SVR 2015 IV Nr. 34 S. 108, 8C_467/2014 E. 5; SVR 2008 IV Nr. 22 S.
69, 9C_67/2007 E. 2.4 i.f.; Urteil I 885/06 vom 20. Juni 2007 E. 5.2.1).

5.3. Selbst ein Anstellungsverhältnis eines Arztes zum Versicherungsträger
liesse alleine nicht auf mangelnde Objektivität und Befangenheit schliessen.
Auch den Berichten versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen hat die
Rechtsprechung stets Beweiswert zuerkannt, sofern keine auch nur geringen
Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit bestehen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V
465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f). Wenn Frau Dr. med.
C.________, wie sinngemäss geltend gemacht wird, ihr Einkommen weitgehend durch
Gutachtensaufträge der Invalidenversicherung erzielen sollte und insoweit eine
wirtschaftliche Abhängigkeit bestünde (vgl. SVR 2008 IV Nr. 22 S. 69, 9C_67/
2007 E. 2.4), so mag dies allenfalls beweismässig im Sinne der dargelegten
Rechtsprechung zu berücksichtigen sein. Die Beschwerdeführerin macht geltend,
dass die Gutachterin "in allen Fällen nach demselben Muster" vorgehe. In allen
Gutachten, die der Rechtsvertreter gesehen habe, sei eine hundertprozentige
Arbeitsfähigkeit attestiert worden. Es wird jedoch letztinstanzlich nichts
Konkretes vorgebracht, was Zweifel an den Ausführungen der Frau Dr. med.
C.________ zu den gesundheitlichen Einschränkungen der Versicherten und deren
Arbeitsfähigkeit zu begründen vermöchte. Der Vorinstanz lagen keine neueren,
von der Stellungnahme der Frau Dr. med. C.________ abweichenden ärztlichen
Berichte vor, und es wurde auch nicht geltend gemacht, dass die Versicherte die
ihr bescheinigte Arbeitsfähigkeit nicht habe umsetzen können, sondern
Arbeitsversuche gescheitert seien (vgl. zu dem für die richterliche
Überprüfungsbefugnis massgeblichen Zeitpunkt des Einspracheentscheides BGE 129
V 167 E. 1 S. 169). Es sind damit auch keine geringen Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Einschätzung der Frau Dr. med. C.________ ausgewiesen,
sodass auch unter diesem Aspekt kein Grund besteht, auf das Gutachten nicht
abzustellen.

5.4. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass die Gutachterin
befreundet sei mit dem für den Kanton Glarus zuständigen RAD-Arzt Dr. med.
F.________ und dass sie mit ihm zusammen Abklärungsstellen betreibe. Anhand der
eingereichten Korrespondenz ihres Rechtsvertreters mit der IV-Stelle ist weder
eine dadurch begründete wirtschaftliche Abhängigkeit der Gutachterin belegt
noch wird nachvollziehbar ausgeführt, dass aus einem freundschaftlichen
Verhältnis mit dem RAD-Arzt eine Interessenkollision entstanden sei, welche bei
objektiver Betrachtung geeignet wäre, die Gutachterin bei ihrer Einschätzung zu
beeinflussen (BGE 138 I 1 E. 2.2 bis 2.4 S. 3 ff.). Es wird insgesamt nicht
näher dargelegt, inwieweit die Gutachterin objektiv das Misstrauen in ihre
Unparteilichkeit erwecken würde und deshalb in den Ausstand hätte treten müssen
(BGE 140 III 221 E. 4.1 S. 221 f.; 132 V 93 E. 7.1 S. 109 f.; SVR 2015 IV Nr.
23 S. 69, 8C_531/2014 E. 6.1.1; SVR 2010 IV Nr. 41 S. 128, 8C_474/2009 E. 7.1
und 7.2).

5.5. Es wird schliesslich auch bemängelt, dass angesichts des Auftragsvolumens
ernsthafte Zweifel an der Seriosität der Gutachtenstätigkeit angebracht seien.
Was in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, vermag eine offensichtliche
Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen zur Zuverlässigkeit des
Gutachtens nicht zu begründen (BGE 132 V 93 E. 6.5 S. 108 f.; 137 V 210 E.
1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Insbesondere
habe die Gutachterin eingehend dargestellt, dass und weshalb bei den erhobenen
Befunden eine Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit nicht
ausgewiesen sei. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das
beschwerdeweise geltend gemachte Arbeitsvolumen über das eines angestellten
Arztes hinausginge (vgl. oben E. 5.3).

6. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Invaliditätsbemessung nach der
gemischten Methode hätte erfolgen sollen und die Einschränkung im Haushalt
hätte abgeklärt werden müssen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen ist
angesichts der vollen Arbeitsfähigkeit in einer leichten bis knapp
mittelschweren Tätigkeit auch nicht von einer Einschränkung im Haushalt
auszugehen und durfte die IV-Stelle deshalb auf die Einholung eines
Haushaltsberichts verzichten. Es wird beschwerdeweise nicht dargelegt,
inwiefern diese Ausführungen des kantonalen Gerichts offensichtlich unrichtig
wären und weshalb die Anwendung der gemischten Methode zu einem anderen, für
die Versicherte günstigen Ergebnis führen würde (Urteil 8C_912/2015 vom 18.
April 2016 E. 4.3).

7. 
Bei voller Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in der angestammten
Tätigkeit hat die Vorinstanz auf eine Invaliditätsbemessung im Einzelnen
verzichtet und insbesondere auch nicht geprüft, ob ein leidensbedingter Abzug
vom Tabellenlohn angezeigt gewesen wäre (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V
75 E. 5 S. 78 ff.). Auch die höchstzulässige Reduktion hätte nicht zu einem
rentenbegründenden Invaliditätsgrad geführt.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Verwertung ihrer
Restarbeitsfähigkeit auf dem konkreten Arbeitsmarkt im Glarnerland illusorisch
sei, da sie bereits 57 Jahre alt sei und lediglich die Primarschule in Italien,
aber keine Berufsausbildung absolviert habe. Sie war jedoch über Jahre hinweg
bei der G.________ AG, zuletzt als Konfektionsmitarbeiterin, und bei der
H.________ AG als Unterhaltsreinigerin angestellt. Es ist ihr auch weiterhin
die Ausübung der angestammten Tätigkeit (oder einer anderen leidensangepassten
Tätigkeit) zuzumuten. Allein das fortgeschrittene Alter von 56 Jahren zum
Zeitpunkt der Begutachtung (BGE 138 V 457 E. 3.3 S. 462) vermag die Verwertung
der Restarbeitsfähigkeit nicht als unzumutbar erscheinen lassen.
Rechtsprechungsgemäss ist die Zumutbarkeit im Einzelfall zu prüfen (BGE 138 V
457 E. 3.1 S. 460; Urteil 9C_1033/2012 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 140 I 50,
aber in: SVR 2014 BVG Nr. 15 S. 49; Urteile 8C_345/2013 vom 10. September 2013
E. 4.2 und 4.3; 8C_482/2010 vom 27. September 2010 E. 4.2 und 4.3 sowie 9C_427/
2010 vom 14. Juli 2010 E. 2.4 bis 2.6 mit Hinweisen). Aus den beschwerdeweise
angeführten bundesgerichtlichen Urteilen lässt sich nichts zu ihren Gunsten
ableiten, handelte es sich in diesen Fällen doch durchwegs um ältere
Versicherte und waren, anders als bei der Beschwerdeführerin, noch weitere
Umstände zu berücksichtigen, die eine Verwertung der Restarbeitsfähigkeit
beeinträchtigen können.

Dem Einwand, dass die Beschwerdeführerin aus den von ihr angeführten Gründen
einen Erwerbsausfall von mindestens 50 Prozent erleide, kann deshalb nicht
gefolgt werden. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und ist
daher abzuweisen.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Oktober 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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