Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.126/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_126/2016

Urteil vom 8. August 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch B.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 11. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1955 geborene A.________ bezieht seit längerer Zeit eine ganze Rente der
Invalidenversicherung. Nachdem die Versicherte am 8. Juli 2013 einen ersten
Termin bei einer durch die IV-Stelle Bern angeordneten Begutachtung
wahrgenommen und die Folgetermine abgesagt hatte, stellte die IV-Stelle die
Rentenzahlungen mit Verfügung vom 16. Oktober 2013 per sofort ein, bis die
Versicherte glaubhaft darlege, künftig ihre Mitwirkungspflicht erfüllen zu
wollen.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 11. Dezember 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________ sinngemäss, ihr sei unter Aufhebung der
Verfügung vom 16. Oktober 2013 und des kantonalen Gerichtsentscheides die ganze
Rente der Invalidenversicherung auch über den 16. Oktober 2013 hinaus zu
bezahlen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.

D. 
Mit Verfügung vom 5. April 2016 wies das Bundesgericht das von A.________
gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ab.
In ihren weiteren Eingaben hält die Versicherte an ihren Anträgen fest und
stellt teilweise neue Anträge. Insbesondere lehnt sie in ihrem Schreiben vom 5.
Juni 2016 die an der bundesgerichtlichen Verfügung vom 5. April 2016
beteiligten Gerichtspersonen wegen Befangenheit ab.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist gemäss Art. 100 Abs. 1 BGG von hier
nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen innert 30 Tagen nach der Eröffnung
der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen. Soweit die
Beschwerdeführerin in ihren weiteren Eingaben nach Ablauf der Beschwerdefrist
Neues und Anderes verlangt als in ihrer Beschwerdefrist, ist darauf nicht
einzugehen.

2. 
Soweit die Versicherte in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2016 die an der
bundesgerichtlichen Verfügung vom 5. April 2016 beteiligten Gerichtspersonen
wegen Befangenheit ablehnt, ist dieses Ausstandsgesuch klarerweise verspätet
und damit offensichtlich unzulässig (vgl. BGE 132 II 485 E. 4.3 S. 496). Es ist
zudem darauf hinzuweisen, dass gemäss Art. 34 Abs. 2 BGG die Mitwirkung in
einem früheren Verfahren des Bundesgerichts für sich allein keinen
Ausstandsgrund bildet.

3.

3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

3.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

4.

4.1. Nach Art. 6 Ziff. 1 Satz 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine
Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von
einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört
wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die
Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden
hat.

4.2. Nach der Rechtsprechung stehen im vorliegenden Verfahren zivilrechtliche
Ansprüche in Frage, auf welche Art. 6 Ziff. 1 EMRK anwendbar ist (BGE 122 V 47
E. 2a S. 50 mit Hinweisen). Wie das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht
im erwähnten Leiturteil weiter erkannt hat, hat das kantonale Gericht, welchem
es primär obliegt, die Öffentlichkeit der Verhandlung zu gewährleisten (E. 3 S.
54), bei Vorliegen eines klaren und unmissverständlichen Parteiantrages
grundsätzlich eine öffentliche Verhandlung durchzuführen (E. 3a und 3b S. 55
f.).

4.3. Das kantonale Gericht hat am 1. Dezember 2015 eine Schlussverhandlung
durchgeführt. Diese war öffentlich; daran vermag auch der Umstand nichts zu
ändern, dass von Seiten der Öffentlichkeit und der Presse offenbar kein
Interesse am Prozess bestand und daher kein Publikum an der Verhandlung
teilnahm. Entgegen der von der Versicherten vertretenen Auffassung besteht auch
kein Anspruch darauf, dass ein Wortprotokoll der Verhandlung erstellt wird. Von
einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Durchführung einer
öffentlichen Verhandlung oder von einer entsprechenden Verhandlung vor
Bundesgericht kann somit Umgang genommen werden.

4.4. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin begründet der Umstand,
dass die am Entscheid vom 11. Dezember 2015 beteiligten Gerichtspersonen in der
Vergangenheit teilweise bereits in anderen Entscheiden zu Ungunsten der
Versicherten entschieden haben, noch keinen Anschein der Befangenheit. Selbst
wenn im Weiteren das Vorbringen der Versicherten zutreffen sollte, wonach es
vor der Verhandlung vom 1. Dezember 2015 zu einem kurzen Wortwechsel zwischen
dem kantonalen Gerichtsschreiber und dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin
kam, so kann darin weder eine Befangenheit des Gerichtsschreibers noch eine
unzulässige Bevorteilung der Beschwerdegegnerin gesehen werden. Auf weitere
Abklärungen zum Inhalt des Gespräches kann daher verzichtet werden.

5. 
Materiell ist streitig und zu prüfen, ob die IV-Stelle zu Recht die laufende
Rente wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Versicherte eingestellt
hat.

5.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente in Anwendung von Art. 17 Abs. 1
ATSG von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben. Der Versicherungsträger nimmt gemäss Art. 43 Abs.
1 ATSG die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die
erforderlichen Auskünfte ein. Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen
für die Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte
Person diesen gemäss Art. 43 Abs. 2 ATSG zu unterziehen.

5.2. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Versicherte die von der
Beschwerdegegnerin angeordnete Begutachtung abbrach und sich weigerte, an den
Folgeterminen teilzunehmen. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen
geltend, die angeordnete Begutachtung sei weder notwendig noch zumutbar
gewesen.

5.3. Entgegen den Ausführungen der Versicherten war die IV-Stelle befugt, ein
Revisionsverfahren im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG von Amtes wegen einzuleiten
und eine aktuelle Begutachtung anzuordnen. An der Zulässigkeit, ein solches
Revisionsverfahren einzuleiten, vermag namentlich der Umstand nichts zu ändern,
dass die Beschwerdeführerin zu jener Kategorie von Versicherten gehört, bei
denen eine Herabsetzung oder Aufhebung der Rente in Anwendung der
Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision,
erstes Massnahmenpaket) nicht zulässig wäre. Die angeordnete Begutachtung ist
auch nicht durch BGE 141 V 281 überflüssig geworden, sind doch durch dieses
Urteil die Anforderungen an die medizinische Untersuchung tendenziell nicht
tiefer, sondern höher geworden.

5.4. Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf verschiedene Berichte des
Dr. med. C.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, geltend macht, die
angeordnete Begutachtung sei ihr aus medizinischen Gründen nicht zuzumuten, ist
festzuhalten, dass von den medizinischen Fachpersonen, welche eine Abklärung
durchzuführen haben, erwartet werden kann, eine allfällige Verschlechterung des
Gesundheitszustandes zu erkennen, die notwendigen Gegenmassnahmen zu treffen
oder im Notfall die Begutachtung abzubrechen. Zudem werden den Experten bereits
vor dem Begutachtungstermin sämtliche Akten, mithin auch die jener
medizinischer Fachpersonen, welche eine Begutachtung für unzumutbar halten, zu
Kenntnis gebracht. Damit werden diese in die Lage versetzt, rechtzeitig die
medizinisch gebotenen Anordnungen zu treffen, so dass die versicherte Person
ohne Gefahr an der Expertise teilnehmen kann (vgl. Urteil 8C_874/2011 vom 20.
Januar 2012 E. 5.4).

5.5. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin wurde während des
Begutachtungstermins vom 8. Juli 2013 vom medizinischen Experten eine
Tonbandaufnahme erstellt. Die Versicherte verlangt, wie bereits vor Vorinstanz,
die Edition dieser Aufzeichnung. Ob diese Aufnahmen heute tatsächlich (noch)
existieren und ob es sich dabei - wie von der Vorinstanz angenommen - um
interne Akten handelt, die vom Anspruch auf Akteneinsicht ausgeschlossen sind,
kann vorliegend offenbleiben. Die Beschwerdeführerin legt nämlich nicht dar,
welche für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens entscheidenden Aspekte sich
mittels dieser Aufzeichnungen beweisen liessen. Auf eine Edition derselben kann
somit in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236)
verzichtet werden.

5.6. War demnach die Anordnung einer polydisziplinären Begutachtung rechtens,
so hat die Versicherte durch ihre Weigerung, sich einer solchen zu unterziehen,
ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Somit hat das kantonale Gericht nicht gegen
Bundesrecht verstossen, als es die Renteneinstellung der IV-Stelle bestätigte;
die Beschwerde der Versicherten ist abzuweisen.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. August 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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