Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.235/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_235/2016

Urteil vom 6. Oktober 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
 A.________, vertreten durch SwissLegal asg.advocati Rechtsanwälte,
Rechtsanwältin Dr. iur. Claudia Oesch,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Am 9. Februar 1999 meldete sich A.________ (bis zur Namensänderung vom 24.
Oktober 2014: AA.________) bei der IV-Stelle St. Gallen unter Angabe einer
unfallbedingten Wirbelsäulenverletzung (Fraktur des Lendenwirbelkörpers 3) und
von Depressionen zum Leistungsbezug an. Nachdem die IV-Stelle ein Gutachten vom
20. Dezember 1999 bei der Medizinischen Abklärungsstelle der
Invalidenversicherung (MEDAS) am Spital B.________ veranlasst hatte, wonach
A.________ in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 25 % eingeschränkt sei,
empfahl Dr. med. C.________, Regionaler Ärztlicher Dienst der
Invalidenversicherung, es sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen, da A.________
für einen Arbeitgeber eine Zumutung sei. Mit Verfügung vom 26. Oktober 2000
sprach ihm die IV-Stelle gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 70 % eine
ganze Rente der Invalidenversicherung zu. In den Jahren 2001, 2003, 2007 und
2009 bestätigte sie den Anspruch. Anlässlich einer erneuten amtlichen
Rentenrevision liess die IV-Stelle den Versicherten polydisziplinär abklären
(Gutachten vom 29. August 2013 der Medizinisches Gutachtenzentrum D.________
GmbH). Gestützt auf die wiederum attestierte Arbeitsunfähigkeit von 25 % hob
die IV-Stelle die Rente mit Verfügung vom 6. Januar 2014 revisionsweise auf.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
das Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 29. Februar 2016 ab

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und ihm weiterhin
eine ganze Rente der Invalidenversicherung auszurichten, eventualiter sei die
Sache zur Einholung eines weiteren Gutachtens und zur erneuten Beurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner wird um unentgeltliche Rechtspflege
ersucht.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Hinsichtlich der
Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs.
2 BGG; zum Ganzen: BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer ab 1. März 2014 weiterhin
Anspruch auf eine Invalidenrente hat.

3.

3.1. Die Vorinstanz hat dem von der IV-Stelle eingeholten Gutachten der
Medizinisches Gutachtenzentrum D.________ GmbH vom 29. August 2013 vollen
Beweiswert zugesprochen und ist in Berücksichtigung der somatischen und
psychischen Leiden von einer Arbeitsfähigkeit von 75 % ausgegangen, welche
Einschätzung grundsätzlich derjenigen im Zeitpunkt der rentenzusprechenden
Verfügung entsprach. Im Vergleich zum Gutachten aus dem Jahr 1999 habe aus
psychiatrischer Sicht aber mit Blick auf die Verhaltensstörung eine Reifung
stattgefunden, weshalb die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit in einer
leidensadaptierten Tätigkeit von 100 % mittlerweile sozialpraktisch verwertbar
sei. Demnach liege eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
vor, womit die Voraussetzungen einer Revision gegeben seien.

3.2. Beschwerdeweise wird vorgebracht, der Gesundheitszustand des Versicherten
habe sich namentlich in psychischer Hinsicht nicht verändert. Er leide
weiterhin an einer alltagsbeeinträchtigenden depressiven Problematik mit
Hyperarousal-Symptomatik. Bestritten wird die kantonale Schlussfolgerung auf
eine Verwertbarkeit der attestierten Arbeitsfähigkeit bezüglich der psychischen
Beschwerden. Die Vorinstanz habe es in Verletzung des rechtlichen Gehörs
unterlassen, sich mit den im Rahmen des kantonalen Verfahrens neu eingereichten
Gutachten auseinanderzusetzen, welche darlegen würden, dass die
medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht verwertbar
sei. Überdies sei hinsichtlich des Einkommensvergleichs zu Unrecht ein Lohn für
kaufmännisch-administrative Tätigkeiten zugrunde gelegt worden.

4.

4.1. Das kantonale Gericht erwog, ohne dabei Bundesrecht zu verletzen, dass die
eingereichten Berichte der Tagesklinik des Psychiatrischen Zentrums E.________
vom 4. Juni 2015 und des Dr. med. F.________, Innere Medizin, vom 5. Mai 2014
mögliche, nach der angefochtenen Verfügung stattgefundene gesundheitliche
Entwicklungen beträfen, weshalb sie nicht zu berücksichtigen seien (BGE 131 V
243 E. 2.1). Die Vorbringen in der Beschwerde hierzu beziehen sich einzig auf
den medizinisch-diagnostischen Inhalt der Berichte und die darin geäusserte
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit und deren Verwertbarkeit auf dem
Arbeitsmarkt. Die vorinstanzliche Annahme, die neuen Berichte beträfen den
Zeitraum nach Verfügungserlass und seien daher bereits in zeitlicher Hinsicht
nicht massgebend, wird hingegen nicht als offensichtlich unrichtig gerügt,
weshalb die Einwände nicht stichhaltig sind.

4.2. Die kantonale Instanz legte nachvollziehbar dar, inwiefern sich das
Verhalten des Beschwerdeführers über die Jahre - auch durch den erfolgreichen
Abschluss der Bürolehre - normalisiert hat. Sodann geht der psychiatrische
Gutachter Dr. med. G.________ von einer 100 %-igen Arbeitsfähigkeit aus: Dem
Beschwerdeführer sei trotz der erhobenen Anpassungsstörungen mit Angst und
depressiver Reaktion mit Übergang in eine chronische depressive Verstimmung
(Dysthymie) seit mindestens 1999 eine leidensadaptierte Tätigkeit zumutbar, und
er beschreibt eine Verbesserung bezüglich der Verhaltensstörung. Der Psychiater
hielt fest, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine wesentliche Verhaltensstörung und
namentlich kein bedrohliches Verhalten mehr festgestellt werden könne. Was
hiergegen vorgebracht wird, kann nicht überzeugen. Insbesondere vermögen die
Schilderungen von Familienangehörigen nicht die fachärztliche, beweiskräftige
Einschätzung der psychischen Entwicklung des Beschwerdeführers zu entkräften.
Das kantonale Gericht ging demnach zu Recht von einem Revisionsgrund aus.

4.3. Hinsichtlich des auf der erwerblichen Seite der Invaliditätsbemessung
durchgeführten Einkommensvergleichs wird gerügt, der statistische Lohn in
anderen kaufmännisch-administrativen Tätigkeiten gemäss Ziffer 23 der Tabelle
T7S (LSE 2010) von Fr. 5'187.- sei zu hoch, da der Beschwerdeführer in den
letzten Jahren nur Hilfsarbeiten erledigt habe, weshalb dieser Wert zu Unrecht
als Basis des Invalideneinkommens herangezogen worden sei.

4.4.

4.4.1. Die Frage nach der bei einem Einkommensvergleich anzuwendenden Tabelle
der LSE stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (BGE
132 V 393 E. 3.3 S. 399). Soweit es hingegen um das Vorliegen von
Voraussetzungen geht, die - wie eine spezifische Ausbildung oder weitere
Qualifikationen - für die Wahl einer bestimmten LSE-Tabelle bedeutsam sein
können, handelt es sich um Feststellungen tatsächlicher Art, an die das
Bundesgericht grundsätzlich (vgl. E. 1) gebunden ist (Urteil 8C_548/2007 vom 5.
Mai 2008 E. 3.2).

4.4.2. Aufgrund der im Juli 2002 abgeschlossenen Bürolehre ist nicht
einzusehen, weshalb bei der Berechnung des Invalideneinkommens von einer
Tätigkeit im Bereich "Reparatur von Gebrauchsgütern" auszugehen ist, zumal es
sich dabei auch nicht um eine leidensadaptierte Tätigkeit handelt. Das
kantonale Gericht stellte nicht offensichtlich unrichtig fest, dass der
Beschwerdeführer während Jahren in den Betrieben seines Schwagers und Bruders
allgemeine Büroarbeit, Kundenbetreuung am Telefon, Buchhaltung und
Warenpräsentation im Umfang von drei Stunden pro Tag ausführte (vgl.
Gesprächsprotokolle vom 6. März 2013). Der im kantonalen Entscheid zugrunde
gelegte Wert der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für
Statistik (LSE) 2010 in der Tabelle T7S, Rubrik Dienstleistungen, Ziff. 23
(andere kaufmännisch-administrative Tätigkeiten), Anforderungsniveau 4, Männer,
von monatlich Fr. 5'187.- lässt sich demnach nicht beanstanden. Selbst die
Annahme eines Monatslohnes gemäss LSE-Tabelle TA1, Total, Anforderungsniveau 4
(einfache und repetitive Tätigkeiten) von Fr. 4'901.-, führte zu keinem anderen
Ergebnis. Bei einem Invalideneinkommen von diesfalls Fr. 47'455.10 (Fr. 4'901.-
x 12 x [41.7 : 40] x [2220 : 2151] x 0.75). und dem Valideneinkommen von Fr.
67'590.- resultierte ebenfalls ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von
30 %. Die Vorinstanz bestätigte demnach in bundesrechtskonformer Weise die
Rentenaufhebung.

5. 

5.1. Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird mit summarischer
Begründung und unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid abgewiesen (Art.
109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG).

5.2. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden
dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch
um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs.
1 BGG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Oktober 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Ursprung

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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