Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.174/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_174/2016

Urteil vom 10. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang; Integritätsentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom
20. Januar 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war seit April 2005 bei der B.________ AG als
Bauarbeiter angestellt und dadurch bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 24. Oktober 2005 klemmte der Versicherte das rechte Bein
zwischen zwei Felsbrocken ein, rutschte aus und verdrehte das rechte Knie. Er
erlitt eine komplexe Kniebinnenläsion im Sinne einer sog. "unhappy triad"
(Bericht der Klinik I.________, Institut für Radiologie, vom 27. Oktober 2005).
Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Laut
kreisärztlichem Untersuchungsbericht des Dr. med. C.________, FMH orthopädische
Chirurgie, vom 10. Oktober 2006 war der Zustand am rechten Knie noch nicht
zufriedenstellend und der Versicherte blieb weiterhin vollständig
arbeitsunfähig.
Am 9. Dezember 2006 prallte ein auf die Gegenfahrbahn geratenes Auto seitlich
frontal in den vom Versicherten gelenkten Personenwagen. Er erlitt eine
Distorsion der Halswirbelsäule (HWS), Thoraxcontusion, Schulterprellungen
beidseits mit Schultergelenkssprengung links und Zerrung des Musculus
supraspinatus rechts, Knieprellung rechts mit Zerrung des vorderen Kreuzbandes
(VKB), Teilruptur des hinteren Kreuzbandes (HKB) sowie proximaler
Innenbandzerrung (Bericht des Dr. med. D.________, Deutschland, vom 7. März
2007). Die SUVA erbrachte auch hiefür die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Laut der Ärztlichen Beurteilung des Dr. med.
C.________ vom 6. Februar 2009 konnte der Fall hinsichtlich der
somatisch-organischen Probleme vor allem im Bereich des rechten Knies sowie der
linken Schuler abgeschlossen werden.
Mit Verfügung vom 12. Mai 2009 sprach die SUVA dem Versicherte ab 1. Juni 2009
eine Invalidenrente gestützt auf eine Erwerbsunfähigkeit von 16 % zu. Auf
Einsprache hin zog sie das von der Invalidenversicherung eingeholte Gutachten
der Dres. med. J.________, FMH Rheumatologie, und E.________, FMH Psychiatrie
und Psychotherapie, vom 8. Februar und 6. März 2010 bei. Mit
Einspracheentscheid vom 29. Dezember 2010 lehnte sie den eingelegten
Rechtsbehelf ab. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) mit
Entscheid vom 27. April 2012 in dem Sinne gut, dass die Sache an die SUVA
zurückgewiesen wurde, damit sie, nach erfolgten Abklärungen, über den
Leistungsanspruch neu verfüge. Die Verwaltung holte daraufhin das Gutachten des
Prof. Dr. med. Dr. h.c. F.________, Direktor der Orthopädischen Klinik
K.________, Deutschland, vom 4. März 2013 (mit Ergänzung vom 1. Juli 2013) ein.
Danach vermochte der Versicherte ab Anfang 2009 (Endzustand aus orthopädischer
Sicht) körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, ohne Arbeiten, die
überwiegend in Zwangshaltung, kauernd oder kniend, über Kopf, an Böschungen
oder Dächern und Gerüsten verrichtet werden müssten, ganztägig und ohne
Leistungseinschränkung auszuüben. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2013 sprach die
SUVA dem Versicherten erneut eine Invalidenrente gestützt auf eine
Erwerbsunfähigkeit von 16 % sowie eine Integritätsentschädigung auf der Basis
einer Einbusse von 5 % bezogen auf das rechte Knie zu. Die hiegegen erhobene
Einsprache wies sie ab (Einspracheentscheid vom 20. August 2014).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit
Entscheid vom 20. Januar 2016 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei eine psychiatrische Beurteilung anzuordnen und
die Integritätsentschädigung sei entsprechend dem Ausgang dieses Gutachtens zu
erhöhen. Zudem wird um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren ersucht.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt eine
qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.
mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

1.3. Ob der letztinstanzlich eingereichte Bericht der Dr. med. G.________,
Fachärztin für Neurologie, Deutschland, vom 13. Januar 2016 ein unzulässiges
Novum im Sinne von Art. 99 BGG darstellt, kann offen bleiben, wie sich ohne
Weiteres aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt.

2.

2.1. Streitig ist, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten
psychischen Beeinträchtigungen (somatoformes Schmerzsyndrom) in einem adäquaten
Kausalzusammenhang mit den Unfällen und deren unmittelbaren gesundheitlichen
Folgen standen. Die Vorinstanz hat diese Frage für die beiden Ereignisse
getrennt anhand der in BGE 115 V 133 (sogenannte Psychopraxis) entwickelten
unfallbezogenen Adäquanzkriterien beurteilt.

2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die beiden Unfälle und deren Folgen seien
als Gesamtheit anzusehen. Die psychische Fehlentwicklung habe sich nach dem
zweiten Ereignis in ausgeprägter Form dargestellt und zu einer
Suchtmittelabhängigkeit geführt. Die Zementierung einer gesonderten Betrachtung
der Adäquanzkriterien je nach der Schwere eines einzelnen Unfalles sei daher
nicht sachgerecht, weshalb die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu überprüfen
sei.

2.3. 

2.3.1. Nach der Rechtsprechung ist, falls im Anschluss an zwei oder mehrere
Unfälle eine psychische Fehlentwicklung eintritt, die Adäquanz grundsätzlich
für jeden Unfall gesondert gemäss Praxis zu den psychischen Unfallfolgen zu
prüfen. Diese Regel ist im Besonderen dann anzuwenden, wenn bei den Unfällen
verschiedene Körperteile betroffen sind. Gleiches gilt auch bei einer Mehrzahl
von Unfällen mit Schleudertrauma der HWS oder gleichgestellter Verletzung,
wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, die wiederholte Betroffenheit desselben
Körperteils bei der Adäquanzprüfung zu berücksichtigen. Letztes ist dann
denkbar, wenn die Auswirkungen der verschiedenen Ereignisse auf gewisse
Beschwerden nicht voneinander abgegrenzt werden können. Der hinreichend
nachgewiesenen, durch einen früheren Unfall verursachten dauerhaften
Vorschädigung der HWS kann diesfalls bei der Beurteilung der einzelnen
Kriterien Rechnung getragen werden (Urteil 8C_1007/2012 vom 11. Dezember 2013
E. 5.1 und 8C_477/2008 vom 19. Dezember 2008 E. 6.1, je mit Hinweisen).

2.3.2. Es besteht kein Anlass, anhand des vorliegenden Falles diese langjährige
Rechtsprechung zu ändern (vgl. dazu BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen).
Dem Umstand, dass das rechte Knie beim zweiten Unfall vom 9. Dezember 2006
erneut traumatisiert wurde, ist demnach einzig bei der Beurteilung der
unfallbezogenen Adäquanzkriterien, mithin nicht hinsichtlich der objektiv zu
betrachtenden Schwere des einzelnen Unfallereignisses, zu prüfen.

3.

3.1. Die Vorinstanz hat die Rechtsgrundlagen zur Prüfung der Streitsache
zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird.

3.2.

3.2.1. Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, eine Leistungspflicht des
Unfallversicherers zu verneinen und die Frage, ob ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den nicht objektivierbaren
Beschwerden besteht, offen zu lassen mit der Begründung, ein allfälliger
natürlicher Kausalzusammenhang wäre nicht adäquat und damit nicht
rechtsgenüglich. Anders ist lediglich in jenen Fällen zu entscheiden, in denen
der Sachverhalt für eine einwandfreie Adäquanzprüfung nicht hinreichend geklärt
ist (BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472).

3.2.2. Von der beantragten psychiatrischen Begutachtung ist abzusehen.
Angesichts der vom Beschwerdeführer aufgelisteten Auskünfte mehrerer Ärzte
psychiatrischer Fachrichtung ist der Sachverhalt zur Beurteilung des
Streitgegenstands genügend abgeklärt.

4.

4.1. Die beiden Unfälle sind, wie der Beschwerdeführer explizit einräumt, in
die mittelschwere Kategorie einzuordnen, der erste im Grenzbereich zu den
leichten Ereignissen, der zweite im engeren Sinne. Er bestreitet auch zu Recht
nicht, dass von den zu prüfenden, objektiv fassbaren und unmittelbar mit den
Unfällen in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden
Umständen, welche als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung
einzubeziehen sind, diejenigen der besonders dramatischen Begleitumstände oder
besonderen Eindrücklichkeit, der Schwere oder besonderen Art der erlittenen
Verletzungen, insbesondere ihre erfahrungsgemässe Eignung, psychische
Fehlentwicklungen auszulösen, sowie der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die
Unfallfolgen erheblich verschlimmerte, nicht gegeben sind.

4.2.

4.2.1. Zu den streitigen Adäquanzkriterien hinsichtlich des Unfalles vom 24.
Oktober 2005, bei dem der Beschwerdeführer eine komplexe Kniebinnenläsion
erlitt, ist das Folgende festzuhalten:

4.2.1.1. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung waren die Verletzungen am
rechten Knie im Zeitpunkt des zweiten Unfalles vom 9. Dezember 2006 nicht
ausgeheilt. Vielmehr hielt Dr. med. C.________ im kreisärztlichen
Untersuchungsbericht vom 10. Oktober 2006 fest, dass der Zustand nicht
zufriedenstellend war, weshalb zusätzliche medizinische Therapie angezeigt und
der Versicherte weiterhin vollständig arbeitsunfähig war. Es kann somit nicht
festgestellt werden, ob der Endzustand vor der erneuten Traumatisierung des
rechten Knies am 9. Dezember 2006 eingetreten war. Daher muss gestützt auf das
Gutachten des Prof. Dr. med. Dr. h.c. F.________ vom 4. März 2013 angenommen
werden, dass dieser erst Anfang 2009 erreicht wurde. Unter diesen Umständen ist
das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung (über
drei Jahre) zu bejahen. Allerdings ist eine besondere Ausprägung zu verneinen.
Das kantonale Gericht hat richtig darauf hingewiesen, dass sich die
Behandlungen hinsichtlich des rechten Knies neben den drei arthroskopisch
durchgeführten chirurgischen Eingriffen im Wesentlichen in Physiotherapie und
ärztlichen Kontrolluntersuchungen erschöpften. Dem ist anzufügen, dass die
stationären Therapien im Reha-Zentrum H.________, Deutschland (Bericht vom 7.
Januar 2008), und in der Rehaklinik L.________ (Bericht vom 30. Dezember 2008)
vor allem auch wegen der psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen
notwendig waren.

4.2.1.2. Hinsichtlich der Beurteilung des Kriteriums der körperlichen
Dauerschmerzen hat die Vorinstanz angenommen, der Versicherte habe anlässlich
der kreisärztlichen Untersuchung vom 5. (recte: 6.) Oktober 2006 angegeben,
keine Schmerzmittel mehr einzunehmen, was, wie in der Beschwerde vorgebracht
wird, nicht verifiziert werden kann (vgl. Bericht des Dr. med. C.________ vom
10. Oktober 2006). Indessen ist aufgrund der Berichte des Reha-Zentrums
H.________, Deutschland, vom 7. Januar 2008 und der Rehaklinik L.________ vom
30. Dezember 2008 anzunehmen, dass die geltend gemachten körperlichen
Dauerschmerzen im Wesentlichen psychogener oder -sozialer Natur waren. Der
Beschwerdeführer räumt denn auch ein, er nehme Schmerzmittel nur nach Bedarf
ein. Unter diesen Umständen kann das zur Diskussion stehende Kriterium nicht
bejaht werden.

4.2.1.3. Zum Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen
Komplikationen macht der Beschwerdeführer geltend, dass er wegen ärztlich
verordneter Medikamente eine Schmerzmittelabhängigkeit entwickelte, worin ein
besonderer Grund, der die Heilung beeinträchtigte, zu erblicken sei. Die Ärzte
der Rehaklinik L.________ bezeichneten gemäss Austrittsbericht vom 30. Dezember
2008 das im Rahmen der psychiatrischen Diagnosen erwähnte Abhängigkeitssyndrom
(Störung durch Opioide) als fraglich persistierend; der Entzug von potenten
Opiaten konnte während des stationären Aufenthalts erfolgreich durchgeführt
werden und der Patient wurde angehalten, die Einnahme der weniger
opioidhaltigen Medikamente (Tramal; Truxal), deren Wirkung das Führen von
Motorfahrzeugen und das Bedienen gefährlicher Maschinen beeinträchtigen
könnten, unter hausärztlicher Betreuung auszuschleichen; aus
somatisch-organischer Sicht war dem Patienten eine wechselbelastende
Erwerbstätigkeit, die unter Vermeidung kniebelastender Verrichtungen
(wiederholtes Beugen der Knie, bodennahe Zwangspositionen, häufiges Treppen-
und Leitersteigen) ausgeübt werden könnte, zeitlich und leistungsmässig
uneingeschränkt möglich. Aus diesen Angaben ist ohne Weiteres zu schliessen,
dass dem Beschwerdeführer zuzumuten war, innert kurzer Zeit vollständig von der
Einnahme opioidhaltiger Analgetika abstinent zu werden. Unter diesen Umständen
kann offen bleiben, ob hier eine iatrogene Schmerz- oder
Suchtmittelabhängigkeit überhaupt vorliegt und bejahendenfalls, ob sie geeignet
wäre, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. In diesem Kontext ist mit der
Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass es zur Erfüllung des in Frage stehenden
unfallbezogenen Adäquanzkriteriums nicht genügt, wenn die versicherte Person
mit medizinischen Massnahmen nicht beschwerdefrei geworden war.

4.2.1.4. Zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer auch ohne das beim zweiten
Unfall vom 9. Dezember 2006 erneut traumatisierte rechte Kniegelenk wieder
arbeitsfähig geworden wäre, kann - wie erwähnt (E. 4.2.1.1 hievor) - nicht
eruiert werden. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Umstand, dass er nicht
nur als Vorarbeiter, sondern selbst als einfacher Strassenbauer nicht mehr
erwerbstätig sein könne, stelle einen beruflichen und sozialen Abstieg dar und
sei daher geeignet, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Die Vorinstanz
hat dazu gestützt auf Art. 6 Satz 2 ATSG zutreffend erwogen, dass sich das
Kriterium des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit
nicht allein auf das Leistungsvermögen im angestammten Beruf beziehe. Letztlich
könne vorliegend aber offen bleiben, ob es erfüllt sei, da der Versicherte ab
Anfang 2009 in einer leidensadaptierten Beschäftigung wieder vollständig
leistungsfähig gewesen und damit eine besondere Ausprägung zu verneinen sei.
Mit diesem Argument setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander, weshalb
auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid
verwiesen wird, welchen nichts beizufügen ist.

4.2.2. Zu den Adäquanzkriterien hinsichtlich des Unfalles vom 9. Dezember 2006
und der dabei erlittenen Verletzungen (HWS-Distorsion; erneute Traumatisierung
des rechten Knies; Schulterprellung links mit Gelenkssprengung;
Throaxcontusion) ist das Folgende zu sagen:

4.2.2.1. Das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung
kann mit Blick auf E. 4.2.1.1 als erfüllt betrachtet werden. Allerdings ist
eine besondere Ausprägung zu verneinen. Laut Austrittsbericht der Rehaklinik
L.________ vom 30. Dezember 2008 war, wie auch bereits die Ärzte des
Reha-Zentrums H.________, Deutschland, festhielten (Bericht vom 7. Januar
2008), das Ausmass der demonstrierten physischen Einschränkungen (belastungs-
und bewegungsabhängige Schmerzen und Instabilitätsgefühl am rechten Knie;
belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen zervikal und in beiden Schultern
links mehr als rechts) mit den geringfügigen objektivierbaren pathologischen
Befunden aus somatischer Sicht nur ungenügend zu erklären. Der Beschwerdeführer
räumt denn auch ein, dass die dauerhaften oder wiederkehrenden
Muskelverspannungen, welche die Rehaklinik L.________ nicht einmal mehr
erwähnte, wohl eher psychischer Natur seien.

4.2.2.2. Zu den übrigen streitigen Adäquanzkriterien wird auf das in den E.
4.2.1.2 bis 4.2.1.4 hievor Gesagte sowie die Erwägungen im angefochtenen
Entscheid verwiesen.

4.2.3. Zusammengefasst ist festzustellen, dass von den sieben relevanten
Adäquanzkriterien höchstens zwei erfüllt sind (ungewöhnlich lange Dauer der
ärztlichen Behandlung; Grad und Dauer der physisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit), keines davon jedoch in ausgeprägter Weise. Dies genügt für
die Annahme eines adäquaten Kausalzusammenhangs bei einem mittelschweren Unfall
im Grenzbereich zu den leichten Ereignissen (Sturz vom 24. Oktober 2005) bzw.
bei einem mittelschweren Unfall im engeren Sinne (Frontalkollision vom 9.
Dezember 2006) nicht.

5. 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

6. 
Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist stattzugeben,
zumal der Beschwerdeführer ausweislich seiner Angaben über kein nennenswertes
Einkommen oder Vermögen verfügt, und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen ist. Dem Beschwerdeführer ist daher eine angemessene Entschädigung
zuzusprechen (Art. 64 Abs 2 Satz 2 BGG). Er wird indessen darauf hingewiesen,
dass er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn er später
dazu in der Lage sein wird (Art. 64 Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Juni 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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