Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Revision 2F.24/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2F_24/2016

Urteil vom 5. Dezember 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Gesuchsteller,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft,

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
Poststrasse 3, 4410 Liestal.

Gegenstand
Revisionsgesuch gegen das Urteil des
Schweizerischen Bundesgerichts 2C_981+982/2016
vom 28. Oktober 2016,

Sachverhalt:

A. 
A.________ reichte in den Jahren 2000-2009 keine Steuererklärungen ein und
wurde deshalb von der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft jeweils
nach Ermessen veranlagt. Diese Veranlagungen basierten auf den Lohnausweisen
des Arbeitgebers von A.________ und erwuchsen in Rechtskraft.
Am 5. Februar 2015 beantragte A.________ bei der Steuerverwaltung die Revision
der Veranlagungen für die Steuerperioden 2000-2010, namentlich weil ihm wegen
Depressionen und einer langjährigen Alkoholerkrankung (verbunden mit
Medikamentenabhängigkeit) das ganze Ausmass seiner Lebenssituation erst jetzt
vollumfänglich bewusst geworden sei. Mit Entscheid vom 14. April 2015 wies die
Steuerverwaltung das Begehren um Revision der Veranlagungen ab. Die von
A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Steuer- und Enteignungsgericht
des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 8. November 2015 ebenfalls ab.
A.________ erhob am 12. Januar 2016 Beschwerde beim Kantonsgericht
Basel-Landschaft, verlangte die Aufhebung dieses Entscheides und ersuchte
gleichzeitig um unentgeltliche Rechtspflege. Das entsprechende Gesuch wurde mit
Präsidialverfügung vom 3. März 2016 abgewiesen. Diese abschlägige (Zwischen-)
Verfügung zog A.________ mit einer Einsprache an die Kammer der Abteilung
Verfassungs- und Verwaltungsrecht weiter und beantragte, die genannte Verfügung
sei aufzuheben und ihm sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.
Mit den Beschlüssen 810 16 18 (betreffend Revision der Staatssteuern) und 810
16 19 (betreffend Revision der direkten Bundessteuer) wies das Kantonsgericht
Basel-Landschaft (Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht) die Einsprache
am 25. Mai 2016 ab. Zur Begründung erwog das Gericht im Wesentlichen, der
Einsprecher habe hauptsächlich geltend gemacht, er sei krankheitsbedingt nicht
in der Lage gewesen, eine Einsprache gegen die steuerrechtlichen Taxationen zu
erheben. Die Krankheit belege er mit einem Arztzeugnis, welches ihm in der Zeit
vom 1. April 2000 bis zum 14. Mai 2013 eine hundertprozentige
Arbeitsunfähigkeit bescheinige, aber ab dem 15. Mai 2013 eine volle
Arbeitsfähigkeit attestiere. Damit sei der Hinderungsgrund der Krankheit
spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen und das Revisionsgesuch - welches
erst rund eineinhalb Jahre später eingereicht worden sei - gestützt auf die
gemäss dem einschlägigen bundes- und kantonalen Verfahrensrecht anwendbaren
Bestimmungen über die Fristwiederherstellung klar verspätet gewesen, weshalb
die Präsidentin in der angefochtenen Verfügung zu Recht von der
Aussichtslosigkeit der Beschwerde ausgegangen sei.
Mit Eingabe vom 9. August 2016 erhob A.________ "Einsprache" (recte:
Beschwerde) beim Bundesgericht und verlangte sinngemäss die Aufhebung der
genannten Beschlüsse; er sei auf unentgeltliche Prozessführung angewiesen. Am
20. Oktober 2016 reichte er aufforderungsgemäss die angefochtenen Beschlüsse
ein. A.________ machte in seiner Beschwerde an das Bundesgericht einzig
geltend, er sei - entgegen der Annahme der Vorinstanz - auch im Mai 2013 nicht
in der Lage gewesen, seinen administrativen Verpflichtungen nachzukommen. Dabei
berief er sich u.a. auf ein Gutachten des Zentrums (X.________) vom 15.
Dezember 2015.

B. 
Mit Urteil 2C_981+982/2016 vom 28. Oktober 2016 trat das Bundesgericht auf die
Beschwerde von A.________ gegen die beiden Beschlüsse des Kantonsgerichts nicht
ein, nachdem der Abteilungspräsident auf Instruktionsmassnahmen verzichtet
hatte. Es erwog im Wesentlichen, das vorerwähnte Gutachten sei - wie auch die
anderen von A.________ in seiner Beschwerdeschrift bezeichneten, dem
Bundesgericht aber nicht eingereichten Unterlagen - vor dem vorinstanzlichen
Entscheid ergangen, womit diese schon im unterinstanzlichen Verfahren hätten
eingereicht werden können (und müssen). Andere Gründe, weshalb die Vorinstanz
die Auffassung ihrer Präsidentin, die Beschwerde gegen den Entscheid des
Steuer- und Enteignungsgerichts vom 6. November 2015 sei aussichtslos, nicht
hätte schützen dürfen, nenne A.________ nicht.

C. 
Mit Eingabe vom 7. November 2016 erhebt A.________ "formell Einspruch gegen
dieses Urteil" und beantragt, es sei darauf zurückzukommen.
Die kantonalen Akten sind beigezogen worden, ein Schriftenwechsel fand nicht
statt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 61 BGG erwachsen Entscheide des Bundesgerichts am Tag ihrer
Ausfällung in Rechtskraft. Gegen Urteile des Bundesgerichts steht kein
ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung, es kann dagegen nicht Beschwerde
erhoben werden (weshalb ein bundesgerichtliches Urteil entgegen der offenbaren
Auffassung von A.________ auch keine Rechtsmittelbelehrung enthalten muss). In
Betracht kommt ein Revisionsgesuch (Art. 121 ff. BGG), als welches die Eingabe
vom 7. November 2016 entgegenzunehmen ist.

1.2. Damit das Bundesgericht auf ein Revisionsgesuch eintritt, genügt, dass der
Gesuchsteller den Minimalanforderung von Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG genügend
einen Revisionsgrund anruft oder zumindest Tatsachen nennt, die von einem
solchen erfasst werden. Ob ein Urteil tatsächlich zu revidieren ist, bildet
keine Frage des Eintretens, sondern eine solche der materiellen Beurteilung
(vgl. 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 1.1). Der Gesuchsteller macht
geltend, er habe das vorne unter lit. B erwähnte Gutachten der Vorinstanz sehr
wohl vor dem Ergehen der angefochtenen Beschlüsse eingereicht. Dieses befände
sich bei den Akten, sei aber nicht gewürdigt worden. Damit ruft der
Gesuchsteller zumindest sinngemäss den Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG
(versehentliche Nichtberücksichtigung in den Akten liegender erheblicher
Tatsachen) an. Auf das durch den hierzu legitimierten ursprünglichen
Beschwerdeführer frist- und formgerecht (vgl. 124 Abs.1 lit. b BGG)
eingereichte Revisionsgesuch ist demnach einzutreten.

2.

2.1. Das Bundesgericht prüft den Sachverhalt nicht von Amtes wegen, sondern
legt seinem Urteil denjenigen zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen - soweit entscheidrelevant - bloss dann
berichtigen oder ergänzen, falls er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung
wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurde (Art. 105 Abs. 2 BGG, BGE 142 V 2
E. 2 S. 5). Dabei gilt, dass das Bundesgericht unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht grundsätzlich nur die geltend
gemachten Vorbringen prüft, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Wird eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht, ist dies vom
Beschwerdeführer besonders zu rügen (Art. 97, Art. 105 bzw. Art. 106 Abs. 2
BGG) und einlässlich zu begründen (BGE 142 V 2 E. 2 S. 5).

2.2. Der Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG liegt deshalb nicht schon dann
vor, wenn das Bundesgericht einen Sachverhalt nicht berücksichtigt, der sich
aus den Akten hätte ergeben können, der aber in der Beschwerde gar nicht
geltend gemacht wurde. Art. 121 lit. d BGG ist nur erfüllt, wenn das Gericht
eine Tatsache oder ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder mit einem falschen
Wortlaut wahrgenommen hat, nicht wenn die Tatsache oder das Aktenstück in der
äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen wurde und allenfalls bloss eine
unzutreffende beweismässige oder rechtliche Würdigung vorgenommen worden ist (
BGE 115 II 399 E. 2a; Urteile 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 2.1, 5F_7/
2012 vom 7. September 2012 E. 1 und 4F_1/2007 vom 13. März 2007, E. 6.1).

2.3. Der Gesuchsteller beruft sich auf ein Gutachten des Zentrums X.________
vom 15. Dezember 2015, welches er schon in seiner Beschwerde vom 9. August 2016
erwähnt hatte. Dort beanstandete er zwar nicht ausdrücklich, dass die
Vorinstanz dieses nicht berücksichtigt habe, doch wäre - wie sich aus den für
das vorliegende Revisionsverfahren nunmehr beigezogenen Akten ergibt -
ersichtlich gewesen, dass sich das genannte Gutachten effektiv bei den Akten
der Vorinstanz befand, von dieser aber in den angefochtenen Beschlüssen mit
keinem Wort gewürdigt wurde. Dies rechtfertigt es, das Revisionsgesuch
gutzuheissen und das Urteil 2C_981+982/2016 vom 28. Oktober 2016 aufzuheben.

3.

3.1. Der damalige Beschwerdeführer und heutige Gesuchsteller wollte und will
mit dem erwähnten Gutachten den Beweis dafür erbringen, dass er auch ab Mai
2013 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen war, bei der Steuerverwaltung
eine Revision der Veranlagungen 2000-2010 zu verlangen, weshalb er sein
Revisionsbegehren rechtzeitig eingereicht habe und die Beschwerde gegen die
gegenteilige gerichtliche Beurteilung nicht aussichtslos sei. Die
Abteilungspräsidentin des Kantonsgerichts und die deren Entscheid bestätigenden
Beschlüsse des Kantonsgerichts hätten daher seinen Anspruch auf unentgeltliche
Prozessführung verletzt.

3.2. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (erster Satz). Soweit es zur
Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf
unentgeltlichen Rechtsbeistand (zweiter Satz). Das kantonale Recht (§ 22 Abs. 1
und 2 des Gesetzes vom 16. Dezember 1993 über die Verfassungs- und
Verwaltungsprozessordnung [VPO]) räumt diesbezüglich keine über Art. 29 Abs. 3
BV hinausgehenden Ansprüche ein.
Als aussichtslos sind nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis Begehren
anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind
als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt,
sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine
Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen
würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im
Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer
vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die
Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (BGE 139
III 475 E. 2.2 S. 476 f., 138 III 217 E. 2.2.4 mit Hinweisen).

3.3. Das vom damaligen Beschwerdeführer und heutigen Gesuchsteller angerufene
Gutachten enthält auf S. 101 unter dem Titel "VII. Arbeitsfähigkeit" folgende
Passage:

"1. Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit (inkl. zeitlicher Verlauf) :
In der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als kaufmännischer Mitarbeiter in einer
Autogarage ist der Versicherte seit Oktober 2012 zu 100 % arbeitsunfähig.
2. Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit
Auch in einer dem körperlichen Leiden optimal angepassten Verweistätigkeit ist
der Versicherte nur im geschützten Rahmen arbeitsfähig und zwar zunächst nur
mit einem reduzierten Pensum von 50 %."
Zwar ergibt sich aus diesem Gutachten wohl eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % in
der angestammten Tätigkeit seit Oktober 2012, aber nicht, dass der
Gesuchsteller/Beschwerdeführer all die Jahre hindurch nicht in der Lage gewesen
wäre, die Steuerveranlagungen anzufechten. Damit sind die Beschlüsse des
Kantonsgerichts vom 25. Mai 2016, wonach die Präsidentin in der Verfügung vom
3. März 2016 zu Recht von der Aussichtslosigkeit der Beschwerde ausgegangen sei
und deshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege habe abweisen dürfen,
auch nach der Mitberücksichtigung des Gutachtens des Zentrums X.________ vom
15. Dezember 2015 im Ergebnis nicht zu beanstanden.

4. 
Die Beschwerde vom 9. August 2016 gegen die beiden angefochtenen Beschlüsse ist
daher trotz Gutheissung des Revisionsgesuches abzuweisen. Nachdem der
Gesuchsteller/Beschwerdeführer schon bisher glaubwürdig dargelegt hat, dass er
von der Sozialhilfe abhängig ist, rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von
Kosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
Soweit in den Eingaben des Beschwerdeführers auch für das bundesgerichtliche
Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erblickt werden kann, wird
dieses damit gegenstandslos.
Mit dem heutigen Urteil ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das
Verfahren vor dem Kantonsgericht rechtskräftig abgewiesen. Das Bundesgericht
behält sich vor, weitere Eingaben ähnlicher Art in dieser Angelegenheit, nach
Prüfung, unbeantwortet abzulegen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen und das Urteil 2C_981+982/ 2016 vom 28.
Oktober 2016 aufgehoben.

2. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_982/2016 (Revision der direkten Bundessteuer
2000-2010, unentgeltliche Rechtspflege) wird abgewiesen.

3. 
Die Beschwerde im Verfahren 2C_981/2016 (Revision der Staatssteuer 2000-2010,
unentgeltliche Rechtspflege) wird abgewiesen.

4. 
Es werden keine Kosten erhoben.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und der
Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Dezember 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein

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