Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 4D.19/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4D_19/2016

Urteil vom 11. April 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Brugger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht,
4. Kammer,
Beschwerdegegner

B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Hischier.

Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege, Entzug

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer,
vom 19. Januar 2016.

Sachverhalt:

A.
Am 25. August 2014 reichte A.________ (Kläger; Beschwerdeführer) beim
Bezirksgericht Bremgarten eine Klage betreffend Mietzinsreduktion und
Beseitigung von Mängeln an der von der B.________ AG (Vermieterin) gemieteten
Wohnung ein, verbunden mit dem Antrag um Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege.
Mit Verfügung vom 12. November 2014 bewilligte der Gerichtspräsident das Gesuch
und gab dem Kläger Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner als unentgeltlichen
Rechtsbeistand bei.
Am 11. Juni 2015 entzog der Gerichtspräsident die bewilligte unentgeltliche
Rechtspflege rückwirkend per 1. Februar 2015. Diese Verfügung hob das
Obergericht des Kantons Aargau in teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen
Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf und wies die Sache zu
neuer Entscheidung an den Gerichtspräsidenten zurück.
Dieser verfügte am 26. November 2015, dass dem Kläger die mit Verfügung vom 12.
November 2014 bewilligte unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend per 1. März
2015 entzogen werde.
Mit Entscheid vom 19. Januar 2016 wies das Obergericht sowohl die dagegen vom
Kläger erhobene Beschwerde als auch dessen Gesuch um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege vor Obergericht ab. Es erwog, mangels Bestreitung
sei davon auszugehen, dass die Behauptung der Vermieterin in ihrer
Stellungnahme vom 28. Oktober 2015 zutreffe, wonach die Mietzinse seit März
2015 nicht bezahlt würden. Nicht relevant sei, wie viel der Kläger von der
Gemeinde für die Miete erhalte. Entscheidend sei vielmehr, ob er das, was er
erhalte, der Vermieterin überweise. Er habe jedoch nicht nachgewiesen, dass er
seit März 2015 etwas an die Miete bezahlt habe. Das Obergericht schützte
deshalb das Vorgehen des Gerichtspräsidenten, der den Mietzins mangels
Nachweises der effektiven Bezahlung bei der Berechnung des zivilprozessualen
Zwangsbedarfs unberücksichtigt liess, sodass ein Überschuss an Einkünften aus
Sozialhilfe von Fr. 437.50 monatlich resultierte, dessen Aufrechnung über
einige Monate reiche, um die mutmasslichen Kosten dieses Verfahrens
aufzubringen. Deshalb werde die unentgeltliche Rechtspflege per 1. März 2015
rückwirkend entzogen. Das Obergericht verweigerte sodann die unentgeltliche
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit auch für das Beschwerdeverfahren.

B.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht, der Entscheid des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. Januar 2016 sei aufzuheben. Die
Verfügung des Gerichtspräsidenten Bremgarten vom 26. November 2015 sei
aufzuheben, bzw. dem Beschwerdeführer sei die im Verfahren vor dem
Gerichtspräsidium gewährte unentgeltliche Rechtspflege zu bestätigen. Dem
Beschwerdeführer sei auch für das Verfahren vor Obergericht die unentgeltliche
Rechtspflege zu bewilligen und es sei ihm Dr. Peter Steiner als unentgeltlicher
Rechtsvertreter beizugeben.
Ausserdem ersucht er für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren um
Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege mit Dr. Peter Steiner als
unentgeltlichen Rechtsvertreter.
Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 140 IV 57 E. 2; 139 III 133
E. 1; je mit Hinweisen).

1.2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verfügung des Gerichtspräsidenten des
Bezirksgerichts richtet, kann darauf nicht eingetreten werden, denn die
Beschwerde in Zivilsachen und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde sind nur
gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig (Art. 75 Abs. 1 und Abs.
2 sowie Art. 114 BGG).

1.3. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Entscheid des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 19. Januar 2016 wendet, handelt es sich dabei um einen
Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG), mit dem die
Beschwerde gegen die die unentgeltliche Rechtspflege entziehende
erstinstanzliche Verfügung abgewiesen und die unentgeltliche Rechtspflege für
das kantonale Beschwerdeverfahren verweigert wurde. Ein solcher
Zwischenentscheid kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; 129 I 129 E.
1.1 S. 131).
Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III
380 E. 1.1 S. 382; 133 III 645 E. 2.2). In der Hauptsache geht es um ein
Verfahren betreffend Mietzinsreduktion und Beseitigung von Mängeln. Der
angefochtene Entscheid enthält keine Angaben zur Hauptsache, insbesondere nicht
zum Streitwert (entgegen Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG). Es kann daher nicht
ermittelt werden, ob der für die Beschwerde in Zivilsachen in mietrechtlichen
Angelegenheiten erforderliche Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit.
a BGG) erreicht wird. Der Beschwerdeführer macht ebenfalls keine Angaben,
sondern merkt lediglich an, "die Beschwerde [sei] zumindest als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde anhand zu nehmen". Demnach ist die Beschwerde als solche
zu behandeln (Art. 113 BGG).

2.
Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG), was in der Beschwerde substantiiert
vorgebracht und begründet werden muss (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn
diese auf der Verletzung verfassungsmässiger Rechte beruhen (Art. 118 Abs. 2
i.V.m. Art. 116 BGG). Dies trifft zu, wenn die Sachverhaltsfeststellungen gegen
das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV verstossen, d.h. im Ergebnis offensichtlich
unhaltbar sind (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178 mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer macht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend
(Art. 9, 29 Abs. 1 und 3 sowie Art. 29a BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Er erhebt
damit zulässige Rügen. Diejenigen einer Verletzung der Rechtsweggarantie nach
Art. 29a BV und des Grundsatzes der Fairness und Waffengleichheit nach Art. 29
Abs. 1 BV begründet er jedoch nicht rechtsgenüglich, weshalb darauf nicht
eingetreten werden kann. Sodann zeigt er nicht auf, dass Art. 6 Ziff. 1 EMRK
betreffend die unentgeltliche Rechtspflege über den Gehalt von Art. 29 Abs. 3
BV hinausgeht, weshalb auch auf diese Rüge nicht weiter einzugehen ist.

3.
Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Mit
Art. 117 ff. ZPO wird der als verfassungsrechtliche Minimalgarantie in Art. 29
Abs. 3 BV verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung auf Gesetzesstufe geregelt (BGE 138 III 217 E. 2.2.3). Die
Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 117 f. ZPO stimmen
dabei mit denjenigen der Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV überein, deren
Einhaltung das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit freier Kognition prüft
(Urteile 4D_62/2015 vom 9. März 2016 E. 3, zur Publ. bestimmt; 4A_325/2015 vom
9. Februar 2016 E. 4.1, zur Publ. bestimmt; vgl. BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223;
129 I 129 E. 2.1).

4.

4.1. Die vom Bundesgericht zum Begriff der Mittellosigkeit gemäss Art. 29 Abs.
3 BV entwickelte Praxis ist auch für die Auslegung von Art. 117 lit. a ZPO zu
berücksichtigen. Als bedürftig gilt demnach eine Person, wenn sie die Kosten
eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die
für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer
Familie erforderlich sind. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach
der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der
Einreichung des Gesuchs (BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 371; 135 I 221 E. 5.1 S.
223; 128 I 225 E. 2.5.1). Dazu gehören nicht nur die Einkommens-, sondern auch
die Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 97 E. 3b S. 98 mit Hinweisen). Die Behörde
hat sämtliche Umstände im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung zu würdigen und der
gesamten wirtschaftlichen Situation des Gesuchstellers Rechnung zu tragen
(Urteil 5A_405/2011 vom 27. September 2011 E. 4.2.2, nicht publ. in: BGE 137
III 470). Zu diesem Zweck sind neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
auch die finanziellen Verpflichtungen des Gesuchstellers zu berücksichtigen.
Letztere sind aber nur dann auf der Bedarfsseite zu veranschlagen, wenn sie
effektiv geleistet werden (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223). Verfallene Schulden
sind zu berücksichtigen, soweit sie effektiv abbezahlt werden (BGE 135 I 221 E.
5.2).
Grundsätzlich obliegt es dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und
Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich zu belegen.
Diesbezüglich trifft ihn eine umfassende Mitwirkungspflicht (BGE 125 IV 161 E.
4a S. 164 f.; 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f.; Urteil 4A_667/2015 vom 22. Januar
2016 E. 3.2 mit Hinweisen).

4.2. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt die verfassungsrechtliche
Garantie nach Art. 29 Abs. 3 BV einen Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege
zu. Dabei ist die einmal erteilte unentgeltliche Rechtspflege grundsätzlich nur
für künftige Prozesshandlungen zu entziehen, weil die bedürftige Partei und ihr
Vertreter in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass bis zur Anordnung des
Gegenteils die Unentgeltlichkeit Geltung hat. Soweit diese Annahme jedoch nicht
mehr berechtigt ist, kommt ein Entzug auch rückwirkend für Rechtsvorkehren in
Betracht, welche nicht im Vertrauen auf das gewährte Armenrecht vorgenommen
werden konnten (Urteil 4P.300/2005 vom 15. Dezember 2005 E. 3.1).

4.3. Die Regeln nach Art. 117 ff. ZPO, welche die verfassungsrechtliche
Minimalgarantie für den Zivilprozess konkretisieren, sehen die
Entzugsmöglichkeit explizit vor: Nach Art. 120 ZPO entzieht das Gericht die
unentgeltliche Rechtspflege, wenn der Anspruch darauf nicht mehr besteht oder
nie bestanden hat. Das Gericht entzieht damit die unentgeltliche Rechtspflege,
wenn einerseits eine oder sämtliche Voraussetzungen der unentgeltlichen
Rechtspflege nach deren Gewährung weggefallen sind, und andererseits, wenn die
Voraussetzungen für deren Gewährung ursprünglich nicht vorlagen.

4.4. Massgebender Zeitpunkt zur Beurteilung der Voraussetzungen der
unentgeltlichen Rechtspflege ist derjenige der Einreichung des Gesuchs (BGE 139
III 475 E. 2.2; Urteil 4D_62/2015 vom 9. März 2016 E. 4.3; zur Publ. bestimmt).
Entscheide betreffend Bewilligung oder Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege erwachsen indes nicht in materielle Rechtskraft (BGE 141 I 241 E.
3.1). Daraus bzw. gestützt auf den Wortlaut von Art. 120 ZPO, wonach das
Gericht die unentgeltliche Rechtspflege entzieht, wenn der Anspruch darauf
nicht mehr besteht, ist aber nicht auf eine voraussetzungslose Abänderbarkeit
bzw. fehlende Bindung an den Entscheid zu schliessen. Vielmehr darf eine
Neubeurteilung nur bei  veränderten tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissenerfolgen, sei es in Bezug auf die Erfolgsaussichten, die
Bedürftigkeit oder die Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung (Urteile
5A_637/2015 vom 10. November 2015 E. 6.1; 5A_305/2013 vom 19. August 2013 E.
3.5; DANIEL WUFFLI, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen
Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 627).
Dabei kann es betreffend die Voraussetzung der Bedürftigkeit nach Art. 117 lit.
a ZPO nicht angehen und wäre nicht praktikabel, die Bedarfsrechnung selbst bei
kleineren Veränderungen nach der Gesuchseinreichung laufend neu vorzunehmen.
Vielmehr kommt die nachträgliche Verneinung der Bedürftigkeit im Laufe des
Verfahrens nur bei einer  wesentlichen Veränderung der finanziellen
Verhältnisse in Betracht, mag diese im Wegfall eines bedeutenden Bedarfspostens
oder in einem erheblichen Einkommens- oder Vermögenszuwachs bestehen (WUFFLI,
a.a.O., Rz. 629; ALFRED BÜHLER, Berner Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 2012, N. 11c zu Art. 120 ZPO, der von nachträglich
erheblichen  Veränderungen der finanziellen Verhältnisse spricht; Frank EMMEL,
in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/
Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 120 ZPO, der eine
entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse voraussetzt).

4.5. Wenn der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht mehr besteht,
erfolgt der Entzug grundsätzlich für künftige Prozesshandlungen ( ex nunc et
pro futuro). Der Entzug nur für die Zukunft bildet also die Regel (BGE 141 I
241 E. 3.1 S. 244; Urteil 5A_305/2013 vom 19. August 2013 E. 3.3; Botschaft zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221 ff.,
S. 7303). Dass ein Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege grundsätzlich nur
mit Wirkung ex nunc et pro futuro erfolgen soll, folgt auch aus dem
Vertrauensschutz (BÜHLER, a.a.O., N. 22 zu Art. 120 ZPO; WUFFLI, a.a.O., Rz.
627 und 632; Viktor RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 120 ZPO).
Der rückwirkende Entzug (ex tunc) greift nur ausnahmsweise (Urteil 5A_305/2013
vom 19. August 2013 E. 3.5), etwa weil die Partei falsche oder unvollständige
Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen gemacht hat oder sich sonst
mutwillig, irreführend, täuschend oder rechtsmissbräuchlich verhalten hat
(WUFFLI, a.a.O., Rz. 632 ff.; BÜHLER, a.a.O., N. 26 und 28 zu Art. 120 ZPO;
noch offengelassen bezüglich unvollständiger Angaben: Urteil 5P.417/2006 vom 7.
Februar 2007 E. 3.3).

5.
Im Lichte dieser Grundsätze und der erhobenen Rügen ist der vorliegende Fall zu
überprüfen:

5.1. Dem Beschwerdeführer wurde die unentgeltliche Rechtspflege mit Verfügung
vom 12. November 2014 bewilligt.
Eine erste Entzugsverfügung vom 11. Juni 2015 rückwirkend per 1. Februar 2015
hob das Obergericht wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf. Daraufhin
wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, wovon
er mit Eingabe vom 14. Oktober 2015 Gebrauch machte. Die Vermieterin äusserte
sich mit Stellungnahme vom 28. Oktober 2015, worauf der Beschwerdeführer nicht
replizierte.
Am 26. November 2015 entzog der Gerichtspräsident die am 12. November 2014
bewilligte unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend per 1. März 2015. Anlass für
den Entzug bildete die als erwiesen erachtete Behauptung der Vermieterin, dass
die Mietzinsen seit März 2015 nicht bezahlt würden.
Es liegt mithin ein rund neun Monate zurückwirkender Entzug vor, bezogen auf
den Zeitpunkt der Nichtbezahlung der Miete und somit des Wegfalls dieses
Aufwandpostens in der Berechnung des zivilprozessualen Notbedarfs. Es ist also
nur zu beurteilen, ob ein solcher rückwirkender Entzug der unentgeltlichen
Rechtspflege ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Aufwandspostens der Miete
bundesrechtskonform ist.
Dementsprechend braucht nicht entschieden zu werden, ob der Entzug der
unentgeltlichen Rechtspflege abgesehen von den oben genannten Konstellationen
(Erwägung 4.5) auch rückwirkend erfolgen kann, wenn die Partei, der die
unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, im Laufe des Verfahrens eine
ausserordentliche Verbesserung ihrer finanziellen Verhältnisse erfahren durfte
(so Rüegg, a.a.O. N. 2 zu Art. 120 ZPO; EMMEL, a.a.O., N. 2 zu Art. 120 ZPO;
anders Wuffli, a.a.O., Rz. 628, der auch in diesem Fall von einem Entzug ex
nunc ausgeht).

5.2. Die Miete bildet im Allgemeinen einen bedeutenden Betrag des Notbedarfs,
so dass bei deren Wegfall in der Regel von einer wesentlichen Veränderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse ausgegangen werden darf (vgl. Erwägung 4.4). Die
Vorinstanz führt sodann zu Recht an, dass finanzielle Verpflichtungen nur dann
auf der Bedarfsseite zu veranschlagen sind, wenn sie effektiv geleistet werden
(vgl. Erwägung 4.1). Ein Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege ex nunc et pro
futuro ist daher zulässig, wenn feststeht, dass ein Mieter den Mietzins
(regelmässig) nicht bezahlt, und bei dessen Nichtberücksichtigung in der
Bedarfsrechnung ein Überschuss resultiert, der ihm erlaubt, die mutmasslich
anfallenden Kosten zu bezahlen. Ausnahmsweise kommt auch ein rückwirkender
Entzug auf den Zeitpunkt des Wegfalls der Miete in der Bedarfsrechnung in
Betracht, wenn - wie dies in casu implizit angenommen wurde - die Gesuch
stellende Partei die Nichtbezahlung des Mietzinses mutwillig verschwiegen hat.

5.3. Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst als willkürlich, dass die
Vorinstanz die Darstellung der Vermieterin in der Stellungnahme vom 28. Oktober
2015 als unbestritten taxierte, weil der Beschwerdeführer darauf nicht
repliziert hatte. Er bringt vor, er habe seinen Standpunkt ja schon durch seine
vorangehende Eingabe vom 13. (recte 14.) Oktober 2015 vorgebracht und keinen
Anlass gehabt, diesen nach der Stellungnahme der Vermieterin nochmals zu
wiederholen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer machte in der Eingabe vom
14. Oktober 2015 geltend, er habe mangels Eröffnung eines gesetzeskonformen
Mietkautionskontos den Mietzins für März 2015 mit der geleisteten Kaution
verrechnet und er habe die Mietzinse für April, Mai und Juni 2015 mittels
Zusendung eines Bankchecks bezahlt, dessen Postannahme die Vermieterin aber
verweigert habe.
Dem entgegnete die Vermieterin in ihrer Stellungnahme vom 28. Oktober 2015 mit
einem Auszug der Bank C.________ vom 2. Februar 2015 betreffend das Sparkonto
für Mietkaution, lautend auf A.________, woraus hervorgeht, dass auf dieses
Konto bereits am 10. März 2014 eine Gutschrift von Fr. 1'690.-- erfolgt war.
Mit der Einreichung dieses Kontoauszuges durch die Vermieterin war dem
Vorbringen betreffend Verrechnung der Boden entzogen. Hätte der
Beschwerdeführer dennoch auf seinem Standpunkt beharren wollen, wie er dies vor
Ober- und auch vor Bundesgericht - allerdings zu spät - nach wie vor tut, hätte
er rechtzeitig mit substantiierten Entgegnungen auf die Stellungnahme der
Vermieterin vom 28. Oktober 2015 und den damit eingereichten Kontoauszug
reagieren müssen. Nachdem er dies nicht tat, durfte die Vorinstanz die
diesbezüglichen Behauptungen in der Beschwerde als unzulässige Noven unbeachtet
lassen und das Vorbringen betreffend Verrechnung des Mietzinses für März 2015
als gescheitert betrachten.
Betreffend angeblicher Zusendung eines Bankchecks für die Mietzinse April, Mai
und Juni 2015 bestritt die Vermieterin in ihrer Stellungnahme vom 28. Oktober
2015, vom Beschwerdeführer Bankchecks erhalten zu haben und erklärte, der
Beschwerdeführer sei für seine Behauptung den Beweis schuldig geblieben. Auch
dies liess der Beschwerdeführer unwidersprochen. Es ist daher keineswegs
unhaltbar, wenn die Vorinstanz davon ausging, der Beschwerdeführer habe keinen
Nachweis dafür erbracht, dass er die Mietzinse für April, Mai und Juni 2015
effektiv bezahlt hat.
Die Vorinstanz schützte sodann auch die Ausführung des Gerichtspräsidenten,
wonach der Beschwerdeführer die Behauptung der Vermieterin, er habe die
Mietzinse auch ab Juli 2015 nicht bezahlt, nicht bestritten habe. Falls der
Beschwerdeführer die Mietzinse bezahlt hätte, hätte er dafür auch Belege
vorweisen können. Da er dies nicht getan habe, bestehe ein sachlicher Grund zur
Annahme, dass er die Gelder der Sozialhilfe nicht für die Mietzinsen verwendet
habe. Diese Erwägung ist entgegen dem Vorwurf des Beschwerdeführers keineswegs
unhaltbar, sondern im Gegenteil plausibel. Dem Beschwerdeführer wäre es ein
Leichtes gewesen, die Bezahlung der Mietzinse mit entsprechenden Belegen
nachzuweisen, wenn er sie effektiv geleistet hätte. Nachdem er keine
entsprechenden Belege einreichte, drängt sich der Schluss auf, dass er die
Mietzinse nicht bezahlt hat, wie von der Vermieterin geltend gemacht worden
war.
Zusammenfassend ist die tatsächliche Annahme der Vorinstanz, dass der
Beschwerdeführer seit März 2015 die Mietzinsen nicht bezahlte, nicht
willkürlich. Die diesbezügliche Kritik des Beschwerdeführers erweist sich als
unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.

5.4. Der Beschwerdeführer monierte vor der Vorinstanz eine Verletzung der
Begründungspflicht bzw. des rechtlichen Gehörs, weil sich der Gerichtspräsident
nicht zur Mitteilung geäussert habe, wonach die Sozialhilfebehörde nicht den
ganzen Mietzins von Fr. 1'690.-- sondern nur Fr. 1'550.-- bezahle, und er
persönlich nur Fr. 390.-- für Miete erhalte. Die Vorinstanz verwarf das
Vorbringen, weil es nicht entscheidend sei, wie viel der Beschwerdeführer von
der Gemeinde für die Miete erhalte, sondern ob er das, was er erhalte, der
Vermieterin überweise.
Der Beschwerdeführer qualifiziert dies "als willkürliche Rechtsanwendung". Eine
nachvollziehbare Begründung für den Willkürvorwurf gibt er nicht, weshalb
darauf nicht einzutreten ist.
Auch soweit er der Vorinstanz eine Verletzung der Begründungspflicht vorwirft,
weil sie sich zur "absolut relevanten" Frage nicht geäussert habe, wie viel
Geld der Beschwerdeführer überhaupt von der Gemeinde für Miete erhalte, kann
ihm kein Erfolg beschieden sein. Die Vorinstanz hat im vorliegenden Kontext zu
Recht als nicht entscheidend angesehen, wie viel Geld der empfangenen
Sozialhilfeleistung für Miete gedacht ist. Für die im Zusammenhang mit der
unentgeltlichen Rechtspflege vorzunehmende Bedarfsrechnung ist einzig
ausschlaggebend, welchen Betrag der Beschwerdeführer für Miete bezahlen muss.
Wenn er diesen Betrag effektiv bezahlt, so ist er in der Bedarfsrechnung als
Bedarfsposten zu berücksichtigen. Nachdem aber festgestellt werden musste, dass
der Beschwerdeführer der Vermieterin ab März 2015 nichts an die Mietzinsen
bezahlte, wurde folgerichtig in der Bedarfsrechnung für Miete Fr. 0.--
eingestellt. Zu nicht entscheidrelevanten Vorbringen braucht sich die Behörde
nicht zu äussern, weshalb von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs keine
Rede sein kann (BGE 138 I 232 E. 5.1 mit Hinweisen).

5.5. Der Beschwerdeführer wendet ein, selbst wenn die Mietzinsen im
Existenzminimum nicht zu berücksichtigen wären, müssten auch seine Schulden
berücksichtigt werden. Er könne aufgrund seiner Sozialhilfebedürftigkeit und
der laufenden Betreibungen offensichtlich keine Abzahlungen an die Schulden
leisten. Eine Gläubigerbevorzugung sei verboten. Aufgrund der hohen
Betreibungsschulden sei es ihm offensichtlich unmöglich, Prozesskosten zu
bezahlen.
Die Vorinstanz hielt diesem Einwand zu Recht entgegen, dass nach der
bundesgerichtlichen Praxis (vgl. die Hinweise in Erwägung 4.1) die Schulden nur
berücksichtigt werden dürften, wenn der Beschwerdeführer regelmässige
Abzahlungen belegen könnte, was er nicht getan habe. An dieser Rechtsprechung
ändert nichts, dass der Beschwerdeführer von der Sozialhilfe lebt und gemäss
Angaben in der Beschwerde in hohem Masse verschuldet ist, weshalb er keine
Abzahlungen leisten könne. Auch für einen Sozialhilfebezüger ist die für die
unentgeltliche Rechtspflege erforderliche Notbedarfsrechnung nach den gleichen
Grundsätzen vorzunehmen wie für Personen mit anderen Einkommensquellen. Zwar
trifft es zu, dass die Sozialhilfebehörden nur das (erweiterte) Existenzminimum
abdecken, und daher Sozialhilfebezüger in aller Regel als prozessarm anzusehen
sind. Werden jedoch - wie in casu - finanzielle Verpflichtungen wie die
Mietzinsen nicht bezahlt und können sie daher beim Notbedarf nicht
berücksichtigt werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass auch für einen
Sozialhilfebezüger ein Überschuss resultiert, den er für die Prozesskosten
aufzuwenden hat.
Deshalb geht der pauschale Vorwurf, es sei "absolut willkürlich", bei einem
Sozialhilfebezüger mit Schulden von weit über Fr. 260'000.-- von fehlender
Bedürftigkeit auszugehen, fehl.

6.
Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich eine Verletzung des Grundsatzes
von Treu und Glauben. In der Beschwerde wird dieser Vorwurf damit begründet, es
sei "speziell willkürlich", dass der Entzug rückwirkend erfolge. Das Gericht
habe den unterzeichnenden Rechtsanwalt ursprünglich angefragt, ob er sich als
unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stelle. Daraufhin habe es die
Dienste des Rechtsanwalts in Anspruch genommen. Nun wolle es ihm seine Dienste
rückwirkend teilweise nicht mehr entschädigen. Das verstosse gegen Treu und
Glauben.
Damit wird ein treuwidriges Vorgehen gegen den als unentgeltlichen
Rechtsbeistand angefragten Rechtsanwalt gerügt und nicht ein solches gegenüber
dem Beschwerdeführer selbst. In Bezug auf Letzteren wird nichts vorgebracht,
weshalb sich unter Vertrauensgesichtspunkten der angeordnete rückwirkende
Entzug per 1. März 2015 nicht rechtfertigen würde. Deshalb besteht für das
Bundesgericht keine Handhabe, die Rückwirkung des Entzugs zu beanstanden.
Was die Wahrung von Treu und Glauben gegenüber dem unentgeltlichen
Rechtsbeistand anbelangt, ist zu beachten, dass mit Blick auf das besondere
Verhältnis zwischen Staat und unentgeltlichem Rechtsbeistand dessen
Entschädigungsanspruch nicht rückwirkend entzogen werden darf, sofern ihm
selbst kein bösgläubiges oder mutwilliges Verhalten vorzuwerfen ist. Vielmehr
bleibt dem gutgläubigen unentgeltlichen Rechtsbeistand der subsidiäre
Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat für seine Bemühungen bis zum
Entzugsentscheid gewahrt (WUFFLI, a.a.O., Rz. 636; BÜHLER, a.a.O., N. 31 zu
Art. 120 ZPO; EMMEL, a.a.O., N. 7 zu Art. 120 ZPO; RÜEGG, a.a.O., N. 2 zu Art.
120 ZPO), sofern sein Honorar gegenüber der Partei, der die unentgeltliche
Rechtspflege rückwirkend entzogen wurde, nicht einbringlich ist (Lukas Huber,
in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/
Schwander [Hrsg.], Online Ausgabe [Stand: 16. April 2012], N. 12 Fn. 26 zu Art.
120 ZPO).
Sofern sein Honorar beim Beschwerdeführer nicht einbringlich wäre, sind trotz
des rückwirkenden Entzugs dem bestellten unentgeltlichen Rechtsbeistand seine
gutgläubig geleisteten Bemühungen durch den Staat zu entschädigen. Dass sein
Honorar gegenüber dem Beschwerdeführer nicht einbringlich wäre oder dass ihm
die Entschädigung durch den Staat verweigert worden wäre, wird nicht konkret
dargelegt. Der Vorinstanz kann daher auch insofern keine Verletzung des
Grundsatzes von Treu und Glauben vorgeworfen werden.
Die Vorinstanz konnte demnach die Beschwerde abweisen, ohne gegen
verfassungsmässige Rechte zu verstossen. Damit ist deren Abweisung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Obergericht wegen
Aussichtslosigkeit verfassungskonform. Die Beschwerde erweist sich auch
insofern als unbegründet.

7.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann.
Da sie von vornherein als aussichtslos erschien, kann dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren nicht
entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten sind somit
dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, und der B.________ AG schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. April 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Brugger

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