Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.344/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_344/2016

Urteil vom 23. Februar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Frésard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 31. März 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1972 geborene A._________ war seit 1. April 2008 zu 100 % als
Gruppenleiterin Verkauf für die Stiftung B._________ (nachfolgend: Stiftung),
tätig. Am 7. Juni 2012 meldete sie sich unter Hinweis auf eine Depression mit
Panik- und Angststörungen sowie ein Long-QT-Syndrom (Herzerkrankung; LQTS) bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons
Zürich nahm diverse Abklärungen vor und holte unter anderem das Gutachten der
Medizinischen Abklärungsstelle Ostschweiz, St. Gallen (nachfolgend: MEDAS), vom
4. November 2014 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie
mit Verfügung vom 20. Februar 2015 einen Leistungsanspruch mit der Begründung,
die angestammte Tätigkeit könne mit einer zumutbaren Willensanstrengung ohne
Einschränkungen ausgeübt werden, weshalb ein invalidisierender
Gesundheitsschaden nicht ausgewiesen sei.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 31. März 2016).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A._________ das
Rechtsbegehren stellen, in Aufhebung von vorinstanzlichem Entscheid vom 31.
März 2016 und Verfügung der IV-Stelle vom 20. Februar 2015 sei ihr ab 1. Januar
2013 eine Invalidenrente zuzusprechen. Der Eingabe liegt eine Bestätigung von
Dr. med. C._________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom
11. Mai 2016 bei.
Die IV-Stelle schliesst - ohne weitere Ausführungen - auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Als "offensichtlich
unrichtig" gelten die vorinstanzlichen Feststellungen, wenn sie willkürlich
erhoben worden sind (Art. 9 BV; BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; allgemein zur
Willkür in der Rechtsanwendung BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 138 I 49 E. 7.1
S. 51; 138 III 378 E. 6.1 S. 379 f.; insbesondere zu jener in der
Beweiswürdigung BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 135 III 127 E. 1.5 S. 129 f.;
Urteil 2C_1143/2013 vom 28. Juli 2014 E. 1.3.4). Das Bundesgericht wendet das
Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in
der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je
mit Hinweisen).

2.

2.1. Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie
der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c
ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt ist von Amtes wegen unter Mitwirkung
der Versicherten resp. der Parteien zu ermitteln. In diesem Sinne
rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über
den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist (FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 43 und 273; Urteil 8C_441/2012
vom 25. Juli 2013 E. 6.1.1, in: SVR 2013 IV Nr. 44 S. 134). Der Verzicht auf
weitere Abklärungen oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache zu diesem
Zweck (antizipierte Beweiswürdigung) verletzt etwa dann Bundesrecht (Art. 95
lit. a BGG), wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche
enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich
Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf
unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteile 8C_760/2015 vom 18.
März 2016 E. 3.1; 9C_578/2015 vom 13. Januar 2016 E. 1.3).

2.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage
dar. Dagegen sind die vollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen
sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Anforderungen an den
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen (BGE 134 V 231 E. 5.1
S. 232; Urteil 8C_449/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 3).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz mit der Bestätigung der Verfügung
der IV-Stelle vom 20. Februar 2015, in welcher ein rentenrelevanter
Gesundheitsschaden verneint wird, Bundesrecht verletzt hat.

3.1. Die hierfür massgebenden Rechtsgrundlagen sind im angefochtenen Entscheid
zutreffend dargelegt worden. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen zum
Begriff der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 4 Abs. 1
IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG), zur Ermittlung des
Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art.
16 ATSG) sowie zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG).
Darauf wird verwiesen.

3.2. Das Bundesgericht hat mit BGE 141 V 281 (vom 3. Juni 2015) seine
Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen anhaltende somatoforme
Schmerzstörungen und vergleichbare psychosomatische Leiden eine
rentenbegründende Invalidität zu bewirken vermögen, grundlegend überdacht und
teilweise geändert. Weiterhin kann eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit
nur anspruchserheblich sein, wenn sie Folge einer fachärztlich einwandfrei
diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (BGE 130 V 396). Der
Rentenanspruch wird - in Nachachtung der verfassungs- und gesetzmässigen
Vorgaben von Art. 8 und 29 BV (Rechtsgleichheit) und Art. 7 Abs. 2 ATSG
(objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung) - anhand eines normativen Prüfrasters
beurteilt (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353 und 139 V 547 E. 5.9 S. 558 f.),
und es braucht medizinische Evidenz, dass die Erwerbsunfähigkeit aus objektiver
Sicht eingeschränkt ist. Indessen hält das Bundesgericht an der
Überwindbarkeitsvermutung nicht länger fest (BGE 141 V 281 E. 3.5 S. 294).
Anstelle des bisherigen Regel/Ausnahme-Modells tritt ein strukturierter,
normativer Prüfraster. In dessen Rahmen wird im Regelfall anhand von auf den
funktionellen Schweregrad bezogenen Standardindikatoren das tatsächlich
erreichbare Leistungsvermögen ergebnisoffen und symmetrisch beurteilt, indem
gleichermassen den äusseren Belastungsfaktoren wie den vorhandenen Ressourcen
Rechnung getragen wird (Urteil 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E. 2.2 mit
Hinweisen).

Intertemporalrechtlich gilt es sodann zu beachten, dass gemäss altem
Verfahrensstandard eingeholte Gutachten ihren Beweiswert nicht per se
verlieren. Mit Blick auf die nunmehr materiell-beweisrechtlich geänderten
Anforderungen bei der Einschätzung des funktionellen Leistungsvermögens ist
jedoch in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen
und/oder gerichtlichen Sachverständigengutachten, gegebenenfalls im Kontext mit
weiteren fachärztlichen Berichten, eine schlüssige Beurteilung im Lichte der
massgeblichen Indikatoren erlauben oder nicht (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309).
Rechtsprechungsänderungen, so auch jene von BGE 141 V 281 sind grundsätzlich
auf alle im Zeitpunkt der Praxisänderung noch nicht erledigten Fälle anzuwenden
(Urteil 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E. 4 mit Hinweis).

4. 
Im nach altem Verfahrensstand eingeholten MEDAS-Gutachten vom 4. November 2014
werden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung (ICD-10 Ziff. F45.4), eine mittelgradige depressive Episode
(ICD-10 Ziff. F32.1), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 Ziff.
F43.1) und eine Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 Ziff. F40.1) bei LQTS mit
reaktiver Angstsymptomatik diagnostiziert. Das mittel- und langfristige
Leistungsspektrum sei eingeschränkt. Dies begründe sich durch die objektiv
feststellbaren Angst- und Panikattacken, die depressive Entwicklung mit den
damit verbundenen Einschränkungen in Konzentration sowie Aufmerksamkeit und
limitierter Fähigkeit, die Verantwortung für Behinderte (im Betrieb der
Stiftung als letzter Arbeitgeberin) wahrzunehmen. Die Versicherte sei deshalb
aus psychiatrischer Sicht in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als
Gruppenleiterin im Verkauf zu 100 % arbeitsunfähig. Auch in angepasster
Tätigkeit sei die Arbeitsfähigkeit infolge der mittelgradigen depressiven
Episode (und der Einschränkung in der Betreuung behinderter Menschen) zu 50 %
reduziert. Wegen der posttraumatischen Belastungsstörung und der Agoraphobie
mit Panikstörung bestehe zudem eine qualitative Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit, indem die Versicherte den Arbeitsweg nicht allein bewältigen
und nicht allein arbeiten könne. Aus kardiologischer Sicht seien Autofahren und
Tätigkeiten, die mit Sturzgefahr verbunden seien, ungeeignet.

4.1. Die IV-Stelle geht in der Verfügung vom 20. Februar 2015 davon aus, dass
die vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen überwindbar seien, weshalb die
angestammte Tätigkeit mit einer zumutbaren Willensanstrengung ohne
Einschränkungen ausgeübt werden könne.
Das kantonale Gericht vertritt ebenfalls die Ansicht, es bestehe keine
invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.
Auf das MEDAS-Gutachten könne nicht abgestellt werden. Hinsichtlich der
ausschliesslich von den MEDAS-Gutachtern diagnostizierten somatoformen
Schmerzstörung sei darauf hinzuweisen, dass der für die Annahme eines
derartigen Leidens verlangte andauernde, schwere und quälende Schmerz nicht
gegeben sei. Das schlechte Ergebnis des von den MEDAS-Gutachtern durchgeführten
PACT-Tests (kein verwertbares Arbeitspotential) stehe in deutlichem Widerspruch
zur im Alltag effektiv gezeigten physischen Leistungsfähigkeit. So sei die
Beschwerdeführerin namentlich - jedenfalls mit Pausen - in der Lage, die im
Haushaltsbereich anfallenden Arbeiten zu verrichten, sie führe regelmässig
während 20 Minuten Körperübungen am Gerät durch und erledige infolge der
Rückenschmerzen ihres Ehemannes sämtliche Gartenarbeiten allein. Auch das
Bestehen einer ebenfalls einzig von den MEDAS-Gutachtern festgestellten
posttraumatischen Belastungsstörung erscheine mit Blick auf das Fehlen
jeglicher Anhaltspunkte für ein derartiges Leiden in sämtlichen im Laufe der
Jahre ergangenen weiteren medizinischen Berichten als unwahrscheinlich. Die von
weiteren Ärzten ebenfalls festgestellte Angst- und depressive Symptomatik werde
wesentlich durch grundsätzlich invaliditätsfremde und daher bei der Beurteilung
des Leistungsanspruchs auszuklammernde psychosoziale Belastungsfaktoren
ausgelöst und sei seither von solchen geprägt. Zu erwähnen sei dabei das
kardiale Leiden der Tochter, die schwere Herzerkrankung der Mutter, der vom
Vater erlittene Schlaganfall, der Verlust der Stelle, das
invalidenversicherungsrechtliche Verfahren der Versicherten wie auch der
Tochter und des Ehemannes, finanzielle Probleme, die unsichere Zukunft sowie
die erfolglose Stellensuche der Tochter. Es sei daher davon auszugehen, dass
die psychische Störung bei Wegfall der Belastungsfaktoren mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit wieder verschwinden würde. Gegen die Symptomatik der im
Gutachten diagnostizierten mittelschweren depressiven Episode (bzw. der
rezidivierenden depressiven Störung, aktuell mittelgradige Episode, gemäss
Bericht des Spitals D._________, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom
1. Oktober 2013) spreche im Übrigen bereits das Aktivitätsniveau und das
familiäre Engagement (gut strukturierter Tagesablauf, tägliche Erledigung
sämtlicher im Haushalt anfallender Arbeiten zusammen mit Ehemann und Tochter,
soziale Kontakte auch ausserhalb der Familie, fast tägliche Spaziergänge,
Lesen, Musik hören, Filme im Fernsehen und im Kino ansehen, Unterstützung der
Tochter bei der Stellensuche). Zudem verneine das Bundesgericht die
invalidisierende Wirkung derartiger depressiver Störungen regelmässig.
Hinsichtlich der Agoraphobie mit Panikstörung vermöge nicht einzuleuchten, dass
die MEDAS-Gutachter daraus eine einschränkende Auswirkung auf das
Leistungsvermögen ableiten würden. Die Versicherte sei imstande, die alle zwei
Wochen stattfindenden Konsultationen bei ihrer Psychiaterin selbstständig
wahrzunehmen und dementsprechend den Weg zwischen ihrem Wohnort und der Praxis
allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Folglich sei sie auch in
der Lage, sich ohne Begleitung an einen Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu
begeben sowie bei der Arbeit zumindest zeitweise allein zu sein. Eine relevante
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sei auch deshalb zu verneinen, weil die -
durchaus über Ressourcen verfügende - Versicherte sozial gut integriert sei,
häufige Kontakte zu Kollegen und Kolleginnen sowie zu ihren Nachbarn pflege und
fähig sei, ein- bis zweimal pro Jahr (in der Regel) mit dem Zug oder Flugzeug
nach Kroatien zu reisen und Freizeitaktivitäten, wie etwa Kinobesuche,
wahrzunehmen. Selbst unter der Annahme, dass die psychischen Beschwerden
lediglich teilweise durch ungünstige psychosoziale Faktoren bedingt seien,
liege keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit vor. Die von der IV-Stelle verfügte Leistungsverweigerung sei
daher rechtens.

4.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, der angefochtene Entscheid gründe auf
einer unzutreffenden Würdigung der medizinischen Akten in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht, sodass eine Verletzung von Bundesrecht sowie eine
offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts vorliege, welche auf
einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Willkürverbots beruhe. Der RAD habe
die Schlüssigkeit des MEDAS-Gutachtens bejaht. Hätten Zweifel an der
Schlüssigkeit der medizinischen Beurteilungen bestanden, so hätte basierend auf
dem Untersuchungsgrundsatz eine neue medizinische Abklärung angeordnet werden
müssen, da die IV-Stelle und das kantonale Gericht zur medizinischen
Beurteilung nicht fachkompetent seien. Im angefochtenen Entscheid seien keine
Gesichtspunkte genannt, welche eine Abweichung von der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit durch das MEDAS-Gutachten zu begründen vermöchten. In allen
medizinischen Berichten werde das Vorliegen eines verselbstständigten
psychischen Gesundheitsschadens bejaht, weshalb die
invalidenversicherungsrechtliche Leistungspflicht ausgewiesen sei. Die
depressive Störung halte trotz Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten seit
spätestens 2012 über mehrere Jahre an. Es lasse sich nicht der Versicherten
anlasten, dass eine medikamentöse Optimierung aufgrund des somatischen Leidens
nicht möglich sei. Die Verneinung einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
durch die depressive Störung stelle eine Rechtsverletzung dar. Die Vorinstanz
stütze sich bei der Annahme einer qualitativen Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit aufgrund der Agoraphobie mit Panikstörung im Wesentlichen auf
die Annahme, die Beschwerdeführerin könne den Hin- und Rückweg zur
regelmässigen Behandlung bei Dr. med. C._________ jeweils ohne Begleitung mit
den öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen. Diese Tatsachenannahme beruhe auf
Ausführungen im Gutachten des Dr. med. E._________, Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie FMH, aus dem Jahr 2012, welche weder auf der eigenen
Wahrnehmung des Berichterstatters noch auf einer Aussage der Beschwerdeführerin
basiere. Deshalb habe Anlass zur Einholung der als Novum zulässigen
Stellungnahme der Dr. med. C._________ vom 11. Mai 2016 bestanden, worin diese
bestätige, dass die Versicherte seit Jahren nicht allein zur Behandlung komme,
jeweils vom Ehemann gefahren werde und zur Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel nicht fähig sei. Gestützt auf die RAD-Beurteilung vom 10.
November 2014 habe vom 13. Januar 2012 bis 29. September 2014 eine volle
Arbeitsunfähigkeit in jeglicher Tätigkeit und ab dann eine theoretische
Arbeitsfähigkeit im quantitativen Umfang von 50 % bestanden, bei massgeblich
erschwerter Umsetzbarkeit. Demnach sei für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis
30. September 2014 der Anspruch auf eine ganze Rente ausgewiesen. Da sich die
theoretische Restarbeitsfähigkeit ab 29. September 2014 nicht verwerten lasse,
bestehe weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente. Werde dennoch von einer
Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit ausgegangen, so müsse gestützt auf
einen Invaliditätsgrad von 65 % ab 1. Oktober 2014 eine Dreiviertelsrente zur
Ausrichtung gelangen.

5.

5.1. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die
Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den
beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die
medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die
Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 f.; 140 V
193 E. 3 S. 194 ff.; je mit Hinweisen). Die rechtsanwendenden Behörden haben
mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der
Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere
psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die
vom sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE
140 V 193; 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.). Wo psychosoziale Einflüsse das Bild
prägen, ist bei der Annahme einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung
geboten (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303; 127 V 294 E. 5a S. 299 f.; Urteile
8C_746/2015 vom 3. Februar 2016 E. 2.2 und 9C_146/2015 vom 19. Januar 2016 E.
3.1 mit Hinweisen).

5.2.

5.2.1. Das kantonale Gericht hat folglich zu Recht geprüft, ob im
MEDAS-Gutachten dem diagnoseinhärenten Schweregrad der somatoformen
Schmerzstörung Rechnung getragen wurde. Als "vorherrschende Beschwerde" wird
"ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz" verlangt
(Weltgesundheitsorganisation, Internationale Klassifikation psychischer
Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling/
Mombour/Schmidt [Hrsg.], 9. Aufl. 2014, Ziff. F45.4 S. 233). Im Gegensatz zu
anderen psychosomatischen, beispielsweise dissoziativen, Störungen, die nicht
schon an sich einen Bezug zum Schweregrad aufweisen, setzt die Diagnose einer
somatoformen Schmerzstörung per definitionem Beeinträchtigungen der
Alltagsfunktionen voraus (BGE 141 V 281 E. 2.1.1 S. 286; Peter Henningsen,
Probleme und offene Fragen in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei
Probanden mit funktionellen Körperbeschwerdesyndromen, in: SZS 2014 S. 535,
539; Henningsen/Schickel, in: Begutachtung bei psychischen und
psychosomatischen Erkrankungen, Schneider et al. [Hrsg.], 2012, S. 277); ICD-10
Ziff. F45.4 beschreibt als gewöhnliche Folge denn auch "eine beträchtliche
persönliche oder medizinische Betreuung oder Zuwendung". Aus dem
MEDAS-Gutachten lässt sich weder entnehmen, ob die Versicherte an einem
andauernden quälenden Schmerz leidet, noch wird klar, welche
Alltagsfunktionalitäten noch bestehen. Daher ist die Diagnose einer
somatoformen Schmerzstörung nicht gesichert.

5.2.2. Soweit das kantonale Gericht aber davon ausgeht, dass bereits das
Aktivitätsniveau und das familiäre Engagement der Beschwerdeführerin gegen eine
invalidenversicherungsrechtlich relevante Leistungseinbusse aufgrund der
mittelschweren depressiven Episode sprechen, muss von einer offensichtlich
unrichtigen Sachverhaltsfeststellung ausgegangen werden. Im angefochtenen
Entscheid wird unter Verweis auf die MEDAS-Expertise eine Alltagsfunktionalität
beschrieben, welche zur Zeit der Begutachtung (Ende September 2014; die für den
Beurteilungszeitpunkt relevante rentenablehnende Verfügung datiert vom 20.
Februar 2015) nicht mehr Gültigkeit hatte. Die Vorinstanz zitiert nämlich dazu
die im MEDAS-Gutachten wiedergegebenen Passagen aus dem psychiatrischen
Gutachten des Dr. med. E._________ vom 30. November 2012 (aufgrund der
Exploration vom 2. November 2012), während sie auf den vom psychiatrischen
MEDAS-Gutachter geschilderten, erheblich eingeschränkteren Tagesablauf nicht
eingeht. Dort wird jedoch im Wesentlichen eine erschöpfte Versicherte
beschrieben, welche die Hausarbeiten mit der Hilfe von Ehemann und Tochter in
Etappen verrichtet und "sofern es geht" täglich zirka 30 bis 60 Minuten mit
ihnen spazieren geht. Von Körperübungen am Gerät, Gartenarbeiten, Kinobesuchen,
sozialen Kontakten ausserhalb der Familie und Reisen etc. ist keine Rede mehr.
Zwar fallen depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, seien sie im
Auftreten rezidivierend oder episodisch, einzig dann als invalidisierende
Krankheiten in Betracht, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent sind (BGE
140 V 193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis; Urteile 9C_841/2016 vom 8. Februar 2017 E.
3.1; 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2; 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E.
4.1.3.1; 8C_104/2014 vom 26. Juni 2014 E. 3.3.4). Nur in einer solchen -
seltenen, da nach gesicherter psychiatrischer Erfahrung Depressionen im
Allgemeinen therapeutisch gut angehbar sind - gesetzlich verlangten
Konstellation ist den normativen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz
ATSG für eine objektivierende Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE
141 V 281 E. 3.7.1 bis 3.7.3 S. 295 f.). Dennoch kann das kantonale Gericht
eine Validitätseinbusse nicht ohne weitere Abklärungen verneinen. Denn es
berücksichtigt nicht, dass die Beschwerdeführerin einerseits wegen ihrer
Herzerkrankung keine Antidepressiva einnehmen kann (ausser Temesta in
limitiertem Ausmass), andererseits aber bisher die ambulanten und stationären
Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise stets nachhaltig ausgeschöpft
hat. Ob aber bereits von einer Therapieresistenz ausgegangen werden muss, lässt
sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Deshalb kann auch insoweit
nicht ohne weiteres auf das MEDAS-Gutachten abgestellt werden, in welchem
allein schon aufgrund der depressiven Erkrankung eine 50%ige Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit attestiert wird. Die Sache wird zur Einholung eines
psychiatrischen Gutachtens (die Auswirkungen des Herzleidens sind umfassend
abgeklärt und führen zu keiner Einschränkung in einer leidensangepassten
Tätigkeit) an die Vorinstanz zurückgewiesen. Denn weder aus dem MEDAS-Gutachten
noch aus den weiteren medizinischen Unterlagen lassen sich unmittelbare
Rückschlüsse auf den Schweregrad der psychischen Erkrankung und allfällige
funktionelle Folgen ziehen. Je nach Diagnosestellung wird allenfalls die
Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den anhaltenden somatoformen
Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V
281 zu berücksichtigen sein (E. 3.2 hiervor; vgl. auch BGE 142 V 342 zur
posttraumatischen Belastungsstörung), damit eine schlüssige Beurteilung im
Lichte der massgeblichen Indikatoren möglich wird (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309).
Hernach wird das kantonale Gericht neu zu entscheiden haben.

5.3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens muss nicht geprüft werden, ob die
Bestätigung von Dr. med. C._________ vom 11. Mai 2016 als unzulässiges
Beweismittel zu qualifizieren ist (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 140 V 543 E. 3.2.2.2
S. 548; MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 43 zu Art. 99 BGG).

6. 
Praxisgemäss entspricht die Rückweisung einem vollen Obsiegen (BGE 137 V 210 E.
7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 137 V 210 E. 7.1 S.
271).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2016 wird
aufgehoben. Die Sache wird zum Vorgehen im Sinne der Erwägungen und zum neuen
Entscheid über den Rentenanspruch an das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Februar 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Frésard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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