Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.111/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_111/2016

Urteil vom 9. Mai 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 23. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1975, wurde am 2. Oktober 2001 mit einem Messer angegriffen
und an der linken Hand verletzt. Er litt in der Folge auch an psychischen
Beschwerden. Mit Verfügungen vom 16. März 2006 sprach ihm die IV-Stelle des
Kantons Zürich rückwirkend ab dem 1. Oktober 2002 eine ganz Invalidenrente zu.
Am 1. September 2008 bestätigte sie den Rentenanspruch.

Im Zuge eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die
IV-Stelle ein interdisziplinäres Gutachten der Dres. med. B.________, Innere
Medizin und Rheumaerkrankungen FMH, und C.________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 28. November 2012 ein. Gestützt darauf hob sie die
Rente mit Verfügung vom 26. August 2014 auf.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 23. Dezember 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Anträgen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm auch
weiterhin eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40
Prozent zuzusprechen, es sei das interdisziplinäre Gutachten aus dem Recht zu
weisen, eventualiter sei die Sache zur Einholung eines neuen Gutachtens an die
Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei die Sache an die IV-Stelle
zurückzuweisen und es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und verzichtet auf
einen Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Die bundesgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung hat
sich darauf zu beschränken, ob mit Blick auf die vorgebrachten Rügen die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid offensichtlich unrichtig
ist oder eine Rechtsverletzung, namentlich hinsichtlich der Regeln über den
Beweiswert von ärztlichen Berichten, vorliegt (vgl. E. 1). Zu beachten ist hier
der Grundsatz, dass das Gericht Gutachten externer Spezialärzte, welche von
Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholt wurden und den
Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen, vollen Beweiswert zuerkennen
darf, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise
sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E.
3b/bb S. 353).

3. 
Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.

4. 
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Er
habe bei der Begutachtung nicht nach den Vorgaben von BGE 137 V 210 mitwirken
können. Das kantonale Gericht hat sich dazu eingehend und zutreffend geäussert.
Es hat insbesondere festgestellt, dass ab Erhalt der schriftlichen Mitteilung
des Dr. med. C.________ hinreichend Gelegenheit bestanden hätte, Einwände gegen
den psychiatrischen Gutachter vorzubringen, welche Möglichkeit der
Beschwerdeführer jedoch ungenutzt habe verstreichen lassen. Auch später habe er
keine gesetzlichen Ausstands- oder Ablehnungsgründe geltend gemacht und zudem,
obwohl von der IV-Stelle darauf aufmerksam gemacht, keine Zusatzfragen
gestellt. Es wird auch letztinstanzlich nicht dargelegt, welche Ausstandsgründe
der Beschwerdeführer hätte geltend machen wollen (BGE 132 V 93 E. 6.5 S. 108,
E. 7.1 S. 109 f.; SVR 2010 IV Nr. 41 S. 128, 8C_474/2009 E. 7) und inwiefern er
am Beweisergebnis hätte mitwirken wollen. Einwendungen materieller Natur,
namentlich auch gegen die Sachkunde des Experten, sind im Rahmen der
Beweiswürdigung zu prüfen (BGE 132 V 93 E. 6.5 S. 108 f.); auch diesbezüglich
wird beschwerdeweise jedoch nichts Näheres ausgeführt.

5. 
Der Beschwerdeführer beanstandet auch den Beweiswert des Gutachtens.

Diesbezüglich ist nach den vorinstanzlichen Feststellungen zunächst
ausschlaggebend, dass die ursprüngliche Rentenzusprechung aus psychischen
Gründen erfolgt ist. Aus somatischer Sicht wäre bereits damals eine
behinderungsangepasste Tätigkeit zu 100 Prozent zumutbar gewesen. Nach dem
aktuellen Gutachten liess sich kein relevanter Folgeschaden der am 2. Oktober
2001 erlittenen Verletzung der linken Hand objektivieren. Das kantonale Gericht
hat sich zu den bereits vorinstanzlich dazu erhobenen Einwänden eingehend und
zutreffend geäussert. Es liegen keine neueren ärztlichen Stellungnahmen vor,
die von der gutachtlichen Einschätzung abweichen würden (BGE 137 V 210 E. 1.3.4
S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353).

Bemängelt wird auch die psychiatrische Einschätzung. Es werden Widersprüche zu
den Vorgutachten aus den Jahren 2005 und 2008 und namentlich auch zur
Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. med. D.________ geltend gemacht.
Entscheidwesentlich ist, dass der psychiatrische Gutachter die von Dr. med.
D.________ am 4. Mai 2012 gestellte Diagnose einer posttraumatischen
Belastungsstörung nach den vorinstanzlichen Feststellungen nicht bestätigen
konnte. Das kantonale Gericht ist dabei den eingehenden Erläuterungen des
Gutachters gefolgt. Nicht nur wäre eine so lang anhaltende Belastungsstörung
atypisch. Insbesondere würden die diesbezüglich (beziehungsweise im Rahmen der
von Dr. med. D.________ zusätzlich diagnostizierten vorübergehenden
psychotischen Störung) geklagten Beschwerden nur selten noch nachts auftreten,
nicht aber tagsüber, sodass keine Behinderung bei der Arbeit durch Restsymptome
bestehe. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Störungen liessen sich mit den
vom behandelnden Psychiater verordneten Medikamenten unterdrücken. Die
Laboruntersuchung habe jedoch keinen therapeutisch wirksamen
Medikamentenspiegel gezeigt (vgl. BGE 141 V 281 E. 2.2.1 S. 287).
Übereinstimmend stellten Dr. med. D.________ und Dr. med. C.________
rezidivierende depressive Störungen fest, wobei gemäss gutachtlicher
Einschätzung seit Anfang 2012 nur noch eine leichtgradige Episode vorlag.
Psychische Störungen gelten grundsätzlich nur dann als invalidisierend, wenn
sie schwer und therapeutisch nicht (mehr) angehbar sind (BGE 141 V 281 E. 3.7.1
S. 295, E. 4.3.1.2 S. 299; Urteile 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2; 9C_539
/2015 vom 21. März 2016 E. 4.1.3.1; 8C_104/2014 vom 26. Juni 2014 E. 3.3.4).
Selbst bei mittelgradigen depressiven Störungen fehlt es an der vorausgesetzten
Schwere. Zudem ist nach der Laboruntersuchung ausgewiesen, dass der
Beschwerdeführer die ihm verordneten Medikamente nicht oder zumindest nicht in
der vorgesehenen Dosierung einnimmt. Durch die erstmals von Dr. med. C.________
diagnostizerte somatoforme Schmerzstörung ist der Beschwerdeführer nach dessen
Einschätzung zu 30 Prozent in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt (vgl. dazu
Urteil 8C_478/2015 vom 12. Februar 2016 E. 3.3, zur Publikation vorgesehen; BGE
141 V 281 E. 2.1.1 S. 286). Es liegen keine neueren Arztberichte vor, die von
der gutachtlichen Stellungnahme abweichen würden. Damit sind keine konkreten
Indizien ersichtlich, welche gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens sprechen
würden (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b
/bb S. 353). Die Einwände des Beschwerdeführers vermögen die vorinstanzliche
Beurteilung deshalb nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Mit der
Vorinstanz ist von einer Arbeitsfähigkeit in einer behinderungsangepassten
Tätigkeit von 70 Prozent auszugehen.

6. 
Hinsichtlich der erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung macht der
Beschwerdeführer geltend, dass es ihm nicht möglich sei, das von der Vorinstanz
gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (LSE 2010,
Tabelle TA1, Total, Anforderungsniveau 4 [einfache und repetitive Tätigkeiten])
ermittelte Einkommen zu erzielen. Es werden jedoch keine zusätzlichen als die
bereits erörterten Einwände zum Gesundheitszustand vorgebracht. Des Weiteren
wird ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn von 20 Prozent anstatt der von
Verwaltung und Vorinstanz gewährten 10 Prozent beantragt (BGE 129 V 472 E.
4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.). Es wird jedoch beschwerdeweise nicht
näher dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, welche Merkmale dabei
unberücksichtigt geblieben wären. Mit dem kantonalen Gericht ist von einem
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad auszugehen.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung
mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen
Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden, weil die
Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64
Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Massimo Aliotta wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Mai 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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