Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.272/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_272/2016

Urteil vom 1. September 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Hilflosenentschädigung; Wiedererwägung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 7. März 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1953 geborene A.________ bezog gestützt auf die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 10. Januar 2000 aufgrund psychischer und somatischer Leiden
ab August 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 62 % eine halbe Rente der
Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 26. September 2003 erhöhte die
IV-Stelle den Leistungsanspruch wegen einer Verschlechterung des
Gesundheitszustands bei einem Invaliditätsgrad von nunmehr 100 % ab Dezember
2002 revisionsweise auf eine ganze Invalidenrente. Mit Verfügung vom 21. Juli
2005 sprach sie dem Versicherten zu dieser Rente ab Dezember 2003 eine
Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit mittleren Grades zu. Mit
Revisionsverfügung vom 18. August 2014 setzte die IV-Stelle die
Hilflosenentschädigung auf das Ende des der Verfügungszustellung folgenden
Monats nach Massgabe einer nur noch leichten Hilflosigkeit herab.

B. 
A.________ erhob hiegegen Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich gab ihm die Gelegenheit, zur Frage einer allfälligen
zweifellosen Unrichtigkeit der ursprünglich leistungszusprechenden Verfügung im
Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG Stellung zu nehmen. Davon machte A.________
Gebrauch. Mit Entscheid vom 7. März 2016 wies das Gericht die Beschwerde mit
der substituierten Begründung der Wiedererwägung ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm weiterhin
eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades auszurichten.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Der Beschwerdeführer bezieht seit Dezember 2003 zur Invalidenrente der
Invalidenversicherung eine Hilflosenentschädigung. Streitig und zu prüfen ist,
ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der Verwaltung
revisionsweise verfügte Herabsetzung dieses Leistungsanspruchs entsprechend
einer nur noch leichten Hilflosigkeit mit der substituierten Begründung der
Wiedererwägung bestätigte.
Im angefochtenen Entscheid sind die Bestimmungen und Grundsätze zum in drei
Schweregrade abgestuften Anspruch auf Hilflosenentschädigung, zur Bemessung der
Hilflosigkeit, zur Revision der Hilflosenentschädigung wegen erheblicher
Änderung des Hilflosigkeitsgrades, zur Wiedererwägung formell rechtskräftiger
Verfügungen oder Einspracheentscheide und zur gerichtlichen Bestätigung einer
Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Voraussetzung einer Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) ist - nebst der
erheblichen Bedeutung der Berichtigung -, dass kein vernünftiger Zweifel an der
Unrichtigkeit der Verfügung (gemeint ist hiebei immer auch ein allfälliger
Einspracheentscheid) besteht, also nur dieser einzige Schluss denkbar ist.
Dieses Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache
aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte oder wenn massgebliche Bestimmungen
nicht oder unrichtig angewandt wurden. Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach
der bei Erlass der Verfügung bestehenden Sach- und Rechtslage, einschliesslich
der damaligen Rechtspraxis. Um wiedererwägungsweise auf eine verfügte Leistung
zurückkommen zu können, genügt es aber nicht, wenn ein einzelnes
Anspruchselement rechtswidrig festgelegt wurde. Vielmehr hat sich die
Leistungszusprache auch im Ergebnis als offensichtlich unrichtig zu erweisen.
So muss etwa, damit eine zugesprochene Rente wegen einer unkorrekten
Invaliditätsbemessung wiedererwägungsweise aufgehoben werden kann, - nach
damaliger Sach- und Rechtslage - erstellt sein, dass eine korrekte
Invaliditätsbemessung hinsichtlich des Leistungsanspruchs zu einem anderen
Ergebnis geführt hätte (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 f. mit Hinweisen).
Entsprechendes gilt bei der Hilflosenentschädigung (vgl. Urteil 8C_864/2015 vom
30. März 2016).

4. 
Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, zwar sei keine
revisionsbegründende gesundheitliche Veränderung eingetreten. Die Verfügung vom
21. Juli 2005 sei aber zweifellos unrichtig, da darin in der rechtswidrigen
Annahme, der Versicherte bedürfe auch einer dauernden persönlichen Überwachung,
auf eine mittelschwere statt auf eine nur leichte Hilflosigkeit geschlossen
worden sei.

4.1. Diese Beurteilung beruht auf einer sorgfältigen Würdigung der Sach- und
Rechtslage. Die Vorinstanz hat namentlich zutreffend erkannt, dass der
"Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung für Erwachsene" vom 20. Juni 2005
die Notwendigkeit einer dauernden persönlichen Überwachung nicht verlässlich
belegt und die vom Versicherten im kantonalen Verfahren geltend gemachten
Aspekte von Hilfsbedürftigkeit, soweit überhaupt relevant, nicht der
Überwachung zuzurechnen sind.

4.2. Was hiegegen eingewendet wird, lässt die vorinstanzliche Beurteilung nicht
als bundesrechtswidrig erscheinen. Geltend gemacht wird in erster Linie, das
kantonale Gericht sei in unzulässiger Weise vom Abklärungsbericht vom 20. Juni
2005 abgewichen. Das trifft nicht zu. Im Abklärungsbericht wurde die
Notwendigkeit der dauernden persönlichen Überwachung einzig gestützt auf
Angaben des Versicherten und seiner Gattin bejaht, offensichtlich ohne dass die
Abklärungsperson diese Angaben verifiziert und einer eigenen Würdigung
unterzogen hätte. Hinzu kommt, dass die medizinischen Akten eine
Überwachungsbedürftigkeit nicht zu belegen vermochten. Im Gegenteil, der
behandelnde Psychiater hat im Bericht vom 4. April 2005 die Notwendigkeit
dauernder persönlicher Überwachung ausdrücklich verneint. Dies hat die
Vorinstanz zutreffend erkannt. Mit ihr ist auf den besagten Arztbericht
abzustellen, zumal dieser entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung
keine Widersprüche aufweist, welche seinen Beweiswert in Frage stellen könnten.
Dem Versicherten kann mit dem kantonalen Gericht auch nicht gefolgt werden,
soweit er sich auf den aktuellen Abklärungsbericht zur Hilflosigkeit vom 15.
Oktober 2013 beruft. Darin wird die Notwendigkeit einer dauernden persönlichen
Überwachung vielmehr ausdrücklich verneint. Das wird durch die in der
Beschwerde vorgenommene Interpretation einzelner Aussagen im Abklärungsbericht
nicht in Frage gestellt.

4.3. Fehlte es nach dem Gesagten an der Notwendigkeit einer dauernden
persönlichen Überwachung, ist die Verfügung vom 21. Juli 2005 offensichtlich
unrichtig. Denn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen waren unbestrittenermassen
nicht in genügender Weise erfüllt, um auf eine mittelschwere Hilflosigkeit zu
schliessen. Die erhebliche Bedeutung der Berichtigung ist mit Blick auf die zur
Diskussion stehende Dauerleistung gegeben. Das ist ebenfalls nicht umstritten.
Der angefochtene Entscheid ist daher rechtens und die Beschwerde ist
abzuweisen.

5. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. September 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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