Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.159/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_159/2016

Urteil vom 16. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Revisionsgesuch betr. IV.2015.00077,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 2. Februar 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1974 geborene A.________ wuchs in B.________ mit hebräischer und
schweizerdeutscher Muttersprache auf. Er absolvierte dort eine Ausbildung als
Maschinenbauingenieur und leistete Militärdienst im Range eines Unteroffiziers.
Seit dem Jahre 2004 arbeitete er als Sicherheitsangestellter der
Fluggesellschaft C.________ am Standort D.________. Am 21. Februar 2010 erlitt
er bei einem Skiunfall eine Knieverletzung. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt, SUVA, erbrachte Leistungen im Rahmen des UVG.
A.________ meldete sich am 3. September 2010 zum Leistungsbezug bei der
Invalidenversicherung an. In der Folge gewährte ihm die IV-Stelle des Kantons
Zürich diverse Massnahmen zur beruflichen Eingliederung, darunter auch eine
mehrwöchige berufliche Abklärung E.________ (Schlussbericht vom 28. Juni 2012)
und ein Belastbarkeitstraining. Am 17. März 2014 erstattete die MEDAS Bern,
welche von der IV-Stelle mit einer polydisziplinären Begutachtung beauftragt
worden war, ihre Expertise. Demnach sei die Tätigkeit im Sicherheitsdienst auf
Grund einer reduzierten Knie-/Beinbelastbarkeit links nicht mehr möglich,
indessen sei der Explorand in psychischer Hinsicht uneingeschränkt
arbeitsfähig. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2014 teilte die IV-Stelle
A.________ mit, bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 26 % habe er keinen
Anspruch auf eine Invalidenrente. Seiner Legasthenie sei dabei als
lohnmindernder Faktor mit einem Abzug von dem unter Berücksichtigung
statistischer Werte ermittelten Invalideneinkommen Rechnung getragen worden.

A.b. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 26. November 2015 ab.

A.c. Gegen diesen Entscheid lässt A.________ vor Bundesgericht Beschwerde
führen. Über diese wird im Verfahren 8C_45/2016 mit Urteil ebenfalls heutigen
Datums entschieden.

B. 
A.________ hat dem kantonalen Sozialversicherungsgericht am 18. Januar 2016
auch ein Gesuch um Revision des Entscheids vom 26. November 2015 stellen
lassen, welches dieses mit Entscheid vom 2. Februar 2016 abwies, soweit es
darauf eintrat.

C. 
Gegen die Abweisung des Revisionsgesuches lässt A.________ ebenfalls Beschwerde
ans Bundesgericht erheben. Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen
Entscheides vom 2. Februar 2016 seien ihm die gesetzlichen Leistungen
zuzusprechen. Eventualiter sei der Entscheid vom 26. November 2015 in Revision
zu ziehen. In prozessualer Hinsicht sei das Verfahren mit dem bereits hängigen
Beschwerdeverfahren 8C_45/2016 zu vereinigen und es sei ein zweiter
Schriftenwechsel anzuordnen.

Ein Schriftenwechsel wird nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Von der beantragten Vereinigung der Verfahren 8C_159/2016 und 8C_45/2016 ist
abzusehen, da diese nicht den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen
und sich auch nicht dieselben Rechtsfragen stellen. Geht es im hier aktuellen
Verfahren 8C_159/2016 um die Revision des kantonalen Entscheids vom 26.
November 2015, stellt sich im parallel laufenden Verfahren 8C_45/2016 die
Frage, ob die in diesem Entscheid nach materiell-rechtlicher Prüfung erfolgte
Bestätigung der verfügten Leistungsverweigerung mangels anspruchsrelevanter
Invalidität einer bundesgerichtlichen Überprüfung standzuhalten vermag. Die
Voraussetzungen für eine Verfahrensvereinigung sind damit nicht gegeben (vgl.
BGE 128 V 124 E. 1 S. 126 mit Hinweisen; Urteil 8C_861/2014, vom 16. März 2015
E. 1).

2. 

2.1. Das kantonale Gericht wies das Begehren um Revision seines Entscheides vom
26. November 2015 mit der Begründung ab, die neu aufgelegten Schlussberichte
eines im Auftrag der IV-Stelle tätig gewesenen externen Stellenvermittlers vom
13. September 2015 und über ein ebenfalls von der IV-Stelle angeordnetes
Arbeitstraining vom 30. September 2015 seien nicht geeignet, zu einer anderen
Beurteilung zu führen.

2.2. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, Grundlage für die Bemessung des
Invalideneinkommens gemäss kantonalem Entscheid vom 26. November 2015 sei ein
mittels statistischer Werte erhobenes hypothetisches Einkommen im Bereich
"Analysieren, Programmieren, Operating, Ziff. 29 in Tabelle 7 der
Lohnstrukturerhebung 2008" gewesen. Die Vorinstanz sei in jenem Entscheid zur
Erkenntnis gelangt, seine Legasthenie schränke seine Arbeitsfähigkeit nur
insoweit ein, als ihm keine Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Lese-
und Schreibkompetenz zuzumuten seien. Die nunmehr neu aufgelegten Beweismittel,
der Schlussbericht des externen Stellenvermittlers vom 13. September 2015 und
der Abschlussbericht des Arbeitstrainings vom 30. September 2015 würden
hingegen zeigen, dass seine sprachlich/lexikalische Behinderung eine
Integration in den ersten Arbeitsmarkt realitätsfern erscheinen lasse. Eine
Tätigkeit als Programmierer oder ähnliches sei damit ausgeschlossen. Die
Verneinung der Erheblichkeit der neu hinzugekommenen Beweismittel und der damit
nachgewiesenen neuen Tatsache durch die Vorinstanz erachtet er als Verletzung
der in Art. 61 lit. i ATSG statuierten bundesrechtlichen Garantie der
Möglichkeit einer prozessualen Revision kantonaler Gerichtsentscheide.

3. 

3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des
Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.2. Aus bundesrechtlicher Sicht ist die Revision eines kantonalen
Beschwerdeentscheids aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel (Art. 61 lit. i
ATSG; vgl. [bezüglich Revision rechtskräftiger Verfügungen und
Einspracheentscheide] Art. 53 Abs. 1 ATSG und [bezüglich Revision
bundesgerichtlicher Urteile] Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG, wo der Begriff "neue
Tatsachen oder Beweismittel" jeweils gleich auszulegen ist [SVR 2010 IV Nr. 55
S. 169 E. 3.1; Urteil 9C_955/2012 vom 13. Februar 2013 E. 3.1 mit Hinweisen])
angezeigt, wenn Tatsachen vorliegen, die sich vor Erlass des Entscheids, der
einer Revision unterzogen werden soll, verwirklicht haben, jedoch dem
Revisionsgesuchsteller damals trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren.
Die neuen Tatsachen müssen erheblich sein, also geeignet, die tatbeständliche
Grundlage des Entscheids, dessen Revision beantragt wird, zu verändern und bei
zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. Neue
Beweismittel haben entweder dem Beweis einer eine Revision begründenden neuen
erheblichen Tatsache oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im
früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des
Revisionsgesuchstellers unbewiesen geblieben sind (vgl. BGE 134 III 669 E. 2.1
S. 670; 127 V 353 E. 5b S. 358; SVR 2012 UV Nr. 17 S. 63 E. 7.1 und 2010 IV Nr.
55 E. 3.2, je mit Hinweisen; Urteil 9C_955/2012 vom 13. Februar 2013 E. 3.1 mit
weiteren Hinweisen).

3.3. In der Frage der Revision prüft das Bundesgericht die korrekte Anwendung
von Bundesrecht. In Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage ist es frei und
in keiner Weise an die Einschätzungen der Vorinstanz gebunden.
Betrifft der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren
Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, auf
Elementen also, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweisen, so ist eine
vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel nicht erheblich. Ein
(prozessrechtlicher) Revisionsgrund fällt demnach überhaupt nur in Betracht,
wenn bereits im ursprünglichen Verfahren die entscheidende Behörde das Ermessen
wegen eines neu belegten Sachverhaltselementes zwingend anders hätte ausüben
und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen (vgl. Urteil
9C_955/2012 vom 13. Februar 2013 E. 3.3). An diesem
prozessualrevisionsrechtlich verlangten Erfordernis fehlt es, wenn sich das
Neue im Wesentlichen in einer eigenen Interpretation bezüglich der Auswirkungen
eines Gesundheitsschadens auf die Arbeitsfähigkeit erschöpft, also auf der
Ebene der Beurteilung des bereits feststehenden Sachverhaltes anzusiedeln ist.

4. 
Dem Schlussbericht des "F.________" vom 13. September 2015 lässt sich
entnehmen, es sei ein sehr hoher Aufwand betrieben worden, um eine Stelle für
den Beschwerdeführer zu finden. Zusammenfassend sei dies gescheitert, weil
dieser entweder körperlich nicht in der Lage gewesen sei, eine in Aussicht
genommene Tätigkeit auszuüben, oder wegen seiner logopädischen Defizite eine
bestimmte Arbeit nicht ausführen könne. Auch eine eventuelle weitere Ausbildung
würde nicht zum Ziel führen, da der Beschwerdeführer nur mit "Erleichterungen"
in der Lage wäre, eine solche zu absolvieren. Diese könnten im Berufsleben aber
nicht gewährt werden, weshalb auch dieser Weg nicht weiterführend sei. Als
Fazit aus beraterischer Sicht wird eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt
als realitätsfern beurteilt. Der Bericht über Arbeitsintegration vom 30.
September 2015 hält zusammenfassend fest, die sprachlichen Defizite des
Beschwerdeführers setzten eine Tätigkeit komplett ohne schriftlichen
Sprachgebrauch voraus. Mündliche Informationen könne er in der Regel
verarbeiten und verständlich wiedergeben.

Die beiden neu aufgelegten Berichte enthalten demnach keine neuen Tatsachen,
die nicht bereits im Hauptverfahren bekannt gewesen wären. Dass der
Beschwerdeführer an einer Lese- und Rechtschreibschwäche und an teilweise
mangelhaften Hochdeutsch-Kenntnissen leidet, kann bereits dem Schlussbericht
der E.________ vom 28. Juni 2012, einem Bericht der Abteilung Phoniatrie und
klinische Logopädie der Klinik G.________ des Spitals H.________ vom 7. April
2004 und einem Attest der dipl. Logopädin I.________ vom 18. Januar 2015
entnommen werden. Die Berichte vom September 2015 enthalten lediglich
Interpretationen von Arbeitsmarkt-Fachleuten darüber, wie sich diese Schwäche
auf dem Stellenmarkt auswirkt (vgl. E. 3.3 hievor). Wie im angefochtenen
Entscheid richtig ausgeführt, enthalten die angerufenen Beweismittel keine
Hinweise auf zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterungen des
Gesundheitszustandes bzw. dadurch verstärkter Auswirkungen der
Legasthenieproblematik. Sie enthalten daher keine entscheiderheblichen neuen
Tatsachen im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG. Vor diesem Hintergrund ist der
vorinstanzliche Entscheid rechtens.

5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer
als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. Juni 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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