Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Klage nach Art. 120 BGG 2E.2/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2E_2/2016

Urteil vom 23. Juni 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Kläger,

gegen

Schweizerische Eidgenossenschaft,
Beklagte.

Gegenstand
Schadenersatzbegehren,

Klage

Sachverhalt:

A. 
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in Sachen Tinner (Verdacht auf Lieferung
von proliferationsrelevantem Material bzw. Technologie für das libysche
Nuklearwaffenprogramm) wurde u.a. auch bei A.________ eine Hausdurchsuchung
durchgeführt; sämtliche Computer, Backups und CD's wurden dabei beschlagnahmt,
darunter Daten verschiedener Projekte und Bankdaten. Der Bundesrat ordnete in
der Folge die Vernichtung von beschlagnahmtem Material an (s. zu diesem
Sachverhalt Urteil des Bundesgerichts 1B_265/2009 vom 25. Januar 2010). Im
Zusammenhang mit dem gegen ihn in dieser Sache eröffneten Strafverfahren nahm
A.________ spätestens 2011 Akteneinsicht; dabei erkannte er, dass verschiedene
Unterlagen vernichtet worden waren.

B. 
Am 18. August 2015 machte A.________ gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft
Schadenersatz in Höhe von Fr. 1'049'375.-- geltend; der Schaden soll durch die
Materialvernichtung und durch den dabei entstandenen Verlust von Daten über
Projekte, in denen sein ganzes Vermögen und alle BVG-Gelder steckten, bewirkt
worden sein. Der Bundesrat nahm am 4. November 2015 ablehnend zum
Schadenersatzbegehren Stellung. Er hielt namentlich fest, dass die Forderung
verspätet geltend gemacht und die Haftung des Bundes verwirkt sei; zudem
erscheine die Forderung auch materiell unbegründet, würden doch keine
widerrechtliche Handlungen oder Unterlassungen eines Mitglieds des Bundesrats
substantiiert dargelegt, sodass das Begehren aufgrund der vorliegenden Akten
selbst bei Wahrung der Frist abzulehnen wäre.

C. 
A.________ hat am 5. Mai 2016 beim Bundesgericht Klage gegen die Schweizerische
Eidgenossenschaft eingereicht; mittels Hinweis auf seine am 18. August 2016
erhobene Schadenersatzforderung macht er diese zum Klagebegehren. Weiter
beantragt er, die Begründung zur abgelaufenen Verjährungsfrist in der
Stellungnahme des Bundesrats sei zurückzuweisen; ebenso sei die Begründung
"Ihre Schadenersatzforderung wäre daher aufgrund der vorliegenden Akten selbst
bei Wahrung der Frist abzulehnen" zurückzuweisen.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

Erwägungen:

1. 
Gemäss Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die
Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten
(Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32) haftet der Bund für den Schaden, den
ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich
zufügt, ohne Rücksicht auf das Verschulden des Beamten. Die Haftung erstreckt
sich auch auf den durch Mitglieder des Bundesrates in Ausübung amtlicher
Tätigkeit zugefügten Schaden (Art. 1 Abs. 1 lit. b VG). Über streitige
Ansprüche auf Schadenersatz aus der Amtstätigkeit der Mitglieder des Bundesrats
urteilt das Bundesgericht als einzige Instanz (Art. 10 Abs. 2 VG) im
Klageverfahren nach Art. 120 Abs. 1 lit. c BGG. Das Schadenersatzbegehren ist
dabei dem Eidgenössischen Finanzdepartement einzureichen, welches es an den
Bundesrat weiterleitet, der dazu Stellung nimmt (Art. 20 Abs. 2 und Art. 10
Abs. 2 VG sowie Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vom 30. Dezember 1958 zum
Verantwortlichkeitsgesetz [VoVG; SR 170.321]). Bestreitet der Bund den Schaden
oder erhält der Geschädigte innert drei Monaten keine Stellungnahme, so hat
dieser innert weiterer sechs Monate bei Folge der Verwirkung Klage einzureichen
(Art. 20 Abs. 3 VG). Gemäss Art. 20 Abs. 1 VG erlischt die Haftung des Bundes,
wenn der Geschädigte sein Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung nicht
innert eines Jahres seit Kenntnis des Schadens einreicht (relative
Verwirkungsfrist), auf alle Fälle zehn Jahre seit dem Tage der schädigenden
Handlung des Beamten (absolute Verwirkungsfrist).

2. 
Begehren um Schadenersatz und Genugtuung im Staatshaftungsverfahren betreffen
zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 126 I 144 E. 3a
S. 150 f.). Es ist darüber aufgrund einer öffentlichen Verhandlung zu
entscheiden; ist das Bundesgericht (wie vorliegend) einzige Gerichtsinstanz, so
finden die Bestimmungen über eine mündliche Vorbereitungsverhandlung und die
Hauptverhandlung gemäss Art. 34 und 35 sowie Art. 66 ff. BZP (in Verbindung mit
Art. 71 BGG) sinngemäss Anwendung, womit den Anforderungen von Art. 6 EMRK
Genüge getan wird. Wenn sich indessen ohne (öffentliche) Verhandlung (en) oder
Schriftenwechsel mit hinreichender Zuverlässigkeit erkennen lässt, dass eine
Rechtsvorkehr offensichtlich unbegründet oder unzulässig, mithin aussichtslos
ist, kann auf solche prozessualen Handlungen verzichtet werden (BGE 136 I 279
E. 1 S. 281; BGE 122 V 47 E. 3b/dd S. 56 f.; Urteil 2E_1/2013 vom 4. September
2014 E. 2 mit Hinweisen).

3. 
Der Bundesrat stellt sich in seiner Stellungnahme auf den Standpunkt, der
Kläger habe spätestens 2011 hinreichend vom geltend gemachten Schaden Kenntnis
gehabt, um Schadenersatz zu verlangen; die relative Verwirkungsfrist von Art.
20 Abs. 2 (recte: Abs. 1) VG sei 2012 abgelaufen gewesen, sodass ein Anspruch
auf Haftung des Bundes am 18. August 2015, als der Kläger schliesslich sein
Schadenersatzgesuch eingereicht habe, verwirkt gewesen sei. In der Klageschrift
wird nichts vorgebracht, was für eine spätere Kenntnisnahme vom Schaden (nach
2011) sprechen würde. Der Kläger beruft sich allerdings darauf, dass er die
Frist von zehn Jahren seit der schädigenden Handlung (26. Oktober 2006) gewahrt
habe. Voraussetzung für eine Haftung des Bundes ist jedoch, dass nebst der
absoluten zehnjährigen auch die relative einjährige Verwirkungsfrist
eingehalten wird, was hier nicht der Fall ist. Die Klage ist mithin schon wegen
Überschreitens der Einjahresfrist von Art. 20 Abs. 1 VG offensichtlich
unbegründet.

4. 
Der Kläger beruft sich indessen auch auf verschiedene Normen der
Schweizerischen Strafprozessordnung StPO. Er scheint davon auszugehen, dass in
diesem Bereich grundsätzlich eine Verjährungsfrist von 10 Jahren gelte,
ungeachtet anderer Gesichtspunkte. Er erwähnt namentlich auch Art. 435 StPO,
der einzig eine Verjährungsfrist von 10 Jahren nach Eintritt der Rechtskraft
des Entscheids nennt. Mit dieser Norm wollte der Gesetzgeber die Regelung von
Art. 60 Abs. 1 OR übernehmen (s. Botschaft des Bundesrats vom 21. Dezember 2005
zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts [BBl 2006 1085, 1332]), der eine
absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren vorsieht, gerechnet vom Tage der
schädigenden Handlung, zudem aber auch eine relative Verjährungsfrist von einem
Jahr vom Tage hinweg, wo der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der
Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat. Wie es sich damit verhält bzw. wie
Art. 435 StPO auszulegen wäre, kann indessen offen bleiben:

Der Kläger macht einen Schaden geltend, der ihm durch das Handeln des
Bundesrats, nämlich durch die Anordnung, Unterlagen zu vernichten, zugefügt
worden sei. Der Bundesrat hat dies nicht als Organ einer Straf- bzw.
Strafverfolgungsbehörde getan, sondern direkt gestützt auf Art. 184 und 185 BV
(Urteil 1B_265/2009 vom 25. Januar 2010 E. 4). Damit kommt die StPO von
vornherein nicht zur Anwendung, deren Haftungsnormen nur Haftungstatbestände
aus ihrem Regelungsbereich abdecken. Eine Haftung für aus entsprechendem
bundesrätlichem Handeln entstandenen Schaden kommt allein nach den Vorgaben des
Verantwortlichkeitsgesetzes des Bundes in Betracht. Ohnehin ist eine
Haftungsklage direkt an das Bundesgericht einzig nach dem
Verantwortlichkeitsgesetz möglich; für diese ausserordentliche Klage sind
allein die speziellen Vorschriften dieses Gesetzes massgeblich, namentlich Art.
20 Abs. 1 VG. Dass der Kläger durch das Nebeneinander zweier Gesetze in die
Irre geführt sein mochte, ändert an der Geltung allein der Vorschriften des
Verantwortlichkeitsgesetzes für den vorliegend behaupteten Haftungstatbestand
nichts.

5. 
Die Klage ist offensichtlich unbegründet. Da die Begehren des Klägers einer
vertretbaren Grundlage entbehren, ist über die Klage im schriftlichen
Zirkularverfahren zu befinden; eine öffentliche Verhandlung, ein
Schriftenwechsel (Art. 28 ff. BZP) oder sonstige Instruktionsmassnahmen
erübrigen sich (vgl. vorstehend E. 2).

6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem
Kläger aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Klage wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Kläger auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Feller

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