Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Erläuterung und Berichtigung 2G 1/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2G_1/2016

Urteil vom 20. Juli 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Hänni.

Verfahrensbeteiligte
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen,
Gesuchsteller,

gegen

A.________, Gesuchsgegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner,

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons
St. Gallen.

Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung/
Unentgeltliche Rechtspflege.

Erläuterungsgesuch/Berichtigungsgesuch/
Revision gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_336/2015 vom
21. April 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. A.________ (geb. 1971) ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde in der
Schweiz geboren und lebte von kurz nach der Geburt bis zu seinem 16. Lebensjahr
in der Türkei. Am 4. Januar 1987 reiste er im Rahmen des Familiennachzugs in
die Schweiz ein. Im April 1991 erhielt er die Niederlassungsbewilligung.
A.________ ist Vater einer Tochter (geb. 8. Februar 1997), die bei ihrer von
A.________ geschiedenen Mutter lebt.

1.2. Nach der Feststellung des Privatkonkurses und Verlustscheinen in der Höhe
von knapp Fr. 46'000.-- verwarnte das Migrationsamt A.________ am 24. Oktober
1996. Während seines Aufenthalts wurde A.________ achtmal strafrechtlich
verurteilt, worunter wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, mehrfacher
Sachbeschädigung und mehrfachen Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von
16 Monaten (28. Juni 2007), und wegen gewerbsmässigen Diebstahls,
unrechtmässiger Aneignung, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen
Hausfriedensbruchs sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu
einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Bereits am 19. Oktober 2007 hatte das
Migrationsamt A.________ aufgrund verschiedener strafrechtlicher Verurteilungen
und fortlaufender Sozialhilfebezüge ein zweites Mal verwarnt.

1.3. Mit Verfügung vom 21. März 2011 widerrief das Migrationsamt die
Niederlassungsbewilligung von A.________. Einen hiergegen erhobenen Rekurs beim
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen wies dieses ab. Die
dagegen beim Verwaltungsgericht geführte Beschwerde blieb erfolglos (Urteil vom
23. Januar/19. Februar 2015). Die dagegen geführte Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hiess das Bundesgericht mit Urteil
2C_336/2015 am 21. April 2016 teilweise gut; es hob das Urteil des
Verwaltungsgerichts insoweit auf, als darin die unentgeltliche Prozessführung
und Verbeiständung abgewiesen wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde
abgewiesen.

1.4. Mit Eingabe vom 31. Mai 2016 ersucht der Präsident des Verwaltungsgerichts
des Kantons St. Gallen um "Erläuterung oder Berichtigung oder Revision" des
Urteils 2C_336/2015 vom 21. April 2016.

2.

2.1. Der Präsident des Verwaltungsgericht macht geltend, er habe am 22.
November 2013 das Gesuch von A.________ um unentgeltliche Rechtspflege wegen
Aussichtslosigkeit abgewiesen. Diese Verfügung sei unangefochten geblieben.
Auch in der Hauptsache sei die Beschwerde vom Verwaltungsgericht St. Gallen am
23. Januar/19. Februar 2015 abgewiesen worden. In seiner Beschwerde vom 24.
April 2015 an das Bundesgericht habe A.________ die Aufhebung des
Verwaltungsgerichtsentscheids vom 23. Januar/19. Februar 2015 und den Verzicht
auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung beantragt. Weiter habe er die
Erteilung der aufschiebenden Wirkung für die bundesgerichtliche Beschwerde
beantragt und um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das
Verfahren vor Bundesgericht ersucht.
Im Urteil 2C_336/2015 (E. 3.3) sei das Bundesgericht zum Schluss gekommen, das
Verwaltungsgericht hätte A.________ die unentgeltliche Rechtspflege und
Rechtsverbeiständung gewähren sollen. Es habe festgehalten, das Urteil des
Verwaltungsgericht sei insofern aufzuheben und zwecks diesbezüglicher
Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen (vgl. Ziffer 1 des
Dispositivs des Urteils 2C_336/2015).
Der Gesuchsteller führt weiter aus, das vom Bundesgericht teilweise aufgehobene
Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Januar/19. Februar 2015 enthalte keinen
Entscheid über die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung im
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Darüber sei vielmehr am 22. November 2013
bereits entschieden worden. Insofern habe das Bundesgericht A.________ entweder
mehr zugesprochen, als er verlangt habe, oder die Ziff. 1 des Dispositivs sei
insofern unklar, als damit ein Entscheid des Verwaltungsgerichts teilweise
aufgehoben werde bezüglich einer Frage, die nicht mehr Gegenstand des
angefochtenen Hauptentscheids vom 23. Januar/19. Februar 2015 gewesen sei.

2.2. Die Legitimation zum Revisionsgesuch (Art. 121 lt. b BGG) knüpft an die
Voraussetzungen der Beschwerdelegitimation an bzw. ist mit dieser identisch (
BGE 138 V 161 E. 2.5.2 S. 167). Das Verwaltungsgericht ist als Vorinstanz des
Bundesgerichts nicht zur Beschwerde und mithin nicht zum Revisionsgesuch
legitimiert. Auf das Revisionsgesuch ist nicht einzutreten.

2.3. Entgegen der Ansicht des Präsidenten des Verwaltungsgerichts liegt sodann
kein Tatbestand der Erläuterung bzw. der Berichtigung vor.

2.3.1. Gemäss Art. 129 Abs. 1 BGG nimmt das Bundesgericht die Erläuterung oder
Berichtigung vor, wenn das Dispositiv eines bundesgerichtlichen Entscheids
unklar, unvollständig oder zweideutig ist, seine Bestimmungen untereinander
oder mit der Begründung im Widerspruch stehen oder es Redaktions- oder
Rechnungsfehler enthält.
Ob ein Erläuterungs- oder Berichtigungsgesuch auch von einer Vorinstanz
gestellt werden kann, die das zu erläuternde Urteil zu vollziehen hätte, hat
das Bundesgericht bisher offengelassen (vgl. etwa Urteil 4G_1/2009 vom 5. Mai
2009 E. 1.1). Da eine Erläuterung auch von Amtes wegen zulässig ist, kann die
Frage letztlich auch vorliegend offenbleiben (vgl. Urteil 4G_1/2013 vom 17.
Juli 2013 E. 1).

2.3.2. In Ziff. 4 S. 3 f. der Beschwerde vom 24. April 2015 wird festgehalten
"Dem Beschwerdeführer sei im Verfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche
Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu gewähren. Die Bedürftigkeit ergibt
sich aus den Akten. [...]. Trotzdem die Vorinstanz am 22. November 2013 zum
Schluss gelangte, dass sich die Beschwerde vor Verwaltungsgericht als
aussichtslos erweise, kann dem nicht zugestimmt werden. Die Situation des
Beschwerdeführers hat sich seit diesem Zeitpunkt geändert, weshalb eine
Neubeurteilung stattfinden muss. Angesichts der Umstands, dass sich der
Beschwerdeführer seit 28 Jahren in der Schweiz aufhält, seit dem Jahr 2012
nicht mehr straffällig wurde und ihm zudem eine IV-Rente zugesprochen wurde,
wäre ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht verständlich, weshalb die
Beschwerde absolut nicht aussichtslos ist."
Nach Art. 93 Abs. 3 BGG kann ein Zwischenentscheid im bundesgerichtlichen
Verfahren zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden, wenn der
Zwischenentscheid nicht gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 anfechtbar war oder von der
Beschwerde kein Gebrauch gemacht wurde. Der Zwischenentscheid vom 22. November
2013 bindet zwar die Vorinstanz, die den Zwischenentscheid erlassen hat, nicht
aber das Bundesgericht (Art. 93 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2.3 S.
484).
A.________ blieb demnach die Möglichkeit, die Kritik an der Nichtgewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege im späteren bundesgerichtlichen
Beschwerdeverfahren gegen den Endentscheid der Vorinstanz vorzubringen. Einen
Antrag, das Verwaltungsgericht habe die unentgeltliche Rechtspflege bereits am
22. November 2013 zu Unrecht verweigert (und damit erst recht durch die spätere
Kostenauflage im Endentscheid am 19. Februar 2015), erachtete das Bundesgericht
als in der Beschwerdeschrift gestellt (vgl. Urteil 2C_336/2015 am 21. April
2016 E. 3.3). Darauf ist hier nicht zurückzukommen: Das Dispositiv des
bundesgerichtlichen Urteils ist diesbezüglich weder unklar, unvollständig oder
zweideutig, noch stehen seine Bestimmungen mit der Begründung im Widerspruch im
Sinne von Art. 129 Abs. 1 BGG. Das Erläuterungs- oder Berichtigungsgesuch ist
abzuweisen.

3. 
Nach dem Gesagten besteht kein Anlass, das Urteil vom 21. April 2016 zu
erläutern oder zu berichtigen. Mangels Parteistellung kann das
Verwaltungsgericht auch nicht die Revision des besagten Urteils beantragen.
Auf die Erhebung von Verfahrenskosten kann verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.

2. 
Das Erläuterungs- oder Berichtigungsgesuch wird abgewiesen.

3. 
Es werden keine Kosten erhoben.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Staatssekretariat für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juli 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Hänni

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