Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.116/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_116/2016

Urteil vom 29. März 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Stephan Müller,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt,
Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 30. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1976, ist verheiratet und Mutter zweier Mädchen (geboren
2005 und 2008). Sie absolvierte von 1992 bis 1994 die Ausbildung zur
Dentalassistentin, welche sie jedoch nicht abschloss. In der Folge war sie
verschiedentlich als Betriebsmitarbeiterin tätig. Am 2. Februar 2012 meldete
sie sich bei der IV-Stelle Basel-Stadt zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
veranlasste medizinische und berufliche Abklärungen, u.a. die Einholung des
bidisziplinären Gutachtens vom 27. Dezember 2013 bei Dr. med. B.________,
Facharzt für Innere Medizin sowie für Rheumatologie, und Dr. med. C.________,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Am 21. Februar 2014 stellte die
IV-Stelle die Abweisung des Gesuchs infolge nicht rentenbegründendem
Invaliditätsgrad von 37 % in Aussicht. Nachdem A.________ dagegen Einwände
erheben liess, führte die IV-Stelle weitere Abklärungen durch und sprach ihr am
29. Oktober 2014 ab 1. August 2012 eine halbe Invalidenrente zu.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die dagegen
erhobene Beschwerde am 30. September 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie die Zusprechung einer
Dreiviertelsrente ab 1. August 2012 beantragen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist, ob die Versicherte ab 1. August 2012 Anspruch auf eine halbe oder
eine Dreiviertelsrente hat. Unbestritten sind dabei die Massgeblichkeit der
gemischten Methode, die Aufteilung in 90 % Erwerbs- und 10 % Haushaltstätigkeit
sowie das Invalideneinkommen von Fr. 24'154.-.

3.

3.1. Vor Bundesgericht ist die Anwendung von Art. 26 Abs. 2 IVV zur Ermittlung
des Valideneinkommens unbestritten. Die Versicherte rügt jedoch, es dürfe nicht
auf eine Salärrichtlinie eines einzigen Berufs abgestellt werden; vielmehr sei
die Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012, Gesundheits- und Sozialwesen,
Kompetenzniveau 3, massgebend, so dass ein Valideneinkommen von Fr. 78'223.-
resultiere.

3.2. Art. 26 Abs. 2 IVV lautet in den drei Sprachversionen:

"Konnte der Versicherte wegen der Invalidität eine begonnene berufliche
Ausbildung abschliessen, so entspricht das Erwerbseinkommen, das er als
Nichtinvalider erzielen könnte, dem durchschnittlichen Einkommen eines
Erwerbstätigen im Beruf, für den die Ausbildung begonnen wurde."
"Lorsque l'assuré a été empêché par son invalidité d'achever sa formation
professionnelle, le revenu qu'il pourrait obtenir s'il n'était pas invalide est
le revenu moyen d'un travailleur de la profession à laquelle il se préparait."
"Se un assicurato non ha potuto, a cagione dell'invalidità, completare la sua
formazione professionale, il reddito che gli si potrebbe attribuire
presumendolo non invalido, corrisponde al reddito medio di un lavoratore della
professione alla quale egli si preparava."

3.3. Wie sich aus dem Wortlaut der Norm in allen drei Amtssprachen ergibt, soll
auf die durchschnittlich bezahlten Löhne im gelernten, aber nicht
abgeschlossenen Beruf ("profession", "professione") abgestellt werden.
Vorliegend hat die Versicherte den Beruf der Dentalassistentin erlernt, ohne
allerdings den Berufsabschluss zu erlangen. Massgebend sind somit die Löhne der
Dentalassistentinnen und nicht jene, welche in der viel weiter gefassten
Branche des Gesundheits- und Sozialwesens bezahlt werden, werden dort doch auch
sich vom Beruf der Versicherten wesentlich unterscheidende Tätigkeiten in der
Sozialarbeit, Kinderbetreuung, Krankenpflege, Ergotherapie etc. erfasst. Es ist
somit nicht bundesrechtswidrig, wenn sich die Vorinstanz zur Ermittlung des
Valideneinkommens nach Art. 26 Abs. 2 IVV auf die vom Berufsverband
(Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO) herausgegebene Salärrichtlinie für
Dentalassistentinnen stützt. Mit der Vorinstanz ist demnach von einem
massgeblichen Valideneinkommen von Fr. 64'922.- auszugehen.

4.

4.1. Die Versicherte macht geltend, angesichts des Entscheids des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Sachen Di Trizio vom 2. Februar 2016
sei ihr Invaliditätsgrad analog zum Vorgehen bei Teilzeiterwerbstätigen in der
Unfallversicherung zu ermitteln. Somit resultiere für ihr 90 % Pensum ein
gewichteter Invaliditätsgrad von 59 %; zuzüglich des gewichteten
Invaliditätsgrades von 3 % im Haushaltsbereich ergebe dies einen
Invaliditätsgrad von 62 %, weshalb sie Anspruch auf eine Dreiviertelsrente
habe.

4.2. Gemäss nicht endgültigem Urteil der zweiten Kammer des EGMR Di Trizio
gegen die Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) verletzte die Anwendung der
gemischten Invaliditätsbemessungsmethode in der Invalidenversicherung bei einer
Versicherten, welche ohne gesundheitliche Einschränkungen nach der Geburt ihrer
Kindern nur noch teilzeitlich erwerbstätig gewesen wäre und deshalb im
Rentenrevisionsverfahren ihren Anspruch auf eine Invalidenrente verlor, Art. 14
EMRK (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung
des Privat- und Familienlebens).

4.3. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, welche Auswirkungen dieser
Entscheid auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts allenfalls haben wird. Denn
selbst wenn der Invaliditätsgrad gemäss Beschwerdeschrift der Versicherten vor
Bundesgericht (Ermittlung des Invaliditätsgrades analog zur Ermittlung des
Invaliditätsgrades einer teilerwerbstätigen Person in der Unfallversicherung)
ermittelt würde, resultiert unter Berücksichtigung der nicht strittigen
Aufteilung von Erwerbs- und Haushaltstätigkeit sowie der unbestrittenen
Einschränkung im Haushalt von 26 %, des ebenfalls nicht strittigen
vorinstanzlich festgestellten Invalideneinkommens von Fr. 24'154.- sowie des
massgebenden Valideneinkommens von Fr. 64'922.- (vgl. E. 3) ein
Invaliditätsgrad von gerundet 59 % (0.9 x [{Fr. 64'922.- - Fr. 24'154.-} x 100
% : Fr. 64'922.-] + 0.1 x 26 % = 59.12 %; BGE 130 V 121). Vorinstanz und
Verwaltung haben demnach zu Recht ab 1. August 2012 eine halbe Invalidenrente
zugesprochen (Art. 28 Abs. 2 IVG).

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. März 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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