Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.325/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_325/2016

Urteil vom 31. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Haag,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Luzern vom 14. April 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1972, meldete sich erstmals am 4. Dezember 2001 unter
Hinweis auf eine Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle Luzern holte Arztberichte ein und klärte die erwerbliche
Situation ab. Nach dem Bericht des Dr. med. B.________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, in dessen Behandlung A.________ seit August 2001 stand, sei
bereits frühkindlich ein POS (psychoorganisches Syndrom) diagnostiziert worden.
Spätestens seit 1998 leide A.________ an einer rezidivierenden depressiven
Episode und konsumiere seit dem 18. Altersjahr Cannabis. Ab Januar 2003 wurde
A.________ durch das Psychiatriezentrum C.________ betreut. Am 14. Januar 2005
lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf eine
Invalidenrente ab, weil A.________ bei der Stadtgärtnerei D.________ im
Vollpensum angestellt sei und ein rentenausschliessendes Einkommen erziele.

A.b. Am 6. Dezember 2006 meldete sich A.________ erneut an. Die RAD-Ärztin
diagnostizierte nach einem psychiatrischen Abklärungsgespräch vom 9. Oktober
2007 eine Persönlichkeitsstörung, abhängig und ängstlich-vermeidend (ICD-10
F60.6, F60.7), eine rezidivierende depressive Episode unterschiedlichen
Schweregrades (F33.0/1), ADHS (Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom) im
Erwachsenenalter (F90.0) sowie eine Störung durch Cannabis,
Abhängigkeitssyndrom (F12.2). Am 4. Januar 2008 lehnte die IV-Stelle das
Leistungsbegehren ab mit der Begründung, dass der regelmässige Cannabiskonsum
eine zuverlässige Beurteilung eines allfälligen relevanten Einflusses durch das
ADHS auf die Arbeitsfähigkeit verunmögliche.

A.c. Am 28. Oktober 2008 erfolgte eine weitere Anmeldung. Nach dem Bericht des
Psychiatrischen Ambulatoriums E.________ vom 22. Dezember 2008 hatte sich trotz
Sistierung des Cannabiskonsums seit September 2008 und belegter Abstinenz keine
Veränderung der Symptomatik der früheren Befunde eingestellt. Die IV-Stelle
liess A.________ durch lic. phil. F.________, Neuropsychologin FSP, und lic.
phil. G.________, Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP, (Bericht vom 17.
Mai 2009), sowie durch Dr. med. H.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH,
abklären (Gutachten vom 21. Oktober 2009). Gestützt darauf lehnte die IV-Stelle
einen Leistungsanspruch mit Verfügung vom 9. März 2010 ab.
A.________ erhob dagegen Beschwerde und reichte im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ein Gutachten des Dr. med. I.________,
Psychiatrie Psychotherapie FMH, vom 26. April 2011 ein. Mit Entscheid vom 27.
Oktober 2011 wurde die Beschwerde abgewiesen.

A.d. Am 5. März 2015 stellte A.________ ein neues Gesuch. Er reichte einen
Abklärungsbericht der Psychiatrie J.________, Ambulante Dienste, vom 7. April
2015 sowie eine Arbeitseinschätzung der vormaligen Arbeitgeberin K.________ vom
5. Februar 2015 ein, wo er ab dem 21. Mai 2012 als Allrounder beschäftigt und
ab dem 1. Januar 2013 als Praktikant angestellt war mit dem Ziel, eine
Lehrabschlussprüfung zu absolvieren. Das "Wiedereingliederungsprojekt" hatte
nach zwei Jahren beendet werden müssen. Die IV-Stelle trat auf das
Leistungsbegehren nicht ein (Verfügung vom 11. Juni 2015).

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid
vom 14. April 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an
die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie auf das Leistungsbegehren eintrete und
den Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen prüfe und diese ausrichte. Des
Weiteren ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2.

2.1. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur
materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die
tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung in
einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3
in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt
ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die
anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung
verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. BGE 117 V 198
E. 4b S. 200). Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte
Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss also nicht
nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Grad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass
für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes
wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der
Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete
Änderung nicht erstellen lassen. Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn
angenommen werden kann, der Anspruch auf eine Invalidenrente (oder deren
Erhöhung) sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände als richtig
erweisen sollten (SVR 2003 IV Nr. 25 S. 76, I 238/02 E. 2.2 und 2.3; 2002 IV
Nr. 10 S. 25, I 724/99 E. 1c/aa). Grundsätzlich unterliegt das Glaubhaftmachen
nach Art. 87 Abs. 2 IVV weniger strengen Anforderungen als im
Zivilprozessrecht. Dort muss - im Gegensatz zum vollen Beweis - das Gericht
immerhin überzeugt werden, dass es sich so, wie behauptet, wahrscheinlich
zugetragen hat, wenn auch nicht, dass es sich wirklich so zugetragen haben
muss, weil jede Möglichkeit des Gegenteils vernünftigerweise auszuschliessen
ist (Urteile 9C_68/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 4.4.1 mit Hinweisen; 9C_286/
2009 vom 28. Mai 2009 E. 2.2 und 2.3).

2.2. Ob eine anspruchserhebliche Änderung im Sinne von Art. 87 Abs. 3 in
Verbindung mit Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine vom Bundesgericht
unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage. Frei zu
beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, wie hohe Anforderungen an das
Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteile
8C_1009/2010 vom 7. April 2011 E. 2.4; 9C_68/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 4.1;
I 692/06 vom 19. Dezember 2006 E. 3.1).

3.

3.1. Entscheidwesentlich für das Eintreten auf die Neuanmeldung und vom
kantonalen Gericht zu prüfen war die vom Versicherten bei der IV-Stelle geltend
gemachte Veränderung seines Gesundheitszustandes seit der letzten
Rentenverfügung vom 9. März 2010, welche die Vorinstanz am 27. Oktober 2011
bestätigt hatte.

3.2. Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid vom 27. Oktober 2011 eine
rentenerhebliche Veränderung seit der ursprünglichen Verfügung vom 14. Januar
2005 geprüft. Sie hat erkannt, dass die IV-Stelle damals gestützt auf die
Berichte der Arbeitgeberin, der Stadtgärtnerei D.________, vom 28. Oktober
2004, des Drogentherapeutischen Ambulatoriums vom 23. Juli 2004 und die dazu
ergangene Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 23.
November 2004 von einer 100-prozentigen Arbeitsfähigkeit als Gärtner
ausgegangen sei.
Bis zum Erlass der Verfügung vom 9. März 2010 sei insbesondere gestützt auf die
zwischenzeitlich ergangenen psychiatrischen und neuropsychologischen
Abklärungen durch Dr. med. L.________ (Gutachten vom 29. Juni 2006), lic. phil.
F.________ und lic. phil. G.________ (Bericht vom 17. Mai 2009) sowie Dr. med.
H.________ (Gutachten vom 21. Oktober 2009) mit der Diagnose eines ADHS keine
rentenerhebliche Veränderung eingetreten. Namentlich habe die
neuropsychologische Untersuchung eine alters- und ausbildungsadäquate mentale
Leistungsfähigkeit ergeben. Dr. med. H.________ vermutete, dass die
Cannabis-Abhängigkeit viele Symptome hervorgerufen habe, die mit dem ADHS oder
mit einer rezidivierenden depressiven Störung in Verbindung gebracht worden
seien. Der Versicherte sei diesbezüglich nunmehr aber abstinent, und damit sei
eine Noxe weggefallen, die in den vergangenen Jahren das psychopathologische
Bild verstärkt beziehungsweise hervorgerufen habe. Die Persönlichkeits- und die
depressive Störung seien schon früher bekannt gewesen. Auf den Beweiswert des
Gutachtens des Dr. med. H.________, insbesondere hinsichtlich seiner
Bescheinigung einer vollen Arbeitsfähigkeit, ging die Vorinstanz nicht näher
ein, obwohl die behandelnden Ärzte wie auch Dr. med. I.________ in seinem
Privatgutachten davon erheblich abwichen und die Arbeitsfähigkeit auf lediglich
50 Prozent einschätzten. Da aus den dargelegten Gründen eine gesundheitliche
Änderung nicht eingetreten sei, stelle diese beträchtlich tiefere
Arbeitsfähigkeitsschätzung bloss eine abweichende Beurteilung eines im
Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts dar.

3.3. Im hier angefochtenen Entscheid würdigte das kantonale Gericht die zur
Glaubhaftmachung einer Verschlechterung eingereichten Berichte der Psychiatrie
J.________ vom 7. April 2015 und der vormaligen Arbeitgeberin K.________ vom 5.
Februar 2015 zum Praktikum, welches der Beschwerdeführer vom 1. Januar 2013 bis
zum 31. Dezember 2014 absolviert hatte, sowie die dazu ergangene Stellungnahme
des RAD vom 23. April 2015. Die Vorinstanz hat erkannt, dass sich daraus keine
neuen medizinischen Aspekte und auch keine intensiven Bemühungen des
Versicherten ergäben, im (neuen) Arbeitsumfeld Fuss zu fassen. Gestützt auf das
Gutachten des Dr. med. H.________ vom 21. Oktober 2009 sei die
Motivationslosigkeit des Versicherten und sein mangelnder Ehrgeiz als
persönlichkeits- und nicht als krankhaft bedingt zu beurteilen. Es sei damit
nicht glaubhaft dargetan, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum
zwischen der letzten rechtskräftigen Verfügung vom 9. März 2010 und der
angefochtenen Verfügung vom 11. Juni 2015 in einer für den Leistungsanspruch
erheblichen Weise geändert hätten.

4.

4.1. Letztinstanzlich beschwerdeweise beanstandet und zu prüfen ist, ob die
nach den vorinstanzlichen Feststellungen beachtlichen Umstände eine
rentenerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes als glaubhaft
erscheinen lassen beziehungsweise ob das kantonale Gericht überhöhte
Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt hat.

4.2. Zu berücksichtigen ist dabei zunächst der neue Arztbericht der Psychiatrie
J.________ vom 7. April 2015. Es werden, wie vom kantonalen Gericht
festgestellt, die Diagnosen der kombinierten und anderen
Persönlichkeitsstörungen (ICD-10 F61) mit ängstlich-vermeidenden, schizoiden
und unreifen Zügen, der psychischen und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide,
Abhängigkeitssyndrom (ICD-10 F12.2) mit regelmässigem Substanzgebrauch sowie
einer Dysthymie (ICD-10 F34.1) aufgeführt. Als gesichert gelten kann des
Weiteren, wenn hier auch unerwähnt geblieben, die Diagnose des ADHS, wie die
Vorinstanz in ihrem Entscheid vom 27. Oktober 2011 erkannt hat. Es handelt sich
dabei um eine Kombination von psychischen Störungen, die eine massgebliche
Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nicht von vornherein ausschliessen lässt
(SVR 2008 IV Nr. 8 S. 23). Es ist zwar im Vergleich zur letzten
rentenablehnenden Verfügung keine gänzlich andere Diagnose hinzugetreten.
Jedoch wird, wiederum nach den vorinstanzlichen Feststellungen, neu
hervorgehoben, dass (nach dem Verlust der zu 100 Prozent ausgeübten Stelle bei
der Stadtgärtnerei) der Eingliederungsversuch des Versicherten ohne Hilfe der
Invalidenversicherung gescheitert sei trotz langjähriger Therapie. Nach Ansicht
des Oberarztes der Psychiatrie J.________, der den Versicherten schon vor
Jahren betreut und sich im früheren Verfahren in einem Bericht vom 24. Februar
2010 zu dessen Gesundheitszustand geäussert hatte, habe sich dieser
verschlechtert und sei nunmehr von einer bleibenden Erkrankung auszugehen, die
mit medizinischen Massnahmen und "Dauertherapie" nicht verbessert werden könne.
Der Versicherte sei auf eine langfristige Unterstützung angewiesen. Trotz
intensiver Bemühungen seien seine Einschränkungen nicht willentlich
überwindbar. Es sei eine sozialpsychiatrische Unterstützung mit palliativer und
versorgungsrechtlicher Schwerpunktsetzung erforderlich, ohne dass jedoch
therapeutisch eine Verbesserung der Erkrankung zu erreichen sei. Insbesondere
sei die Therapiezielsetzung der Cannabisabstinenz obsolet, denn diese habe in
der Vergangenheit keine Veränderung gebracht.

4.3. In Betracht gezogen hat die Vorinstanz des Weiteren die
Arbeitseinschätzung zum Praktikum, welche der Inhaber von K.________ zusammen
mit dem Werkstattleiter abgegeben hat. Das kantonale Gericht hat sie eingehend
dargelegt. Der Beschwerdeführer habe dort zunächst (ab dem 21. Mai 2012) als
Allrounder mit unregelmässigem Pensum, gesamthaft etwa 50 Prozent, gearbeitet.
Ab dem 1. Januar 2013 sei mit dem Sozialdienst M.________ ein Praktikum als
Velomechaniker vereinbart worden mit schrittweiser Erhöhung des Pensums und dem
Ziel, eine Lehrabschlussprüfung zu absolvieren. Der Beschwerdeführer habe
während eines halben Jahres zu 80 Prozent gearbeitet, was ihn aber deutlich
überfordert habe, sodass das Pensum auf 60 Prozent herabgesetzt worden sei.
Auch dieses habe er zum Schluss des Praktikums, welches bis zum 31. Dezember
2014 dauerte, nicht mehr einhalten können. Es hätten sich gesundheitliche
Probleme eingestellt und es habe ein hoher Betreuungsbedarf bestanden, weshalb
das "Wiedereingliederungsprojekt" nach zwei Jahren habe beendet werden müssen.
Nach anfänglicher Steigerung der Arbeitsqualität und des Tempos habe die
Entwicklung stagniert, der Beschwerdeführer habe deutliche
Leistungsschwankungen gezeigt. Insbesondere sei er wenig belastbar und habe
langsam gearbeitet. Die Konzentration habe im Verlauf des Tages deutlich
nachgelassen. Es sei der Eindruck von psychischer Labilität entstanden.

4.4. Schliesslich erwähnte die Vorinstanz die Stellungnahme des RAD vom 23.
April 2015, welcher insbesondere bemängelte, dass im Bericht der Psychiatrie
J.________ nicht aufgezeigt werde, welche krankheitsbedingten
Funktionseinschränkungen einer regulären Arbeitstätigkeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt entgegenstehen würden.

4.5. Es steht gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen im hier
angefochtenen sowie im Entscheid vom 27. Oktober 2011 fest, dass dem
Beschwerdeführer aus neuropsychologischer und psychiatrischer Sicht nach den
letzten umfassenden Abklärungen im Jahr 2009 eine vollständige Arbeitsfähigkeit
bescheinigt wurde. Zuletzt hatte er jedoch vor Jahren ein entsprechendes
Arbeitspensum bei der Stadtgärtnerei D.________ ausgeübt.
Es ergeben sich entgegen der Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz
hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der letzten rentenablehnenden
Verfügung vom 9. März 2010, welche von der Vorinstanz am 27. Oktober 2011
bestätigt wurde, eine erhebliche gesundheitliche Verschlechterung eingestellt
hat. Es wird im Schreiben des letzten Arbeitgebers dargelegt, dass der
Beschwerdeführer nicht in der Lage war, ein volles Pensum zu versehen, sondern
sogar bei einem 60-Prozent-Pensum überfordert war. Die vom Arbeitgeber
geschilderten Leistungsschwankungen, der hohe Betreuungsbedarf, die fehlende
Belastbarkeit und die im Verlauf des Tages abfallende Konzentration scheinen
durch die im neuen Arztbericht der Psychiatrie J.________ aufgeführte
Kombination von psychischen Störungen erklärbar, zumal diese, wie bereits
erwähnt, eine massgebliche Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit nicht von
vornherein ausschliessen lässt. Darüber kann nicht ohne Weiteres hinweggesehen
werden. Auch wenn keine grundsätzlich neuen Diagnosen gestellt wurden und die
behandelnden Ärzte schon früher von einer um 50 Prozent eingeschränkten
Arbeitsfähigkeit ausgegangen sind, ist aufgrund der beruflichen Entwicklung
davon auszugehen, dass sich insbesondere die gutachtliche Prognose einer vollen
Arbeitsfähigkeit durch Dr. med. H.________, zu der sich die Vorinstanz in ihrem
Entscheid vom 27. Oktober 2011 ausdrücklich nicht näher äusserte, nicht
umsetzen liess. Die Vorinstanz geht davon aus, dass sich der Beschwerdeführer
nicht bemüht habe, im neuen Arbeitsumfeld Fuss zu fassen. Gestützt auf die
Ausführungen des Dr. med. H.________ seien seine Motivationslosigkeit und sein
mangelnder Ehrgeiz persönlichkeitsbedingt und könnten nicht mit einer Krankheit
gleichgesetzt werden. Dem kann angesichts der im neuen Arztbericht gestellten
Diagnosen und der Interpretation der Befunde durch den Oberarzt der Psychiatrie
J.________ nicht ohne weitere Abklärungen gefolgt werden. Seiner Ansicht nach
ist der Beschwerdeführer gerade wegen der bei ihm vorliegenden Kombination von
psychischen Erkrankungen in seinen sozialen Interaktionen und in seiner
Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Trotz intensiver Bemühungen vermöge
er diese Einschränkungen nicht willentlich zu überwinden. Er bedürfe der
psychiatrischen Betreuung zur Unterstützung, ohne dass davon - oder durch
medizinische Massnahmen - jedoch eine Verbesserung der Erkrankung zu erwarten
sei.

4.6. Aus diesen Gründen erscheint eine rentenerhebliche Verschlechterung des
Gesundheitszustandes gestützt auf die von der Vorinstanz festgestellten
Umstände als glaubhaft. Das kantonale Gericht hat damit, wie beschwerdeweise zu
Recht gerügt wird, überhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt.
Die IV-Stelle hat auf die Neuanmeldung einzutreten. Sie wird weitere
medizinische Abklärungen anordnen und gestützt darauf die Leistungsansprüche
des Beschwerdeführers prüfen.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
Prozessausgang entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG); des Weiteren hat sie dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist
damit gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Luzern vom 14. April 2016 und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 11. Juni
2015 werden aufgehoben. Die Sache wird an die IV-Stelle Luzern zurückgewiesen,
damit sie über die Ansprüche des Beschwerdeführers aus Invalidenversicherung
neu verfüge.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung,
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. August 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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