Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.22/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2D_22/2016

Urteil vom 13. Juni 2016

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,
B.A.________,
Beschwerdeführerin,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Regula Walker, Huber Walker,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons
St. Gallen.

Gegenstand
Einreise- und Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 27. April 2016.

Erwägungen:

1. 
A.A.________, geb. 1977, aus Mazedonien stammend, ist heute Schweizer Bürger.
Er wohnte zusammen mit seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern (geb.
2004 und 2008), die alle ebenfalls über das Schweizer Bürgerrecht verfügen, in
einer 5 1/2-Zimmer-Eigentumswohnung im Kanton St. Gallen. Offenbar bewohnt die
Familie heute ein je zur Hälfte im Eigentum von A.A.________ und seiner Ehefrau
stehendes Wohnhaus mit sieben Zimmern. B.A.________, geb. 1960, Mazedonierin,
ist die Mutter von A.A.________. Sie lebt in Mazedonien; seit September 2013
ist sie verwitwet. Sie hielt sich seit 2001 mehrmals zu begrenzten Aufenthalten
von bis zu drei Monaten in der Schweiz auf. Am 28. Oktober 2013 ersuchte
A.A.________ für sie um Familiennachzug. Das Migrationsamt des Kantons St.
Gallen wies das Gesuch am 22. Mai 2014 ab; der gegen die entsprechende
Verfügung erhobene Rekurs an das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons
St. Gallen blieb erfolglos. Die gegen den Rekursentscheid vom 1. September 2014
erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 27.
April 2016 ab.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 3. Juni 2016 beantragen A.A.________
und B.A.________ dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben; das Gesuch um Familiennachzug sei gutzuheissen und B.A.________ sei
die Einreise- und Aufenthaltsbewilligung im Rahmen der Übersiedelung zu
erteilen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen; vorfrageweise sei zu prüfen, ob die Praxisharmonisierung der
Vereinigung der Migrationsämter Ostschweiz und Fürstentum Liechtenstein gegen
die derogatorische Kraft des Bundesrechts von Art. 25 Abs. 4 der Verordnung vom
24. Oktober 2007 über Zulassung und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201)
verstösst.
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden.

2. 

2.1. Die Beschwerdeführer erheben ausdrücklich subsidiäre
Verfassungsbeschwerde. Gemäss Art. 113 BV beurteilt das Bundesgericht
Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit
keine Beschwerde nach den Art. 72 - 89 zulässig ist. Angefochten ist ein
Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Als ordentliches
Rechtsmittel in Betracht fiele die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG). Diese ist gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2
BGG unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend
Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen
Anspruch einräumt.
Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige eines Drittstaats, ist die Mutter und
damit Verwandte in aufsteigender Linie des Beschwerdeführers, der das Schweizer
Bürgerrecht hat. Gemäss Art. 42 Abs. 2 lit. b AuG hat ein Verwandter in
aufsteigender Linie eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn er im Besitz einer dauerhaften
Aufenthaltsbewilligung eines Staates ist, mit dem ein Freizügigkeitsabkommen
abgeschlossen wurde. Mit dieser Bestimmung sollte die Familiennachzugsregelung
bzw. -praxis für Angehörige von Schweizer Bürgern derjenigen für EU-Angehörige
angeglichen werden, denen gestützt auf das FZA (namentlich Art. 3 Anhang I FZA;
vgl. zudem noch Art. 24 Anhang I FZA zum Aufenthalt von Angehörigen eines
EU-Staats ohne Erwerbstätigkeit) ein Anspruch auf ausländerrechtliche
Bewilligung zusteht. Diese ist mit BGE 136 II 5 grosszügiger geworden (Verzicht
auf das Erfordernis des vorgängigen rechtmässigen Aufenthalts des
Nachzuziehenden in einem Vertragsstaat), ohne dass der Gesetzgeber Art. 42 Abs.
2 AuG für nachziehungswillige Schweizer Bürger entsprechend angepasst hätte.
Daraus resultiert zwischen Familienangehörigen von EU-Angehörigen und
Familienangehörigen von Schweizern eine unterschiedliche Behandlung, deren
Rechtfertigung zunächst in Frage gestellt wurde (BGE 136 II 120 E. 3.3 und 3.4
S. 126 ff.), jedoch mit dem Hinweis, dass eine Korrektur dem Gesetzgeber
obliegen würde (BGE 136 II 120 E. 3.5 S. 130 ff.). In der Folge gab der
Gesetzgeber einer auf eine entsprechende Gesetzesanpassung abzielenden
parlamentarischen Initiative keine Folge, sodass Art. 42 Abs. 2 AuG angesichts
von Art. 190 BV weiterhin nach seinem Wortlaut auszulegen ist und Entscheide
über Nachzugsgesuche von Schweizer Bürgern für Familienangehörige in
aufsteigender Linie aus Drittstaaten, anders als für Familienangehörige aus
Drittstaaten von EU-Bürgern, nach freiem Ermessen der kantonalen Behörden
gefällt werden, sofern keine andere Anspruchsnorm angerufen werden kann (Urteil
2C_303/2014 vom 20. Februar 2015 E. 2.3 mit Hinweisen).
Vorliegend verschafft Art. 42 Abs. 2 AuG mithin keinen Rechtsanspruch auf
Nachzug der Beschwerdeführerin. Das Nachzugsgesuch beurteilt sich
ausschliesslich nach Art. 28 AuG, welcher vorsieht, dass Ausländerinnen und
Ausländer, die nicht mehr erwerbstätig sind, zugelassen werden können, wenn sie
ein vom Bundesrat festgelegtes Mindestalter erreicht haben (lit. a); besondere
persönliche Beziehungen zur Schweiz besitzen (lit. b); und über die notwendigen
finanziellen Mittel verfügen (lit. c). Art. 28 AuG ist eine Kann-Vorschrift und
räumt keine Bewilligungsansprüche ein, gleich wie Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG (
BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348 e contrario; Urteil 2C_133/2016 vom 9. Februar
2016 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen). Erst recht lässt sich aus Art. 25 VZAE
kein Bewilligungsanspruch ableiten, präzisiert dieser doch bloss die Kriterien,
die Art. 28 AuG zur Voraussetzung macht, um überhaupt eine allfällige
Bewilligung in Betracht zu ziehen; auch wenn die in der Verordnung genannten
Voraussetzungen einer Bewilligungserteilung erfüllt sind, bleibt die Behörde
bei ihrem Bewilligungsentscheid frei (vgl. BGE 130 II 281 E. 2.2 S. 284, noch
zur Regelung von OG und ANAG, an deren Natur sich durch die Einführung des BGG
bzw. des AuG nichts geändert hat).
Mangels Rechtsanspruchs auf die für die Beschwerdeführerin nachgesuchte
Bewilligung kann der Entscheid des Verwaltungsgerichts nach Art. 83 lit. c
Ziff. 2 BGG nicht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
angefochten werden; als bundesrechtliches Rechtsmittel steht in der Tat allein
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zur Verfügung.

2.2. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG); solche Rügen bedürfen spezifischer
Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG).
Zur Verfassungsbeschwerde ist berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art.
115 lit. b BGG). Steht dem Ausländer kein Anspruch auf die beantragte
ausländerrechtliche Bewilligung zu, ist er durch deren Verweigerung nicht in
rechtlich geschützten Interessen betroffen, weshalb ihm die Legitimation zur
Anfechtung des negativen Bewilligungsentscheids bzw. eines diesen bestätigenden
Rechtsmittelentscheids in der Sache selbst fehlt (BGE 133 I 185). Dies gilt
ausnahmslos für die Rüge der Verletzung des Willkürverbots (BGE 133 I 185 E. 6
S. 197 ff.). Die Beschwerdeführer machen nebst Willkür geltend, der
angefochtene Entscheid verstosse gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs.
2 BV) und missachte den Vorrang des Bundesrechts (Ar. 49 BV).

2.3. Die Beschwerdeführer begründen die Diskriminierungsrüge damit, dass der
Bundesrat Art. 25 VZAE geändert und dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 2 der
Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs
(VEP; SR 142.203), der nach seiner Marginalie Art. 24 Anhang I FZA (und nach
Darstellung der Beschwerdeführer auch Art. 3 Anhang I FZA) konkretisiert,
angepasst habe; daraus ergebe sich der Wille des Verordnungsgebers, ein Recht
auf Gleichbehandlung von Schweizern mit EU/EFTA-Angehörigen herbeizuführen. Die
Beschwerdeführer versuchen auf diese Weise, die im Gesetz angelegte
Ungleichbehandlung zwischen Drittstaaten-Angehörigen von EU-Bürgern und von
Schweizer-Bürgern zu korrigieren. Nach dem vorstehend in E. 2.1 Ausgeführten
ist für den Rechtsanwender verbindlich statuiert, dass nur für die
Erstgenannten ein Rechtsanspruch besteht, nicht auch für die Zweitgenannten,
woran der Verordnungsgeber nichts zu ändern vermag. Lässt sich im Hinblick auf
Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG auch unter dem Gesichtswinkel des
Diskriminierungsverbots kein Rechtsanspruch auf Bewilligungserteilung
herleiten, verschafft dieses im vorliegenden Zusammenhang auch nicht ein
rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG.
Dasselbe gilt hinsichtlich der Rüge der Verletzung von Art. 49 BV. Sie beruht
auf der Behauptung, Art. 25 VZAE sei falsch bzw. willkürlich angewendet worden;
da diese Norm keine Rechtsansprüche einräumt und der Bewilligungsentscheid im
freien Ermessen der Behörde bleibt, sind die Beschwerdeführer mit der Rüge und
dem damit verbundenen Feststellungsantrag nicht zu hören. Sie sind auch in
dieser Hinsicht nicht in rechtlich geschützten Interessen betroffen.

2.4. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde erweist sich als offensichtlich
unzulässig (Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG). Es ist darauf mit Entscheid des
Abteilungspräsidenten als Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach Art.
108 BGG nicht einzutreten.

2.5. Die Gerichtskosten sind nach Massgabe von Art. 65, Art. 66 Abs. 1 erster
Satz und Abs. 5 BGG den Beschwerdeführern aufzuerlegen.

Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2016

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Feller

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