Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.349/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_349/2016

Urteil vom 15. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
Lloyd's Underwriters London, UVG Schadenbüro, Postfach 337, 1754 Avry-Centre
FR,
vertreten durch Maître Damien-R. Bossy,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Advokat Sebastian Laubscher,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Gutachtenskosten, Parteientschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 4.
Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (Jg. 1960) erlitt am 2. Juli 1991 anlässlich eines Verkehrsunfalles
ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Lloyd's Underwriters London sprach ihm - als
Unfallversicherer für die langfristigen Leistungen (vgl. Art. 70 Abs. 2 UVG) -
mit Verfügung vom 3. Mai 2007 eine ganze Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % und eine Entschädigung für eine 80%ige
Integritätseinbusse zu.
Mit einer weiteren Verfügung vom 4. August 2008 lehnte die Lloyd's gestützt auf
ein Aktengutachten des Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 30. April 2008 die Gewährung einer
Hilflosenentschädigung ab. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 9.
Juni 2009. In Gutheissung einer dagegen erhobenen Beschwerde wies das
Kantonsgericht Basel-Landschaft die Sache mit Entscheid vom 12. Februar 2010
unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides zur weiteren Abklärung und
anschliessendem Erlass einer neuen Verfügung an den Unfallversicherer zurück.
Nachdem die Lloyd's eine weitere psychiatrische Expertise des Dr. med.
B.________ vom 14. Oktober 2010 eingeholt hatte, lehnte sie die Zusprache einer
Hilflosenentschädigung mit Verfügung vom 10. November 2010 und
Einspracheentscheid vom 15. März 2011 erneut ab.

B. 
Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Kantonsgericht nunmehr gestützt auf
ein von ihm in der Klinik C.________ veranlasstes polydisziplinäres
Gerichtsgutachten vom 23. Juni 2015 mit Entscheid vom 4. Februar 2016 ab
(Dispositiv-Ziffer 1). Gleichzeitig auferlegte es der Lloyd's die Kosten für
die gerichtlich angeordnete Begutachtung in Höhe von Fr. 45'772.60
(Dispositiv-Ziffer 3) und verpflichtete diese überdies zur Bezahlung einer
Parteientschädigung von Fr. 9'937.10 (Dispositiv-Ziffer 4).

C. 
Mit Beschwerde ans Bundesgericht beantragt die Lloyd's die Aufhebung der
Dispositiv-Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Entscheides. Zudem ersucht sie
darum, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während das kantonale
Gericht von einer Stellungnahme zur Sache absieht. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Weil
die Beschwerdeführerin den kantonalen Entscheid, in welchem es zur Hauptsache
um die Zusprechung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen der
Unfallversicherung geht, nur bezüglich der Tragung von Gutachtenskosten sowie
der Parteientschädigung - und damit nur in Nebenpunkten - angefochten hat,
spielt die kognitionsrechtliche Ausnahmeregelung in Art. 105 Abs. 3 BGG hier
keine Rolle. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteil 8C_650/2014 vom 12. Dezember 2014 E.
1).

1.2. Im Übrigen wendet das Gericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs.
1 BGG), prüft indessen - unter Beachtung der Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - nur die geltend gemachten
Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.

2.1. Art. 43 Abs. 1 ATSG schreibt vor, dass der Versicherungsträger die
notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vornimmt. Lagert er diese Aufgabe -
zulässigerweise - an externe Abklärungsstellen aus, so hat er sicherzustellen,
dass er von den beauftragten Stellen alle entscheiderheblichen Angaben in der
erforderlichen Qualität erhält (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.2 S. 244 f.). Laut Art.
45 Abs. 1 ATSG übernimmt der Versicherungsträger die Kosten der Abklärung,
soweit er die Massnahmen angeordnet hat (Satz 1). Hat er keine Massnahmen
angeordnet, übernimmt er deren Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die
Beurteilung des Anspruches unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich
zugesprochener Leistungen bilden (Satz 2).

2.2. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht in BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S.
265 f. erkannt, dass in Fällen, in welchen zur Durchführung einer vom Gericht
als notwendig erachteten Beweismassnahme an sich eine Rückweisung in Frage
käme, eine solche indessen mit Blick auf die Verfahrensfairness entfällt, die
nach tarifvertraglicher Regelung berechneten Kosten einer MEDAS-Begutachtung
dem Versicherungsträger auferlegt werden können. Die Vergütung der Kosten von
MEDAS-Abklärungen als Gerichtsgutachten durch den Versicherungsträger sei mit
Art. 45 Abs. 1 ATSG durchaus vereinbar. In dem in BGE 139 V 496 publizierten
Urteil 9C_801/2012 vom 28. Oktober 2013 hat sich das Bundesgericht zu dieser
nach Gesetz und Rechtsprechung geltenden Regelung dahingehend präzisierend
geäussert (a.a.O. E. 4.3 f. S. 501 f.), dass sie nicht zu einer systematischen
Belastung der Versicherer mit Gutachtenskosten führen darf. Die Kosten mono-
und bidisziplinärer gerichtlicher Gutachten dürfen einer Versicherung vielmehr
nur unter der Voraussetzung überbunden werden, dass deren Abklärungen
lückenhaft oder ungenügend waren und ein gerichtliches Gutachten die erkannten
Mängel beheben kann. Zwischen Mängeln der Administrativuntersuchung und der
Notwendigkeit weiterer Abklärungen muss demnach ein kausaler Zusammenhang
bestehen. Ein solcher ist etwa gegeben, wenn ein offensichtlicher Widerspruch
zwischen verschiedenen medizinischen Standpunkten stehen bleibt und nicht durch
objektiv begründete Erklärungen aufgelöst wird, wenn eine oder mehrere Fragen
unbeantwortet bleiben, obschon sie für die Würdigung der medizinischen
Situation notwendig sind, oder wenn ein Gutachten entscheidende
Berücksichtigung findet, welches die Anforderungen der Rechtsprechung an den
Beweiswert medizinischer Beurteilungsgrundlagen offensichtlich nicht erfüllt.

3.

3.1. Der Beschwerde führende Unfallversicherer macht in seiner Rechtsschrift im
Wesentlichen geltend, schon das erste Gutachten des Dr. med. B.________ vom 30.
April 2008 hätte den nach der Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen für
eine abschliessende Beurteilung des Leistungsanspruches des Versicherten
genügt, weshalb es der mit vorinstanzlichem Entscheid vom 12. Februar 2009
angeordneten Rückweisung gar nicht bedurft hätte. Umso mehr treffe dies auf die
Expertise desselben Spezialisten vom 14. Oktober 2010 zu. Weil das vom
kantonalen Gericht veranlasste Gerichtsgutachten der Klinik C.________ vom 23.
Juni 2015 damit für die Entscheidfindung gar nicht unerlässlich gewesen sei,
rechtfertige es sich nicht, ihm dessen Kosten zu überbinden.

3.2. Das kantonale Gericht hat bereits in seinem Rückweisungsentscheid vom 12.
Februar 2010 das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 30. April 2008 als
ausschlaggebendes Beweismittel für den Entscheid über die vom Beschwerdeführer
geltend gemachte Hilflosenentschädigung abgelehnt. Mehrere der erkannten Mängel
hat es dabei - zumindest exemplarisch - im Einzelnen ausdrücklich aufgeführt.
Den so hinsichtlich der Rechtsgenüglichkeit der sachverhaltlichen Erhebungen
des Unfallversicherers zum Ausdruck gebrachten vorinstanzlichen Bedenken hat
Dr. med. B.________ in seinem von der Beschwerdeführerin nach erfolgter
Rückweisung zur weiteren Abklärung veranlassten zweiten Gutachten vom 14.
Oktober 2010 zwar weitestgehend Rechnung getragen. Insofern sind die
beanstandeten Aspekte bereinigt worden. Dass das kantonale Gericht auch die
damit geschaffene ergänzte Aktenlage für eine abschliessende Beurteilung der
streitigen Hilflosenentschädigung nicht genügen lassen wollte, ist laut
angefochtenem kantonalen Entscheid vom 4. Februar 2016 zur Hauptsache darauf
zurückzuführen, dass die Beschwerdeführerin mit der erforderlichen Begutachtung
erneut Dr. med. B.________ betraut hat, obschon - wie im angefochtenen
Entscheid mit Recht festgehalten wird - von der erheblichen Kritik an dessen
früherer Expertise vom 30. April 2008 zumindest indirekt auch deren Verfasser,
namentlich dessen Unabhängigkeit resp. dessen Unbefangenheit, angesprochen war.
Tatsächlich kann der Vorinstanz darin beigepflichtet werden, dass es unter
diesen Umständen als "unverständlich" erscheint, für die erneute Begutachtung
wiederum Dr. med. B.________ vorzusehen. Inwiefern es auf offensichtlich
unrichtigen Feststellungen tatsächlicher Art beruhen oder gar
bundesrechtswidrig sein sollte, unter diesen Umständen ein Gerichtsgutachten zu
veranlassen, um den rechtserheblichen Sachverhalt genauer zu klären, ist
jedenfalls nicht ersichtlich. Weil als Auslöser des vorinstanzlichen Vorgehens
einzig das vorangegangene Verhalten der Beschwerdeführerin zu sehen ist, kann
nicht gesagt werden, es verstosse gegen Bundesrecht, ihr die damit verursachten
Kosten zu überbinden. Deren Höhe ist im Übrigen nicht gerügt worden, weshalb
sich das Bundesgericht damit nicht auseinanderzusetzen hat (E. 1.2 hievor).

4. 
Was die der Beschwerdeführerin auferlegte Pflicht zur Ausrichtung einer
Parteientschädigung anbelangt, ist mit der Vorinstanz zunächst darauf
hinzuweisen, dass dem Versicherten als im kantonalen Verfahren unterliegender
Partei rein aufgrund des vorinstanzlichen Prozessausganges nach dem Wortlaut
von Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG keine zu Lasten der Beschwerdeführerin gehende
Entschädigung zustehen würde. Wie im angefochtenen Entscheid jedoch dargelegt
wird, hätte das kantonale Gericht anlässlich der durchgeführten
Parteiverhandlung vom 6. September 2012 statt der Anordnung eines
Gerichtsgutachtens in der Klinik C.________ auch eine Rückweisung der Sache an
die Beschwerdeführerin beschliessen können, damit diese die noch erforderlichen
Vorkehren zur Vervollständigung ihrer unzureichenden Sachverhaltserhebungen
treffe. Diesfalls wäre der heutige Beschwerdegegner rechtsprechungsgemäss als
obsiegende Partei zu betrachten gewesen und er hätte eine Parteientschädigung
beanspruchen können - dies, obschon sein Anspruch auf die geltend gemachte
Hilflosenentschädigung allein mit einem Rückweisungsentscheid materiell noch
nicht geklärt gewesen wäre (BGE 137 V 57 E. 2.1 S. 61 f., 132 V 215 E. 6.2 S.
235, je mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerdeführerin hatte mit ihren nach
Ansicht der Vorinstanz nicht rechtsgenüglichen Abklärungen begründeten Anlass
zur Beschwerdeerhebung gegen den Einspracheentscheid vom 15. März 2011 gegeben,
was nach dem von der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass unnötige Kosten
zu bezahlen hat, wer sie verursacht (BGE 125 V 373 E. 2b S. 375), einen
Anspruch des Versicherten auf eine Parteientschädigung zur Folge hat. In
betraglicher Hinsicht wurde diese in der Beschwerdeschrift nicht thematisiert,
weshalb insoweit keine bundesgerichtliche Überprüfung erfolgt (E. 1.2 hievor).

5.

5.1. Mit heutigem Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Beschwerdewirkung
gegenstandslos.

5.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten von der
Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG),
welche dem Beschwerdegegner überdies für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung zu entrichten hat (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'200.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 15. Juli 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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