Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.283/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_283/2016

Urteil vom 24. Januar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
handelnd durch seine Ehefrau B.________,
und diese vertreten durch
Rechtsanwältin Susanne Friedauer,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Der 1946 geborene A.________ bezieht seit 1. Juli 1986 eine Entschädigung
wegen Hilflosigkeit leichten Grades bzw. seit 1. Februar 1996 eine
Entschädigung wegen Hilflosigkeit mittleren Grades. Auf den 1. Januar 2004
wurden die Hilflosenentschädigungen für nicht in einem Heim lebende versicherte
Personen betragsmässig erhöht; die Entschädigung des A.________ wurde indessen
nicht entsprechend angepasst. Am 8. Januar 2011 wandte sich der Versicherte an
die IV-Stelle des Kantons Zürich und erkundigte sich, weshalb er lediglich eine
Entschädigung gemäss den Ansätzen der Heimbewohner erhalte, wo er doch noch nie
in einem Heim gewohnt habe. Mit Verfügung vom 12. April 2011 sprach die
IV-Stelle dem Versicherten die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen den
beiden Entschädigungsarten für die Zeit ab 1. Januar 2006 zu, verneinte aber
gleichzeitig einen Nachzahlungsanspruch für die Zeit zwischen dem 1. Januar
2004 und dem 31. Dezember 2005. Das Bundesgericht wies die hiegegen erhobene
Beschwerde mit Urteil 8C_977/2012 vom 27. März 2013 letztinstanzlich ab.

A.b. Bereits am 23. November 2011 machte A.________ gegenüber der IV-Stelle
vorsorglich einen Schadenersatzanspruch geltend. Nach Vorliegen des
bundesgerichtlichen Urteils vom 27. März 2013 wies die IV-Stelle das
Schadenersatzbegehren mit Verfügung vom 30. Januar 2014 ab.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Februar
2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, die IV-Stelle sei unter Aufhebung der
Verfügung und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, ihm
Schadenersatz in der Höhe vom Fr. 25'560.- zuzüglich Zins von 5 % ab dem 1.
Januar 2005 und Anwaltskosten in der Höhe von Fr. 12'031.80 zuzüglich Zins von
5 % ab dem 28. September 2012 zu bezahlen.

Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs.
1 lit. d, Art. 90 BGG). Dieser verneint einen Anspruch des Beschwerdeführers
gegen die IV-Stelle auf Schadenersatz im Sinne von Art. 78 ATSG und betrifft
somit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinn von Art. 82 lit. a BGG.
Die Beschwerde ist auf dem Gebiet der Staatshaftung unter anderem zulässig,
wenn der Streitwert nicht weniger als Fr. 30'000.- beträgt (Art. 85 Abs. 1 lit.
b BGG). Dieser Betrag ist gemäss der vorinstanzlichen Streitwertberechnung
vorliegend erreicht, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.

2. 

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

3. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom
1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2005 Anspruch auf eine höhere als die
tatsächlich ausbezahlte Hilflosenentschädigung gehabt hätte, er jedoch wegen
verspäteter Geltendmachung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 ATSG keinen Anspruch auf
Nachzahlung des Differenzbetrages hat (vgl. Urteil 8C_977/2012 vom 27. März
2013). Streitig und zu prüfen ist demgegenüber, ob er den Differenzbetrag als
Schadenersatz von der IV-Stelle verlangen kann.

4.

4.1. Für Schäden, die von Durchführungsorganen oder einzelnen Funktionären von
Versicherungsträgern einer versicherten Person oder Dritten widerrechtlich
zugefügt wurden, haften gemäss Art. 78 Abs. 1 ATSG die öffentlichen
Körperschaften, privaten Trägerorganisationen oder Versicherungsträger, die für
diese Organe verantwortlich sind. Diese Bestimmung statuiert eine
Kausalhaftung. Es ist somit kein Verschulden verlangt. Hingegen muss ein
Kausalzusammenhang zwischen der widerrechtlichen Handlung und dem Schaden
bestehen (BGE 133 V 14 E. 7 S. 18 mit Hinweis). Widerrechtlichkeit im Sinne von
Art. 78 Abs. 1 ATSG setzt die Verletzung einer Gesetzesbestimmung zum Schutz
der Interessen Dritter voraus, ohne dass es dafür einen Rechtfertigungsgrund
gibt (Art. 3 Abs. 1 VG in Verbindung mit Art. 78 Abs. 4 ATSG; BGE 137 V 76 E.
3.2 S. 79). Eine Vermögensschädigung für sich allein genommen ist nicht
rechtswidrig; sie ist es nur, wenn sie auf ein Verhalten zurückgeht, das als
solches, d.h. unabhängig von seiner Wirkung auf das Vermögen, von der
Rechtsordnung verpönt wird (BGE 116 Ib 193 E. 2a S. 195; Urteil 2A.511/2005 vom
16. Februar 2009 E. 5.1). Die auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruhende
Verweigerung von Sozialversicherungsleistungen fällt grundsätzlich nicht unter
den Begriff der Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 78 Abs. 1 ATSG (vgl.
Urteil 9C_143/2014 vom 22. Juli 2014 E. 3 mit weiteren Hinweisen).

4.2. Die Vorinstanz bejahte eine Widerrechtlichkeit unter Hinweis auf lit. a
Abs. 1 der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der
Änderung des IVG vom 21. März 2003. Gemäss dieser Norm waren die nach
vorherigem Recht zugesprochenen Hilflosenentschädigungen, Pflegebeiträge für
hilflose Minderjährige und Beiträge an die Kosten der Hauspflege innert eines
Jahres nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu überprüfen. Gesetzesartikel,
welche die Versicherungsträger lediglich zur (Über-) Prüfung der
Leistungsansprüche verpflichten, stellen jedoch rechtsprechungsgemäss keine
Normen zum Schutz des Vermögens der interessierten Personen dar (so bezüglich
Art. 17 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 ATSG: BGE 137 V 76 E. 3.3.1 S. 79 f.).
Sinn und Zweck von lit. a Abs. 1 der genannten Schlussbestimmung ist denn auch
nicht der Schutz des Vermögens versicherter Personen vor dem Handeln bzw.
Nichthandeln der Behörde, sondern die Schaffung eines speziellen
Revisionsgrundes, damit auch die laufenden Leistungen an die neue Gesetzeslage
angepasst werden konnten (vgl. zu dieser Problematik: BGE 135 V 201 E. 6.1.1 S.
205 f.). Somit vermöchte selbst eine Verletzung der Schlussbestimmungen durch
Nichtanhandnahme der vorgesehenen Überprüfung keine Widerrechtlichkeit im Sinne
von Art. 78 Abs. 1 ATSG zu begründen. Anders zu entscheiden würde im Übrigen in
einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung stehen, wonach Art. 24 Abs. 1 ATSG
auch für rechtzeitig angemeldete Leistungsansprüche gilt (vgl. Urteil 8C_977/
2012 vom 27. März 2013 E. 3.2 mit zahlreichen weiteren Hinweisen), ist doch
kaum eine Konstellation denkbar, in der rechtzeitig angemeldete
Leistungsansprüche in Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ATSG untergehen, ohne dass
dem Versicherungsträger der Vorwurf einer nicht genügend umfassenden Prüfung
der Ansprüche gemacht werden könnte.

4.3. Fehlt es demnach bereits klarerweise an einer Widerrechtlichkeit im Sinne
von Art. 78 Abs. 1 ATSG, so besteht kein Schadenersatzanspruch gestützt auf
diese Norm. Es braucht nicht näher überprüft zu werden, ob zwischen der
unterlassenen Überprüfung des Leistungsanspruchs und dem Untergang desselben in
Anwendung von Art. 24 Abs. 1 ATSG ein adäquater Kausalzusammenhang besteht,
oder ob, wie von der Vorinstanz erwogen, die Adäquanz eines solchen
Kausalzusammenhanges durch ein grobes Selbstverschulden des Beschwerdeführers
unterbrochen wurde. Das kantonale Gericht hat somit jedenfalls im Ergebnis zu
Recht einen Schadenersatzanspruch verneint; die Beschwerde ist demnach
abzuweisen.

5. 
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Januar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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