Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.301/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_301/2016

Urteil vom 7. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch die Beiständin B.________, und diese
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Gutachtenskosten),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 29. März 2016.

Sachverhalt:
Mit Entscheid vom 29. März 2016 wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn die von A.________ (Jg. 1992) gegen eine berufliche Massnahmen und
eine Invalidenrente verweigernde Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn
vom 11. Januar 2012 erhobene Beschwerde ab (Dispositiv-Ziffer 1). Gleichzeitig
verpflichtete es die IV-Stelle zur Übernahme der Kosten eines
Gerichtsgutachtens der MEDAS Ostschweiz, St. Gallen, vom 6. Juli 2015 von Fr.
9'618.95 sowie eines Anteiles von Fr. 9'437.30 der Kosten einer Begutachtung
durch das Medizinische Zentrum Römerhof (MZR), Zürich, vom 20. Dezember 2013
(Dispositiv-Ziffer 4).
Die IV-Stelle erhebt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag,
Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Entscheides sei zumindest insofern
aufzuheben, als sie verpflichtet wird, einen Anteil von Fr. 9'437.30 an die
Kosten der Begutachtung durch das MZR zu bezahlen. Der gesamthaft zu
erstattende Betrag von Fr. 19'056.25 sei somit um mindestens Fr. 9'437.30 zu
reduzieren. Eine weitere Reduktion wird in das Ermessen des Bundesgerichts
gestellt.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105
Abs. 2 BGG).
Im Übrigen wendet das Gericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), prüft indessen - unter Beachtung der Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.

2.1. Art. 43 Abs. 1 ATSG schreibt vor, dass der Versicherungsträger die
notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vornimmt. Lagert er diese Aufgabe -
zulässigerweise - an externe Abklärungsstellen aus, so hat er sicherzustellen,
dass er von den beauftragten Stellen alle entscheidungserheblichen Angaben in
der erforderlichen Qualität erhält (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.2 S. 244 f.). Laut
Art. 45 Abs. 1 ATSG übernimmt der Versicherungsträger die Kosten der Abklärung,
soweit er die Massnahmen angeordnet hat (Satz 1). Hat er keine Massnahmen
angeordnet, übernimmt er deren Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die
Beurteilung des Anspruches unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich
zugesprochener Leistungen bilden (Satz 2).

2.2. Wie in der Beschwerdeschrift richtig festgehalten wird, hat das
Bundesgericht in BGE 137 V 210 E. 4.4.2 S. 265 f. vor diesem Hintergrund
erkannt, dass in Fällen, in welchen zur Durchführung einer vom Gericht als
notwendig erachteten Beweismassnahme an sich eine Rückweisung in Frage käme,
eine solche indessen mit Blick auf die Verfahrensfairness entfällt, die Kosten
der Begutachtung durch eine MEDAS den IV-Stellen aufzuerlegen und nach
tarifvertraglicher Regelung zu berechnen sind. Die Vergütung der Kosten von
MEDAS-Abklärungen als Gerichtsgutachten durch die IV-Stelle sei mit Art. 45
Abs. 1 ATSG durchaus vereinbar. In dem in BGE 139 V 496 publizierten Urteil
9C_801/2012 vom 28. Oktober 2013 hat sich das Bundesgericht zu dieser nach
Gesetz und Rechtsprechung geltenden Regelung dahingehend präzisierend geäussert
(a.a.O. E. 4.3 f. S. 501 f.), dass sie nicht zu einer systematischen Belastung
der IV-Stelle mit Gutachtenskosten führen darf. Die Kosten mono- und
bidisziplinärer gerichtlicher Gutachten dürfen der IV-Stelle vielmehr nur unter
der Voraussetzung überbunden werden, dass ihre Abklärungen lückenhaft oder
ungenügend waren und ein gerichtliches Gutachten diese Mängel beheben kann.
Zwischen Mängeln der Administrativuntersuchung und der Notwendigkeit weiterer
Abklärungen muss demnach ein kausaler Zusammenhang bestehen. Ein solcher ist
etwa gegeben, wenn ein offensichtlicher Widerspruch zwischen verschiedenen
medizinischen Standpunkten stehen bleibt und nicht durch objektiv begründete
Erklärungen aufgelöst wird, wenn eine oder mehrere Fragen, welche für die
Würdigung der medizinischen Situation notwendig sind, unbeantwortet bleiben
oder wenn ein Gutachten entscheidende Berücksichtigung findet, das die
Anforderungen der Rechtsprechung an den Beweiswert medizinischer
Beurteilungsgrundlagen offensichtlich nicht erfüllt.

3.

3.1. Diese Voraussetzungen für eine Kostenüberbindung erachtet die IV-Stelle in
ihrer Beschwerdeschrift mit der Begründung als nicht erfüllt, dass das vom
kantonalen Gericht im MZR eingeholte Gutachten vom 20. Dezember 2013 die
erkannten Mängel im Administrativverfahren nicht zu beheben vermochte. Diesen
Umstand führt sie darauf zurück, dass sich die zunächst angeordnete
Begutachtung im MZR noch auf die Fachdisziplinen Psychiatrie und
Neuropsychologie beschränkt hatte, während für die später veranlasste
MEDAS-Begutachtung zusätzlich eine neurologische Untersuchung vorgesehen wurde.

3.2. Nach einer ersten Überprüfung der von der Verwaltung beschafften
medizinischen Unterlagen ist das kantonale Gericht zum Schluss gelangt, dass
die vorhandene Dokumentation eine zuverlässige abschliessende Beurteilung der
Leistungsansprüche des Versicherten nicht erlaube. Da es von einer Rückweisung
zwecks weiterer Abklärungen mit anschliessender neuer Verfügung Abstand nehmen
wollte, hat es den Beizug der Expertise des MZR vom 20. Dezember 2013
angeordnet. Diese vorinstanzliche Beurteilung der medizinischen Aktenlage
beruht nicht auf offensichtlich unrichtigen Feststellungen sachverhaltlicher
Art, was denn von der Beschwerde führenden IV-Stelle auch gar nicht behauptet
wird. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern sich diese Erkenntnis des
kantonalen Gerichts mit Bundesrecht nicht vereinbaren lassen sollte. Das darauf
wegen unzureichender Abklärungen durch die Verwaltung beschlossene Einholen
eines bidisziplinären Gerichtsgutachtens im MZR und die Überbindung der daraus
erwachsenen Kosten an die IV-Stelle entspricht - wie gesehen (E. 2 hievor) -
den gesetzlichen Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung, weshalb der
dagegen gerichteten Beschwerde kein Erfolg beschieden sein kann. Daran ändert
nichts, dass die Beschwerdeführerin die Aktenlage anders als die Vorinstanz als
für eine abschliessende Beurteilung genügend erachten will, geht es dabei doch
um das Ergebnis einer vorinstanzlichen Beweiswürdigung, welche im
bundesgerichtlichen Verfahren ohnehin nur eingeschränkt - nämlich auf
offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung und auf
Bundesrechtswidrigkeit hin (E. 1.1 hievor) - überprüft werden kann. Auch hängt
die Zulässigkeit der streitigen Kostenüberbindung nicht davon ab, ob die
Expertise des MZR vom 20. Dezember 2013 die von der Vorinstanz erwarteten
Aufschlüsse tatsächlich zu vermitteln vermochte. Die Notwendigkeit zusätzlicher
Abklärungen, welche die Verwaltung in Nachachtung des von ihr zu beachtenden
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 ATSG) schon vor Erlass ihrer
ablehnenden Verfügung vom 11. Januar 2012 hätte vornehmen müssen, genügt.
Letztlich für die streitige Kostenauflage keine Rolle spielte, dass die
anberaumten Abklärungen zunächst noch die Fachbereiche Psychiatrie und
Neuropsychologie betrafen, anlässlich der späteren Begutachtung in der MEDAS
jedoch eine Ausdehnung auf die Neurologie erfuhren. Letzteren kam ohnehin keine
entscheidwesentliche Bedeutung mehr zu, nachdem sich der Versicherte an den
vereinbarten Terminen doch gar nicht zu den vorgesehenen Untersuchungen
eingefunden hatte.

3.3. Für eine in das bundesgerichtliche Ermessen gestellte - damit sinngemäss
auch beantragte - weitergehende Reduktion findet sich in der Beschwerdeschrift
keine Begründung. Darauf ist deshalb nicht weiter einzugehen (E. 1 hievor).

4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten von der IV-Stelle als
unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner wird
keine Parteientschädigung zugesprochen, weil ihm - ohne Durchführung eines
Schriftenwechsels (Art. 102 Abs. 1 BGG) - aufgrund der Beschwerdeerhebung der
IV-Stelle kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Juli 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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