Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.345/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_345/2016   {T 0/2}     

Urteil vom 1. September 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Imobersteg,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Arbeitsunfähigkeit; Neuanmeldung; Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 4. April 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1963 geborene A.________ verletzte sich am 24. September 1987 bei
einem Sturz an der linken Hand. Am 25. Januar 1988 wurde er wegen einer
schweren Handgelenksinstabilität links operiert. Mit Verfügungen vom 4.
September 1992 sprach ihm die IV-Stelle Bern ab 1. September 1988 eine ganze
Invalidenrente (Invaliditätsgrad 75 %), ab 1. Mai 1989 eine halbe
Invalidenrente (Invaliditätsgrad 50 %) und ab 1. Dezember 1990 eine
Viertelsrente (Invaliditätsgrad 40 %) zu. Letztgenannten Rentenanspruch
bestätigte sie mit Verfügung vom 14. März 1994. Mit unangefochten in
Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 6. Oktober 1995 hob sie die
Invalidenrente nach Zustellung der Verfügung auf Ende des folgenden Monats auf,
da der Invaliditätsgrad nur noch 30 % betrug.

A.b. Am 20. Mai 2011 und 10. Juni 2011 unterzog sich der Versicherte Eingriffen
am Herzen. Am 12. Oktober 2011 meldete er sich bei der IV-Stelle erneut zum
Leistungsbezug an. Am 4. April 2012 gewährte ihm diese Beratung und
Unterstützung beim Erhalt seines bisherigen Arbeitsplatzes bei der B.________
AG. Am 6. Juli 2012 und am 12. März 2013 wurde der Versicherte am Rücken
operiert. Die IV-Stelle holte diverse Arztberichte und ein Gutachten der PMEDA
Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen, Klinik C.________, vom 5. Februar
2014 mit Ergänzungen vom 31. März 2015 und 15. Juni 2015 ein. Gestützt darauf
verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch, da der Invaliditätsgrad lediglich
24 % betrage (Verfügung vom 25. September 2015).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 4. April 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen
Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm eine Invalidenrente in noch
zu bestimmendem Ausmass, allenfalls unter Rückweisung der Akten zwecks Vornahme
weiterer Abklärungen, zu gewähren.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2
BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen
sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die aufgrund dieser
Berichte gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und
die konkrete Beweiswürdigung sind Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S.
397; nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009
IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]).

2. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7
Abs. 1 ATSG), der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), der Invaliditätsbemessung
nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und des
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) richtig dargelegt. Gleiches gilt
betreffend die bei der Neuanmeldung analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17
Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132, 117 V 198 E. 3a) und den Beweiswert von
Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf
wird verwiesen.

3.

3.1. Streitig ist, ob Vorinstanz und Verwaltung das Neuanmeldungsgesuch des
Versicherten zu Recht abgewiesen haben. Zu prüfen ist dabei, ob es in der Zeit
zwischen der rentenaufhebenden Verfügung vom 6. Oktober 1995 und der
angefochtenen Verfügung vom 25. September 2015 zu einer rentenbegründenden
Änderung des Sachverhalts gekommen ist.

3.2. Die Vorinstanz erwog in Würdigung der medizinischen Aktenlage, das
PMEDA-Gutachten vom 5. Februar 2014 samt ergänzenden Stellungnahmen vom 31.
März 2015 und 15. Juni 2015 erfülle die praxisgemäss gestellten Anforderungen
an eine medizinische Beurteilungsgrundlage, weshalb darauf abzustellen sei.
Gestützt hierauf sei der Versicherte in der angestammten Tätigkeit zu 50 %
arbeitsunfähig. In einer angepassten Tätigkeit mit körperlich leichter,
wechselbelastender oder überwiegend sitzender Arbeit ohne hohen repetitiven
Einsatz des dominanten rechten Armes sei von einer uneingeschränkten
Arbeitsfähigkeit auszugehen.

4.

4.1. Der Versicherte wendet im Wesentlichen ein, im PMEDA-Gutachten sei nicht
berücksichtigt worden, dass er beim Gebrauch beider Hände massiv eingeschränkt
sei. Indem die Vorinstanz auf diese Expertise abgestellt habe, habe sie den
Untersuchungsgrundsatz verletzt.

4.2. Wenn das kantonale Gericht auf das PMEDA-Gutachten vom      5. Februar
2014 samt ergänzenden Stellungnahmen vom 31. März 2015 und 15. Juni 2015
abstellte, liegt darin weder eine offensichtlich unrichtige noch eine auf einer
Rechtsverletzung beruhende Tatsachenfeststellung. Insbesondere ist kein
Verstoss gegen den Untersuchungsgrundsatz oder andere bundesrechtliche
Beweisgrundsätze ersichtlich.
Denn der neurologische PMEDA-Gutachter Dr. med. D.________ berücksichtigte im
Gutachten vom 5. Februar 2014 die vom Versicherten geklagten Beschwerden an
beiden Händen. Gleiches tat die neurochirurgische PMEDA-Gutachterin Frau Dr.
med. E.________ bezüglich seiner Störungen an der linken Hand. In der
Stellungnahme vom 31. März 2015 bestätigten die PMEDA-Gutachter im Lichte der
ihnen nachgereichten medizinischen Unterlagen - unter anderem des die linke
Hand betreffenden Gutachtens des Spitals F.________ vom         11. September
1990 - ihre Einschätzung, dass der Versicherte in leidensangepassten
Tätigkeiten zu 100 % arbeitsfähig sei. Hieran hielten sie am 15. Juni 2015
fest.

4.3. Der Versicherte beruft sich auf den Bericht der Dr. med. G.________,
Fachärztin FMH für Angiologie und Allgemeine Innere Medizin, vom 23. Mai 2014,
worin seine Beschwerden an der rechten Hand festgehalten wurden. Auf diesen
Bericht kann indessen nicht abgestellt werden, da er keine Angaben zum Grad der
Arbeits (un) fähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit enthält (BGE 136 V
279 E. 3.2.1 S. 281; SVR 2014 IV Nr. 37 S. 130 E. 4.1.2 [8C_7/2014]; Urteil
8C_590/2015 vom 24. November 2015 E. 4.2.3).
Dem Hinweis des Beschwerdeführers auf den massiv eingeschränkten Gebrauch
beider Hände steht die Feststellung des Dr. med. D.________ im Gutachten vom 5.
Februar 2014 über deren seitengleiche kräftige Beschwielung, die für eine
anhaltende rege körperliche Aktivität spreche, entgegen (vgl. auch Urteile
8C_814/2013 vom 30. April 2014 E. 3.2 und I 408/89 vom 30. August 1990 E. 3d/
bb).

4.4. Insgesamt ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz auf das
PMEDA-Gutachten vom 5. Februar 2014 samt Ergänzungen vom 31. März 2015 und 15.
Juni 2015 abstellte. Denn eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann
offensichtlich unrichtig (vgl. E. 1 hievor), wenn sich Zweifel anmelden,
sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42
E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil
eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die
plausiblere erschiene (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch
bei der konkreten Beweiswürdigung, bei der dem vorinstanzlichen Gericht ein
erheblicher Ermessensspielraum zusteht (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211, 130 I
258 E. 1.3 S. 261; nicht publ. E. 1.2 f. des Urteils BGE 140 V 405, in SVR 2015
BVG Nr. 12 S. 47; SVR 2014 IV Nr. 37 S. 130 E. 1.2 [8C_7/2014]; Urteil 8C_810/
2015 vom 5. Januar 2016 E. 4.3.2). Da von weiteren medizinischen Abklärungen
keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, verzichtete die
Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3
S. 236).

5. 
Der Versicherte bringt vor, es sei unrealistisch, in einem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt einen Arbeitgeber zu finden, der ihn im Rahmen des
Zumutbarkeitsprofils zu 100 % anstellen und entlöhnen würde.
Der relevante ausgeglichene Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG; BGE 138 V 457 E. 3.1 S.
459 f.) beinhaltet durchaus Stellen, die für den Beschwerdeführer aufgrund des
Zumutbarkeitsprofils (E. 3.2 hievor) in Frage kommen. Als Beispiele für ihm
zumutbare Tätigkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt können einfache
Überwachungs-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten, die Bedienung und Überwachung von
(halb-) automatischen Maschinen oder Produktionseinheiten sowie die Arbeit als
Museumswärter oder Parkplatzwächter genannt werden. Soweit der Versicherte mit
seinem Hinweis auf den Grundsatz "Eingliederung vor Rente" seine
Selbsteingliederungsfähigkeit in Frage zu stellen scheint, ist dies nicht
stichhaltig. Denn es ist ihm möglich, das ihm verbliebene Leistungsvermögen auf
dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt, der auch sogenannte Nischenarbeitsplätze
umfasst, bei welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen von Seiten
des Arbeitgebers rechnen können, zu verwerten (Urteile 8C_37/2016 vom 8. Juli
2016 E. 5.1.2, 8C_906/2015 vom 12. Mai 2016 E. 4.3 und 8C_695/2015 vom 19.
November 2015 E. 4.2).

6. 
Der Einkommensvergleich der Vorinstanz ergab einen rentenausschliessenden
Invaliditätsgrad von 31 %. Zur Bestimmung des Invalideneinkommens nahm sie
einen 15%igen Abzug vom gestützt auf die Schweizerische Lohnstrukturerhebung
(LSE) ermittelten Tabellenlohn vor (siehe BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Auch
hier ist weder eine offensichtlich unrichtige Tatsachenfeststellung noch eine
Bundesrechtsverletzung noch eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung
ersichtlich (zur Kognition bei Ermessensfragen vgl. BGE 132 V 393   E. 3.3 S.
399). Soweit der Versicherte zusätzlich einen "Teilzeitabzug" verlangt, ist
dies schon deshalb nicht stichhaltig, da er leidensangepasst zu 100 %
arbeitsfähig ist (E. 3.2 hievor).

7. 
Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. September 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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