Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.183/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_183/2016

Urteil vom 9. Mai 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenversicherung; Neuanmeldung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 1. Februar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 4. Mai 2009 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich den
Anspruch des 1979 geborenen A.________ auf eine Invalidenrente. Auf zwei
weitere Neuanmeldungen hin verneinte die IV-Stelle mit Verfügungen vom 22. Juni
2010 und vom 5. Dezember 2012 wiederum einen Rentenanspruch. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich bestätigte die Verfügung vom 5.
Dezember 2012 mit Entscheid vom 1. April 2014. Nach erneuter Anmeldung zum
Leistungsbezug durch die behandelnde Psychiaterin Dr. med. B.________ vom 19.
November 2014 trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 10. Juli 2015 auf das
Leistungsbegehren nicht ein, da eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen
Verhältnisse seit der letzten Verfügung nicht glaubhaft dargelegt worden sei.

B. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 1. Februar 2016
ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, Ziff. 1 und 2 des vorinstanzlichen Entscheids seien aufzuheben,
es sei auf die Neuanmeldung einzutreten und der Rentenanspruch abzuklären.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder
an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der Argumentation
der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137
f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend
gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 138).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht die
Nichteintretensverfügung der IV-Stelle vom 10. Juli 2015 zu Recht bestätigt
hat.

2.1. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so
wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass
sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise
geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV).
Die zeitliche Vergleichsbasis für die Frage, ob eine rentenrelevante
Veränderung des Sachverhalts glaubhaft ist, bildet der Zeitpunkt der letzten
umfassenden materiellen Prüfung. Der Vergleichszeitraum erstreckt sich
grundsätzlich bis zur Prüfung und Beurteilung des Gesuchs, d.h. bis zum Erlass
der Verfügung betreffend die Neuanmeldung. Für die beschwerdeweise Überprüfung
einer Nichteintretensverfügung ist somit der Sachverhalt, wie er sich der
Verwaltung bot, resp. die Aktenlage bei Erlass dieser Verfügung massgeblich (
BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 9C_683/2013 vom 2. April 2014 E. 3.3.1).

2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen
an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im
Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass
für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes
wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der
Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete
Änderung nicht erstellen lassen (Urteile I 724/99 vom 5. Oktober 2001 E. 1c/aa,
nicht publiziert in BGE 127 V 294, aber in SVR 2002 IV Nr. 10; 8C_266/2015 vom
29. Juni 2015 E. 2.2).

2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft
gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art.
105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur
handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das
Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_266/
2015 vom 29. Juni 2015 E. 2.3 mit Hinweis).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat das Nichteintreten der IV-Stelle auf die
Neuanmeldung des Versicherten vom 19. November 2014 mangels Glaubhaftmachung
einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bestätigt. Zu
vergleichen ist unbestrittenermassen der Zeitraum zwischen dem 5. Dezember 2012
(letzte rentenabweisende Verfügung) und dem 10. Juli 2015 (Nichteintreten auf
die Neuanmeldung).

3.2. Beschwerdeweise wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe sich lediglich
mit der Frage auseinandergesetzt, ob die früher verworfene Diagnose einer
paranoiden Schizophrenie neu glaubhaft erscheine. Hingegen habe sie sich nicht
damit auseinandergesetzt, ob eine ausreichende Intensivierung der Beschwerden
für eine Neuanmeldung glaubhaft gemacht worden sei. Unabhängig von der zu
stellenden Diagnose sei von einer glaubhaften Verschlechterung des psychischen
Zustand auszugehen, weshalb eine Leistungsprüfung stattfinden müsse. Zudem
hätten mit der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Somatisierungsstörungen die Chronifizierung der Beschwerden sowie die
Ausschöpfung aller Therapieoptionen grosses Gewicht erhalten, weshalb bei einer
Neuanmeldung diese Faktoren für eine Glaubhaftmachung auszureichen hätten.

4.

4.1. Die Vorinstanz hat mit Blick auf den Vergleichszeitpunkt bei Erlass der
Verfügung vom 5. Dezember 2012 festgehalten, gemäss Gutachten des Ärztlichen
Begutachtungsinstituts Basel (ABI) vom 31. Januar 2012 habe der
Beschwerdeführer an einer Angst- und depressiven Störung gemischt (ICD-10
F41.2) sowie an einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) gelitten, wobei eine
80%ige Arbeitsfähigkeit für jegliche Erwerbstätigkeit bestanden habe. Eine
schizophrene Störung sei ausgeschlossen worden, obschon die Ärzte der
Psychiatrischen Klinik C.________ am 20. Februar 2012 und 24. August 2012 sowie
die behandelnde Psychiaterin Dr. med. B.________ am 10. April 2012 eine
paranoide Schizophrenie diagnostiziert und eine daraus resultierende 50%ige
Arbeitsunfähigkeit in einer behinderungsangepassten Tätigkeit attestiert
hätten. Deshalb habe das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 1. April 2014 die rentenablehnde Verfügung vom 5. Dezember 2012
bestätigt.

4.2. In Würdigung der im Rahmen der Neuanmeldung vom 19. November 2014
eingereichten medizinischen Berichte verneinte das kantonale Gericht die
Glaubhaftmachung einer gesundheitlichen Verschlechterung. Es legte im
Wesentlichen dar, mit den neu aufgelegten Arztberichten der Ärzte der Klinik
C.________ vom 20. Februar 2014, 11. November 2014 und 8. Dezember 2014 sowie
dem Bericht der Dr. med. B.________ vom 30. Januar 2015 werde die erneut
aufgeführte, bekannte Diagnosestellung nicht mit neuen Befunden untermauert.
Zudem seien gemäss den Berichten des Spitals D.________, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie, vom 24. April 2014 und 16. Januar 2015 auf notfallmässige
Vorstellungen hin die Medikation angepasst und Krisengespräche geführt worden,
wonach der Versicherte in stabilisiertem Zustand nach Hause habe entlassen
werden können. In beiden Fällen habe er einen Aufenthalt in der psychiatrischen
Klinik abgelehnt.

4.3. Dass diese Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unrichtig sein oder
auf einer Rechtsverletzung beruhen sollen, ist nicht ersichtlich. Sie bleiben
daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1). Dies gilt auch für den daraus
gezogenen Schluss, mit den vorliegend zu beachtenden medizinischen Akten sei
keine rentenbeeinflussende Verschlechterung des Gesundheitszustands glaubhaft
gemacht worden. Bereits aufgrund der zwischen den Behandlungen liegenden
Zeitspanne sowie der Möglichkeit der schnellen Stabilisierung des
Beschwerdeführers aber auch wegen des Fehlens eines neuen Befundes verneinte
die Vorinstanz zu Recht die Glaubhaftmachung einer massgeblichen
Verschlechterung des psychischen Zustandes. Schliesslich ergibt sich aus dem
Bericht der Klinik C.________ vom 8. Dezember 2014 lediglich eine "Exazerbation
einer psychotischen Symptomatik vor dem Hintergrund einer bekannten paranoiden
Schizophrenie", weshalb der Beschwerdeführer vom 24. Oktober bis 11. November
2014 in der Klinik C.________ hospitalisiert worden sei. Da es sich hiebei
jedoch bereits um die vierte stationäre Behandlung des Beschwerdeführers
handelte und er auch bereits in den Jahren 2011 und 2012 in der Klinik
C.________ behandelt worden ist, vermag auch dieser Bericht keine
Verschlechterung glaubhaft zu machen.

4.4. Nach der überarbeiteten Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281, auf welche
sich der Beschwerdeführer beruft, hat die Invaliditätsbemessung bei
psychosomatischen Leiden (anhaltende somatoforme Schmerzstörung und
vergleichbare unklare Beschwerdebilder) stärker als bisher den Aspekt der
funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen, was sich schon in den
diagnostischen Anforderungen niederschlagen muss. Auf der Ebene der
Arbeitsunfähigkeit wird an der Überwindbarkeitsvermutung nicht festgehalten.
Das bisherige Regel/ Ausnahme-Modell wird durch ein strukturiertes
Beweisverfahren ersetzt. Folglich handelt es sich hiebei um Anforderungen
sowohl an die Diagnosestellung wie an die Überprüfung der funktionellen
Auswirkungen eines psychischen Leidens. Eine Änderung der Rechtsprechung zu
Art. 87 Abs. 2 IVV kann hieraus nicht abgeleitet werden, weshalb sich
Weiterungen dazu erübrigen.

4.5. Zusammenfassend hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.

5. 
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Mai 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

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