Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.26/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]         
8C_26/2016 {T 0/2}     

Urteil vom 18. Mai 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine,
Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Armin Sahli,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Freiburg,
Route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 24. November
2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1972, ist Mutter dreier Kinder (geboren 1992, 1996 und
2004) und war ab 23. Januar 2001 bei der B.________ AG als Mitarbeiterin
angestellt. Nachdem sie sich am 28. September 2009 einer Bandscheibenoperation
hatte unterziehen müssen und anschliessend ihre Tätigkeit wieder zu einem
vollen Pensum aufgenommen hatte, verstärkten sich die Rückenbeschwerden ab Ende
2010 erneut, so dass ihr Hausarzt ihr ab 28. März 2011 eine volle
Arbeitsunfähigkeit attestierte. Im August 2011 meldete sie sich zum
Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Per 31. Dezember 2011 erhielt
sie die Kündigung ihrer Stelle. Die IV-Stelle des Kantons Freiburg holte bei
Frau Dr. med. C.________, Fachärztin für Neurochirurgie, ein Gutachten vom 27.
März 2012 und bei Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, ein solches vom 21. Mai 2013 ein. Gestützt auf diese
medizinischen Unterlagen verneinte die IV-Stelle am 24. September 2013 den
Anspruch auf eine Invalidenrente.

B. 
Das Kantonsgericht des Kantons Freiburg wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 24. November 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihr eine
volle (recte: ganze) Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 %
zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

1.3. Ob gestützt auf die ärztlichen Feststellungen bei diagnostizierten
anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen oder vergleichbaren psychosomatischen
Leiden auf einen Ausschlussgrund wie etwa Aggravation geschlossen werden kann,
stellt eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar (SVR 2015 IV Nr. 38 S. 121 E.
4.1, 9C_899/2014).

2. 
Streitig ist der Anspruch der Versicherten auf eine Invalidenrente.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung
mit Art. 4 Abs. 1 IVG), namentlich bei somatoformen Schmerzstörungen und
vergleichbaren Leiden (BGE 141 V 281, 130 V 352), sowie den Anspruch auf eine
Invalidenrente (Art. 28 IVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; BGE 129 V 222), die Aufgabe des Arztes bei
der Ermittlung des Invaliditätsgrads (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195; 132 V 93 E.
4 S. 99), die Würdigung ärztlicher Berichte (BGE 134 V 231      E. 5.1 S. 232;
125 V 351 E. 3a S. 352), namentlich bei Hausärzten (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S.
353), die Zumutbarkeit des Berufswechsels bei langandauernder Arbeitsfähigkeit
(BGE 141 V 625 E. 4.1      S. 629 mit Hinweisen) sowie die Unbeachtlichkeit
medizinisch-theoretischer Angaben (BGE 111 V 235 E. 1b S. 239; bestätigt etwa
mit Urteilen 9C_332/2008 vom 19. Februar 2009 E. 3.3 oder 9C_221/2008 vom 14.
Januar 2009 E. 3.2) und des subjektiven Empfindens der versicherten Person
(vgl. Art. 7 Abs. 2 ATSG). Darauf wird verwiesen.

4. 
Die Vorinstanz hat gestützt auf die Berichte der Frau Dr. med. E.________,
Fachärztin für Anästhesiologie, Spital F._______, vom 4. August 2011 und 29.
September 2011, des Dr. med. G.________, Facharzt für Neurochirurgie, vom 11.
November 2011 und 2. Dezember 2011, des Dr. med. H.________, Spital I.________,
vom 5. Juli 2012 sowie die Gutachten der Frau Dr. med. C.________ vom 27. März
2012 und des Dr. med. D.________ vom 21. Mai 2013 in für das Bundesgericht
verbindlicher Weise (E. 1.2) festgestellt, bei der Versicherten liege eine
Aggravation vor. Ausgehend davon kam sie zum Schluss, es sei kein
invalidenversicherungsrechtlich massgeblicher Gesundheitsschaden ausgewiesen,
so dass mit den Gutachtern C.________ und D.________ von einer zumutbaren
vollen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit ausgegangen werden
könne. In der Folge verneinte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente.

5. 
Daran vermögen auch die Einwände der Versicherten nichts zu ändern:

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt das Sozialversicherungsgericht die
Gesetzmässigkeit der angefochtenen Verfügungen in der Regel nach dem
Sachverhalt, der zur Zeit des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens gegeben
war. Tatsachen, die jenen Sachverhalt seither verändert haben, sollen im
Normalfall Gegenstand einer neuen Verwaltungsverfügung sein (BGE 131 V 242 E.
2.1 S. 243; 121 V 362 E. 1b S. 366).
Massgebend ist demnach der gesundheitliche Zustand bei Erlass der strittigen
Verwaltungsverfügung vom 24. September 2013. Die nach diesem Zeitpunkt
erfolgten Behandlungen und Veränderungen des gesundheitlichen Zustands sind für
die Beurteilung der hier strittigen Fragen nicht relevant, sondern können
allenfalls - wie die Vorinstanz zu Recht festhält - Gegenstand einer
Neuanmeldung bilden.

5.2. Gestützt auf das Gutachten der Frau Dr. med. C.________ vom       27. März
2012, welches in Einklang mit den Diagnosen der anderen Ärzte steht, ist
erstellt, dass aus somatischer Sicht kein invalidenversicherungsrechtlich
relevantes Leiden vorliegt. Daran ändert auch nichts, dass verschiedentlich
neuropathische Beschwerden erwähnt wurden. Denn einerseits handelt es sich
dabei lediglich um eine Vermutung der Ärzte; andererseits konnten diese trotz
eingehender Untersuchungen kein die Arbeitsfähigkeit in einer
Verweisungstätigkeit einschränkendes somatisches Leiden (im Sinne der
Rechtsprechung [BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251]) objektivieren.

5.3. Auch dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. D.________ vom 21. Mai
2013 kommt voller Beweiswert zu. Mit der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden,
dass das Gutachten auf Französisch erstellt wurde. Wie sie bereits festhielt,
ist der Versicherten daraus kein Nachteil erwachsen, hat doch ihr (gemäss den
Angaben der Vorinstanz auch französische Fälle bearbeitende) Rechtsvertreter
dieses verstanden und sachgerecht Einwände dagegen erheben können. So war denn
auch bereits die Aufforderung zur Begutachtung auf Französisch erfolgt, was die
Versicherte jedoch zu keinerlei Einwänden veranlasste. Zudem ist zu beachten,
dass im Kanton Freiburg sowohl Deutsch wie Französisch als Amtssprachen gelten
(Art. 6 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Freiburg vom 16. Mai 2004; SGF 10.1)
und das Untersuchungsgespräch mit der Versicherten auf Deutsch geführt worden
war. Entgegen der Ansicht der Versicherten wird das Gutachten des Dr. med.
D.________ insbesondere durch die Berichte der verschiedenen Institutionen nach
Erlass der strittigen Verfügung nicht in Zweifel gezogen, da diese sich auf den
Gesundheitszustand in einem nicht massgeblichen Zeitpunkt (vgl. E. 5.1)
beziehen; zudem ist zu beachten, dass sich der Behandlungs- und der
Begutachtungsauftrag unterscheiden (SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43 E. 2.2.1, I 514/
06), und es kann nicht ausser Acht gelassen werden, dass behandelnde Ärzte im
Zweifelsfall eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 351 E. 3b/cc
S. 353; vgl. auch SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137 E. 3.3.3, 9C_121/2014).
Schliesslich ist das Gutachten des Dr. med. D.________ nicht einfach
unbeachtlich, bloss weil es vor Erlass von BGE 141 V 281 erstellt worden ist;
nach der Rechtsprechung ist in solchen Situationen vielmehr im Einzelfall zu
prüfen, ob die medizinischen Grundlagen ausreichen, um im konkreten Fall die
massgeblichen Indikatoren zu prüfen (vgl. BGE 141 V 281 E. 8 S. 309 sowie
bereits BGE 137 V 210 E. 6 S. 266). Hier ist der medizinische Sachverhalt -
namentlich gestützt auf das Gutachten des Dr. med. D.________ - hinreichend
erstellt, um eine Beurteilung der Indikatoren resp. allfälliger
Ausschlussgründe im Sinne von BGE 141 V 281 vorzunehmen, so dass sich eine
Rückweisung zu erneuter medizinischer Abklärung erübrigt.

5.4. Entgegen der Ansicht der Versicherten war die Aggravation bereits unter
der Rechtsprechung vor BGE 141 V 281 ein Ausschlussgrund (BGE 131 V 49 E. 1.2
S. 51). Somit ist nicht zu beanstanden, dass Vorinstanz und IV-Stelle den
Anspruch auf Rente verneinten, sofern eine Aggravation rechtsgenüglich
ausgewiesen ist.
Die Vorinstanz hat gestützt auf die medizinischen Akten eine Aggravation
bejaht. Dies ist zutreffend. Dabei kann offen bleiben, ob die Vorinstanz
berechtigterweise auf den Bericht des Dr. med. H.________ vom 5. Juli 2012
abgestellt hat; denn die Aggravation ergibt sich auch aus mehreren anderen
ärztlichen Einschätzungen. So stellt Dr. med. G.________ in seinem Bericht vom
11. November 2011 auffällige Diskrepanzen zwischen subjektiven Schmerzangaben
und objektiven Befunden fest, Frau Dr. med. C.________ erwähnt in ihrem
Gutachten vom 27. März 2012 ein auffälliges Schmerzverhalten und der
psychiatrische Experte Dr. med. D.________ schliesst explizit auf Aggravation.

5.5. Da infolge der Aggravation kein sozialversicherungsrechtlich massgebender
Gesundheitsschaden ausgewiesen ist (BGE 141 V 281 E. 2.2 S. 287; 131 V 49 E.
1.2 S. 51), sind die Rügen bezüglich der Foerster-Kriterien resp. nunmehr der
Indikatoren nicht weiter zu prüfen, sondern es ist von einer zumutbaren vollen
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit auszugehen. Mangels Einwänden
gegen den vorgenommenen Einkommensvergleich und fehlenden Anhaltspunkten in den
Akten, wonach dieser offensichtlich unzutreffend wäre, bleibt es beim
vorinstanzlich berechneten Invaliditätsgrad und der Verneinung eines
Rentenanspruchs.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, der Trigona Sammelstiftung für berufliche
Vorsorge, Basel, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 18. Mai 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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