Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.260/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_260/2016

Urteil vom 13. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Rüegg,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 23. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1965, war ab 4. Oktober 1999 bei der B.________ AG als
stellvertretender Leiter Logistik angestellt und in dieser Eigenschaft bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 29. Juni 2010 erlitt er bei einer unverschuldeten
Frontalkollision diverse Verletzungen. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen
Leistungen. Mit Verfügung vom 17. Juli 2013, bestätigt mit Einspracheentscheid
vom 12. Dezember 2014, sprach ihm die SUVA ab 1. September 2013 eine
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 33 % sowie eine
Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % zu.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde am 23. Februar 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ein
polydisziplinäres Gutachten einzuholen; eventualiter sei dieses Gutachten durch
die Vorinstanz resp. die SUVA einzuholen. Subeventualiter sei ihm ab 1.
September 2013 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine monatliche Rente von
Fr. 6'082.65 abzüglich der IV-Rente sowie eine Integritätsentschädigung von Fr.
63'000.- bei einer Integritätseinbusse von 50 % zuzusprechen. Zudem beantragt
er für den Fall seines Obsiegens auch eine Entschädigung für das
Einspracheverfahren.
Das Bundesgericht führte keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig ist die Höhe der zugesprochenen Invalidenrente wie auch der gewährten
Integritätsentschädigung.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG)
und auf eine Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 UVG; Art. 36
UVV) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Voraussetzungen des
Fallabschlusses mit Prüfung der Rentenfrage (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 137 V 199
E. 2.1 S. 201; 134 V 109 E. 4.1 S. 113) und die Anforderungen an einen
ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).
Darauf wird verwiesen.

4. 
Die Vorinstanz hat in E. 4 des angefochtenen Entscheids die massgeblichen
ärztlichen Berichte einlässlich und zutreffend wiedergegeben; darauf wird
ebenfalls verwiesen.

5. 
Der Versicherte rügt in verschiedener Hinsicht einen unrichtig oder
unvollständig festgestellten Sachverhalt.

5.1. Sowohl der Einwand der "nur" drei Stunden dauernden fachspezifischen
Explorationen als auch jener der ungenügenden, da abgebrochenen Abklärungen
bezüglich des neuropsychologischen Teilgutachtens verfängt nicht. Denn die
Experten haben bei der Wahl der Untersuchungsmethoden ein grosses Ermessen und
es kommt weniger auf die Dauer der Untersuchung als vielmehr auf deren Inhalt
an (vgl. etwa Urteil 8C_558/2015 vom 22. Dezember 2015 E. 4.2.3 oder Urteil
8C_603/2013 vom 9. April 2014 E. 4.1). Weiter ist nicht zu beanstanden, dass
die Vorinstanz auf die Befragung der Ehefrau und Tochter verzichtet hat.
Einerseits wären diese Laienaussagen nicht geeignet, die von verschiedenen
Ärzten festgestellte Aggravation zu widerlegen. Andererseits vermöchten auch
allfällige Beobachtungen der beiden Frauen nicht, neuropsychologische
Beeinträchtigungen mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
nachzuweisen. Der Verzicht auf eine Anhörung der beiden stellt daher keine
Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, sondern ist im Rahmen der grundsätzlich
zulässigen antizipierten Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 124 V 90
E. 4b S. 94) nicht zu beanstanden und von der Vorinstanz nachvollziehbar
begründet worden.

5.2. Soweit der Versicherte rügt, das neuropsychologische Teilgutachten sei vor
Erstattung der Berichte des Prof. Dr. med. C.________, Klinik für
Neuroradiologie, Spital D.________, und damit nicht in Kenntnis aller
wesentlichen Umstände ergangen, weshalb es unbeachtlich sei, kann ihm nicht
gefolgt werden. Denn die Berichte des Prof. Dr. med. C.________ vom 3. Dezember
2012 und 9. Januar 2013 sind nicht geeignet, einen Kausalzusammenhang zwischen
dem Ereignis vom 29. Juni 2010 und den geltend gemachten "Mikrobleeds"
nachzuweisen, geht Prof. Dr. med. C.________ doch selbst in seinem Bericht vom
9. Januar 2013 nur davon aus, dass dies möglich sei. Nach konstanter
Rechtsprechung reicht jedoch die Möglichkeit nicht aus, um einen natürlichen
Kausalzusammenhang nachzuweisen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen);
verlangt ist vielmehr ein Nachweis nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit. Dieser ist vorliegend aber nicht erbracht. Zudem erfolgte
die abschliessende interdisziplinäre Beurteilung in Kenntnis der beiden
Berichte des Prof. Dr. med. C.________. In diesem Zusammenhang ist der
Versicherte auch darauf hinzuweisen, dass der Unfallversicherer nicht eine
andere, unfallfremde Ursache nachzuweisen hat, sondern dass es ausreicht, wenn
er mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung mit dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen kann, dass der Unfall in keinem
Zusammenhang mit den geltend gemachten Beschwerden steht; alles andere würde
auf die unzulässige Beweismaxime "post hoc ergo propter hoc" hinauslaufen (BGE
119 V 335 E. 2b/bb S. 341; SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34 E. 4.2.3, U 290/06; vgl.
zudem Urteil 8C_189/2013 vom 4. Oktober 2013 E. 5). Der Versicherte hat auch
gestützt auf Art. 43 ATSG keinen Anspruch auf eine erneute neuropsychologische
Begutachtung, bei welcher er im Vorfeld zu Kooperation und Unterlassung
aggravierenden Verhaltens ermahnt wird.

5.3. Der Versicherte hält weiter das neurologische Teilgutachten für nicht
nachvollziehbar, weshalb nicht darauf abgestellt werden könne. Mit der
Vorinstanz ist jedoch festzuhalten, dass der neurologische Experte und
federführende Gutachter ein in jeder Hinsicht den Anforderungen der
Rechtsprechung genügendes Gutachten erstattete. Diesbezüglich kann auf die
überzeugende Begründung der Vorinstanz verwiesen werden. Wie bereits erwähnt
(E. 5.2), vermögen auch die Berichte des Prof. Dr. med. C.________ die
Einschätzungen des neurologischen Experten nicht in Zweifel zu ziehen.
Bezüglich des strittigen Kopfanpralls ist zu beachten, dass der Versicherte
einen solchen in keiner der zeitlich dem Unfallereignis naheliegenden
Schilderungen erwähnte. Eine Kontusion des Schädels wurde im Austrittsbericht
des erstbehandelnden Spitals E.________ vom 31. August 2010 zwar vermerkt, doch
fand sie keinen Eingang in die Liste der zahlreichen diagnostizierten
Kontusionen. Das am Unfalltag erstellte Schädel-CT wurde unter Hinweis auf
multiple Kontusionen und das verwendete (gerinnungshemmende) Marcumar
veranlasst, jedoch ohne als Indikation einen Kopfanprall oder eine
Schädelkontusion zu nennen. Vor allem aber zeigte es unauffällige Ergebnisse.
Zudem waren die festgestellten Prellungen gemäss Arztzeugnis des Spitals
E.________ vom 29. Juli 2010 auf den Gurt zurückzuführen. Unter diesen
Umständen ist nicht zu beanstanden, dass der neurologische Experte nicht von
einem gesicherten Kopfanprall ausging. Die vom Rechtsvertreter des Versicherten
diesbezüglich gemachten Überlegungen sind lediglich Spekulationen und vermögen
die fachärztliche Einschätzung nicht in Zweifel zu ziehen.

5.4. Soweit der Versicherte geltend macht, die gegenüber der Casemanagerin
Anfang November 2010 geklagten Einschränkungen würden ein Beschwerdebild
belegen, welches bei der Beurteilung der Adäquanz die Rechtsprechung zu den
Schleudertraumata oder vergleichbaren Verletzungen rechtfertige, kann ihm nicht
gefolgt werden. Vorliegend ergeben sich weder aus dem Austrittsbericht des
Spitals E.________ vom 31. August 2010 noch aus jenem der Rehaklinik F.________
vom 28. September 2010 oder dem dort erstellten psychosomatischen Konsilium vom
6. September 2010 Hinweise auf entsprechende Beschwerden; vielmehr werden
diesbezügliche Klagen des Versicherten (Vergesslichkeit, Gedächtnislücken) gut
drei Monate nach dem Unfall erstmals in den Akten festgehalten. Damit ist aber
kein mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesenes
Beschwerdebild erstellt, welches die Prüfung der Adäquanz nach BGE 134 V 109
nach sich zieht.

5.5. Entgegen der Ansicht des Versicherten lässt sich das psychiatrische
Teilgutachten ebenfalls nicht beanstanden. Denn es entspricht den formellen
Anforderungen an ein Gutachten und ist inhaltlich überzeugend und
nachvollziehbar. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten
Verschlechterung, welche vom psychiatrischen Gutachter gestützt auf den Bericht
der Frau Dr. med. G.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,
vom 18. Juli 2011 sowie von der Vorinstanz gestützt auf ihren inhaltlich
weitgehend identischen Bericht vom 6. März 2013 geprüft und je mit
überzeugender Begründung verworfen wurde. Denn die behandelnde Psychiaterin
stützt sich bei ihrer Einschätzung vornehmlich auf die Angaben des
Versicherten, ohne objektiv feststellbare Symptome anzuführen. Daran vermögen
auch die Berichte der H.________ AG vom 18. Dezember 2013 und 7. April 2014
sowie der Tagesklinik I.________ für Psychotherapie und Sozialpsychiatrie vom
15. März 2014 nichts zu ändern, zumal auch diese keine über die Aussagen des
Versicherten hinausgehende Begründung ihrer Einschätzungen enthalten und sich
namentlich nicht mit der Beurteilung des Gutachters auseinandersetzen. Es
drängt sich somit auch keine erneute psychiatrische Begutachtung auf.

5.6. Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz gestützt
auf die polydisziplinäre Begutachtung nur von unfallkausalen
orthopädisch-rheumatologischen Einschränkungen ausging und den Fallabschluss
unter Ausserachtlassung der geklagten neuropsychologischen und psychischen
Beschwerden vornahm.

6. 
Von der zugrunde gelegten Arbeitsunfähigkeit abgesehen bringt der Versicherte
keine Einwände gegen den Einkommensvergleich vor. Es sind auch keine
Anhaltspunkte in den Akten ersichtlich, wonach dieser offensichtlich
unzutreffend wäre, so dass mit der Vorinstanz die von der Verwaltung
festgesetzte Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 33 % zu bestätigen
ist.

7. 
Weil die geklagten psychischen und neuropsychologischen Beschwerden nicht
unfallkausal sind (E. 5), hat die SUVA dafür auch keine
Integritätsentschädigung auszurichten. Es bleibt demnach bei der anerkannten
Integritätseinbusse von 25 %.

8. 
Da die Beschwerde des Versicherten abgewiesen und der vorinstanzliche Entscheid
bestätigt wird, ist sein Antrag auf Entschädigung für das Einspracheverfahren
gegenstandslos (vgl. zur Frage der Entschädigung im Einspracheverfahren BGE 130
V 570 E. 2.3 S. 573 sowie Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 68 f. zu
Art. 52 ATSG).

9. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Juli 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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