Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.316/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_316/2016

Urteil vom 22. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Karl Kümin,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1978 geborene A.________ bezog gemäss Verfügungen der
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, vom 6. Juni 2011
aufgrund der Folgen einer im Dezember 1998 erlittenden Tibiakopffraktur am
rechten Knie rückwirkend ab April 2008 eine Dreiviertelsrente der
Invalidenversicherung.
Anlässlich einer im Jahre 2012 eingeleiteten Rentenüberprüfung veranlasste die
IV-Stelle eine polydisziplinäre medizinische Untersuchung bei der Medizinischen
Abklärungsstelle, MEDAS, der Ärztlichen Begutachtungsinstituts GmbH, Basel,
(ABI). Gestützt auf das Gutachten vom 10. Juli 2014 hob die IV-Stelle den
Rentenanspruch mit Verfügung vom 9. März 2015 auf Beginn des zweiten der
Zustellung folgenden Monats revisionsweise auf.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 29. Februar 2016 ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag auf Weiterausrichtung der bisherigen Rente.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt; ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches
gilt für die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E.
4.1, nicht publ. in BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen
ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln
nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.;
Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht
im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42
Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.; 133 II 249
E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht
verletzte, indem es die revisionsweise Aufhebung der Dreiviertelsrente
bestätigte.

2.2. Im angefochtenen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen und die
von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen zum
Begriff der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1
ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie zum Beweiswert und zur
Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S.
269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) richtig dargelegt.
Gleiches gilt für die Ausführungen zur Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE
134 V 131 E. 3 S. 132) und zu den revisionsrechtlich massgebenden
Vergleichszeitpunkten (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114). Darauf wird verwiesen.

3. 
Als revisionsbegründender Faktor steht eine Verbesserung des
Gesundheitszustandes und damit einhergehend der Erwerbsfähigkeit zur
Diskussion. Dabei stellen die rentenzusprechende Verfügung vom 6. Juni 2011 und
die streitige Verfügung vom 9. März 2015 die zeitlichen Vergleichspunkte für
die Beurteilung dar, ob eine revisionsbegründende Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse eingetreten sei. Gemäss Feststellung des kantonalen Gerichts
basierte die Rentenzusprache im Wesentlichen auf dem Zustand nach einer
Tibiakopffraktur rechts mit nachfolgendem Morbus Sudeck sowie einer zentralen
Schmerzverarbeitungsstörung. Aus psychiatrischer Sicht war eine prolongierte
Anpassungsstörung mit depressiv ängstlichen Reaktionen sowie gehemmt
aggressiven Tendenzen und eine akzentuierte Persönlichkeit mit abhängigen und
histrionischen Zügen diagnostiziert worden.

4.

4.1. In umfassender Würdigung der medizinischen Aktenlage erkannte das
kantonale Gericht, der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin habe sich seit
Erlass der rentenzusprechenden Verfügung vom 6. Juni 2011 in erheblicher Weise
verbessert. Die Versicherte verfüge in einer ihrem Knieleiden angepassten
leichten vorwiegend im Sitzen auszuübenden Tätigkeit wieder über eine
Arbeitsfähigkeit von 90 %. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf das
polydisziplinäre Gutachten des ABI vom 10. Juli 2014. Darin werden aus
orthopädisch-traumatologischer beziehungsweise neurologischer Sicht mit
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit chronische Kniebeschwerden rechts und ein
neuropathischer Schmerz im Bereich des Ramus infrapatellaris des Nervus
femoralis diagnostiziert. Damit bestehe für die erlernte Tätigkeit als
Schriften- und Reklamenmalerin eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Dasselbe
gelte für körperlich mittelschwere und schwere sowie überwiegend im Stehen und
Gehen zu verrichtende Tätigkeiten. Indessen seien körperlich sehr leichte,
wechselbelastend und überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeiten
ganztägig zumutbar, wobei die Leistungsfähigkeit wegen vermehrter Pausen um 10
% reduziert sei. Aus psychiatrischer Warte werde im genannten Gutachten keine
Diagnose gestellt. Die Vorinstanz fand weder formelle noch materielle Gründe
gegen das ABI-Gutachten und bestätigte die Aufhebung der bisherigen
Invalidenrente aufgrund einer wesentlichen Verbesserung des psychischen
Gesundheitszustandes.

4.2. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, die für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des
kantonalen Gerichts zum Gesundheitszustand, zu dessen Veränderung und zur
Arbeitsfähigkeit als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig
erscheinen zu lassen.

4.2.1. Die Vorinstanz hat die medizinische Aktenlage einlässlich und
pflichtgemäss gewürdigt. Das im Rahmen des Revisionsverfahrens eingeholte
polydisziplinäre Gutachten des ABI vom 7. Juli 2014 stellt entgegen der
Darstellung in der Beschwerde keine "second opinion" über den
Gesundheitszustand der Versicherten dar. Dass die Verwaltung das Recht und die
Pflicht hat, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer Rente beziehenden
Person periodisch zu überprüfen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Da die
Beschwerdeführerin letztmals im Januar 2010 (kreisärztlicher Bericht der SUVA
vom 18. Januar 2010) beziehungsweise im Juni 2009 (psychiatrisches Gutachten
des Dr. med. B.________ vom 12. Juni 2009) im Hinblick auf ihre Arbeits- und
Leistungsfähigkeit hin untersucht worden war, zielte der Gutachtensauftrag an
das ABI nicht auf eine Zweitmeinung, sondern auf eine Aktualisierung der
Aktenlage.

4.2.2. Das im Rahmen des Revisionsverfahrens eingeholte Gutachten des ABI
erfüllt, wie das kantonale Gericht erkannte, die von der Rechtsprechung (BGE
125 V 351 E. 3a S. 352) gestellten Anforderungen. Es beruht auf eigenen
Untersuchungen und setzt sich insbesondere auch mit den anderen medizinischen
Berichten auseinander. Bereits Dr. med. B.________ hatte in ihrem Gutachten im
Juni 2009 ausgeführt, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen,
dass sich die psychische Situation der Explorandin stabilisiere und eine
weitere Verbesserung der Situation auf der psychischen Seite erzielt werden
könne. Eine solche hielt sie sogar mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit für möglich. Es ist daher nachvollziehbar, dass sich diese
ärztliche Prognose innerhalb der folgenden fünf Jahre tatsächlich
verwirklichte, weshalb Dr. med. C.________ im Rahmen der MEDAS-Begutachtung im
Juli 2014 keine psychiatrische Diagnose mehr stellen musste. Wie das kantonale
Gericht im angefochtenen Entscheid bereits treffend ausführte, kann aus der
Bemerkung des Dr. med. C.________, aus seiner Sicht sei die Arbeitsfähigkeit
niemals während längerer Zeit eingeschränkt gewesen, unter den gegebenen
Umständen nicht abgeleitet werden, der Gesundheitszustand der Versicherten habe
sich nicht verändert. Es liegt ein Revisionsgrund vor.

4.2.3. Hinsichtlich der erneut vorgebrachten Rüge, auf das ABI-Gutachten vom 7.
Juli 2014 dürfe nicht abgestellt werden, weil die Gutachter weder eine
Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) durchgeführt, noch einer
Audio-Aufzeichnung der massgeblichen Untersuchungen zugestimmt hätten, kann auf
die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. In
der letztinstanzlichen Beschwerde wird nicht dargelegt, inwiefern die
Erwägungen des kantonalen Gerichts rechtsfehlerhaft sein sollten. Vielmehr
werden die bereits vorinstanzlich vorgebrachten Argumente bloss wiederholt.

4.2.4. Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz
gestützt auf das im Revisionsverfahren eingeholte polydisziplinäre Gutachten
des ABI vom 7. Juli 2014 von einer wesentlichen Verbesserung des
Gesundheitszustandes und von einer wesentlich erhöhten zumutbaren
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen ist. Die darauf beruhende
Ermittlung des Invaliditätsgrades wird nicht gerügt. Beim angefochtenen
Entscheid hat es mithin sein Bewenden.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Juli 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben