Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.113/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]            
8C_113/2016   {T 0/2}     

Urteil vom 6. Juli 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 17. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1957 geborene A.________ meldete sich im August 2004 zum Leistungsbezug bei
der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern holte das Gutachten der MEDAS
Medizinische Abklärungsstation, Spital C.________, vom 18. Januar 2006 ein. Mit
Verfügung vom 23. Februar 2006 und dem diese bestätigenden Einspracheentscheid
vom 28. Juni 2006 lehnte sie das Leistungsgesuch ab.
Im Dezember 2006 meldete sich die Versicherte erneut zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle Bern veranlasste eine Begutachtung bei Dr. med. B.________, FMH
Innere Medizin und Rheumaerkrankungen (Expertise vom 2. Juni 2009). Mit
Verfügung vom 25. Februar 2010 lehnte sie das Leistungsbegehren ab.
Am 20. September 2013 meldete sich die Versicherte - nach einem Unfall vom 18.
Juli 2013 mit distaler mehrfragmentärer intraartikulärer Radiusfraktur rechts -
ein weiteres Mal zum Leistungsbezug an. Laut Gutachten des Dr. med. B.________
vom 18. August 2014 hatte sich der Gesundheitszustand seit der letzten
Exploration (Gutachten vom      2. Juni 2009) verschlechtert. Die Versicherte
war aus somatisch-rheumatologischer Sicht im zuletzt ausgeübten Beruf als
Hausdienstmitarbeiterin in einem Betagtenheim nicht mehr arbeitsfähig. Eine
angepasste Verweistätigkeit beschränkte sich auf körperlich leichtgradig
belastende, in einem temperierten Raum ausführbare Arbeiten, welche das
Wechseln zwischen sitzender, stehender und gehender mit rücken-ergonomisch
günstiger Körperhaltung zuliessen sowie kein repetitives Treppensteigen
erforderten; nicht möglich waren Verrichtungen mit der rechten Hand oberhalb
der Schulter sowie deren kraftvoller Einsatz und das Bedienen vibrierender
Maschinen; die Gewichtslimite betrug für repetitiv zu bewegende Lasten mit
beiden Armen 7.5 bis 10 kg und isoliert mit dem rechten Arm 3 kg. In einer dem
Zumutbarkeitsprofil Rechnung tragenden Verweistätigkeit war die Versicherte ab
März 2014 zu 40 % arbeitsfähig. Gemäss Abklärungsbericht Haushalt vom 12.
November 2014 würde die Versicherte, wäre sie gesund geblieben, zu 80 %
erwerbs- und zu 20 % im Haushalt tätig sein. Die IV-Stelle holte im
Vorbescheidverfahren zusätzlich die Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen
Dienstes (RAD) vom 29. Januar 2015 sowie des Abklärungsdienstes vom 19. März
2015 ein. Mit Verfügung vom 21. August 2015 sprach sie der Versicherten
gestützt auf einen nach der gemischten Methode ermittelten Invaliditätsgrad von
42 % ab 1. Juli 2014 eine Viertelsrente zu.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern ab (Entscheid vom 17. Dezember 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei ihr eine ganze, eventualiter eine halbe Rente
der Invalidenversicherung zuzusprechen. Gleichzeitig ersucht sie um Bewilligung
der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die IV-Stelle beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter
sei sie abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. A.________ lässt dazu eine
weitere Eingabe auflegen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf
eine Vernehmlassung.

D. 
Mit Verfügungen vom 19. Mai 2016 hat der Instruktionsrichter die Parteien
eingeladen, sich im Lichte des am 4. Mai 2016 gefällten Urteils 9C_178/2015 (in
BGE 142 V noch nicht veröffentlicht), mit dem die Rechtsprechung zur
Invaliditätsbemessung von teilerwerbstätigen Personen präzisiert worden ist,
zur Sache zu äussern. Die Parteien haben sich dazu je mit Eingabe vom 10. Juni
2016 vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. In Zusammenhang mit diesen prozessualen Vorschriften macht die IV-Stelle
geltend, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, weil sich sämtliche
Vorbringen der Beschwerdeführerin auf vom Bundesgericht nicht zu prüfende
Sachverhaltsfragen bezögen. Auf dieses Vorbringen ist offensichtlich nicht
näher einzugehen, geht es doch im bundesgerichtlichen Verfahren unter anderem
gerade darum zu prüfen, ob das kantonale Gericht den Sachverhalt in Einklang
mit den bundesrechtlichen Prozessvorschriften festgestellt hat.

2.

2.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass sich der Gesundheitszustand der
Beschwerdeführerin bis zum Zeitpunkt der Verfügung vom    21. August 2015
revisionsrechtlich erheblich verschlechterte. Daher hat das kantonale Gericht
den geltend gemachten Anspruch auf eine Invalidenrente der
Invalidenversicherung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend
("allseitig") prüfen müssen, wobei es nicht an die früheren Beurteilungen der
IV-Stelle gebunden gewesen ist (vgl. BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11 mit Hinweisen und
E. 6.1 S. 13). Prozessthema bildet in erster Linie die Frage, ob die
Beschwerdeführerin, wäre sie gesund geblieben, zu 80 % (statt zu 100 %)
beruflich erwerbstätig sein würde, wie die Vorinstanz in Bestätigung der
Verfügung vom 21. August 2015 angenommen hat.

2.2. Die auf eine Würdigung konkreter Umstände, nicht ausschliesslich auf die
allgemeine Lebenserfahrung oder auf arbeitsmarktliche Empirie gestützte
Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung ist eine Tatfrage, die das Bundesgericht nur
eingeschränkt überprüft (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. Urteil 9C_915/2012 vom
15. Mai 2013 E. 4.1 mit Hinweisen).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass sich die Versicherte laut
Abklärungsbericht Haushalt vom 12. November 2014 dahingehend äusserte, im
Gesundheitsfall zu 80 % erwerbstätig zu sein; dies war als "Aussage der ersten
Stunde" zu werten, welche in der Regel unbefangener und zuverlässiger sei als
spätere Darlegungen, die bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen
versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können. Die
Versicherte habe gegenüber den Gutachtern der MEDAS im Jahr 2005 und dem
Experten Dr. med. B.________ im Jahr 2009 angegeben, erst seit August 2003 an
gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Bereits vor diesem Zeitpunkt sei sie an
einer von der Arbeitslosenversicherung vermittelten Arbeits-stelle zu einem
reduzierten Pensum beschäftigt gewesen, ohne sich um eine andere
Erwerbsgelegenheit zu bemühen, bei der sie vollzeitlich hätte arbeiten können.
Im Übrigen erfüllte die Versicherte auch zur Zeit, als sie noch mit den Eltern
zusammenlebte, einen Aufgabenbereich, indem sie kochte und weitere Bereiche im
Haushalt übernahm. Nach deren Tod liess sie die Wohnung zwar verwahrlosen, dies
hing indessen nicht damit zusammen, dass sie keinen Aufgabenbereich hatte,
sondern damit, dass sie diesen vernachlässigte.

3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei wegen ihrer
Minderintelligenz nicht in der Lage gewesen, nach dem Tod ihrer Eltern als
alleinstehende Person selbstständig den Haushalt zu besorgen. Sie sei denn auch
auf Empfehlung ihrer Beiständin vom Sozialdienst der Einwohnergemeinde in einem
Zimmer eines Alters- und Pflegeheims untergebracht worden. Schon angesichts
dieser Umstände müsse davon ausgegangen werden, sie könnte auch als gesunde
Person dem angenommenen Aufgabenbereich nicht eigen- und selbstständig
nachgehen. Bereits die medizinischen Sachverständigen der MEDAS hätten
festgehalten, sie sei nur unter der Voraussetzung vollständig arbeitsfähig,
wenn es sich bei der Arbeitsgelegenheit um nicht leistungsorientierte
Tätigkeiten handle, die keine intellektuelle Anforderungen verlangten, und bei
welchen sie über Bezugspersonen verfügen könne, die sie aktivierten und zum
Arbeiten anhielten. Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts habe sie
den Sinn der von der Ablärungsperson vor Ort, mithin im Zimmer des Alters- und
Pflegeheims gestellten Frage, in welchem Umfang sie ohne Behinderung eine
Erwerbstätigkeit ausüben würde, nicht begriffen, zumal sie den Aufgabenbereich
nicht mehr eigenhändig und selbstständig zu erfüllen vermocht habe. Sie habe
einzig darauf hingewiesen, zuletzt im Umfang eines Pensums zu 80 % im zweiten
Arbeitsmarkt tätig gewesen zu sein.

3.3.

3.3.1. Was die Beschwerdeführerin vorbringt, begründet keine rechtsfehlerhafte
Tatsachenfeststellung des kantonalen Gerichts. Es mag zutreffen, dass sie mit
dem Tod des Vaters und dem Eintritt der Mutter in ein Altersheim im Jahre 2007
ihre engsten Bezugspersonen, die sie zu aktivieren und zum Arbeiten anzuhalten
vermochten (vgl. dazu das Gutachten der MEDAS vom 18. Januar 2006), verlor.
Indes wurde sie danach von einem Beistand des Sozialdiensts ihrer
Einwohnergemeinde betreut. Anhaltspunkte, dass sie aus geistigen oder
psychischen Gründen (vgl. Art. 3 Abs. 1 ATSG) nicht in der Lage war,
selbstständig - mithin ohne Hilfe der Eltern - einen Haushalt zu führen,
ergeben sich aus den medizinischen Akten nicht. Vielmehr hielten die
Sachverständigen der MEDAS im Gutachten vom 18. Januar 2006 fest, dass sich
weder eine Minderintelligenz noch eine krankheitswertige psychische Störung
finden liess. Daher kann aus dem Umstand, dass der Sozialdienst die Versicherte
wegen Vernachlässigung der Wohnungspflege in ein Zimmer eines Alters- und
Pflegeheims einquartierte, nichts Aufschlussreiches zur Beurteilung der
Statusfrage gezogen werden. Nach dem Gesagten ist - wie das kantonale Gericht
zutreffend erwogen hat - alleine entscheidend, dass die Beschwerdeführerin ab
dem Jahre 2001 bis zum Unfall vom 18. Juli 2013, ab welchem Zeitpunkt die
revisionsrechtlich relevante Änderung des Gesundheitszustands anzunehmen war
(vgl. Gutachten des Dr. med. B.________ vom 18. August 2014), nie in einem 80 %
übersteigenden Pensum erwerbstätig war, obwohl sie laut den Gutachten der MEDAS
vom 18. Januar 2006 und des Dr. med. B.________ vom 2. Juni 2009 in einer
angepassten Verweistätigkeit vollzeitlich hätte arbeiten können. Daher ist
nicht ersichtlich, inwieweit die von der Arbeitslosenversicherung zugewiesene
Anstellung im zweiten Arbeitsmarkt zu einem Pensum von 80 % für die Beurteilung
der Statusfrage von Bedeutung sein soll.

3.3.2. Damit ist in Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids die Invalidität
anhand der gemischten Methode mit einem Erwerbsteil von 80 % und einem Anteil
Aufgabenbereich von 20 % zu bemessen. Inwieweit die Anwendung dieser Regeln im
vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände indirekt
geschlechterdiskriminierend wirken, der gebotenen Achtung des Privat- oder
Familienlebens zuwider laufen und damit allenfalls Art. 8 sowie Art. 14 EMRK
verletzen sollen, ist aus der Beschwerde und auch aus der Eingabe der
Beschwerdeführerin vom 10. Juni 2016 nicht ersichtlich. Daher ist darauf nicht
näher einzugehen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).

3.3.3. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Beschwerdeführerin, wie
sie geltend macht, in keinem Aufgabenbereich tätig sein würde, müsste nach dem
vorstehend Gesagten eine erwerbliche Beschäftigung von 80 % angenommen werden.
Denn nach BGE 131 V 51 ist die Reduktion des zumutbaren erwerblichen
Arbeitspensums, ohne dass die dadurch frei werdende Zeit für die Tätigkeit im
Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG verwendet wird, für die Methode der
Invaliditätsbemessung ohne Bedeutung. In Präzisierung dieser Rechtsprechung hat
das Bundesgericht mit Urteil 9C_178/2015 vom 4. Mai 2016 (in BGE 142 V noch
nicht publiziert) entschieden, dass die Einschränkung im erwerblichen Bereich
proportional - im Umfang des hypothetisch-erwerblichen Teilzeitpensums - zu
berücksichtigen ist (vgl. auch Urteil 8C_846/2015 vom 3. Juni 2016 E. 6 f.).
Würde die Invalidität nach den Vorgaben des Urteils 9C_178/2015 bemessen,
ergäbe sich, wie aus dem Folgenden hervorgeht, kein Invaliditätsgrad, der
unterhalb der Erheblichkeitsschwelle von 40 % oder gar über dem von der
Vorinstanz ermittelten (42 %) läge. Daher wird auf die Vorbringen der
Beschwerdeführerin, die zitierte Rechtsprechung sei gesetzes- und
verfassungswidrig, nicht näher eingegangen, zumal sie nicht darlegt, inwiefern
anhand des vorliegenden Falles die Voraussetzungen einer Praxisänderung (vgl.
dazu BGE 140 V 538    E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen) gegeben sein sollen.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, ihr sei angesichts ihres Alters
und der deutlich eingeschränkten Arbeitsfähigkeit nicht mehr zumutbar, sich
selbstständig in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern. Dazu hat das kantonale
Gericht - trotz entsprechendem Einwand in der kantonalen Beschwerde - keine
Feststellungen getroffen, weshalb das Bundesgericht die aufgeworfene Frage auch
in sachverhaltlicher Hinsicht frei prüft.

4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei bereits an der zuletzt
ausgeübten Stelle im zweiten Arbeitsmarkt eingeschränkt erwerbsfähig und ab dem
Unfall vom 18. Juli 2013 vollständig arbeitsunfähig gewesen; sie verfüge über
keine Berufsausbildung, sei intellektuell schwach begabt und schon daher
vermindert leistungsfähig gewesen; seit dem Tod der Eltern sei sie auf Hilfe in
allen Belangen des alltäglichen Lebens angewiesen gewesen und bedürfe
insbesondere der Hilfe von Bezugspersonen, die sie aktivierten und zum Arbeiten
anhielten; auch gemäss Gutachten des Dr. med. B.________ vom 18. August 2014
sei sie einem potentiellen Arbeitgeber im angegeben Umfang einer
Arbeitstätigkeit von 40 % nicht zumutbar.

4.3. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass Dr. med. B.________ mit seiner
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit von 40 % den geltend gemachten
Einschränkungen in allen Teilen Rechnung trug. Er hielt abschliessend unter
anderem fest, dass auch prognostisch beurteilt damit zu rechnen sei, die
krankheitsfremden Faktoren würden weiterhin ursächlich für die seit dem Unfall
vom 18. Juli 2013 geltend gemachte vollständige Arbeitsunfähigkeit sein. Daher
ist nicht einzusehen, weshalb der Beschwerdeführerin, die zu dem für die
Beurteilung der aufgeworfenen Frage massgeblichen Zeitpunkt des Gutachtens des
Dr. med. B.________ vom 18. August 2014 (vgl. dazu BGE 138 V 457) 57 Jahre alt
gewesen war, nicht mehr zumutbar gewesen sein soll, sich ins Arbeitsleben aus
invalidenversicherungsrechtlichen Gründen wieder einzugliedern. Sie übersieht
vor allem, dass der zu unterstellende ausgeglichene Arbeitsmarkt nach ständiger
Rechtsprechung durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage
nach Arbeitskräften gekennzeichnet ist und einen Fächer verschiedenster
Tätigkeiten aufweist (BGE 110 V 273 E. 4b S. 276). Das gilt sowohl bezüglich
der dafür verlangten beruflichen und intellektuellen Voraussetzungen wie auch
hinsichtlich des körperlichen Einsatzes (SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007
E. 5.1 mit Hinweis). Wohl trifft zu, dass nicht von realitätsfremden
Einsatzmöglichkeiten auszugehen ist. Indessen umfasst der ausgeglichene
Arbeitsmarkt auch sogenannte Nischenarbeits-plätze, also Stellenangebote, bei
welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen von Seiten des
Arbeitgebers rechnen können (Urteil 9C_95/2007 vom 29. August 2007 E. 4.3 mit
Hinweisen). Die Beschwerdeführerin hat denn auch, wie sie selber betont,
Arbeitsgelegenheiten im zweiten Arbeitsmarkt gefunden. Wohl trifft weiter zu,
dass das fortgeschrittene Alter, obgleich ein invaliditätsfremder Faktor, von
der Rechtsprechung als Kriterium anerkannt wird, welches zusammen mit weiteren
persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen kann, dass die einer
versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt wird, und dass ihr deren Verwertung auch
gestützt auf die Selbsteingliederungspflicht nicht mehr zumutbar ist (BGE 107 V
17    E. 2c S. 21; Urteil 9C_954/2012 vom 10. Mai 2013 E. 2 mit Hinweisen).
Indessen hat das Bundesgericht in der Regel die Verwertbarkeit der verbliebenen
Arbeitsfähigkeit nur bei über 60-jährigen versicherten Personen, welchen
lediglich noch eine Aktivitätsdauer von weniger als fünf Jahren verblieb,
verneint (vgl. Sachverhalt und die in E. 4.3 des Urteils 9C_918/2008 vom 28.
Mai 2009 erwähnte Kasuistik; vgl. auch Urteil 9C_954/2012 vom 10. Mai 2013 E.
3.2, publiziert in: Plädoyer 2013 S. 57, sowie 9C_456/2014 vom 19. Dezember
2014    E. 3.3 und 8C_910/2015 vom 19. Mai 2016 E. 4.3.4). Im Lichte dieser
relativ hohen Hürden ist zu schliessen, dass der Beschwerdeführerin zumutbar
war, die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit von 40 % eines Vollzeitpensums in
einer den körperlichen Einschränkungen angepassten Erwerbstätigkeit zu
verwerten. Auch in diesem Zusammenhang ist, wie oben festgehalten, nicht
ersichtlich, inwiefern von den beantragten neuropsychologischen oder
psychiatrischen Abklärungen neue Erkenntnisse zu erwarten wären, weshalb davon
abzusehen ist.

4.4. Über den geltend gemachten Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen hat die IV-Stelle mangels eines entsprechenden Gesuchs
nicht verfügt. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

5. 
Die vorinstanzliche Bestimmung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG in
Verbindung mit Art. 28a Abs. 2 IVG ist im Übrigen unbestritten. Das
Bundesgericht hat den vorinstanzlichen Erwägungen einzig beizufügen, dass
selbst wenn im Sinne der Vorbringen der Beschwerdeführerin kein Aufgabenbereich
anzunehmen wäre, ein Invaliditätsgrad von (gerundet) 40 % resultierte, womit
weiterhin nur ein Anspruch auf eine Viertelsrente bestünde.

6. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

7.

7.1. Im vorinstanzlichen Verfahren verlangte die Beschwerdeführerin mit ihrem
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege lediglich, sie sei von der Leistung eines
Kostenvorschusses zu befreien. Davon ist mangels anderslautendem Antrag auch
für das bundesgerichtliche Verfahren auszugehen.

7.2. Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist im Sinne der
vorstehenden Erwägung stattzugeben, zumal die Beschwerdeführerin ausweislich
der vorinstanzlichen Akten über kein nennenswertes Einkommen oder Vermögen
verfügt und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist (vgl. Art.
64   Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig zufolge der zu gewährenden unentgeltlichen Rechtspflege auf die
Bundesgerichtskasse genommen.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Juli 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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