Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.236/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_236/2016

Urteil vom 11. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Olivier Zigerli,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 23. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1982 geborene A._________ war seit Januar 2006 bei der B._________ AG als
Lagermitarbeiterin angestellt und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 12. Dezember 2007 wurde die Versicherte beim Überqueren einer
Strasse im Bereich eines Fussgängerstreifens von einem mit einer
Geschwindigkeit von ca. 40 km/h herannahenden Personenwagen erfasst, wobei sie
auf die Motorhaube geschleudert wurde, den Kopf an der Windschutzscheibe
anschlug und anschliessend auf die Fahrbahn zurückgeworfen wurde (Rapport der
Polizei vom 19. Dezember 2007). Die Ärzte des Spitals C.________, wo die
Versicherte vom 12. bis 21. Dezember 2007 hospitalisiert war, diagnostizierten
ein leichtes Schädel-Hirntrauma (mit Kalottenfraktur parieto-temporal rechts
mit ca. 4 mm grosser epiduraler Frakturblutung, Commotio cerebri sowie mit
nicht dislozierter Jochbogenfraktur rechts) und Brüche am rechten
Oberarmknochen, der rechten Elle sowie am rechten Wadenbein (Austrittsbericht
vom 24. Dezember 2007). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen und
klärte den Sachverhalt in medizinischer und beruflicher Hinsicht ab. Mit
Schreiben vom 3. September 2010 teilte sie der Versicherten mit, gemäss den
ärztlichen Unterlagen sei eine Behandlung nicht mehr nötig; sollte sich der
Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt verschlechtern, könne sie sich
wieder melden.
Am 9. Mai 2012 ersuchte die Versicherte, die Abklärungen wieder aufzunehmen
oder eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. Die SUVA holte unter anderem den
Bericht des Zentrums D.________ für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte vom
13. August 2012 ein (vgl. auch deren Bericht vom 25. November 2013) und
veranlasste ein MRI (magnetic resonance imaging) des Gehirns (Bericht des
Spitals E.________, Klinik für Neuroradiologie vom 31. Mai 2013). Laut Bericht
des Dr. med. F.________, Neurologie FMH, SUVA Versicherungsmedizin, vom 21.
November 2013 gründete die vom Zentrum D.________ postulierte "multifokale
Hirnleistungsstörung" auf nicht nachvollziehbaren medizinischen Argumenten; aus
neurologischer Sicht lagen keine organisch strukturellen Unfallfolgen mehr vor;
von der weiteren medizinischen Behandlung war keine Besserung zu erwarten, da
die aktuellen Beschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in
Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen waren. Dr. med. G.________, Facharzt für
Allgemeinmedizin FMH, Manuelle Medizin SAMM, hielt gestützt auf die
kreisärztliche Abschlussuntersuchung vom 4. März 2014 fest, dass keine
orthopädischen Behandlungen mehr stattfanden; der Versicherten waren körperlich
leicht bis mittelschwer belastende Tätigkeiten, die keine Verrichtungen mit dem
rechten Arm oberhalb der Horizontalen insbesondere repetitiver Art erforderten,
ganztägig zumutbar. Mit Verfügung vom 22. April 2014 hielt die SUVA fest,
mangels leistungsbegründenden Invaliditätsgrades sei kein Anspruch auf eine
Invalidenrente gegeben und mangels erheblicher körperlicher Beeinträchtigung
bestehe auch kein Anspruch auf eine Integritätsentschädigung. Eine Einsprache
lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 10. Dezember 2014).

B. 
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Sache an die SUVA zurück, damit sie -
nach Vornahme der Abklärungen im Sinne der Erwägungen - neu verfüge (Entscheid
vom 23. Februar 2016).

C. 
Die SUVA führt Beschwerde und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben; eventualiter sei die Angelegenheit an das kantonale Gericht,
subeventualiter an die Verwaltung zurückzuweisen.
A._________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG)
sowie gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die
Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG). Gegen andere
selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach Art.
93 BGG zulässig, sofern - alternativ - der Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(Abs. 1 lit. b).

1.2. Das kantonale Gericht hat in den Erwägungen seines Rückweisungsentscheids
erkannt, dass die kognitiven Störungen und die Kopfschmerzen entgegen der
Auffassung der SUVA in einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang mit dem
Unfall vom 12. Dezember 2007 und dessen unmittelbaren Folgen stünden. Ob und
inwieweit sie dadurch in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt werde, habe die
SUVA nicht abgeklärt, weshalb die Sache an sie zurückzuweisen sei.

1.3. Beim vorinstanzlichen Rückweisungsentscheid handelt es sich in der
Terminologie des BGG um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil darstellt, da die SUVA gezwungen würde, entgegen ihrer
Auffassung die genannten gesundheitlichen Einschränkungen als unfallkausal
anzuerkennen und gestützt darauf - je nach Ergebnis der durchzuführenden
Abklärungen - weitere Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung
erbringen zu müssen (vgl. dazu BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Unter diesen
Umständen ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 132 II 257E. 2.5 S. 262; 130 III 136E. 1.4 S. 140). Gemäss
Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie
eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3.

3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die kognitiven Störungen und die
Kopfschmerzen in einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang zum Unfall vom 12.
Dezember 2007 standen.

3.2. Das kantonale Gericht hat die dabei zu beachtenden kausal- und
beweisrechtlichen Grundsätze zutreffend dargelegt. Zu wiederholen ist, dass die
Leistungspflicht des Unfallversicherers einen natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
voraussetzt (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181). Dabei spielt im
Sozialversicherungsrecht die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus
dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im
Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da
sich die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt. Anders
verhält es sich bei natürlich unfallkausalen, aber organisch nicht objektiv
ausgewiesenen Beschwerden. Hier bedarf es einer besonderen Adäquanzbeurteilung.
Dabei ist vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind je nachdem
weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen. Gemäss der für psychische
Fehlentwicklungen nach Unfall erarbeiteten sog. Psycho-Praxis (BGE 115 V 133)
werden diese Adäquanzkriterien unter Ausschluss psychischer Aspekte geprüft,
während nach der bei Schleudertraumen und äquivalenten Verletzungen der HWS
sowie Schädel-Hirntraumen anwendbaren sog. Schleudertrauma-Praxis auf eine
Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet wird
(zum Ganzen: BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112 mit Hinweisen).

4.

4.1.

4.1.1. Die Vorinstanz hat erwogen, Dr. med. F.________ habe schlüssig
dargelegt, dass die vom Zentrum D.________ postulierte "multifokale
Hirnleistungsstörung" bei möglichem "passagerem Hirnödem" sämtlichen klinischen
und radiologischen Befunden widerspreche. Daher sei gestützt auf dessen
Schlussfolgerung ohne Weiteres davon auszugehen, dass den kognitiven Störungen
und den Kopfschmerzen kein objektiv nachweisbares Korrelat zugrunde liege.
Hiegegen überzeuge seine Auffassung, die genannten Befunde stünden nicht in
einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 12. Dezember 2007 und
dessen unmittelbaren Folgen, nicht. Schon die Ärzte des Spitals C.________
hätten laut Berichten vom 6. August und 4. September 2008 sowie 24. Februar
2009 Ermüdbarkeit und Konzentrationsschwäche sowie eine leichte bis deutliche
Aufmerksamkeitsstörung festgestellt, die eine unfallbedingt verminderte
kognitive Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit von 20 % zur Folge hätten. Diese
Einschätzung sei von lic. phil. H.________, der von med. pract. I.________,
Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie FMH, zur Durchführung der
Psychotherapie eingesetzt worden sei (vgl. Bericht vom 23. Februar 2009), sowie
von den Ärzten des Zentrums D.________ (Berichte vom 13. August 2012 und 25.
November 2013) bestätigt worden.

4.1.2. Die SUVA bringt vor, Dr. med. F.________ habe in Übereinstimmung mit den
medizinischen Akten festgestellt, dass die anlagebedingte, sich hemiplegisch
auswirkende Migräne mit zum Teil komplizierter Ausprägung nicht auf den Unfall
zurückgeführt werden könne, was nicht bestritten sei. Die Vorinstanz habe dazu
insbesondere die Beurteilungen von universitären hochqualifizierten
Spezialisten ausgeblendet (Spital J.________; Spital E.________). In Bezug auf
die neuropsychologischen Defizite lägen widersprüchliche Meinungen vor, weshalb
sich diesbezüglich entgegen der vorinstanzlichen Würdigung die Frage, ob sie
mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in einer natürlichen
Kausalität zum Unfall vom 12. Dezember 2007 stünden, nicht schlüssig beurteilen
lasse. Nach der Rechtsprechung begründeten neuropsychologisch festgestellte
Beeinträchtigungen ohne entsprechendes neurologisch überprüfbares Substrat
keinen Befund, aufgrund dessen auf einen natürlichen Kausalzusammenhang
geschlossen werden könne. Insgesamt könne indessen auf weitere medizinische
Abklärungen verzichtet werden, da der adäquate Kausalzusammenhang ohnehin zu
verneinen sei.

4.1.3. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass die SUVA initial für die
Behandlung der Kopfverletzung mit Kalottenfraktur aufgekommen sei und nie
bestritten habe, diese Verletzung habe kognitive Störungen und Kopfschmerzen
ausgelöst. Die SUVA lege nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit dar, dass die bestehenden Beeinträchtigungen nicht mehr
unfallbedingt seien.

4.2. Es kann offenbleiben, ob die kognitiven Störungen und Kopfschmerzen
natürlich unfallkausal seien. Denn nach der Rechtsprechung ist es zulässig,
eine Leistungspflicht des Unfallversicherers zu verneinen und die Frage, ob ein
natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den nicht
objektivierbaren Beschwerden besteht, offenzulassen mit der Begründung, ein
allfälliger natürlicher Kausalzusammenhang wäre nicht adäquat und damit nicht
rechtsgenüglich (BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472).

5.

5.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Versicherte habe beim Unfall vom 12.
Dezember 2007 ein leichtes Schädel-Hirntrauma erlitten, das höchstens den
Schweregrad einer Commotio cerebri erreicht habe. Daher sei die Adäquanz nach
den in BGE 115 V 133 entwickelten Kriterien zu prüfen.

5.2.

5.2.1. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, anders als im Fall, der dem Urteil
8C_75/2016 vom 18. April 2016 E. 4.2 zugrunde gelegen habe, seien vorliegend
strukturelle Verletzungen in Form einer Kalottenfraktur mit Einblutungen, eine
Jochbeinfraktur sowie eine Amnesie festgestellt worden. Daher sei von einer
Commotio cerebri im Grenzbereich zu einer Contusio cerebri auszugehen, weshalb
die Schleudertrauma-Praxis anzuwenden sei.

5.2.2. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Entscheidend für die
Beurteilung der aufgeworfenen Frage sind in erster Linie die von den Ärzten
initial festgestellten Befunde und Schlussfolgerungen. Sowohl im Spital
K.________ (Bericht vom 13. Dezember 2007) wie auch im Spital C.________
(Bericht vom 24. Dezember 2007) wurde angesichts unauffälliger
neurologisch-klinischer und radiologischer Befunde der maximale Wert auf der
Glasgow Coma Scale (GCS) von 15 Punkten angenommen, was höchstens einer
leichten Commotio cerebri mit leichter Bewusstseinsstörung entspricht (vgl.
z.B. flexikon.doccheck.com/de/Glasgow_Coma_Scale).

6.

6.1.

6.1.1. Das kantonale Gericht hat weiter erkannt, das ehemalige Eidgenössische
Versicherungsgericht (heute: Schweizerisches Bundesgericht) habe in einer
vergleichbaren Konstellation einen mittleren Unfall im Grenzbereich zu den
schweren Ereignissen angenommen (Urteil U 214/04 vom 15. März 2005 Sachverhalt
lit. A und E. 2.2.5). In jenem Fall sei eine Fussgängerin auf einem
Fussgängerstreifen von einem Auto angefahren und weggeschleudert worden, wobei
sie ein Schädel-Hirntrauma mit Commotio cerebri, ein stumpfes Thoraxtrauma mit
Rippenserienfrakturen, eine Rissquetschwunde frontal sowie multiple
Kniekontusionen und Hautschürfungen erlitten habe. Verglichen dazu habe die
Versicherte beim Unfall vom 12. Dezember 2007 mindestens gleich schwere, wenn
nicht gar schlimmere Verletzungen (Kalottenfraktur mit Einblutungen und
Jochbeinfraktur) erlitten. Für die erhebliche Krafteinwirkung sprächen auch die
Beschädigungen am Fahrzeug. Da auch hier ein mittelschweres Ereignis im
Grenzbereich zu den schweren Unfällen vorliege und das unfallbezogene
Adäquanzkriterium der besonderen Eindrücklichkeit erfüllt sei, was für die
Annahme des adäquaten Kausalzusammenhangs genüge, seien die weiteren objektiv
fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als
Folge davon erscheinenden Umstände, welche als massgebende Kriterien in die
Gesamtwürdigung einzubeziehen seien, nicht zusätzlich zu prüfen.

6.1.2. Der vorinstanzlichen Beurteilung der Unfallschwere kann nicht
beigepflichtet werden. Das kantonale Gericht hat diesen Punkt im Wesentlichen
gestützt auf die erlittenen Verletzungen und nicht aufgrund des augenfälligen
Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelten Kräften beurteilt. Gemäss dem
im angefochtenen Entscheid zitierten Urteil U 214/04 E. 2.2.1 in Verbindung mit
E. 2.2.5 war für die Qualifizierung der Schwere des Unfalls ausschlaggebend,
dass die versicherte Person unbestritten 15 bis 20 Meter durch die Luft
geschleudert wurde. So liegen die Verhältnisse hier nicht. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdegegnerin kann aus dem Umstand, dass ein Zeuge
aussagte, sie habe nach dem Unfall ungefähr 10 Meter nach dem
Fussgängerstreifen gelegen, nichts zur Beurteilung der streitigen Frage
gewonnen werden. Zum einen war sich der Zeuge angesichts seiner Perspektive
nicht sicher, was geschah, zum anderen ist nicht eruierbar, wo sich die
Kollision ereignete, mithin ob auf dem Fussgängerstreifen oder aber aus Sicht
des Fahrzeugführers danach, zumal dieser geltend machte, die Versicherte habe
die Strasse in Eile neben dem Fussgängerstreifen überquert. So oder anders
lässt sich der vorliegende Sachverhalt nicht mit dem im Urteil U 214/04
beurteilten vergleichen, weshalb der Unfall vom 12. Dezember 2007 mit der SUVA
als mittelschwer im engeren Sinn zu qualifizieren ist.

6.2.

6.2.1.

6.2.1.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, da ein mittelschwerer Unfall im
Grenzbereich zu den schweren Unfällen vorliege und die Versicherte als
Fussgängerin von einem mit ca. 40 km/h fahrenden Personenwagen frontal erfasst
worden sei, sei das Kriterium der besonderen Eindrücklichkeit erfüllt. Daran
ändere der Umstand nichts, dass sie sich nicht an den Unfallhergang zu erinnern
vermöge, da dies das subjektive Erleben und nicht das objektiv erfassbare
Ereignis betreffe.

6.2.1.2. Die SUVA macht zu Recht geltend, dass die vorinstanzliche Auffassung
nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung steht. Gemäss Urteil 8C_15/2013
vom 24. Mai 2013 E. 7.3.2 mit Hinweisen kann dem Kriterium der Begleitumstände/
Eindrücklichkeit nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden, wie wenn eine
ungetrübte Erinnerung an den Unfall gegeben wäre. Dem steht nicht entgegen,
dass nicht auf das subjektive Erleben des Unfallgeschehens, sondern auf dessen
objektive Eignung, bei den betroffenen Personen psychische Beeinträchtigungen
auszulösen, abzustellen ist. Angesichts dieser Praxis kann der Unfall vom 12.
Dezember 2007 nicht als besonders eindrücklich oder durch besonders dramatische
Umstände begleitet betrachtet werden.

6.2.2. Nach der Rechtsprechung genügt die Diagnose einer Commotio cerebri für
sich allein zur Bejahung des Kriteriums der Schwere oder besonderen Art der
erlittenen Verletzung nicht (BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S. 127). Besondere
Umstände, die das Beschwerdebild beeinflussten, liegen nicht vor. Entgegen den
Ausführungen der Beschwerdegegnerin heilten sämtliche Frakturen
komplikationslos ab.

6.2.3. Die ärztlichen Massnahmen beschränkten sich im Wesentlichen auf den
stationären Aufenthalt vom 12. bis 21. Dezember 2007 und der am 10. Juni 2008
ambulant durchgeführten Entfernung des Osteosynthesematerials. Selbst wenn die
neuropsychologischen Beeinträchtigungen berücksichtigt würden, wäre das
Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung nicht
erfüllt. Laut Bericht des Spitals C.________ vom 24. Februar 2009 lehnte die
Versicherte den Vorschlag, während 6 Monaten ein aktivierend und
schmerzdistanzierend wirkendes Antidepressivum einzunehmen, begleitet von einer
psychotherapeutischen Betreuung, ab.

6.2.4. Gemäss den Berichten des Spitals C.________ vom 29. April und 6. August
2008 war die Versicherte hinsichtlich der somatischen Unfallfolgen weitgehend
beschwerdefrei. Im Vordergrund standen Ermüdbarkeit und Konzentrationsschwäche,
die auch dann nicht in die Adäquanzbeurteilung einzubeziehen wären, wenn sie
körperlich imponierten (vgl. dazu Urteil 8C_825/2008 vom 9. April 2009 E. 4.6).
Das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen ist daher nicht erfüllt.

6.2.5. In Bezug auf die erlittenen körperlichen Verletzungen sind ausweislich
der Akten eine ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich
verschlimmerte, und ein schwieriger Heilungsverlauf oder erhebliche
Komplikationen ohne Weiteres zu verneinen.

6.2.6. Die Versicherte war nach dem Unfall vom 12. Dezember 2007 bis Ende März
2008 vollständig arbeitsunfähig. Danach nahm sie die angestammte Tätigkeit bei
der B._________ AG zu einem halben Pensum wieder auf. Vom 10. bis 30. Juni 2008
war sie wegen der Entfernung des Osteosynthesematerials vollständig
arbeitsunfähig, ab Juli zu 50 % und ab August 2008 zu 100 % arbeitsfähig. Unter
diesen Umständen ist auch das Kriterium des Grades und der Dauer der physisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit zu verneinen.

6.3. Nach dem Gesagten ist keines der relevanten unfallbezogenen
Adäquanzkriterien gegeben. Der adäquate Kausalzusammenhang der kognitiven
Störungen und Kopfschmerzen mit dem Unfall vom 12. Dezember 2007 ist daher in
Gutheissung der Beschwerde zu verneinen.

7. 
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 23. Februar 2016
wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 10. Dezember 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. August 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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